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Vor- und Nachteile
ОглавлениеEine Amtshaftungsklage hat Vor- und Nachteile. Davon ist ein Hauptnachteil erheblich:
Die Amtshaftungsklagen sind nach § 71 Absatz 2 Nr. 2 GVG[1] unabhängig vom Streitwert immer durch das Landgericht zu entscheiden[2]. Somit muss nach § 78 ZPO immer ein Anwalt die Klage einreichen und vertreten (Anwaltsprozess[3]). Damit einher geht aber auch ein Kostenrisiko. Denn einerseits muss sich also auch der Staat als Gegner durch einen Anwalt vertreten lassen, so dass im Unterliegensfall doppelte Anwaltskosten anfallen. Andererseits ist man hier in dieser von vielen Anwälten ungeliebten Materie auch oft in der Problematik, keinen Ansprechpartner vor Ort zu finden.
Vorteil ist hierbei wiederum, dass in der Regel eine Kammer aus drei
Richtern entscheiden wird und dass die Landgerichte (mit Ausnahme von Straf- und Betreuungsrecht) selten die familienrechtlichen Mandate bearbeiten. Sie sind also weniger voreingenommen, kennen weniger das, „was man schon immer so gemacht hat[4]“.
Sie sitzen nicht jeden Tag mit den eigentlich kritisierten Familienrichtern in der Kantine zusammen und kennen diese nicht unbedingt näher. Zwar ist man immer noch auch Richter, aber der typische Stallgeruch, „wir sind alle gleich“, fehlt. Oft denkt man über andere ja nur so schlecht, wie man selber ist. Ein aufrechter Richter wird daher beharrliches Ignorieren von Rechtsprechung des BVerG nicht für möglich halten.
Da man die Fachmaterie weniger kennt, wird man gezwungen, sich in die rechtlichen Probleme einzuarbeiten. Das kann der Rechtsfindung nur helfen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass im Zivilverfahren eben keine Amtsermittlung gilt. Das klingt zuerst als Nachteil, weil man selbst alles vortragen muss. Das ist in Wahrheit aber ein Riesen Vorteil. Denn das Gericht wird gezwungen, alles zu lesen und entsprechende Beweise zu erheben. Den Spielraum, den ein Straf- oder Familienrichter haben, bei der Prüfung ob eine Beweisaufnahme stattfindet, haben Zivilrichter in einem erheblich geringeren Umfang. Sie müssen alle Beweise erheben, die für die Tatbestandsvoraussetzungen relevant sind.
Ein weiterer Vorteil ist, dass man in der Regel den Streitwert selbst bestimmen kann. Dabei gilt wie immer der Grundsatz: Was nichts kostet, ist nichts wert. Oder anders formuliert: Einen Schaden von 100 € zahlt ein Gericht aus der Portokasse, 100.000 € hingegen sind da eine ganz andere Hausnummer.
So etwas versaut nicht nur den Etat des Gerichtes und der Justizverwaltung, man wird gezwungen sich zu überlegen was es kosten Mitarbeiter oder Richter fortzubilden. Denn Bekanntermaßen und Unbestritten ist die Qualität in familiengerichtlichen Verfahren nicht in dem Maße vorhanden, wie gewünscht[5].
Dabei ist es eine einfache Rechenaufgabe: Richter an einem Amtsgericht erhalten je nach Besoldungsstufe (Dienstalter usw.) zwischen 4.000 € und 7.000 €.[6]Das ist recht viel, zahlen diese doch nur wenig Beiträge zur privaten Krankenversicherung und keine Rentenbeiträge. Aber darum soll es hier nicht gehen. Ein Richter verursacht pro Jahr also Kosten von 48.000 € bzw. 84.000 €. Hinzu kommen noch Kosten für eine Bürokraft, denn Richter alleine tippen ja keine Protokolle ab. Eine solche Angestellte verdient 2.000 € Brutto, was an Kosten ca. 2.400 € monatlich[7] bzw. 28.800 € jährlich ausmacht. Ein Richter kostet für seine Arbeit also mindestens
80.000 € jährlich.
Wenn man also unterstellt, dass Richter überlastet sind, dann kann man diese Überlastung nur mit Neueinstellungen entgegenwirken. Angeblich fehlen ca. 2.000 Richter und Staatsanwälte in Deutschland[8].
Nimmt man also 1.000 Richter, dann fehlen dem Staat 80 Mio € jährlich (zuzüglich Kosten für Büroräume, Bücher, EDV usw.).
