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Herzog Bösherz
Als der Frühling in Thüringen Einzug hielt und den Winter, diesen frostigen Mann,
verjagte, zog Landgraf Ludwig mit Kaiser Rotbart nach Italien. Seine junge Frau, die
Landgräfin Jutta Claricia mit dem Beinamen die „Strahlende“, blieb zurück und führte
die Regierungsgeschäfte.
Nun geschah es, dass ihr Nachbar Herzog Heinrich der Grimmige durch böse Einflüs-
terungen verleitet wurde, sich das ganze Thüringer Land einzuverleiben. Im Stillen
und Verborgenen sammelte er ein großes Heer und ließ Belagerungsmaschinen bauen,
wie sie die Welt noch nie zuvor gesehen hatte. Seine stärkste Waffe aber waren zwei
furchtbare Fabelwesen, die er mit Hilfe der schwarzen Energie aus der Tiefe der Erde
heraufbeschwörte.
Dazu begab er sich in einer Vollmondnacht in den Harz, ritt um Mitternacht auf den
Brocken und sprach einen langen geheimen Zauberspruch. Kaum hatte er ihn vollendet,
da spaltete sich der gewaltige Berg donnernd und krachend und ein ungebändigtes
Ungeheuer flog aus dem glühend heißen Berginneren. Heinrich der Grimmige hatte
Rapagon aus dem Schlund des Brockens befreit.
Rapagon war ein fürchterlich anzuschauendes Mischwesen mit dem Körper eines
riesigen Adlers und dem Kopf eines tollwütigen Wolfes. Sein Revier war einst das
Land zwischen Harz und Kyffhäuser gewesen, und so lange er nur das Vieh der
Menschen fraß, sah sich niemand genötigt, gegen ihn vorzugehen. Als er aber anfing,
kleine Säuglinge aus den Wiegen zu rauben, sammelten sich die Väter der verschlepp-
ten Kinder und erstiegen seinen hausgroßen Horst auf dem Brocken. Hier fanden sie
die Kinder und all das, was Rapagon zusammengeraubt hatte. In einem gewaltigen
Kampf besiegten sie das Untier und bannten es mit Hilfe eines Bischofs tief ins Innere
des Berggesteins.
In der Nähe von Magdeburg befreite der Herzog das zweite Ungeheuer aus den
Fluten der Elbe, eines mächtigen Stromes, der im Riesengebirge entspringt und
in die Nordsee mündet. Das geschah ebenfalls zu Mitternacht an Vollmond und
wieder
bediente sich der Herzog seiner Zauberkräfte. Den weißen Wassern der Elbe
entstieg ein schlangenartiges Wesen namens Hydragona. Die Menschen erzählten
sich, dass es aus zwei Köpfen der Hydra entstanden sei. Ganz genau wusste man
es aber nicht.
Und genau wie Rapagon zog auch Hydragona, jedoch weitaus hinterlistiger, Übel und
Verderbnis bringend durch sämtliche Länder in der Mitte des Deutschen Kaiserreiches. Die
besten Krieger der Thüringer und der Sachsen kamen zusammen und stellten das Schlan-
genwesen bei der alten und ehrwürdigen Stadt Magdeburg. Unter den Kriegern war ein
alter Kämpfer, der noch um die naturgewaltige Göttin Nerthus wusste. Diese betete er an
und so wurde Hydragona in die Fluten der Elbe zurückgeworfen und gebannt.
Schriftkundige Leute hielten die Verbannung der beiden Fabeltiere auf Pergament fest und
verwahrten die Aufzeichnungen im Kloster Memleben. Dort fand sie der Herzog, der hier