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Prolog

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Das Leben ist wie eine Welle auf dem Meer. Sie trägt uns ruhig und sanft an einen rätselhaften Ort, der wie eine einsame Insel von Sandbänken umgeben ist, damit die Welle all die Dinge, die sie von weit hergebracht hat, dort ablegen kann. Auch ich werde eines Tages dort liegen.

Angelehnt an einen Baum blicke ich schweigend in den Himmel und betrachte den zarten Saum der Wolken. Ist das nicht ein wunderschöner Augenblick, wie sie anmutig dahinschweben, durchflutet von goldenen Sonnenstrahlen? Könnte ich doch nur auch eine Wolke sein, mich wie ein flaumiger Schal an den blauen Himmel schmiegen, mit ihm verschmelzen, spüren, wie das Ticken der Zeit allmählich erlahmt und nur noch diesen einen Augenblick ausatmet: das Hier und Jetzt.

Ich würde endlich meinen Schmerz vergessen, der sich jeden Tag wie eine Zange an meine Gelenke krallt und mein Herz mit beißenden Stichen durchbohrt, um mir die Gewissheit zu geben, dass ich schon ein altes, schwaches Herz in mir trage.

Schläfrig senke ich den Kopf und mein Blick fällt auf eine alte, hölzerne Schatulle, die auf meinem Schoß liegt und von meinen Händen umklammert wird. Sie ist übersät mit kleinen Löchern, von Holzwürmern über die Jahrzehnte eingraviert. Das Motiv ist verblasst, aber ich erkenne noch die roten Blumenköpfe an den Ecken, die verbunden sind durch goldbraune Ornamente. Und weil es das Leben so bestimmt hat, ist diese Schatulle ein Geschenk meiner Mutter und ein Erbstück meines Vaters und somit auch etwas ganz Besonderes in einer so modernen Zeit wie dem Jahr 2066. Meine müden Augen fallen langsam zu und während mich allmählich meine Lider von dieser Welt trennen und in eine Dunkelheit sperren, erschlafft mein Körper und die Schatulle löst sich aus meinen Händen, fällt zu Boden und sie muss sich wohl dabei geöffnet haben, denn mir steigt ein unverwechselbarer, blumiger Duft in die Nase. Wie sehr erinnert er mich doch an meine Mutter!

Ich stelle mir vor, wie ich in das Schwarz hineinspringe, der Wind durch den Fall an meinem Haar und an meiner Kleidung rüttelt, ja, er zupft an allem, was er zu fassen bekommt. All das, was mich beschwert und überhaupt zum Fallen bringt, bröckelt Stück für Stück von mir ab. Je tiefer ich falle, desto leichter werde ich, und desto langsamer wird mein Fall. Bald würde mich nichts mehr belasten, dann würde ich nur noch schweben, frei und gelöst und friedlich davon treiben.

Erinnerungen und alte Träume kommen mir in den Sinn, manches ist belustigend, manches ist schmerzlich. Aber nichts von alledem ist in irgendeiner Weise beängstigend. Nein, nein! Alles ist vertraut, wie in einem Film, den man schon so oft angesehen hat, dass jede Gefahr etwas Entspannendes und jeder Humor etwas Nachdenkliches birgt. Aber egal wie unbedeutend diese Gedanken auch sind: Jeder von ihnen ist Teil einer geheimnisvollen Geschichte, die mich wie eine Fessel umarmt.

Ich werde euch diese Geschichte erzählen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät und ihr sie euren Kindern weitererzählen könnt. Und euren Kindeskindern. Und wiederum deren Kindern. Eine Geschichte, die an dem wohl bedeutungsvollsten und dennoch ungewöhnlichsten Ort auf dieser Welt beginnt. Dort, wo vielleicht noch keine Geschichte ihren Anfang nahm.

Das Geheimnis der goldenen Brücke

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