Читать книгу Potsdam MM-City Reiseführer Michael Müller Verlag - Michael Bussmann - Страница 10
ОглавлениеWege durch Potsdam
Potsdams historisches Herz
Tour 1
Willkommen im umstrittensten Stadtteil Potsdams! Die einen wünschen sich ein würdevoll-historisches Zentrum zurück. Die anderen scheuen sich vor der unaufhörlich fortschreitenden Disneylandisierung der Altstadt.
Neuer Markt, schön-stiller Barockplatz
Nikolaikirche, nicht verpassen: den Aufstieg zur Aussichtsplattform
Palais Barberini, hochkarätige Kunst zwischen russischem Impressionismus und Realsozialismus
Stadtschloss, hier darf man nicht nur reingehen, sondern sollte sogar
Kein Viertel der Stadt hat wohl in den vergangenen Jahren so sein Gesicht verändert wie das Eck um den Alten Markt. Friedrich der Große hatte den Platz einst nach dem Vorbild einer römischen Piazza anlegen lassen. Dann kamen Krieg und Zerstörung, Abriss und Wiederaufbau. „Zurück zu den Wurzeln“ heißt die Devise seit dem Mauerfall. Aus der Ödnis zu DDR-Zeiten wurde wieder ein Ort, der staunen lässt.
Rund um den Alten Markt versammelt sich auch so ziemlich alles, um was Potsdam in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten diskutiert und gestritten hat. Das Stadtschloss ist wieder da. Das Palais Barberini wurde rekonstruiert - seitdem bekommt Potsdam wieder einen regen Strom an Kunst-Nerds aus der nahen Hauptstadt und ganz Deutschland ab. Die Fachhochschule aus den 1970er-Jahren wurde abgerissen, ein Wohn- und Geschäftsviertel in historischen Dimensionen soll auf dem Areal entstehen - sehr zum Unmut derer, die in dem Nebeneinander aus DDR-Bauten und (pseudo-)barockem Protz eine spannende Melange sahen. Etwas weiter wird der Turm der Garnisonkirche wieder aufgebaut - vielleicht folgt auch noch das Kirchenschiff. Und so weiter und so fort.
Ein Sanierungsgebiet wird das Eck jedenfalls noch eine Weile bleiben. Die „Disneylandisierung der Potsdamer Innenstadt“, wie Kritiker meinen, ist noch längst nicht abgeschlossen. Sei es, wie es will: Den Potsdam-Touristen erwartet rund um den Alten Markt viel Spannendes. Und eine enorme Diskrepanz: Zwischen hochkarätiger Kunst und abgerockten Plattenbauten, vor denen Omis mit Kittelschürze und Rollator sitzen, liegen oft nur ein paar Meter.
Hinweis zum Aufbau des Reiseteils
Der in den Spaziergängen bzw. Radtouren und teilweise auch in den Eingangskapiteln auftauchende Pfeil „→“ vor einer Sehenswürdigkeit verweist auf eine ausführlichere Beschreibung im anhängenden Kapitel „Sehenswertes“. Die angegebene Dauer eines Spaziergangs bzw. einer Radtour beinhaltet nicht den Besuch von Museen oder Sehenswürdigkeiten.
Spaziergang
Länge ca. 2 km, Dauer ca. 1:40 Std., Karte.
Wir beginnen unseren Spaziergang am Alten Markt, dem heute wieder schönsten Platz der Stadt. Auf Fotos aus den 1950er-Jahren sieht er noch wie ein Gebiss des Grauens aus: das Schloss in Ruinen, die Nikolaikirche und das Alte Rathaus ebenso. Noch leerer wurde der Alte Markt, als das Stadtschloss 1960 abgerissen wurde. Der Platz mutierte zu einer öden, weiten Fläche, über die der Wind pfiff, wie geschaffen für Großkundgebungen. Heute, nach den Rekonstruktionen, kann man dem Alten Markt eine gewisse Grandezza wahrlich nicht absprechen. Urbane Lebendigkeit will sich aber nicht einstellen. Trotz der vielen Touristen, die hier auf- und abmarschieren. Schauen wir uns um.
Rund um den Alten Markt
Dominiert wird der Platz von der → Nikolaikirche mit ihrer mächtigen Kuppel. Unterhalb der Kuppel gibt es eine Aussichtsplattform. Gen Süden blickt man von dort auf Stuck und Gold rund um den Alten Markt, gen Osten auf düstere Modularbauten aus sozialistischer Zeit.
Vor der Kirche steht seit Mitte des 18. Jh. ein 25 m hoher, von barbusigen Sphingen bewachter Obelisk, den der Bildhauer Benjamin Giese ursprünglich mit den Bildmedaillons preußischer Kurfürsten und Könige verziert hatte. Zu DDR-Zeiten wurde der Obelisk wegen Baufälligkeit bis auf den Sockel abgetragen und mit Marmor aus der Sowjetunion und Jugoslawien wieder aufgebaut. Seitdem schmücken ihn keine preußischen Herrscher mehr, sondern die Reliefs berühmter preußischer Architekten. Die Figuren an den Ecken stellen antike Redner dar.
Der Bau rechts neben der Nikolaikirche mit dem vergoldeten Atlas auf dem Dach ist das Alte Rathaus, heute ein Teil des → Potsdam Museums. An der Südostseite, zur Alten Fahrt hin, folgt das → Palais Barberini, der Promi unter den Potsdamer Palästen. Im Inneren wird hochkarätige Kunst gezeigt.
Links der Nikolaikirche fallen Bauzäune ins Auge. Hier stand bis 2018 ein dreigeschossiger Bau der DDR-Moderne, der zuletzt die Fachbereiche Sozial- und Informationswesen der Fachhochschule Potsdam beherbergte. Das Gebäude war arg umstritten. Die einen liebten es, die anderen hassten es. Die, die in dem Gebäude ein Stück erhaltenswerte DDR-Architektur sahen und für dessen Erhalt kämpften, kämpften vergebens - die Hasser gewannen. Ab 2021 soll hier ein Block aus 15 Gebäuden im historisierenden Stil entstehen. Geplant ist eine „Mischung aus Wohnen, Einzelhandel, Gastronomie, Kunst und Kultur“.
Seinen würdigen Abschluss erhält der Alte Markt gen Süden durch das lachsrosafarbene → Stadtschloss, ein Fake-Schloss, dessen Rekonstruktion 150 Mio. Euro kostete. Im Schloss hat heute der Landtag seinen Sitz. An der Westseite des Schlosses, zur Friedrich-Ebert-Straße hin, erblickt man den goldenen Schriftzug „Ceci n’est pas un château“. Auf Deutsch: „Das ist kein Schloss“. Und im Klartext: „Das ist kein Abklatsch, sondern was Eigenes.“ Ausgedacht hat sich den Satz die Potsdamer Restauratorin Annette Paul. Davor steht die Ringerkolonnade, eine Kolonnade mit korinthischen Säulen. Was ihr fehlt, sind die namengebenden Ringerskulpturen, die noch auf ihre Restaurierung warten.
