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KAPITEL 2 Jüdischer Messianismus und libertäre Utopie – Von den »Korrespondenzen« zur »attractio electiva«
ОглавлениеWas kann der jüdische Messianismus mit den libertären Utopien des 20. Jahrhunderts gemeinsam haben? Eine religiöse Tradition, politisch indifferent, Übernatürlichem und Sakralem zugewandt, und eine sozialrevolutionäre, im allgemeinen atheistische und materialistische Gedankenwelt? Es scheint eindeutig, daß die messianische, traditionelle und rituelle Religiosität der Rabbiner und Talmudisten mit den subversiven anarchistischen Ideen eines Bakunin oder Kropotkin nichts zu tun hat. Dies um so mehr, als der kulturelle Ethnozentrismus der jüdischen Religion mit dem militanten Universalismus der revolutionären Utopie nicht zu vereinbaren ist. Dennoch hat die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend aktive Rolle jüdischer Intellektueller bei der Produktion subversiver Ideen zum Versuch ermuntert, die Utopien des Sozialismus in ihrem Ursprung auf jüdische Religiosität zurückzuführen.
Max Weber gehört wahrscheinlich zu den ersten Religionssoziologen, die den Gedanken formuliert haben, das antike Judentum sei potentiell revolutionär. Für das Alte Testament stellt sich die Welt weder als ewig noch unveränderlich, sondern als Produkt der Geschichte dar, dem es bestimmt ist, von einer göttlichen Ordnung abgelöst zu werden. Die Haltung des biblischen Judentums zum Leben war, so Weber, geprägt von der Vorstellung einer künftigen, gottgeleiteten, politischen und sozialen Revolution.1
Es handelt sich um eine äußerst fruchtbare Hypothese, die aber zu allgemein bleibt: Sie erlaubt nicht, im heterogenen Ensemble moderner Revolutionstheorien diejenigen auszumachen, die eine wirkliche Affinität zur jüdischen Tradition haben könnten. Für viele Autoren (Max Scheler, Karl Löwith, Nikolai Berdjajew usw.) – einige waren Webers Schüler – konstituiert das Denken von Marx den typischen Ausdruck des säkularisierten biblischen Messianismus. Aber es handelt sich um eine fragwürdige, ziemlich einseitige Interpretation der marxistischen Geschichtsphilosophie.
Wir glauben, daß Karl Mannheim sich auf sichererem Terrain bewegt, wenn er 1929 in Ideologie und Utopie den Gedanken äußert, der »radikale Anarchismus« sei das moderne Gesicht des chiliastischen Prinzips par excellence, die relativ reinste Ausformung utopischen, millenaristischen Bewußtseins in der Moderne. Mannheim unterscheidet nicht zwischen christlichem Millenarismus und jüdischem Messianismus, aber der jüdische Anarchist Gustav Landauer ist für ihn die ideale Verkörperung des chiliastischen Prinzips – ein Philosoph »von dämonischer Tiefe«.2 Wir kennen Landauer als einen der führenden Köpfe der (ersten) Münchner Räterepublik und verweisen in diesem Zusammenhang auf den deutschen Soziologen Paul Honigsheim (ehemaliges Mitglied des Weber-Kreises in Heidelberg und befreundet mit Lukács und Bloch), der berichtet, bestimmte Teilnehmer der Münchner und der Budapester Räterepublik seien vom Gefühl erfüllt gewesen, einem kollektiven Messias zuzugehören, der die Welt erlösen werde.3 Tatsächlich haben neben Gustav Landauer noch weitere jüdische Intellektuelle (Kurt Eisner, Eugen Leviné, Ernst Toller, Erich Mühsam usw.) eine führende Rolle in den beiden Bayerischen Räterepubliken gespielt, und Lukács und andere Mitglieder der jüdischen Intelligenz Budapests gehörten zu den Anführern der ungarischen Kommune.
Gibt es im jüdischen Messianismus also Aspekte, die mit einer revolutionären, vor allem anarchistischen Weltanschauung in Verbindung treten könnten?
