Читать книгу Am Ende bleibt das Lachen - Teil II - Michael Fuss - Страница 48
Manchmal ist diese Wirklichkeit für Mario ganz unwirklich.
ОглавлениеAm Anfang seiner Haftzeit, vor 40 Wochen etwa, ist ihm subjektiv gesehen, die Zeit wie ein riesiger Sandhaufen erschienen, der immer größer wurde und sich schließlich in einen zähen Brei verwandelte, der ihn umschloss und ihm den Atem nahm.
Jetzt hat er das Gefühl, dass ihm die Zeit wie Wasser zwischen den Fingern zerrinnt. Aber es ist die Zeit die hinter ihm liegt. An die lange Zeit, die noch vor ihm liegt erlaubt er sich keine Gedanken mehr.
Jetzt und Hier – Sein!
Und er hört auf, sich nach draußen zu orientieren.
Er muss leben. Ein wenig Spanisch lernen, ein wenig Canasta spielen, sein Yoga machen, keine Erwartungen mehr haben und sich nicht mehr täuschen, damit er nicht ent-täuscht wird.
Mario lotete sein ganzes Leben seine Grenzen aus.
Nun sind die Grenzen seiner Seele an der Reihe. Wenn seine Hände mal wieder vor innerer Unruhe zittern und er ganz verwirrt auf die verschlossene Tür starrt -
Wenn er merkt, dass sein Atem ganz flach und schnell ist -
Dann zwingt er sich, den letzten Sommer zu erinnern.
Oder war es der vorletzte?
Selbst dieses Zeitgefühl verschwindet langsam.
Er erinnert sich an die Fahrt an der spanischen Küste, die Serpentinen, die rostigen Kanonen hoch überm schillernden Meer. Er spürt den Wind und die Wärme auf der Haut. Und wenn er dann immer noch nicht ruhiger geworden ist, gibt es da einen Platz in einer felsigen Bucht auf Mallorca. Er sitzt nackt in der heißen Sonne und das Meer in seiner langen Dünung synchronisiert seinen Atem.
Im Nachhinein kommt es Mario vor, als hätte er geahnt, dass er die nächste Zeit zwischen kaltem Beton leben muss. Jeden Moment hatte er genutzt, um im Freien zu sein, ohne Dach über dem Kopf, nur die Sterne, die Sonne, denn blauen Himmel über sich.
Und auch die Augenblicke, in denen er damals diese unerklärliche Traurigkeit verspürte und in leichte Depressionen verfiel, machen jetzt Sinn. Mario bekommt Angst, dass er all das vergisst, es ihm wie Wasser durch die Finger rinnt.