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DIE GROSSEN GLÜCKS-IRRTÜMER
ОглавлениеFür viele ist Glück die große Liebe. Andere träumen von einem Lottogewinn, vom Traumjob, von einem Haus mit Garten. Diese Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen. Bis hin zu den kleinen Dingen, die uns glücklich machen: ein Spaziergang im Wald, auf den wir uns schon die ganze Woche freuen, die neueste Staffel unserer Lieblingsserie oder einfach ein heißes Bad. All diese Dinge können uns glücklich machen. Wohlgemerkt können.
Es gibt auch Menschen, die sich durch eine große Liebe beengt fühlen würden, denen ein Lottogewinn nichts bringen würde, was sie schon haben, die am liebsten gar keinen Job haben, und die mit einem Garten vor allem mühselige Arbeit verbinden.
Was Glück ist, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Je nach Ausgangslage, Persönlichkeit und Einstellung zum Leben weicht das persönliche Glück von dem ab, was die Mehrheit als Glück betrachten würde. Wobei die Dinge, die gemeinhin als Quellen des Glücks gelten, nicht unbedingt tatsächlich glücklich machen. Auch die Mehrheit kann sich irren.
So denkt die Mehrheit, es mache glücklich, ein paar Millionen Euro auf dem Konto zu haben. Dies, weil die Mehrheit aus Mittel- und Kleinverdienern besteht. Für sie ist es natürlich, von Reichtum zu träumen. Ihre sozioökonomische Ausgangslage erzeugt ihren Traum. Im Lotto zu gewinnen, steht für einen der größten Glücksmomente überhaupt. Aber entspricht das der Realität? Sind Lottogewinner wirklich glücklichere Menschen?
Am anderen Ende der verbreiteten Glücksskala stehen traumatische Erfahrungen: der Tod von geliebten Menschen, ein schwerer Unfall oder eine schwere Krankheit mit bleibenden körperlichen Schäden, Behinderung. Beim Gedanken an solches Unglück kommen Zweifel auf, ob wir je wieder glücklich sein könnten. Doch auch hier stellt sich die Frage: Wie ist es wirklich um die Glücksgefühle von Menschen bestellt, denen so etwas wiederfährt?
Der Psychologe Philip Brickman und seine Kollegen von der Northwestern University in Illinois verglichen diese beiden extremen Lebenssituationen. Für ihre Studie interviewten die Wissenschaftler einerseits Lottogewinner. Nur einer von ihnen hatte erst vor weniger als einem Monat gewonnen. Bei den anderen lag der Gewinn länger zurück, aber nicht mehr als eineinhalb Jahre. Außerdem interviewten die Forscher bleibend schwer beeinträchtigte Unfallopfer. Als Kontrollgruppe interviewten sie auch Menschen, die weder im Lotto gewonnen, noch einen Unfall oder andere traumatische Erlebnisse gehabt hatten.
Das Ergebnis dieses Vergleichs relativiert die allgemeinen Annahmen über Glück. Die Lottogewinner berichteten zwar von positiven Veränderungen – dazu gehörten finanzielle Sicherheit, mehr Freizeit und ein höherer sozialer Status – allerdings ergab die Auswertung aller ihrer Antworten, dass sie insgesamt nicht glücklicher waren als die Kontrollgruppe. Auch für die Zukunft sagten sie sich kein gesteigertes Wohlbefinden voraus.
Die Forscher benannten auch die Gründe dafür. Die Lottogewinner empfanden verschiedene alltägliche Aktivitäten als weniger beglückend als die Kontrollgruppe. Ein liebevoll angerichtetes Frühstück, mit Freunden zu plaudern, ein gemütlicher Fernsehabend, das alles war den Lottogewinnern weniger wert.
Wenn wir unversehens zu viel Geld kommen, hat das nicht nur positive Auswirkungen. Andere positive Ereignisse in unserem Leben können dadurch bedeutungsloser werden. Am Ende sind wir nach dem Geldsegen womöglich sogar unglücklicher als zuvor.
Bei den Unfallopfern zeigte sich ein ähnliches Bild, nur andersherum. Sie waren im Durchschnitt recht glücklich, wenn auch nicht ganz so glücklich wie die Lottogewinner und die Kontrollgruppe. Besonders an die Zeit vor ihrem Unfall zurückzudenken, löste bei ihnen vor allem Wehmut aus.
Die Mühen ihrer Behinderung hätten nahegelegt, dass sie auch in der Gegenwart eher unglücklich waren. Diese Annahme erwies sich jedoch als falsch. Die Unfallopfer freuten sich zwar weniger als die Kontrollgruppe an kleinen Dingen des Alltags, aber dramatisch war der Unterschied nicht. Die Unfallopfer lagen mit ihren Antworten im Schnitt immer noch deutlich auf der glücklichen Seite. Ihre Zukunftsaussichten bewerteten sie ähnlich positiv wie die anderen beiden Gruppen.
Das Fazit des Vergleichs lässt sich in zwei einfachen Erkenntnissen zusammenfassen.
Erstens. Glück ist relativ. Je nach Ausgangslage steigern unterschiedliche Dinge unser Glücks- und Unglücksempfinden.
Zweitens. Wir gewöhnen uns mit der Zeit an neue Lebenssituationen, egal ob sie eine Veränderung zum Besseren oder zum Schlechteren gebracht haben, egal wie extrem die Veränderung war. Auf Dauer sind wir trotz Veränderung weder wesentlich glücklicher noch wesentlich unglücklicher. Das Glück pendelt sich immer wieder ein. Ein Grund mehr, immer zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.