Читать книгу Lustvolle Qualen - Melanie Weber-Tilse - Страница 11

Peter

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Es war eine lange Nacht gewesen, nachdem er sie nach Hause gefahren hatte, hinderten ihn sein Instinkt und sein Training daran, sofort zu fahren. Er ahnte, dass sie etwas Dummes tun würde. Jeder Mensch hatte seine Automatismen und würde in Ausnahmesituationen wieder dahin zurückfallen.

So wendete er den Wagen an der nächsten Straßenkreuzung und parkte ein paar Häuser entfernt, ihren Hauseingang im Blick und wie er es sich dachte, dauerte es keine zehn Minuten und sie kam in einem Laufoutfit wieder raus. ′Mädchen, was tust du nur? Um diese Uhrzeit, verdammt′. Er war kurz davor, sofort zu intervenieren und sie zurück in ihre Wohnung zu scheuchen. Doch kannte er es nur zu gut von sich selbst, dass es Zeiten gab, in denen man einfach Dinge gegen jegliche Vernunft tat. Und dies schien nun ihr Ritual zu sein. Es war schwer, sie ziehen zu lassen, und doch ließ er sie gewähren und beschränkte sich nur darauf, in einigem Abstand hinter ihr herzufahren.

Nachdem er sich ihr im Park offen gezeigt hatte und seine Haltung deutliches Missfallen signalisierte, schien sie ein Einsehen zu haben und machte sich auf den Heimweg.

Erst nachdem sie in ihre Wohnung zurückgekehrt war und nach weiteren zwanzig Minuten die Lichter gelöscht wurden, konnte er davon ausgehen, dass sie nun erst einmal sicher war und keine weiteren Dummheiten machen würde.

Zeit für ein Gespräch mit Mr. Slones, um herauszufinden, was geschehen war. Denn so gut die Kameraüberwachung auch war, und ja, er hatte jeden Raum des God´s Demons ausgerüstet und verkabelt, achtete und respektierte er dennoch die Privatsphäre ihrer Kunden. Nur er hatte Zugang zu den Kameras in den Separés und nur auf besonderen Wunsch wurden sie durch ihn aktiviert. Bei solchen Veranstaltungen wie heute waren sie immer deaktiviert, sodass jeder ungestört seine Neigungen ausleben konnte.

Auch wenn er sich gerade wünschte, dass es anders gewesen wäre, aber gut, ein altmodisches Verhör hatte noch niemandem geschadet und er würde auch so an die Informationen kommen, die er brauchte.

Zwei Stunden später wusste er, was es zu wissen gab. Und das war leider verdammt wenig. Im Prinzip konnte er nur vermuten, was der Auslöser war: bedrängende Nähe, ein abwertender egoistischer Tonfall, vielleicht auch ganz bestimmte Worte. Es nutzte nichts, er musste es herausfinden. Da er keinen Sinn darin sah, nach Hause zu fahren, entschied er, sich im God´s Demons eine Runde aufs Ohr zu hauen. Auch wenn die Party noch bis nach Sonnenaufgang weiter gehen würde, hatte er jedes Interesse daran verloren. Kurz war er versucht mit Patricia oder Miguel zu sprechen, doch verwarf er den Gedanken, die beiden kannten Sarah noch weniger. Er musste warten und würde in zwei Stunden zu Sam und Joyce fahren, um mit der Frau seines besten Freundes zu sprechen. Wenn einer was wusste, dann sie.

′Ach verdammt, was solls′. Er würde hier eh kein Auge zu machen und da konnte er auch seinem Instinkt nachgeben und das tun, was er am besten konnte. Daten beschaffen und in der Vergangenheit anderer Leute graben.

So verbrachte er die nächste Stunde über seinen speziellen Laptop gebeugt, nutzte sämtliche Berechtigungen, die ihm seine Stellung einbrachte. Weder Polizei noch FBI rund um Leeds hatten in dem von ihm abgesteckten Zeitraum etwas, was auch nur andeutungsweise auf Sarah und dem, was ihr zugestoßen sein könnte, hinwies.

Also grub er weiter und durchleuchtete die Krankenhäuser der Umgebung. Keine Einträge. Moment, da, die Sprechstunde für Obdachlose, einmal die Woche. Schnell überflog er jede einzelne Akte. Wie er es sich dachte, wurden die meisten Patienten anonym geführt. Sein analytischer Verstand schaltete schneller als sein Bewusstsein als er ihn veranlasste innezuhalten. Er hatte sie.

Die Beschreibung passte perfekt auf eine jüngere Sarah und vom Datum her lag es einen Tag vor ihrer plötzlichen Abreise und dem Umzug nach Leeds. Tief durchatmend las er sich den neutralgehaltenen Arztbericht durch. Gott Frau, wer hatte dir das nur angetan? Seine Hand verkrampfte sich zu einer Faust. Wer immer es gewesen war, er würde die Rechnung bezahlen mit Zins und Zinseszins.