Sterne gucken
Das FH-Gebäude verschwand zwar. Gerettet aber wurde sein Fassadenschmuck, wabenartig miteinander vernetzte Sterne aus weiß lackiertem Aluminium, einem Origami-Kunstwerk ähnlich. Bereits vor dem Abriss 2018 waren die Sterne zum Symbol des Kampfes für den Erhalt des Bauwerks geworden: „FH bleibt!“. Und zum Zeichen des Protests gegen die politische Kultur in der Stadt. Selbst auf Stofftaschen wurden sie gedruckt. Ein Teil der Sternefassade ist heute auf dem FH-Campus an der Kiepenheuerallee nördlich des Zentrums eingelagert und soll künftig u. a. bei der Verschönerung des Campus Verwendung finden. In der dortigen Bibliothek hängen schon welche. Auch anderswo schafften es die Sterne bereits in den öffentlichen Raum: Werfen Sie z. B. einen Blick auf das abgerockte Gebäude der Bibliothek konte◊ :x◊ t an der Ecke Hermann-Elflein-Straße/Gutenbergstraße (der Stern hängt hofseitig zur Gutenbergstraße hin). Viel Spaß beim Sternegucken!
Entlang der Breiten Straße
Früher verband die Kolonnade das Stadtschloss mit dem → Marstall auf der anderen Seite der Straßenbahnschienen. In dem imposanten Gebäuderiegel - länger als ein Fußballplatz, aber nicht mal so breit wie ein Tennisplatz - ist heute das Filmmuseum untergebracht. Direkt hinter dem Marstall entsteht zur Friedrich-Ebert-Straße hin Potsdams neue Synagoge, bis 2023 soll das Projekt abgeschlossen sein.
Wir umrunden den Marstall mit seinen zwei prächtigen Portalen samt wiehernden Pferden entlang der Breiten Straße. Auf der Rückseite des Marstalls, bei der Statue von General Steuben, biegen wir nach links in den Neuen Markt ein. Apropos Steuben. Friedrich Wilhelm von Steuben (1730-1794) war ein preußischer Offizier. Als seine Homosexualität bekannt wurde, flüchtete er nach Amerika und machte im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg Karriere. Er sprach bestes Denglisch, angeblich mit „oll korrekt“ statt mit „all correct“ zeichnete er seine Papiere ab - Kurzform: „o.k.“.
Neuer Markt
Gebäude in Potsdam-Gelb, Prinzessinnenrosa und Mintgrün. Historische Straßenlaternen, die das Kopfsteinpflaster bescheinen. Der Neue Markt ist eine der charmantesten Ecken der Stadt. Gleich rechter Hand steht dort das Kabinetthaus (Hausnr. 1). Hier tagte einst das königlich-preußische Kabinett, daher der Name. Zuvor schon, genau genommen 1770, wurde darin der spätere König Friedrich Wilhelm III. geboren.
Barockplatz at its best: Neuer Markt
Die Häuser am Platz sind größtenteils Originale. Die Bomben des Zweiten Weltkriegs verschonten den Neuen Markt, der bereits seit 1722 so heißt. Heute sind hier Wissenschaft und Forschung zu Hause: Am Neuen Markt sitzen u. a. das Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam , das Moses Mendelssohn Zentrum, das Einstein Forum und das Deutsche Kulturforum östliches Europa.
In der Mitte des Platzes steht die ehemalige städtische Ratswaage, die noch zu DDR-Zeiten in Betrieb war. Heute befindet sich darin ein italienisches Restaurant namens Waage. In der historischen Gaststätte zur Ratswaage in der Nachbarschaft hingegen serviert heute das Kochzimmer sternegekrönte Küche - also nicht den falschen Tisch im falschen Lokal buchen (mehr dazu → Essen & Trinken).
Ein Durchgang - über dem Portal eine Quadriga mit Kutschern und Stallburschen - führt vom Neuen Markt in den Hof des Kutschstall-Ensembles mit dem → Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Verlässt man den Hof auf der gegenüberliegenden Seite, steht man vor einer Brache - oder vielleicht schon vor einer Baustelle? Hier soll ein neues Kreativquartier namens Kreativ Quartier³ entstehen. Integriert wird darin auch ein „neuer“ Langer Stall. Der „alte“ Lange Stall, ursprünglich 170 m lang, diente der Garnison für Winterübungen. Er wurde 1871 erbaut und im Zweiten Weltkrieg zerstört. Einzig die Portalfassade mit Säulen und Giebelschmuck blieb erhalten - von hinten sieht sie aus wie eine frei stehende Brandwand.
Der Turm, der hinter der Portalfassade des Langen Stalls in den Himmel ragt, ist der wieder aufgebaute Turm der → Garnisonkirche. Mitte 2022 sollen die Arbeiten an dem Turm fertig sein. Dann wird obenauf auch die originalgetreu rekonstruierte Wetterfahne aus vergoldetem Kupferblech wehen. Bis dahin wartet sie in einem vandalensicheren Käfig vor dem benachbarten Rechenzentrum auf ihren Einsatz. Der Adler steht dabei für die christliche Seele, die Sonne für Gott, hinzu kommen die Initialen Friedrich Wilhelms I. Das → Rechenzentrum aus DDR-Zeiten, heute ein Kunst- und Kreativhaus, erstreckt sich in Teilen auf dem Areal der früheren Garnisonkirche und wird im Falle eines kompletten Wiederaufbaus der Kirche abgerissen.
Weiter geht es auf der Breiten Straße, die ihrem Namen alle Ehre macht und leider nicht zu den schönsten Straßen unter der Potsdamer Sonne gehört. Barock trifft Platte trifft Zweckbauten der Nachwendezeit. Wir überqueren die Dortustraße. Benannt wurde sie nach dem Potsdamer Revoluzzer Max Dortu, einem der führenden Aktivisten der 1848er-Revolution, die bürgerliche Rechte einforderte. Am 31. Juli 1849 wurde er im Alter von 22 Jahren wegen Hochverrats hingerichtet, Friedrich Wilhelm IV., der die Meinung vertrat: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“, hatte ein Gnadengesuch abgelehnt.
100 m weiter folgt rechter Hand das → Naturkundemuseum im ehemaligen „Haus der Landstände der Havelländischen und Zauchischen Kreise“ aus dem 18. Jh.
