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I. Einleitung

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NS-Forschung 60 Jahre danach

Auch sechzig Jahre nach dem Ende der Hitlerherrschaft ist das „Dritte Reich“ nicht nur in der deutschen Historiographie noch lange kein Thema wie jedes andere. Die wissenschaftlichen Bemühungen um die Erforschung jener zwölf Jahre totalitärer Diktatur und um ein angemessenes Verständnis des historischen Geschehens sind außerordentlich vielfältig, der Erkenntnisfortschritt ist geradezu rasant. Auch das Ende der zweiten Diktatur auf deutschem Boden nach 1989 hat nicht, wie es viele Historiker zunächst vermutet hatten, zu einer Verlagerung der Forschungsanstrengungen auf die SED-Diktatur geführt. Im Gegenteil: Während die Erforschung der DDR nach ihrem großen, durch staatliche Finanzierung intensivierten Aufschwung in den 1990er Jahren zur Zeit eher stagniert, steht die NS-Diktatur nach wie vor und ungebrochen im Zentrum des zeithistorischen Forschungsinteresses.

Dazu tragen die Nachwirkungen und Spätfolgen des Dritten Reiches bei, die auch heute noch und immer wieder eine breitere Öffentlichkeit tangieren. Man denke etwa nur an die Auseinandersetzung um eine Zwangsarbeiterentschädigung durch die deutsche Wirtschaft oder auch die Diskussion über die Rolle Schweizer Banken bei der Liquidation jüdischen Vermögens im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Judenpolitik. Diese Themen haben nicht nur über Jahre hinweg Schlagzeilen in der Tagespresse gemacht, sondern auch Finanzmittel der Privatwirtschaft in beträchtlichem Umfang für historische Forschung freigesetzt.

Parallel zu solchen Nachwehen des untergegangenen Dritten Reiches hat sich gerade in den vergangenen rund zehn Jahren eine außerordentlich breitenwirksame Form der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus entwickelt, die das Interesse an diesem Thema ein weiteres Mal intensiviert hat. Historische Dokumentationen über den Nationalsozialismus im Fernsehen erzielen seit einigen Jahren hohe Einschaltquoten. Als Provokation empfundene Ausstellungen („Wehrmachtsausstellung“) oder heftig umstrittene Bücher (Goldhagen: „Hitlers willige Vollstrecker“ [14]) werden zu Publikumserfolgen. Den jüngsten Höhepunkt in dieser Entwicklung stellt der Kinofilm „Der Untergang“ dar, der schon wegen seiner Ankündigung als „Tabubruch“ und mittels einer geschickten medialen Vorbereitung für Besucherrekorde sorgte. Gegenstand dieses angeblichen „Tabubruchs“ war die Inszenierung Adolf Hitlers während seiner letzten Tage im Berliner Bunkersystem in einer deutschen Produktion, die dadurch an Bedeutung gewann, dass sie sich sehr eng an die von einem namhaften Historiker, Joachim Fest (11), eruierten Fakten hielt – Fakten, die freilich schon lange bekannt und veröffentlicht waren (45). „Medienboom“ und Forschung zur NS-Geschichte, das zeigt dieses Beispiel deutlich, sind oft eng aufeinander bezogen und es ist derzeit nicht absehbar, ob und wann ein Ende dieser über Jahre hinweg immer intensiver werdenden Beziehung erfolgen wird.

Es kann unter solchen Voraussetzungen jedenfalls kaum verwundern, dass die Geschichte des Nationalsozialismus nicht nur zu vielfältigen historischen Kontroversen, sondern auch zu einer wahren Bücherflut geführt hat, die nach der im Jahre 2000 abgeschlossenen, freilich auch nur selektiven „Bibliographie des Nationalsozialismus“ von Michael Ruck (37) rund 40 000 Titel zählte. Und schon dieser Umstand hat innerhalb wie außerhalb der Fachwissenschaft zu sehr gegensätzlichen Meinungen über die Historiographie zum Nationalsozialismus geführt. Während die einen diese starke Konzentration auf 12 Jahre deutscher Geschichte beklagen und darin eine völlige Verzerrung der Maßstäbe sehen, betonen die anderen die aus den unvergleichlichen Verbrechen des Nationalsozialismus resultierende moralische Verantwortung für eine permanente und lebendige Auseinandersetzung mit den dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte.