Klagen Menschen bei Fehlern nicht auf Schadensersatz, dann spart sich der Staat diese 80.000.000 € einfach. Nur wenn der Staat jährlich höhere Ausgaben für Schadensersatz hätte, als Fortbildung und Neueinstellungen kosten würden, wäre der wirtschaftliche Druck da, etwas zu ändern. Drohende Klagen heißt, man muss haushaltstechnisch Rücklagen bilden für den Schadensersatz. Solche Mittel sind damit gebunden und können nicht einfach verwendet werden. Der Druck wächst. Deshalb natürlich (aber auch der Bedeutung der Angelegenheit geschuldet) muss der Staat wirtschaftlich in die Verantwortung genommen werden und sollte man nicht zu wenig Schadensersatz fordern.
80.000 € heißt bei 10.000 € Schäden je Fall, dass ein Richter 8 Fälle falsch machen „darf“, bevor es teurer wird Schadensersatz zu bezahlen, als einen neuen Richter einzustellen.
Fordert man 100.000 € hingegen, dann ist dieser Punkt schon überschritten. Natürlich müssen Kosten und Chancen in einer Relation stehen, aber je weniger Risiko ihr eingeht, desto weniger Motivation hat es der Staat etwas zu ändern. Letztlich geht es doch immer nur um das liebe Geld…
Eine Hoffnung bleibt: Amtshaftungsklagen sind reine
Schadensersatzklagen, so dass Schadensersatzrechtsschutz (der in beinahe jedem Rechtsschutzvertrag inkludiert sein müsste) oftmals von einer Rechtsschutzversicherung bezahlt werden müsste. Und damit hättet Ihr kein Risiko mehr wirtschaftlicher Art.
Ein Nachteil, den man nicht vergessen sollte, möchte ich aber am Schluss erwähnen: Die Belastung, die mit einer solchen Klage einhergeht, sollte nicht unterschätzt werden. Ihr müsst Stunden um Stunden in alten Akten wühlen und werdet emotional in Themen eingesetzt, die ihr eigentlich schon vergessen haben wolltet. Plötzlich kann es sein, dass das Amt wieder vor der Tür steht und euch kontrolliert. Kurz: Es ist ein zermürbender Kampf Gut gegen Böse, bei dem das Böse darauf hofft, dass Euch Kraft, Energie, Geld und Kampfesmut ausgehen. Man sollte sich bewusst sein, worauf man sich einlässt! Psychiater würden euch empfehlen, nach vorne zu schauen und alte Wunden nicht wieder aufreißen zu lassen. Nirgends als in der Antwort auf die Frage, ob man sich diese Belastung antut, wird es deutlich wie sehr man dem Staat wie David bei Goliath unterlegen sein könnte. Wenn man so ein Verfahren durchzieht, dann eben ganz, dann darf diese Situation und Angst zu keiner Belastung führen.
Es ist nicht schlimm, wenn ihr nach diesem Kapitel das Buch weglegt und aufgebt. Das ist sogar nachvollziehbar. Viele Betroffene haben sich das Buch gar nicht gekauft, weil sie schon klein beigegeben haben. Doch wenn Ihr jetzt weiterlest, dann solltet ihr Euch bewusst sein, dass der Rubikon überschritten wird und es dann nur einen Weg gibt: Angriff, um Rechtsstaatlichkeit durch Schadensersatz wieder einzuführen und zu festigen. Nach Fertigstellen einer Klage aufgeben sollte dann nicht mehr vorkommen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass nur viele erfolgreiche Klagen dazu führen werden, dass sich unser Staat ändert und verbessert. Und nur weil ich daran glaube, habe ich dieses Buch verfasst. Also, legen wir los!
[1] https://www.gesetze-im-internet.de/gvg/__71.html
[2] Klagen gegen den Anwalt oder den Sachverständigen fallen hierunter nicht
[3] https://dejure.org/gesetze/ZPO/78.html
[4] egal ob falsch oder noch falscher
[5] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw39-pa-recht-richter-653760
[6] https://www.lto.de/gehaltscheck-fuer-juristen/gehaltscheck-richter/
[7] https://www.nettolohn.de/rechner/gehaltsrechner-fuer-arbeitgeber/ergebnis.html
[8] https://www.waz.de/politik/in-deutschland-fehlen-tausende-richter-und-staatsanwaelteid216118985.html