Das passt ja: Zuckertortenhäuser in der Bäckerstraße
Straßen in Pastell
Direkt hinter dem Naturkundemuseum biegen wir in die Lindenstraße ab, eine Straße wie aus dem Bilderbuch - hier könnte man Historienfilme drehen. Gleich rechter Hand befindet sich der Eingang zum → ehemaligen Militärwaisenhaus, einem mächtigen Karree mit großem Innenhof. Kopf in den Nacken: Vom Monopteros des Barocktempels grüßt eine golden glänzende Caritas - ein Wahrzeichen Potsdams.
In der Lindenstraße verdienen zwei weitere Gebäude unsere Beachtung: zum einen das frühere Lazarett der Leibgarde aus dem Jahr 1772, das sich einst in dem stattlichen rosafarbenen Gebäude mit der heutigen Hausnr. 25 befand, zum anderen schräg gegenüber die Alte Wache (1797 erbaut). In dem klassizistischen Arkadengebäude, das fast wie ein Fremdkörper in der barocken Lindenstraße wirkt, hat es sich heute die Commerzbank gemütlich gemacht.
Vor der Wache geht es rechts in die pastellfarbene Bäckerstraße. An deren Ende halten wir uns rechts, dann links - und schon steht man in der Yorckstraße vor dem meist trockenen Stadtkanal. Ja, der Kanal ... Wieder so eine Potsdamer Sache, die irgendwann verschwand und wieder „auferstehen“ soll (→ Kasten).
Von der Yorckstraße sollte man unbedingt einmal in die Wilhelm-Staab-Straße spitzen. Diese bildhübsche Kopfsteinpflasterstraße wurde nach dem Krieg als „Barockstraße der DDR“ fast komplett wieder aufgebaut. Hinter den historischen Fassaden verbirgt sich der Zeitgeist der 1950er-Jahre. In der Straße befindet sich mit dem Nikolaisaal auch eine architektonisch spannende Konzert- und Veranstaltungsstätte (→ Kultur).
Am Ende der Yorckstraße queren wir die Friedrich-Ebert-Straße. Das grüne Rechteck links voraus ist der Platz der Einheit, Endpunkt dieses Spaziergangs und Ausgangspunkt des nächsten (→ Tour 2). Falls Sie zurück zum Alten Markt wollen, können Sie die Friedrich-Ebert-Straße Richtung Stadtschloss hinabgehen. In diesem Fall passieren Sie einen zartgelben Stuckaltbau auf der rechten Seite (Hausnr. 121). Hier lebte Heinrich Heine im Jahr 1829 für wenige Monate zur Untermiete und arbeitete am dritten Teil seiner Reisebilder. „Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht schreiben Bücher“, soll sein Onkel Salomon einst über ihn gesagt haben. Klingt uns vertraut.
Projekt Stadtkanal: Klein-Amsterdam an der Havel
Alles in Reih und Glied: am historischen Stadtkanal
Es war einmal ein Potsdam, das hatte eine Gracht. Der ca. 2 km lange Kanal verlief vom damaligen Alten Wassertor gegenüber den Planitzinseln bis zum Kellertor. Heute zeichnen die Dortustraße, die Yorckstraße und die Straße Am Kanal den Verlauf nach. Der Kanal war aus einem Entwässerungsgraben hervorgegangen, den der hollandverliebte Soldatenkönig ab 1722 grachtartig anlegen ließ und schiffbar machte. Er ließ ihn mit Brücken überwölben und mit Bäumen an seinen Ufern verschönern. Das große Problem jedoch: Aufgrund mangelnden Wasseraustauschs stank es abschnittsweise fürchterlich kloakig, weswegen Teile des Kanals bereits 1889 wieder zugeschüttet wurden. Vom Kellertor aber konnten die Fischer noch bis ins 20. Jh. zum Wilhelmplatz (heute Platz der Einheit) rudern, um dort ihren Fang zu verkaufen.
Der Aufbau eines sozialistischen Zentrums in den 1960er-Jahren machte dem Kanal schließlich den Garaus. Nach der Wende hörte man die ersten Rufe nach einer Rekonstruktion. Sie führten zur Bildung eines Fördervereins - alles andere würde wundern in der Stadt der Bürgervereine. 2001 konnte ein erstes 130 m langes Teilstück des Kanals an der Yorckstraße wiederhergestellt werden, das allerdings bis heute nur zu besonderen Veranstaltungen geflutet wird. Bis zur Fertigstellung des gesamten Kanals wird mindestens noch ein Vierteljahrhundert ins Land ziehen.
Tipp: An der ebenfalls rekonstruierten Kellertorwache am Havelzulauf stehen Infotafeln mit historischen Fotografien, die einen heute-damals-Vergleich ermöglichen.
Sehenswertes
Ein Tempel Gottes
Nikolaikirche
Niedergang und Wiederaufbau ist die ewige Konstante Potsdams, so auch im Hinblick auf die Nikolaikirche. Nachdem der barocke Vorgänger 1795 abgebrannt war, wurde das Gotteshaus zwischen 1830 und 1850 in zwei Phasen wieder aufgebaut. Beteiligt waren die größten Baumeister ihrer Zeit: Die Entwürfe kamen von Schinkel, die Ausführung übernahm dessen Schüler Persius, und die Fertigstellung erfolgte, nachdem Persius an Typhus verstorben war, durch Stüler. Das Ergebnis: ein neoklassizistischer Portikus mit Giebeldreieck, der einem antiken Tempel gleicht. Der Kirchenbau selbst besteht aus einem kubischen Unterbau mit vier von Engeln bewachten Ecktürmchen. Darauf sitzt eine mächtige Kuppel wie die der St. Paul’s Cathedral in London.
Den Krieg überstand das Gebäude schwer beschädigt. Die Wiederherstellung dauerte Jahrzehnte - erst 1981 wurde die Kirche wieder geweiht. Das Innere kommt heute recht nüchtern daher, u. a. wurde beispielsweise auf eine erneute Ausmalung der Kuppel verzichtet. Das soll aber niemanden von einem Besuch abhalten - gerade diese Andersartigkeit macht die Kirche auch sehr spannend.
Zu Füßen der Kuppel, auf dem Säulenrund des Tambours, gibt es eine Aussichtsplattform auf 42 m Höhe. Über einen Lift und enge Wendeltreppen mit Ampelschaltung gelangt man hinauf. Wir haben 216 Stufen gezählt - überprüfen Sie es!
Di-Sa 11-19 Uhr, So ab 11.30 Uhr, Mo geschl. Turmbesteigung 5 € (Tickets am Automaten auf der Seitenempore). Am Alten Markt, www.nikolai-potsdam.de. Tram 91, 92, 93, 96, 98 bis Alter Markt/Landtag.