Politische und moralische Dimensionen

In diesen gegensätzlichen Perspektiven klingt bereits ein weiteres Merkmal der historiographischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus an, das nicht weniger als die angeschnittenen Rahmenbedingungen der wissenschaftlichen Forschung für das Entstehen von Kontroversen verantwortlich ist: die historische, politische und moralische Dimension des Themas. Angesichts der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen des Dritten Reiches fällt es wohl jedem Historiker schwer, der nationalsozialistischen Herrschaft gegenüber jene Objektivität im Sinne eines wertfreien Sachurteils zu entwickeln, die eine wesentliche Voraussetzung wissenschaftlichen Arbeitens ist. Will man aus diesem Grunde nicht gleich auf eine historische Erforschung des Themas verzichten, so sind politische und/oder moralische Implikationen die geradezu zwangsläufige Folge. Und sie sind es denn auch, die viel häufiger als unterschiedliche quellenkritische Befunde oder methodische Grundlagen Kontroversen produzieren. Moralische und politische Kriterien bei der Erforschung und Interpretation des Nationalsozialismus sind dabei keineswegs auf bestimmte politische, konfessionelle oder weltanschauliche Richtungen beschränkt. Sie sind auch nicht das Produkt der modernen „Massenhistoriographie“. Schon Friedrich Meinecke ging es in seinen frühen Arbeiten auch um die Selbstvergewisserung des eigenen moralischen und politischen Standortes gegenüber der „deutschen Daseinsverfehlung“ (Ernst Niekisch), Gerhard Ritter zielte bei seinen Arbeiten zum Nationalsozialismus immer auch auf die Rettung des eigenen nationalen Geschichtsbildes, und auch Hans Rothfels, der „Doyen“ der deutschen Zeitgeschichtsschreibung, wollte mit seiner frühen Darstellung des deutschen Widerstandes den Nachweis antreten, dass es neben den Nationalsozialisten auch „anständige“ Deutsche gegeben habe (33, S. 20 f.). Er forschte also nicht voraussetzungs- und ziellos.

Postulat der „Historisierung“

So wenig wie sich aber politisch-moralische Implikationen bei der Erforschung und Darstellung des Nationalsozialismus vermeiden lassen, so deutlich ist in den 1980er Jahren das Unbehagen über eine allzu sehr von solchen Prämissen bestimmte Geschichtsschreibung gewachsen und hat sich in der vielfach (absichtlich?) missverstandenen Forderung nach einer stärkeren „Historisierung“ der NS-Forschung, die erstmals von Martin Broszat erhoben wurde, Ausdruck verschafft. Dabei ging und geht es in keiner Weise um eine relativierende Verharmlosung der Verbrechen des NS-Regimes und schon gar nicht um die Beschwörung einer von der Hitlerdiktatur ausgehenden Faszination. Vielmehr plädierte Broszat für einen von Vorgaben und gesellschaftlich eingeübten Haltungen möglichst freien, streng wissenschaftlich orientierten Zugang zu den historischen Phänomenen, der die unabdingbare Voraussetzung für einen weiteren Erkenntnisfortschritt ist. Das „Nebeneinander und die Interdependenz von Erfolgsfähigkeit und krimineller Energie, von Leistungsmobilisation und Destruktion, von Partizipation und Diktatur“ seien es, die man sehen müsse, um den Erfolg des Nationalsozialismus schlüssig erklären zu können (10, S. 166).

Anders also als bei der in der DDR betriebenen NS-Forschung, die sich über weite Strecken dem Dogma der marxistischen Geschichtsinterpretation zu unterwerfen hatte und daher in ihrem Erkenntnisgewinn sehr beschränkt blieb, haben die unter diesen Voraussetzungen arbeitenden westdeutschen und westeuropäischen Forscher in den vergangenen rund 60 Jahren bedeutende Fortschritte erzielt und die Geschichte des Nationalsozialismus in einer Weise durchdrungen und erhellt, die wohl beispiellos sein dürfte.