***

Um Punkt sechs Uhr am Morgen stand er vor der alten Lagerhalle, die Sam und Joyce ihr Zuhause nannten. Peter wusste, dass Sam jeden Morgen seine Runde um diese Uhrzeit antrat und so lehnte er gelassen an seinem Camaro, die Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, als sich die Tür öffnete und Sam aus dem Lastenaufzug trat.

Erstaunt betrachtete dieser ihn. »Peter? Was machst du denn so früh hier?« Doch als er näher trat und in seiner Miene las, wusste dieser sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist passiert? Komm, wir reden drinnen!«

Kurz umarmten sich die Freunde. »Ist Joyce schon wach? Ich müsste auch mit ihr sprechen. Hauptsächlich mit ihr!«

Oben angekommen setzte er sich in die Küche, nachdem er sich einen Kaffee aus dem Vollautomaten gezogen hatte und wartete, bis Sam seiner Frau Bescheid gesagt hatte, und beide bei ihm saßen.

In kurzen knappen Worten schilderte er, was letzte Nacht geschehen war, und fragte dann Joyce, ob sie das schon einmal erlebt hatte, was diese verneinte und als er sich erkundigte, ob sie sich erinnern könnte, wie damals Sarahs Umzug nach Sanderson verlief, antwortete diese nachdenklich. »Nun, ich habe mir damals nichts dabei gedacht. Sarah hatte mir nur eine SMS geschrieben, dass sie das Jobangebot ihres Lebens hätte, weil ein Headhunter sie angesprochen hätte und ihr eine Stelle anbot. Allerdings hätte sie sich schnell entscheiden müssen, da sie den Job nur bekäme, wenn sie sofort Montag anfangen könnte, darum ist sie halt so Hals über Kopf weg, ohne dass sie sich richtig verabschieden konnte.«

»Wann hast du das nächste Mal von ihr gehört?«, hakte Peter ernst nach und als Joyce am Überlegen war und dann grübelnd antwortete, »ungefähr drei Monate später, sie hat sich tausendmal entschuldigt und meinte, es war so stressig, dass sie es nicht früher geschafft hätte«, nickte Peter, der seinen Verdacht bestätigt sah. Er würde es gleich in Ruhe nachprüfen, doch ahnte er schon, was er finden würde.

»Aber wie geht es Sarah jetzt? Ist alles in Ordnung mit ihr?«

»Warum überraschst du sie nicht mit einem Frühstück und schaust selbst, mein Engel? Hm? Ich denke, sie würde sich bestimmt freuen dich zu sehen«, stand Sam seinem Freund bei, der ahnte, dass da noch mehr war, was er nun nicht vor seiner Frau ausbreiten wollte. »Ich verbringe derweil den Morgen mit Leyla.«

Er gab seiner Liebsten einen liebevollen und sinnlichen Kuss, ehe diese sich gut gelaunt ausgehfertig machte und dann die Wohnung verließ.

»Okay raus damit, was weißt du noch?« Sam schaute seinem Freund entgegen, dieser öffnete den Laptop und zeigte ihm ohne etwas zu sagen die Krankenakte, welche er vorhin gefunden hatte.

»Fuck«, war das Einzige, was Sam, nachdem er sie gelesen hatte, von sich gab.

»Ganz genau das, habt ihr Halbgötter in Weiß nicht eine fachchinesische Bezeichnung dafür?«

»PTBS oder posttraumatische Belastungsstörung und du sagst, sie hatte heute Nacht eine Panikattacke?« Als Peter nur nickte, schwieg auch Sam eine Weile und dachte nach. »Das Beste für sie wäre eine Therapie, aber ich nehme an, dass sie alles so gut es geht, verdrängt hat und sich weigern wird, sich damit wieder auseinanderzusetzen.«

»Wir werden sehen. Danke Sam, ich fahre denn mal, hab die ganze Nacht nicht gepennt und sollte endlich ins Bett.«

Es fiel ihm schwer, seinen Freund anzulügen, doch der kannte ihn zu gut und schüttelte nur schmunzelnd den Kopf. »Fahr zu ihr, du weißt doch, dass ich ganz genauso handeln würde.«

Zur Verabschiedung umarmten sie sich noch einmal und Peter machte sich auf den Weg.

Vor ihrem Haus parkte der Ford von Joyce und als er ausstieg, um zum Eingang zu gehen, kam ihm diese entgegen, wirkte ein wenig geknickt. »Sie will niemanden sehen«, sagte sie nur seufzend und ohne etwas darauf zu entgegnen, war er schon an ihr vorbei und auf der Treppe zu Sarahs Appartement.