Alter Markt: Die Grandezza ist zurück
Geschichte einer Stadt
Potsdam Museum
Das Museumsgebäude besteht aus drei Teilen: dem Alten Rathaus, das zwischen 1753 und 1755 in Anlehnung an italienische Palazzi samt Säulen und Kuppel entstand (Architekten: Jan Bouman und Christian Ludwig Hildebrandt), dem kieselgrauen sog. Knobelsdorff-Haus, das in den 1960er-Jahren originalgetreu wieder aufgebaut wurde, und einem Glasdurchgang, der an der Stelle eines völlig zerstörten Hauses errichtet wurde und beide Gebäude verbindet. Als Kulturhaus Hans Marchwitza war der Gebäudekomplex zu DDR-Zeiten einer der Dreh- und Angelpunkte des Potsdamer Kultur- und Partylebens. Zuvor war die Stimmung an diesem Ort nicht immer so dolle: Bis 1875 diente der Tambour, auf dem Atlanten die Weltkugel stemmen, als städtisches Gefängnis.
Heute zeigt hier das Potsdam Museum wechselnde Ausstellungen zur Stadthistorie und zudem die Dauerausstellung „Potsdam. Eine Stadt macht Geschichte“. Der Parcoursritt durch die 1000-jährige Stadtgeschichte ist sehr textlastig, birgt aber einige spannende historische Fotografien.
Di/Mi und Fr 10-17 Uhr, Do 10-19 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr. Zuletzt freier Eintritt, was sich aber wieder ändern kann. Am Alten Markt 9, www.potsdam-museum.de. Tram 91, 92, 93, 96, 98 bis Alter Markt/Landtag.
Skulpturen über Skulpturen: vorne Obelisk, hinten Potsdam Museum
Hassos Schatzkästchen
Palais Barberini
Die Geschichte des Gebäudes ist schnell erzählt: In den 1770er-Jahren wurde es auf Geheiß Friedrichs II. nach dem Vorbild des gleichnamigen römischen Palazzo errichtet, 1945 zerstört, 1948 gesprengt und zwischen 2013 und 2016 rekonstruiert. Seitdem teilt darin der SAP-Mitgründer, Wahl-Potsdamer und Mäzen Hasso Plattner seine beeindruckende Kunstsammlung mit der Öffentlichkeit. Und diese liebt das Haus: Kein Schloss, kein anderes Museum Potsdams zieht mehr Besucher an. Bei den hochkarätigen Ausstellungen steht man zuweilen bis zur Nikolaikirche Schlange.
Im Gegensatz zum historisierenden Exterieur präsentiert sich der Palast im Inneren klar und minimalistisch. Schwerpunkte der wechselnden Ausstellungen: Impressionismus und Kunst der DDR-Zeit. Angeschlossen sind ein netter Museumsshop und ein stylishes Café. Nach Süden öffnet sich der dreiflügelige Bau zur Alten Fahrt hin. Den dortigen Innenhof beherrscht die Bronzeskulptur Jahrhundertschritt des Künstlers Wolfgang Mattheuer (1927-2004) aus dem Jahr 1984. Eine Hand der kopflosen Figur ist zum Hitlergruß erhoben, die andere zur kommunistischen Faust geballt - ein Mensch, zerrissen zwischen den totalitären Systemen des 20. Jh.
Tägl. (außer Di) 10-19 Uhr. 14 €, erm. 10 €, wer Wartezeiten vermeiden möchte, sollte online buchen. Humboldtstr. 5-6, www.museum-barberini.com. Tram 91, 92, 93, 96, 98 bis Alter Markt/Landtag.
Phönix aus der Asche zum Ersten
Stadtschloss
Nach langem Hin und Her und viel Gezanke wurde das Potsdamer Stadtschloss zwischen 2010 und 2014 wiederaufgebaut. Der Bürgerwille, der wieder eine historische Mitte haben wollte, hatte sich durchgesetzt. Zu den prominentesten Befürwortern in Sachen Schlossneubau gehörten Günther Jauch und Hasso Plattner. Hasso Plattner, dessen Stiftung auch für den Wiederaufbau des Palais Barberini verantwortlich zeichnet, spendete gar 20 Mio. Euro für die Wiederherstellung der historischen Fassade. Das hört sich nach viel an. Ist es auch. Aber für jemanden, dessen Vermögen auf über 14 Milliarden Euro geschätzt wird, ist das in etwa so viel wie für jemanden, der 14.000 € auf dem Konto hat und 20 € spendet. Wie dem auch sei - er hat gespendet. Und fördert anderswo. Das zeichnet ihn als einen großen Mäzen aus.
Traute Eintracht: Stadtschloss und Nikolakirche
Äußerlich erinnert das Schloss an die Zeit, wie es nach dem Knobelsdorff-Umbau Mitte des 18. Jh. aussah. Damals regierte Friedrich II. Das erste Schloss an jener Stelle hatte der Große Kurfürst erbauen lassen, nachdem er Potsdam zu seiner zweiten Residenz erhoben hatte. 1945 - es residierten der Oberbürgermeister und die Kreisleitung der NSDAP im Schloss - wurde es zerbombt. 1960 abgerissen.
Beim Wiederaufbau ließ der Dresdner Architekt Peter Kulka hinter der barocken Fassade ein hochmodernes Landtagsgebäude entstehen: minimalistisch, schnörkellos, makellos weiß, ein bisschen Zahnarztpraxis. Gleichzeitig wurden Originalteile des alten Schlosses verwendet, sofern vorhanden und wo es möglich und sinnvoll war. Dazu gehören z. B. die Reliefs im sog. Knobelsdorff-Treppenhaus, das man auf dem Weg zum Landtagsfoyer passiert.
Das Gebäude präsentiert sich transparent und ist öffentlich zugänglich. Im Foyer zeigt man wechselnde Ausstellungen, außerdem gibt es ein Café. Im 4. OG befinden sich die außerordentlich gute Kantine (→ Essen & Trinken) und der Zugang zur Dachterrasse. Darüber hinaus können kostenlose Führungen gebucht werden, bei denen man auch den Plenarsaal zu Gesicht bekommt. Oder wie wäre es mit einer Plenarsitzung? Diese kann man als Gast von der Besuchertribüne aus verfolgen.
