Читать книгу Psychotherapie und Psychosomatik - Michael Ermann - Страница 21
2.4 Traditionelle und neuere Aufgaben
ОглавлениеDen Anfang nahm die Psychotherapie, wie schon erwähnt, mit der Hypnosebehandlung von Konversionsstörungen. Das sind körperlich in Erscheinung tretende Konfliktstörungen, die wir heute zu den somatoformen Störungen zählen. Rasch kam die Behandlung von psychischen Konfliktstörungen hinzu, insbesondere von hysterischen und Zwangsneurosen. Sie bildete das Forschungsfeld, in dem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Psychoanalyse entwickelt wurde.
Mit dem Aufkommen des psychotherapeutischen Interesses in der Inneren Medizin gewannen Somatisierungsstörungen ( Kap. 10) und die Gruppe der klassischen Psychosomatosen ( Kap. 12) zunehmend an Bedeutung. Zugleich entstand im Arbeitsfeld psychotherapeutisch engagierter Psychiater ein starkes Interesse an der Psychotherapie von Psychosen. Da sie die anfänglichen Erwartungen nicht erfüllte, verlor sie – vor allem nach der Entdeckung der Neuroleptika – später wieder an Bedeutung.
Um 1950 wandelten sich das Spektrum der Behandlung und der Verfahren in der Psychotherapie. Neben die Psychoanalyse, die bis dahin die beherrschende Behandlungsform bei neurotischen Konfliktstörungen war, trat die Verhaltenstherapie. Innerhalb der Psychoanalyse entwickelte sich die Ichpsychologie. Sie erweiterte das Verständnis für die »schwereren« Pathologien, für die das traditionelle psychoanalytische Konzept der Triebpsychologie nicht mehr angemessen erschien. Zunehmend kamen nun »Grenzfälle« in psychotherapeutische Behandlungen, d. h. Patienten mit Strukturstörungen. Seit etwa 1975 bilden Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen, narzisstischen Störungen und Borderline-Störungen eine immer stärkere Patientengruppe. Heute stellen sie rund die Hälfte der Behandlungsfälle dar.
Als jüngeres Arbeitsfeld entstand die Arbeit mit primär körperlich Kranken mit Problemen bei der Krankheitsbewältigung und psychischen Folgen ihrer Erkrankungen und deren medizinischer Behandlung. Dieser Bereich bildet als somatopsychische Medizin die zweite Säule der Psychosomatik. Weitere aktuelle Aufgaben sind das Krankheits- und Gesundheitsverhalten, Prävention und Rehabilitation und – seit inzwischen längerer Zeit – die Behandlung von Patienten mit posttraumatischen Störungen, die lange in der Psychotherapie wenig Beachtung gefunden hatten ( Kap. 7).
5 V. Weizsäcker (1940)
6 Engel (1962)
7 V. Uexküll u. Wesiack (1996)
8 Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) v. 22. Juli 1946
9 Strotzka (1975)
10 Zugleich wurde der Psychotherapie innerhalb der Psychiatrie durch die gegenwärtige Weiterbildung und die erweiterte Gebietsbezeichnung »Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie« Rechnung getragen.
11 Eine umfassende Übersicht findet sich bei Schiepek (2003/2016), Haken u. Schiepek (2006) sowie Brunner (2017)