In seinem Aufsatz Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum schreibt Gershom Scholem: »Es liegt in der Natur der messianischen Utopie ein anarchisches Element, die Auflösung alter Bindungen, die in dem neuen Zusammenhang der messianischen Freiheit ihren alten Sinn verlieren.«4
Diese Bemerkung ist aufschlußreich, aber unsere These lautet, daß die Analogie (oder »Korrespondenz«) zwischen messianischer und libertärer Utopie über dieses Element hinausgeht und sich in mehreren anderen entscheidenden »Momenten« der beiden kulturellen Konfigurationen zeigt. Wir untersuchen diese Korrespondenz und beziehen uns dabei auf das theoretische Paradigma – den Idealtyp des jüdischen Messianismus – von Gershom Scholem und auf einige Ausführungen Karl Mannheims zum radikalen Anarchismus.
1. Im jüdischen Messianismus finden wir zwei Tendenzen, die eng miteinander verbunden und dennoch gegensätzlich sind: Eine restaurative Kraft, die auf die Wiederherstellung eines vergangenen Idealzustands, eines Goldenen Zeitalters und einer verlorenen paradiesischen Harmonie gerichtet ist, und eine utopische Kraft, die eine völlig neue Zukunft und einen Stand der Dinge erstrebt, der noch nie da war. Die Proportion zwischen diesen beiden Kräften ist variabel, aber die messianische Idee kristallisiert sich nur aus ihrer Verbindung heraus. Sie sind unauflöslich ineinander verschlungen und stehen in einem dialektischen Verhältnis, das Scholem folgendermaßen beschreibt:
»Auch das Restaurative hat utopische Momente und in der Utopie werden restaurative Momente wirksam … Das ganz Neue hat Elemente des ganz Alten, aber auch dieses Alte selber ist gar nicht das realiter Vergangene, sondern ein vom Traum Verklärtes und Verwandeltes, auf das der Strahl der Utopie gefallen ist.«5
Sigmund Mowinckel, ein anderer großer Historiker des jüdischen Messianismus, meint denselben Sachverhalt, wenn er schreibt, in der jüdischen Tradition sei »die Eschatologie eine neue Interpretation der Mythologie der Ursprungszeit«.6
Dieser Dualismus der messianischen Idee findet seinen Ausdruck im hebräischen Begriff Tikkun. Für die Kabbalisten, vor allem für Isaak Luria und die Schule von Safed, bedeutet Tikkun die Wiederherstellung der großen Harmonie, die durch den Bruch der Gefäße (shvirat hakelim) und später durch Adams Sündenfall zerstört worden ist. Nach Gershom Scholem ist Tikkun der »Weg zum Ende aller Dinge« und zugleich der »Weg zum Anfang«. Er beinhaltet die »Restitution des idealen Zustandes«, die »Wiederherstellung des ursprünglichen Ganzen«. Das Erscheinen des Messias schließt diesen Prozeß der Wiederherstellung ab und bringt Erlösung als »Rückkehr aller Dinge zu ihrem ursprünglichen Kontakt mit Gott«. Die »Welt des Tikkun« (olam hatikkun) ist die utopische Welt der messianischen Reform, wo der Makel an allen Dingen ausgelöscht und das Böse vertrieben sein wird.7
Nun finden wir aber dieselbe Verknüpfung von Restauration und Utopie auch bei den libertären Denkern – Mannheim weist ausdrücklich darauf hin.8 Bei Bakunin, Sorel, Proudhon und Landauer geht die revolutionäre Utopie immer mit der Sehnsucht nach den Lebensformen einer vorkapitalistischen Vergangenheit einher, nach den Arbeitszusammenhängen der Bauern und Handwerkerzünfte; bei Landauer gibt es eine regelrechte Verklärung des Mittelalters …
Es läßt sich nicht leugnen, daß fast alle bedeutenden anarchistischen Philosophen im tiefsten Herzen eine Sehnsucht nach der Vergangenheit in sich tragen.
Weitere Übereinstimmungen ließen sich aufzeigen. Ein zeitgenössischer Kritiker, der antimilitaristische Schriftsteller Georges Darien, beklagt sich 1904 in einem Artikel über den »religiösen Charakter des Anarchismus«, dessen Lehre er folgendermaßen charakterisiert:
a) Es war einmal ein Goldenes Zeitalter. Es ist verschwunden, als die Autorität entstand.
b) Zu diesem Goldenen Zeitalter wollen wir zurück; deshalb ist eine Revolution wünschenswert.
c) Ist die Revolution erst einmal durchgeführt, wird das Leben auf diesem Planeten für eine Weile unterbrochen sein.