Im Rücken des Schlosses lag einst der barocke Lustgarten mit dem Neptunbassin. In sozialistischer Zeit wurde das Bassin zugeschüttet und als Parkplatz missbraucht - mittlerweile gibt es wieder ein bisschen Wasser und Grün. In sozialistischer Zeit entstand dort auch das Hochhaus des heutigen Mercure Hotels. 1969 wurde es als Interhotel Potsdam eröffnet. „Einen wunderschönen Ausblick auf Potsdam und die es umgebende seenreiche Landschaft hat man von der Café-Bellevue-Bar im 16. Stock.“ (VEB Tourist Verlag 1978). Die Bar gibt es leider nicht mehr. Wie lange es das Hotel noch geben wird, ist ebenfalls fraglich. Vorerst wird es auf jeden Fall nicht abgerissen. Die Linke und andere politische Gruppierungen machen sich für den Erhalt des Gebäudes stark.
nnenhof: Tägl. 8-20 Uhr, Foyer: Mo-Fr 8-18 Uhr. Kantine → Essen & Trinken, Dachterrasse: Mo-Fr 8-10 und 13-18 Uhr. Führungen i. d. R. Fr 16 Uhr (1 Std.), eine Anmeldung über die Webseite oder unter Tel. 0331-9661260 ist nötig. Auch für eine Plenarsitzung ist eine Anmeldung unter Tel. 0331-9661251 oder oeffentlichkeitsarbeit@landtag.brandenburg.de nötig. Alter Markt 1, www.landtag.brandenburg.de. Tram 91, 92, 93, 96, 98 bis Alter Markt/Landtag.
Prunkbau in Lachsfarben: Im wieder aufgebauten Stadtschloss tagt heute der Landtag
Manfred Krug im Pferdestall
Marstall/Filmmuseum
Das älteste erhaltene Gebäude der Stadt wurde im Jahr 1685 als Orangerie errichtet. Im frühen 18. Jh. wurde es auf Geheiß des Soldatenkönigs in einen Stall für die königlichen Reitpferde umgewandelt. Die fast schon dramatischen Pferdeskulpturen über dem Eingangsportal erhielt das lang gestreckte Gebäude im Jahr 1746. Sie entstammen den begnadeten Händen des Bildhauers Friedrich Christian Glume.
Noch bis 1945 war in dem Gebäude das Garnisonmuseum untergebracht, wo man der preußischen Armee huldigte, später ein Heimatmuseum. Seit 1981 dreht sich hier alles um Film und Fernsehen. „Traumfabrik - 100 Jahre Babelsberg“ nennt sich die etwas düster-enge, etwas verstaubt wirkende, aber durchaus kurzweilige Dauerausstellung im Erdgeschoss. Filmsequenzen erinnern an den jungen Krug, die Garbo und die Knef. Man erfährt, wie Maskenbildner, Cutter oder Filmarchitekten arbeiten. Das Obergeschoss dient spannenden Wechselausstellungen. Mehr zum Film und Babelsberg → hier.
Tägl. (außer Mo) 10-18 Uhr. 5 €, erm. 4 €. Breite Str. 1A, www.filmmuseum-potsdam.de. Tram 91, 92, 93, 96, 98 bis Alter Markt/Landtag.
Filmmuseum: Parcoursritt durch die Potsdamer Filmgeschichte
Jüngere und jüngste Historie
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
Wo man sich heute der Geschichte Brandenburgs widmet, standen einst königliche Kutschen und Pferde. Zu DDR-Zeiten und noch bis 1997 gab es in den historischen Gewölbehallen einen Großmarkt: Obst, Gemüse, Speisekartoffeln. Zuletzt wurde hier fleißig restauriert, bis zu Ihrem Besuch sollen aber die nächsten Ausstellungen zur jüngeren und jüngsten Geschichte Brandenburgs auf dem Programm stehen. Angeschlossen ist ein Café.
Am Neuen Markt 9, www.hbpg.de. Tram 91, 92, 93, 96, 98 bis Alter Markt/Landtag.
Phönix aus der Asche zum Zweiten
Garnisonkirche
Die Garnisonkirche ist eine Sehenswürdigkeit, die es noch gar nicht gibt. Aber schon mal gab. Und vielleicht irgendwann wieder geben wird. Oder auch nicht? Eine verzwickte Angelegenheit.
Die im Jahr 1732 geweihte Garnisonkirche des Baumeisters Philipp Gerlach galt als einer der Höhepunkte des deutschen Barock. Sie war die Hofkirche der preußischen Könige und eine Art preußisches Nationalheiligtum, in dem die sterblichen Überreste des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen aufbewahrt waren. Wilhelm I. ließ hier die erbeuteten Fahnen der Dänen, der Donaumonarchie und ihrer Verbündeten als ein Zeichen des Ruhmes seiner Armee aufbewahren. Hier wurden Soldaten gesegnet, die in die Kolonialkriege zogen und am Völkermord an den Herero und Nama beteiligt waren.
Hingucker war der fast 90 m hohe Turm der Kirche mit einem Glockenspiel. Jede halbe Stunde erklang Üb’ immer Treu und Redlichkeit. Zu jener Zeit galt die Kirche als Zentrum deutschnationaler, demokratiefeindlicher Kräfte. Hier verbeugte sich Hitler vor Hindenburg und besiegelte damit ein Bündnis, das als „Tag von Potsdam“ in die Geschichte einging.
Beim Luftangriff auf Potsdam am 14. April 1945 brannte die Kirche aus, die Außenmauern aber blieben stehen. Der Kirchturm stürzte einen Tag später ein. Gottesdienste wurden noch bis 1968 in einer Kapelle im Turmstumpf abgehalten. Dann ließ die SED Kirche und Turmstumpf trotz der Proteste der Bevölkerung sprengen.
Seit den Nullerjahren setzen sich Bürgerinitiativen für einen Wiederaufbau der Kirche ein. 2017 nahm dieser mit dem Wiederaufbau des Turmes Gestalt an. Doch das auf 40 Mio. Euro veranschlagte Projekt ist aufgrund der historischen Vergangenheit des Gotteshauses höchst umstritten. Gegen den Wiederaufbau der Kirche engagieren sich Denkmalpfleger, Wissenschaftler, Künstler, Architekten, Kirchenvertreter und Kulturschaffende. Online-Petitionen laufen.
Zurückversetzt vom Turm kann man eine kleine Ausstellung in der temporären, verglasten Nagelkreuzkapelle besuchen und sich über den aktuellen Stand des Projekts informieren.
Falls Sie sich noch fragen, was aus den Gebeinen der beiden Preußenkönige geworden ist: Sie wurden im Krieg in Sicherheit gebracht und schlafen heute im Park Sanssouci ihren ewigen Schlaf.
Ausstellung in der Nagelkreuzkapelle: Tägl. (außer Mo) 11-17 Uhr. Eintritt frei. Breite Str. 7. Termine für Gottesdienste und Baustellenführungen (anmelden!) auf www.garnisonkirche-potsdam.de. Bus 606 bis Naturkundemuseum.