Quellen

Dieser Erfolg verdankt sich nicht zuletzt der Verfügbarkeit beträchtlicher Archivalienbestände, die zum einen Anfang der 1960er Jahre der NS-Forschung zugänglich wurden, soweit sie sich bis dahin in der Hand der Westalliierten befunden hatten, zum anderen seit den 1990er Jahren auch im osteuropäischen Raum, wenn auch mit Einschränkungen, einsehbar wurden. Nicht zu vergessen sind dabei auch die im Rahmen von ablaufenden Sperrfristen erst jetzt in Deutschland verfügbaren personenbezogenen Akten und jenes beträchtliche regionale Schriftgut, das bei der lang anhaltenden Konzentration auf die Zentralinstanzen des NS-Staates in Berlin lange Zeit gar nicht oder nur am Rande zur Kenntnis genommen wurde.

Den Weg zu diesen oft versteckten Quellenbeständen bahnt seit einigen Jahren ein Archivführer aus der Feder von Heinz Boberach, dessen praktischer Wert ebenso wenig zu überschätzen ist (5) wie jener der fundierten Quellenkunde für den Zeitraum 1919–1945, die Hans Günter Hockerts (20) vorgelegt hat.

Editionen

Ein wichtiges Ergebnis der so ermöglichten intensiven Forschungstätigkeit sind eine Reihe namhafter Editionsunternehmen geworden, die in vorbildlicher Form wichtiges Quellenmaterial überall verfügbar gemacht haben. Zu diesen Editionen gehören – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – die Akten zur deutschen auswärtigen Politik (3) ebenso wie die Akten der Reichskanzlei (1), Hitlers Lagebesprechungen (17) und Weisungen (21) sowie die erst neuerdings von Martin Moll zusammengestellten Führererlasse (31). Von großer Bedeutung sind auch die bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen entstandenen Dokumentensammlungen (35), die Presseanweisungen (7) und die „Meldungen aus dem Reich“, die wichtige Hinweise auf die Stimmungslage der Deutschen bieten (6). Für die Erforschung des Verhältnisses zwischen katholischer Kirche und NS-Staat haben sich mittlerweile die von der Bonner Kommission für Zeitgeschichte herausgegebenen Akten deutscher Bischöfe als unverzichtbar erwiesen, die von Bernhard Stasiewski und Ludwig Volk seit dem Ende der 1960er Jahre bearbeitet wurden (2). Nirgendwo lässt sich wohl ein besserer Einblick in die Stimmung und die politische Lagebeurteilung an der Spitze der NS-Führung nehmen als in den Tagebüchern von Joseph Goebbels, die wegen ihres Umfangs über Jahre hinweg vom Institut für Zeitgeschichte ediert wurden (12).

Dieses in München ansässige Institut ist seit seiner Gründung im Jahre 1950 zu der wohl renommiertesten und weit über die Grenzen Deutschlands hinaus wirkenden Forschungseinrichtung nicht nur, aber vornehmlich auch für die NS-Zeit geworden (32). Die von dem Institut seit 1953 herausgegebenen Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte sind das wichtigste Publikationsorgan und Diskussionsforum für die laufende NS-Forschung. So sind praktisch alle wichtigen Entwicklungsschritte, die viele Impulse von Anbeginn an auch ausländischen Historikern zu verdanken haben, in mehr oder minder enger Beziehung zum „IfZ“ zu sehen.

