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Kompliziertheit ist keine komplexe Angelegenheit
ОглавлениеDer Einfachheit wird häufig die Komplexität gegenübergestellt. Und das nicht selten in einer wertenden Art und Weise. Einfache Lösungen können der Komplexität der Situation unmöglich gerecht werden, heisst es dann zum Beispiel. Oder: Unsere Produkte, Dienstleistungen, Prozesse sind viel zu komplex, als dass man sie so ohne Weiteres vereinfachen könnte.
Der scheinbar komplexen Sache wird dabei oft per se ein positiver Wert beigemessen: die Komplexität als Gütesiegel einer höheren Qualität. Die Komplexität wird aber auch als unabänderliches Faktum angesehen: Die Situation ist nun mal komplex, da können wir leider nichts machen. Komplexität als Freipass fürs Nichtstun.
Schaut man jedoch genauer hin, sind vermeintlich komplexe Dinge und Prozesse oft einfach nur kompliziert.
Was ist der Unterschied zwischen einfach, kompliziert und komplex? Für einfache Dinge und Prozesse sind wiederholbare Muster und eindeutige Ereignisse typisch – Ursachen, Wirkungen und Beziehungen sind offensichtlich. Doch aufgepasst: Eine objektive Maßeinheit für Einfachheit gibt es nicht. Einfachheit ist immer eine Bewertung durch eine Person oder eine Gruppe. Eine solche Wertung basiert stets auf einer persönlichen Erfahrung und bestehendem Wissen. Sie wird immer aus einer subjektiven Perspektive heraus vorgenommen.
Wenn es um Einfachheit geht, gibt es kein absolutes Richtig oder Falsch. Es geht immer um persönliche Einschätzungen – um eine Realität, die auf einer eigenen Meinung basiert.
Ist etwas kompliziert, dann bleibt das System als Ganzes zwar vorhersehbar. Ursache und Wirkung sind immer noch vorhanden, aber nicht mehr für jeden sofort ersichtlich. Im Gegensatz zu komplexen Dingen können komplizierte Sachen dokumentiert werden. Sie sind logisch, transparent, erlernbar und reproduzierbar.
Ist ein Sachverhalt komplex, dann ist alles im Fluss und nicht mehr vorhersehbar. Es gibt zwar noch erkennbare Orientierungsmuster, aber auch etliche Unbekannte. Etwas Komplexes ist nicht mehr vollständig übertragbar und auch nicht mehr vollständig erlernbar. Weil es von vielen unsicheren Faktoren abhängig ist, ist das Ergebnis eines komplexen Vorgangs variabel. Kreative Ansätze sind nötig, um in einem iterativen Prozess zu Lösungen zu kommen.
Sind komplizierte und komplexe Sachen zwangsläufig schlecht? Nein! Ein Experte muss das Komplizierte beherrschen – Lerneffekte helfen ihm dabei. Die Kompliziertheit soll aber nicht bis zum Anwender durchdringen. Nehmen wir als Beispiel das Antiblockiersystem (ABS) Ihres Autos: Die Funktionsweise dieses ausgeklügelten technischen Systems ist ohne Expertenwissen nur schwer zu verstehen. Von dieser Kompliziertheit merken Sie als Fahrzeuglenker aber nichts. Für Sie ist ABS einfach nur eine ungemein praktische Sache, die es Ihnen leicht macht, bei heftigen Bremsmanövern den Wagen in der Spur zu halten. Die Fahrsicherheit wird erhöht, das Lenken des Automobils vereinfacht.