Provisorisches Kreativhaus
Rechenzentrum
Der vielfenstrige, fünfgeschossige Quader entstand zwischen 1969 und 71 als Datenverarbeitungszentrum für den VEB Maschinelles Rechnen. Das Sockelgeschoss wird geschmückt von dem 18-teiligen realsozialistischen Glasmosaik Der Mensch bezwingt den Kosmos von Fritz Eisel. Auf den Mosaiken: Kosmonauten, Raketen, Frauen in der Technik, ein Marx-Zitat. Seit 2015 wird das marode Gebäude von rund 250 Künstlern und anderen Kreativen belebt, die darin Ateliers, Büros und Werkstätten eingerichtet haben. Immer wieder gibt es Konzerte, Ausstellungen, Workshops und Vorträge. Doch die Tage des Kreativzentrums scheinen gezählt zu sein, Ende 2023 laufen die Mietverträge aus. Doch das tun sie nicht zum ersten Mal. Und ob das Gebäude wirklich abgerissen wird, damit es dem Wiederaufbau der Garnisonkirche nicht im Weg steht, wird man noch sehen.
Dortustr. 46, Veranstaltungen auf www.rz-potsdam.de. Bus 606 bis Naturkundemuseum.
Realsozialistisch: Glasmosaik von Fritz Eisel am Rechenzentrum
Bei Nancy & Co
Naturkundemuseum
Der Sammlungs- und Forschungsschwerpunkt dieses Museums, dem ein Facelifting zu wünschen wäre, liegt auf der Tierwelt Brandenburgs. Wer ein Herz für ausgestopfte und aufgespießte Tiere sowie Dermoplastiken hat, ist hier genau richtig. Im Erdgeschoss begegnet man u. a. Maulwurf, Wiesel und Schleiereule, außerdem der Eisbärin Nancy. Die Ziehtante des legendären Knut verstarb 24-jährig im Jahr 2014 im Berliner Zoo. Das 1. OG bevölkern heimische Fell- und Federtiere wie Wildschwein und Eisvogel. Hier erfährt man auch, dass es 2017 sage und schreibe 16 Elch-Sichtungen in Brandenburg gab. Das 2. OG ist Tieren aus aller Welt vorbehalten. Im Keller schließlich wird’s nass - dort schwimmt u. a. die große Welsdame Weline in einem kleinen Aquarium.
Tägl. (außer Mo) 9-17 Uhr. 4 €, erm. die Hälfte. Breite Str. 13, www.naturkundemuseum-potsdam.de. Bus 606 bis Naturkundemuseum.
Großes Haus für kleine Menschen
Ehemaliges Militärwaisenhaus
Der spätbarocke, von vier Straßen umgebene Gebäudekomplex entstand zwischen 1771 und 1777 für Waisen und ungewollte Kinder von Militärangehörigen. Architekt war Carl von Gontard, der auch für das Neue Palais und die Domtürme auf dem Berliner Gendarmenmarkt verantwortlich zeichnet. Die Initiative dazu ging von einer Stiftung aus, die der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. bereits 1724 hatte gründen lassen. Abgesehen von einer langen Pause zwischen 1952 und 1992 existiert die Stiftung bis heute und fördert als „Großes Waisenhaus zu Potsdam“ noch immer Kinder- und Jugendhilfeprojekte. Neben der Stiftung sitzen heute u. a. mehrere Ministerien in dem Gebäudekomplex.
In preußischer Zeit lebten in dem Gebäude bis zu 2000 Jungen und Mädchen in teils überaus beengten Verhältnissen. Zwar bekamen die Kinder Schulunterricht, mussten aber auch auf den Maulbeerplantagen oder in der Textilindustrie schuften - und das bis zu zehn Stunden täglich. Die Nazis unterhielten im Komplex eine nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola), eine brutale Kaderschmiede. Dann fielen die Bomben. Schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde der Haupttrakt samt seinem 46 m hohen Torturm (Monopteros) und der auf sechs Säulen schwebenden Kuppel. Die güldene Caritas obenauf fiel ab und ward nie mehr gesehen, erst 2004 wurde sie durch eine Kopie ersetzt. Erhalten blieb das ungemein elegante Treppenhaus darunter - eine architektonische Meisterleistung mit schmiedeeisernem Rokokogitter. Werktags ist ein Blick ins Treppenhaus möglich. Das Waisenhaus-Museum im Innenhof ist nur nach vorheriger Anmeldung zugänglich.
Treppenhaus: Mo-Fr 8-17 Uhr. Waisenhaus-Museum: Nur nach Anmeldung Mo-Fr 10-17 Uhr. 3 €. Breite Str. 9A (Eingang zum Treppenhaus jedoch von der Lindenstr. 34A), www.stiftungwaisenhaus.de. Bus 606 bis Naturkundemuseum.
Goldig: Caritas krönt den Monopteros des ehemaligen Militärwaisenhauses
Sehenswertes abseits des Spaziergangs
Grün-bunte Oase im Zentrum
Freundschaftsinsel
Auf der 7 ha großen Freundschaftsinsel zwischen Altem Markt und Hauptbahnhof riecht Potsdam im Sommer ein wenig nach Berlin. Studenten sitzen auf der Wiese zusammen, trinken Bierchen, kiffen. Verliebte säuseln sich auf schneeweißen Bänken süße Worte ins Ohr. Angler hoffen am Havelarm Alte Fahrt auf den großen Fang. Aber es ist doch nicht Berlin. Was fehlt: der Siff der großen Nachbarstadt.
Ihren heutigen Namen erhielt die Insel Mitte des 19. Jh. Damals gab es hier das Ausflugslokal Insel der Freundschaft, das für seine rauschenden Rosenfeste bekannt war. Zwischen 1938 und 1940 legte der Staudenzüchter Karl Foerster (1874-1970) einen Schau- und Lehrgarten mit zigtausenden von Blütenstauden, Seerosenbecken, Rosenbüschen und hohen Gräsern an - bis heute das Highlight der Insel. Zahlreiche Skulpturen, Überbleibsel der Ausstellungen „Plastik im Freien“ aus den Jahren 1963-1969, kamen als zusätzlicher Schmuck hinzu.
Staudenfans aufgepasst: Karl Foerster wohnte im Vorort Bornim. Dort sorgte er mit mehreren 100 Sorten Neuzüchtungen (darunter viele winterharte Blütenstauden) dafür, dass die Welt auch in der kalten Jahreszeit bunter wird. Der Foerster-Garten kann tägl. von 9 Uhr bis Sonnenuntergang besichtigt werden. Eintritt frei. Am Raubfang 6, www.foerster-stauden.de. Bus 614, 692, 698 bis Amundsenstraße/Potsdamer Straße.