Tendenzen der Forschung

Anfänglich war diese Forschung stark von moralischen „Kriterien und Tendenzen zur Verinnerlichung und Selbstbesinnung“ bestimmt (43, S. 510), was angesichts der Ungeheuerlichkeit der historischen Last wenig verwundern kann. In den Bahnen der bekannten nationalpolitischen Geschichtsschreibung fortzufahren und deren historistischen Arbeitspostulaten zu folgen, erschien zunächst unmöglich und hat eine methodologische Ratlosigkeit hervorgerufen. Diese Situation wurde durch eine grundlegende Aufklärungsarbeit über die Grundtatsachen nationalsozialistischer Herrschaft überwunden (zum Beispiel 27), die in den 1950er Jahren Zug um Zug mit dem zugänglichen Archivmaterial geleistet wurde. Bedeutsam erscheint zudem, dass die justizielle Aufarbeitung der NS-Verbrechen in den ersten Jahrzehnten nach dem Ende des Dritten Reichs der historischen Forschung immer wieder neue Impulse gegeben hat, wie auch die frühen Erklärungsmodelle totalitärer Herrschaft – die Totalitarismustheorie und die Faschismustheorie, auf die weiter unten einzugehen ist – die Forschung befördert haben. Und gewiss sind außerwissenschaftliche Impulse ebenso zu berücksichtigen, so etwa als zum Beispiel Ende der 1960er Jahre eine jüngere Generation begann, immer drängender nach dem Verhalten ihrer Eltern und Lehrer in den 12 Jahren der Hitlerdiktatur zu fragen. Spätestens seit den 1970er Jahren haben sodann eine Reihe methodischer Wandlungen und Akzentuierungen der NS-Forschung neue Impulse gegeben; man kann sogar sagen, dass viele die deutsche Zeitgeschichtsschreibung seit 1945 bestimmenden Methodenwechsel an Themen der NS-Geschichte entwickelt oder exemplifiziert worden sind.

Man denke hier nur an die historische Wahlforschung, aber auch an die zum Teil wegen ihres vermeintlichen Mangels an begrifflicher Präzision und analytischer Klarheit wie Theorieferne gescholtene „Alltagsgeschichte“ und das von dieser häufig verwandte Mittel der „oral history“ (zur Kritik siehe etwa 46). Klassische politikgeschichtliche Ansätze finden sich in der NS-Forschung bis heute ebenso wie struktur- und vor allem auch sozialgeschichtliche Zugriffe. Diese unterschiedlichen methodischen Ansätze haben, wie zu zeigen sein wird, Kontroversen produziert, sie haben aber auch vielfach zu einer Annäherung der methodischen Standpunkte und zu einem echten Erkenntnisfortschritt geführt. Kaum ein ernst zu nehmender Sozialhistoriker würde heute mehr bestreiten, dass es grundsätzlich sinnvoll und ertragreich sein kann, sich der NS-Geschichte auch biographisch zu nähern. Die Veröffentlichung einer gleich zweibändigen Hitlerbiographie aus der Feder eines lange Jahre gegenüber Biographien eher skeptischen Historikers wie Ian Kershaw (24; 25) belegt dies anschaulich. Umgekehrt wird wohl kein Vertreter der klassischen Politikhistoriographie heute mehr den Erkenntnisgewinn leugnen, der aus der Anwendung struktur- und/oder sozialgeschichtlicher Methoden für die NS-Forschung gezogen werden konnte.

Hinzu kommen sozialwissenschaftliche Theorien, die mit beachtlichem Erfolg auch in der NS-Forschung angewandt worden sind. So etwa die Theorie der sozial-moralischen Milieus, die Mario R. Lepsius 1966 bereits eingeführt hat und die mittlerweile in verschiedenen Milieustudien bereits ertragreich erprobt worden ist (29). Unter „Milieus“ versteht Lepsius „lebensweltliche Gesinnungsgemeinschaften“, in denen eine Koinzidenz verschiedener Strukturdimensionen wie regionale Traditionen, Religion, wirtschaftliche Lage, kulturelle Orientierung und schichtenspezifische Zusammensetzung gegeben sind. Freilich stellt sich die Frage, ob solche Milieus, die Lepsius vor allem für das Ende der Kaiserzeit untersucht hat, in den 1930er und 1940er Jahren in dieser Ausprägung überhaupt noch existent waren: dies ist eine häufig eingewandte Kritik gegenüber dieser Methode. Dort, wo die Frage mit guten Gründen bejaht werden kann, ist jedenfalls der Wandel politischer und weltanschaulicher Einstellungen in geographisch und gesellschaftlich präzise definierbaren Räumen auf diese Weise besonders gut leistbar. Deshalb bietet sich diese Methode insbesondere auch für regionalgeschichtliche Studien und zur präzisen Eruierung widerständigen oder angepassten Verhaltens an (39).

