Читать книгу Was in Krisen zählt - Michael Bordt - Страница 6
Die philosophische Perspektive
ОглавлениеZu der Frage, wie die Krise des politischen Terrorismus sowie die Klima- und die Finanzkrise strukturell, politisch oder auch wirtschaftlich überwunden werden können, habe ich nichts zu sagen. Ich bin weder Politologe noch Klimaforscher noch Wirtschaftswissenschaftler. Ich bin Philosoph, und als Philosoph hat man einen etwas anderen Blick, eine etwas andere Perspektive auf diese drei Krisen. Dieser Blick ist durch eine Diskussion geschärft, die so alt ist wie die Philosophie selbst: die Diskussion darüber, worin das geglückte, gelungene Leben eigentlich besteht. Wie werde ich glücklich? Was ist der Sinn meines Lebens? Wie kann mein Leben gelingen?
Wenn man mit einem philosophischen Blick an die drei Krisen herangeht, dann drängt sich schnell eine Vermutung auf. Die Vermutung, dass es eine gemeinsame Wurzel der Krisen gibt und dass diese Wurzel damit zu tun hat, dass Menschen vergessen haben, was im Leben eigentlich wirklich zählt. Die Chance, die den drei Krisen innewohnt, besteht darin, sich erneut und ernsthaft die Frage zu stellen, was im Leben tatsächlich von Relevanz und Wichtigkeit ist. Was macht uns Menschen tatsächlich glücklich und zufrieden? Was sollten wir tun und was sollten wir lieber lassen, wenn unser Leben gelingen soll? Es ist diese Frage, die ich auf den kommenden Seiten ein wenig vertiefen möchte.
Auf den ersten Blick scheint es zu simpel zu sein, mit einer solchen Fragestellung wie mit einem Scheinwerfer an die drei Krisen heranzugehen. Schließlich sind diese Krisen hochkomplex. Denn sie haben auch strukturelle und politische Ursachen. Trotzdem: Allein die Tatsache, dass eine Fragestellung einseitig ist, macht sie noch lange nicht falsch. Die Frage ist, ob die Perspektive produktiv und hilfreich ist, um die Chancen, die in den Krisen stecken, zu erkennen und zu nutzen, und ob der Blickwinkel auf diese Weise ein sinnvoller Baustein in einem ganzen Mosaik von Lösungsansätzen sein kann, die sich gegenseitig befruchten.
Aus philosophischer Sicht ergibt sich, dass der Terrorismus, der Klimawandel und die Finanzkrise Chancen dafür sind, mehr Kompetenz darin zu erwerben, etwas zu erreichen, was den meisten Menschen in unserem Land so offensichtlich fehlt: Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Es ist ja bei Weitem nicht so, dass wir bisher mit unserem Leben eigentlich vollkommen zufrieden und glücklich gewesen wären und diese drei Krisen jetzt von einem Tag auf den anderen unser Glück ernsthaft bedrohen. Wer schon einmal die Gelegenheit hatte, ärmere Länder zu bereisen, und sich dort nicht in Touristengettos abgeschottet, sondern mit Menschen zu tun gehabt hat, deren Lebensgrundlagen weit unsicherer sind als die unseren, der wird die Erfahrung gemacht haben, dass diese Menschen trotz ihres harten Alltags oft so viel froher, gelöster und natürlicher sind als wir hier in Deutschland – vorausgesetzt natürlich, sie sind in der Lage, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Woran liegt das? Was ist es, das uns zum Glück fehlt? Orientieren wir uns in unserem Leben tatsächlich noch an den Dingen, die wirklich wichtig sind, oder haben wir diese schon längst aus den Augen verloren?