»Ich hab doch gesagt, jetzt ...«, schaffte Sarah zu sagen, als er sich einfach wortlos an ihr vorbei drückte und ihr die Brötchentüte aus der Hand nahm.

Auf dem Weg in die Küche sagte er nur: »Schließ die Tür, außer du möchtest die Nachbarn zum Frühstück einladen«, und so machte er sich in ihrer kleinen Küche daran, das Frühstück vorzubereiten.

Kurz warf er ihr einen Blick zu. »Der Anblick ist zwar wirklich nett, aber möchtest du dir nichts anziehen?«

Mit einem Schmunzeln nahm er zur Kenntnis, wie sie ein wenig errötete und sich dann schleunigst davon machte. So hatte er genug Zeit den Tisch herzurichten und als der Kaffee durchgelaufen war, nahm er sich eine Tasse und stellte sich vor das Fenster, um ihr in aller Ruhe Zeit zu geben. Er schaute hinaus, als er sie hinter sich hörte und drehte sich um, hastig wich sie seinem Blick aus und versuchte, sich irgendwie einen eigenen Kaffee einzuschenken, was ihr scheinbar alles abverlangte.

Als er sah, wie sich ihre Hand krampfhaft zur Faust ballte und ihre Atmung wieder tiefer und schneller wurde, war er bei ihr, sanft ließ er seine Hand auf ihre geballte Faust sinken.

Er wollte gerade ansetzen, beruhigend auf sie einzureden, als sie in der beginnenden Hyperventilation nur hervorpresste, »geh jetzt.«

Dabei brannte sich ihr Blick voller Verzweiflung der ausbrechenden Panik in sein Gedächtnis. »Das werde ich ganz sicher nicht tun«, doch trat er einen halben Schritt zurück, um dieses Bedrängen etwas zu verringern. Dabei hielt er ihre Faust und ließ seine Finger diese bedächtig öffnen. Seine blauen Augen hielten sie gefangen und vorsichtig legte er ihre Hand auf seine Brust.

»Atme mit mir, Sarah. Konzentriere dich ganz auf das Heben und Senken meines Brustkorbes. Ich bin es, Peter, und du weißt, dass du vor mir keine Angst haben brauchst. Langsam einatmen, halten und ausatmen, so ist es gut.« Seine Stimme war die Ruhe selbst und egal, was gerade alles in ihm vorging, wichtig war nur sie, er musste es schaffen, zu ihr durchzudringen, durfte nicht zulassen, dass sie jetzt erneut einer Panikattacke erlag.

So standen sie eine gefühlte Ewigkeit, ihre Hand auf seiner Brust und fast wie in einem Singsang kamen seine Worte »einatmen, halten und ausatmen« immer wieder über seine Lippen. »Das machst du gut, meine Kleine. Weiter, konzentrier dich nur auf die Atmung und meine Stimme.«

Und es wirkte. Langsam ließ das Zittern nach, ihre Atmung wurde ruhiger und ganz langsam verließ die Panik ihren Blick und machte einer Erschöpfung Platz, welche sie fast zu Boden sinken ließ. Ohne wirklich darüber nachzudenken, hob er sie auf seine Arme und trug sie hinüber ins Wohnzimmer.

Sie musste wirklich mit ihren Kräften am Ende sein, denn sie legte sogar um Halt zu haben, einen Arm um ihn. Fast war er versucht, sie einfach so bis in alle Ewigkeit zu halten, doch seine Vernunft siegte und so legte er sie mit aller Vorsicht auf das Sofa und deckte sie zu.

»Ruh dich aus, meine kleine Sarah. Ich werde dir fix ein paar Brötchen belegen, denn du musst etwas essen, damit du wieder zu Kräften kommst. Also sei brav und bleib einfach liegen und lass mich machen.«

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, begab er sich in die Küche und schmierte ihr ein paar Brötchen.

Als er wieder ins Wohnzimmer kam, war sie eingeschlafen. Wahrscheinlich hatte die Erschöpfung sie übermannt. So stellte er den Teller vor sie auf den Tisch, ebenso das Glas Saft und setzte sich ihr gegenüber in den Sessel und wartete, wartete darauf, dass sie wieder erwachen würde.

Und ehe sie sich nicht unterhalten hatten, würde er nicht gehen. Dafür war seine Sorge zu groß. Vielleicht würde sie ihm freiwillig erzählen, was geschehen war, wenn nicht? Nun das würde sich zeigen, so oder so würde er erfahren, was genau geschehen war, und vor allem, wer ihr das angetan hatte. Und erst wenn sie einwilligte eine Therapie zu machen, damit sie das geschehene verarbeiten konnte, würde er Ruhe geben.

Lustvolle Qualen

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