Kunst bietet auch der gläserne Pavillon des Brandenburgischen Kunstvereins Potsdam, der zeitgenössische Künstler aus der Region und den Dialog zwischen Kunst und Naturwissenschaften fördern will. 100 m weiter liegt, ebenfalls zur Alten Fahrt hin, das nette Inselcafé samt Terrasse.
Übrigens: Von der Liegewiese auf der Freundschaftsinsel blickt man auf einen Turm, der wie ein Sendemast aussieht. Er gehört zur Seniorenresidenz Heilig Geist Park. An gleicher Stelle stand früher die barocke Heilig-Geist-Kirche, deren Kriegsruine 1974 gesprengt wurde. Die stählerne Spitze des heutigen Turms ahmt die Konturen der verschwundenen Kirchturmspitze nach.
Park: Mai-Aug. tägl. 8-22 Uhr, März/April und Sept./Okt. 8-20 Uhr, Nov.-Feb. 8-17 Uhr. Radfahren ist nur auf gekennzeichneten Wegen erlaubt. Pavillon des Kunstvereins: Mi-So 13-17 Uhr. Eintritt frei. www.freundschaftsinsel-potsdam.de und www.bkv-potsdam.de. Tram 91, 92, 93, 94, 96, 98, 99 bis Lange Brücke.
Nach Minsk und zum Kreml
Brauhausberg
Das Eck südlich des Potsdamer Hauptbahnhofs wird Teltower Vorstadt genannt. Ein für Potsdamer Verhältnisse fast schon mächtiges Gebirge tut sich dort auf, bestehend aus dem Brauhausberg (88 m) und dem Telegrafenberg.
Zum Brauhausberg gelangt man, wenn man gegenüber dem Hauptbahnhof am Schwimmbad Blu vorbei der Brauhausbergstraße (= B 2) bergauf folgt. Dabei passiert man 100 m oberhalb des Schwimmbads das ehemalige Terrassenrestaurant Minsk, einen Flachdachbau aus den 1970er-Jahren, an dessen Errichtung Handwerker aus Minsk beteiligt waren. In Minsk entstand als Gegenleistung das Restaurant Potsdam. Das Minsk war ein sog. Nationalitätenrestaurant, das die Küche des sozialistischen Bruderlandes Weißrussland servierte. Mit Jeans kam man hier nicht rein. Anfangs wurde gar von weißrussischen Tellern gegessen, später verwendete man herkömmliches Interhotel-Gaststätten-Geschirr (zu viele Gäste hatten Teller mitgehen lassen). Seit 2000 steht der asbestbelastete Bau, unter dem sich ein Bunker befindet, leer. Im Herbst 2021 soll er, frisch saniert, als Museum für zeitgenössische Kunst wiedereröffnen. So zumindest die Ankündigung der Hasso-Plattner-Stiftung. Auch wenn es ein halbes Jahr später wird: Potsdam wird in jedem Fall um einen großen Kultur-Hotspot reicher sein.
Oberhalb des Minsk steht ein eklektizistischer Monumentalbau aus rotem Klinker, einst der Potsdamer „Kreml“. Der Volksmund nannte das Gebäude so, weil zu DDR-Zeiten die SED darin saß, sozusagen der verlängerte Arm des Kremls. Die Umrisse des einstigen SED-Emblems samt Händedruck sind am Turm noch heute auszumachen. Erbaut wurde das Riesending um die vorletzte Jahrhundertwende als preußische Reichskriegsschule. Zur letzten Jahrhundertwende saß noch der Brandenburger Landtag darin. Zwischen 2015 und 2018 kamen hier Flüchtlinge unter. Seitdem steht das Gebäude leer und wird langsam zum spooky Lost Place. Ein Umbau ist jedoch geplant, 200 Privatwohnungen soll der Komplex mal beherbergen.
Minsk: Brauhausberg 24. Kreml: Am Havelblick 4. Tram 92, 93, 99 bis Hauptbahnhof/Heinrich-Mann-Allee.
Über den Dächern Potsdams
Forschungscampus in Traumlage
Telegrafenberg
Auf dem Telegrafenberg (96 m) steht der Einsteinturm, eine Ikone der Architektur des 20. Jh., weltberühmt. Man kann um ihn herumspazieren, mehr aber i. d. R. nicht (für Führungen s. u.). Doch alles der Reihe nach.
Der Telegrafenberg hat seinen Namen von einer Signalstation obenauf, einer von 62 Signalstationen, die es in der ersten Hälfte des 19. Jh. zwischen Berlin und Koblenz gab. Etwa 10 Min. dauerte es, bis ein optisches Signalzeichen auf der 550 km langen Strecke übermittelt war. Mitte des 19. Jh. machte die elektrische Telegrafie die Signalstation überflüssig.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde der Telegrafenberg zum Wissenschaftsstandort erkoren. Institute, Laboratorien und Beobachtungsstationen richteten sich in schmucken Klinkerbauten ein. Darunter das erste astrophysikalische Observatorium der Welt (heute das Michelsonhaus an höchster Stelle), ein geodätisch-astronomisches Observatorium (dazu gehören auch die sog. Meridianhäuser und der vom Verfall bedrohte Helmerturm), ein Magnetisches und ein Meteorologisches Observatorium, der Große Refraktor (ein Linsenteleskop, Durchmesser der Linsen 50-80 cm) und natürlich der Einsteinturm, erbaut 1919-1924 für den Physiker Albert Einstein und den Astronomen Erwin Finlay-Freundlich. Entworfen wurde der Turm mit einem Sonnenteleskop (Brennweite 14,5 m) von Erich Mendelsohn. Der Bau des Turmes sollte die Einstein-Theorie der Verschiebung der Spektrallinien im Schwerefeld der Sonne experimentell bestätigen. Klappte aber nicht.
Dafür wurde auf dem Telegrafenberg die Seismologie begründet (1889) und der „Potsdamer Schwerewert“ ermittelt, der von 1909-1971 weltweit der Referenzwert für die Erdanziehungskraft war.
Heute trägt der Wissenschaftspark den Namen Albert Einsteins. Ihm angeschlossen sind das Deutsche GeoForschungsZentrum, das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (Hauptsitz in Babelsberg) und der Deutsche Wetterdienst. Über 1000 Leute arbeiten hier.
Am Eingang zum Wissenschaftspark gibt es zwar einen Pförtner und eine Schranke, tagsüber darf aber jedermann das Areal betreten. Kopfsteingepflasterte Sträßlein führen zwischen Buchen, Kastanien und Ahornbäumen zu den Forschungseinrichtungen. Infotafeln vor den Gebäuden klären auf. Es gibt auch einen Rundgang mit 14 Stationen, ausführliche und spannende Infos dazu auf geschichte.telegrafenberg.de.