Zur Erforschung politischer Einstellungen von klar definierten Berufsgruppen hat sich darüber hinaus in den letzten Jahren der kollektivbiographische Ansatz bewährt. Durch die tief greifende Eruierung hunderter von Biographien etwa einer bestimmten Beamtengruppe (zum Beispiel höhere Innenverwaltung, Richter) lassen sich in besonders präziser Weise quantitative wie qualitative Veränderungen definieren. Damit wird ein an den handelnden Personen orientierter Einblick in die Funktionsweise beispielsweise von Verwaltungen genommen, die bei der Etablierung der NS-Herrschaft wie beim Vollzug der politischen Vorgaben des NS-Staates von Ausschlag gebender Bedeutung waren (vgl. zum Beispiel 26; 38).

Standardwerke und Hilfsmittel

Kaum möglich ist es, vor dem Hintergrund einer so ausgebreiteten und mittlerweile hoch differenzierten Forschung, auch nur annähernd vollständig die wichtigsten und mittlerweile als Standardwerke unter den Forschern anerkannten Arbeiten anzuführen. Pars pro toto nur sei auf ein älteres, in seinem hohen Wert anerkanntes Standardwerk von Karl Dietrich Bracher unter dem Titel „Die deutsche Diktatur“ hingewiesen (8) und auf zwei neuere große Werke, die möglicherweise schon bald einen ähnlichen Rang einnehmen werden: Hans Ulrich Thamers „Verführung und Gewalt“ (44) sowie Michael Burleighs „Die Zeit des Nationalsozialismus“ (428). Daneben haben sich mittlerweile auch eine Reihe von Nachschlagewerken und Lexika etabliert, die sich als nützliche Helfer bewährt haben. Auch hier sei pars pro toto nur auf die Enzyklopädie des Nationalsozialismus (4), auf Peter Steinbachs und Johannes Tuchels „Lexikon des deutschen Widerstandes“ (42) oder die dreibändige Enzyklopädie des Holocaust (15) verwiesen.

Periodisierung

Gerade die neueste Forschung lässt oft genug Kontinuitätslinien unterschiedlichster Art erkennen, die die Frage nach der zeitlichen Eingrenzung des Untersuchungsraumes „Nationalsozialismus“ aufwerfen. Seit vielen Jahren ist schon alleine aus der Perspektive der Erforschung der Weimarer Republik darauf verwiesen worden, wie durch die Etablierung der Präsidialkabinette in der Endphase der Republik jener Übergang zur „Regierung Hitler“ in einem Maße verwischt wurde, dass von einer harten Zäsur am 30. Januar 1933 bereits nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. 13). Andererseits haben sich weit über den 8. Mai 1945 hinaus zum Beispiel gesellschaftliche Haltungen und administrative Kontinuitäten nachweisen lassen, die die Frage aufwerfen, ob auch hier an jener scharfen Trennlinie festzuhalten ist, die die 12 Jahre der nationalsozialistischen Diktatur als einen voraussetzungslosen beziehungsweise folgenlosen „Unfall“ in der deutschen Geschichte erscheinen lassen könnten. So wird gerade auch unter alltagsgeschichtlichen Perspektiven seit einiger Zeit dafür plädiert, die Jahrzehnte zwischen etwa 1930 und 1960 als eine Art transitorische Epoche zu begreifen. Dagegen ist freilich einzuwenden, dass bei einer allzu starken Betonung der Kontinuitäten, die Exzeptionalität der Diktatur allzu leicht aus dem Blick geraten könnte. Hierauf hat zuletzt Horst Möller mit Nachdruck hingewiesen: „Zwar muss die Frage nach der Stellung des Jahres ‚1933 in der Kontinuität der deutschen Geschichte’ (T. Nipperdey) gestellt werden, und auch die partiellen Kontinuitätsstränge über das Jahr 1945 hinaus bedürfen der Erforschung, doch darf dadurch nicht die Gewichtung im gesellschaftlichen sowie innen- und außenpolitischen Gesamtzusammenhang aus dem Blick geraten: Eine klare Unterscheidung von Demokratie und Diktatur (vgl. K. D. Bracher u. a.) ist dabei unverzichtbar, wobei sie den Generationen, die die NS-Diktatur und die sowjetische Herrschaft in der SBZ und DDR noch miterlebt haben, deutlicher bewusst war als den Nachlebenden“ (33, S. 29).

Das Dritte Reich

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