Einsteinturm: von Sept.-April finden jeden ersten Sa im Monat um 10 Uhr Führungen durch den Turm statt, 8 €, erm. 6 €, eine Anmeldung unter Tel. 0331-291741 ist erforderlich. www.urania-potsdam.de. Vom Hbf. fährt Bus 691 alle 20 Min. auf den Telegrafenberg. Zu Fuß sind es vom Hbf. 1,3 km bis zum Einsteinturm, einfach der Albert-Einstein-Str. bergauf folgen.
Architekturikone: der Einsteinturm auf dem Telegrafenberg
Essen & Trinken
36 11-Line 37 Café Ricciotti 39 Globus Grill-Bar 42 Restaurant Waage 43 Kochzimmer 45 Genusswerkstatt 46 Landtagskantine 47 Café Freundlich
Nachtleben
1 La Leander 13 Hafthorn 14 Bar Fritz'n 31 Club Laguna 34 Olga 41 Unscheinbar 44 Pub à la Pub 48 Archiv
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Praktische Infos Karte
Essen & Trinken
Restaurants
Kochzimmer 43, mit einem Michelin-Stern geadelte neupreußische Küche. Cool-edles Ambiente ohne eine Spur von Piefigkeit in der historischen „Gaststätte zur Ratswaage“, in der Gäste schon seit 1783 bewirtet werden. Dazu ein romantischer Innenhof samt Brunnen. Was man so isst? Challans-Entenbrust mit Reiscreme und anatolischen Datteln, Beelitzer Kaninchen mit glasiertem Kohlrabi oder Makrele mit Algenkrokant. Menüs 76-104 € ohne Wein. Di-Sa ab 18 Uhr. Am Neuen Markt 10, Tel. 0331-20090666, www.restaurant-kochzimmer.de.
Restaurant Waage 42, Edelitaliener mit hübscher Sommerterrasse (deutlich schöner als das Interieur!) in der ehemaligen königlichen Malz- und Kornwaage auf dem idyllischen Neuen Markt. Hier isst man Carciofi Modena mit Tomatencarpaccio, Fettuccine mit Garnelen und Hummersud oder Saltimbocca alla Romana. Hg. 11,50-23,50 €. Di-Fr 16-24 Uhr, Sa/So ab 12 Uhr. Am Neuen Markt 12, Tel. 0331-8170674, www.restaurant-waage.de.
Genusswerkstatt 45, im Marstall. Innen nettes, fast hipstereskes Ambiente mit langen Holztischen unter hohen Decken, draußen mit Topfpalmen bestückte Terrasse mit Blick auf Schloss, Hotel Mercure und Straßenbahn. Gefällige Karte mit Pasta, Risotto, Salaten, aber auch ein paar Exoten wie pakistanisches Curry oder Bobotie (südafrikanischer Hackfleischauflauf). Günstiger Business-Lunch, sonst Hg. 9-17,50 €. Tägl. (außer Mo) 10-22 Uhr. Breite Str. 1A, Tel. 0331-74037707, www.genusswerkstatt-potsdam.jimdo.com.
Cafés
11-Line 36, Café, Bar und Veranstaltungsraum im Vintage-Stil. Nett, licht, faire Preise. Es gibt u. a. Pasta, Quiches und Kuchen. Tägl. 11-1 Uhr. Charlottenstr. 119, Tel. 0176-70241338, www.11-line.de.
Café Ricciotti 37, neben dem Nikolaisaal. Ein stilvoller Ort mit lauschigem Innenhof. Frühstück, wechselnder Mittagstisch. Mo-Fr 8.30-18 Uhr, Sa/So ab 9.30 Uhr. Wilhelm-Staab-Str. 11, Tel. 0331-58565220, www.cafe-ricciotti.de.
Café Freundlich 47, eine sehr hübsche Location mit Gartenterrasse. Der Backsteinbau aus dem Jahr 1926 diente dem Physiker Erwin Finlay-Freundlich einst als Wohnhaus. Empfehlenswerter Mittagstisch und viel gescheites Publikum. Mo-Fr 8-18 Uhr, Do bis 19 Uhr. Telegrafenberg, Haus 34, Tel. 0331-2882720, www.cafefreundlich.wordpress.com.
Kantine/schnelle Küche
Landtagskantine 46, zeitgemäß-sterile Kantine im 4. OG des Stadtschlosses. Von dort auch Zugang zur Dachterrasse. Ausgesprochen gute Kantinenküche, jung und innovativ, auch gibt es stets etwas Vegetarisches. Gehobenere Kantinenpreise, Hg. 6-7 €. Mo u. Fr 11-14.30 Uhr, Di-Do 13-14.30 Uhr.
Globus Grill-Bar 39, Schnellrestaurant mit leckeren Goldbroilern aus einem Brandenburger Betrieb. Das DDR-Relikt im gläsernen Vorbau eines Plattenbaus kommt trotz so einiger Restaurierungsversuche (man beachte die Spielautomaten!) noch immer sehr oldschool daher. Kultig! Abgerocktes Mobiliar, die Bedienungen teilweise so charmant wie der Eiserne Vorhang. Halbes Hähnchen mit Pommes 6 €. Alle Gerichte auch zum Mitnehmen. Tägl. 10-21 Uhr. Am Kanal 52, Tel. 0331-293363.
Einkaufen
Lebensmittel
LEDO 40, in schlichtem Ambiente werden außergewöhnliche russische und osteuropäische Lebensmittel verkauft. Was gibt es nicht alles? Sguschtschönka (gezuckerte Kondensmilch), Kwas Lidskij (Erfrischungsgetränk aus Belarus), eingelegte Waldpilze, eingefrorene Pelmeni, Original Krimsekt, Wein aus Moldawien, Sprotten aus Riga, Schnaps in bärenförmigen Flaschen, russische Brühwurst und dazu jede Menge bunte Matroschkas. Mo-Fr 8.30-18.30 Uhr, Sa bis 16 Uhr. Am Kanal 50, www.ledo-supermarkt.de/angebote/ledo-potsdam.
Mein Tipp Fischerhof Potsdam 38, Mario Weber ist der einzige Fischer Potsdams, der sein Metier noch hauptberuflich ausübt. In seinem urigen Hof an der Havel samt Reusen, Fischernetzen und am Steg vertäuten Booten gibt es auch eine kleine Verkaufsstelle. Der geräucherte Saibling ist der Wahnsinn! Im Sommer werden zudem Fischbrötchen verkauft. Auch Angelkarten und Fangtipps. Di-Do 12-16 Uhr, Fr 11-17 Uhr, Sa 10-13 Uhr. Große Fischerstr. 12, www.fischerhofpotsdam.de.