d) Dann kommt das Goldene Zeitalter wieder.9
Natürlich handelt es sich um eine Karikatur, aber sie zeigt eine Dimension auf, die im Prophetentum der Anarchisten wirklich vorhanden ist. Erinnern wir uns auch an die Aussage Max Webers in Wirtschaft und Gesellschaft, der Anarchosyndikalismus sei die einzige Spielart des Sozialismus in Westeuropa, der von sich behaupten könne, einem religiösen Glauben wirklich ebenbürtig zu sein.10
Tatsächlich finden wir eine romantische, nostalgische Dimension bei allen revolutionären und antikapitalistischen Denkern. Auch die Marxisten sind nicht frei davon – obwohl gemeinhin das Gegenteil behauptet wird. Allerdings wird dieser romantische Aspekt bei Marx und seinen Schülern durch die Bewunderung relativiert, die sie der Industrialisierung und dem wirtschaftlichen Wachstum entgegenbringen. Bei den Anarchisten jedoch, die jeden technologischen Fortschritt ablehnen, manifestiert er sich mit einer Intensität, die spezifisch und einzigartig ist. Der Anarchismus ist zweifellos (mit dem russischen Narodnikitum) die revolutionäre Bewegung der Neuzeit, deren Utopie das mächtigste romantische und restitutionistische Potential enthält. Das Werk Gustav Landauers darf in dieser Hinsicht als unübertrefflicher Ausdruck des romantischen Geistes der libertären Utopie gelten.
Dieser Gesichtspunkt ist vielleicht der signifikanteste, der grundsätzlichste, der entscheidendste, was die Analogie zwischen jüdischem Messianismus und Anarchismus betrifft; er allein schon dürfte genügen, um zwischen beiden eine ganz besondere geistige Beziehung zu vermuten. Wir werden darauf zurückkommen.
2. Nach Gershom Scholem wird die Erlösung im Messianismus des Judentums im Gegensatz zum christlichen Messianismus als Ereignis betrachtet, das sich notwendigerweise auf dem Schauplatz der Geschichte ereignen muß; »öffentlich« sozusagen und in der Welt des Sichtbaren. Sie ist kein geistiger Prozeß in der Seele des Individuums, der eine im wesentlichen innere Veränderung bewirkt. Wie ist dieses »sichtbare« Ereignis also zu verstehen? Die religiöse Tradition des Judentums begreift die Ankunft des Messias als Katastrophe: »Der jüdische Messianismus ist in seinem Ursprung und Wesen, und das kann nicht stark genug betont werden, eine Katastrophentheorie. Diese Theorie betont das revolutionäre, umstürzlerische Element im Übergang von jeder historischen Gegenwart zur messianischen Zukunft.«11
Zwischen Gegenwart und Zukunft, der aktuellen Verworfenheit und der Erlösung, tut sich ein Abgrund auf; in vielen Texten des Talmud erscheint darüber hinaus der Gedanke, der Messias werde zu einer Zeit kommen, in der Sittenverderbnis und Schuldhaftigkeit am größten sind. Dieser Abgrund kann durch keine »Entwicklung«, durch keinen »Fortschritt« überwunden werden – die revolutionäre Katastrophe allein, die alle entwurzeln wird und die bestehende Ordnung der Dinge völlig zerstört, öffnet der messianischen Erlösung den Weg. Im säkularisierten Messianismus des liberalen Judentums – z. B. bei dem Neukantianer Hermann Cohen – finden wir im 19. Jahrhundert den Glauben an den stetigen Fortschritt, die allmähliche Vervollkommnung der Menschheit. Dieser Gedanke hat mit der Überlieferung der Propheten und Aggadisten nichts zu tun, die das Erscheinen des Messias immer mit allgemeiner Erschütterung und revolutionärem Sturm gleichsetzen. Wie Scholem ganz richtig betont, kennen die Bibel und die Apokalyptiker »keinen Fortschritt in der Geschichte zur Erlösung hin. Die Erlösung … ist vielmehr ein Einbruch der Transzendenz in die Geschichte, ein Einbruch, in dem die Geschichte selber zugrunde geht, in diesem Untergang sich freilich wandelnd, weil von einem Licht betroffen, das von ganz woanders her in sie strahlt.«12
Im selben Sinne beobachtete schon Max Weber in Wirtschaft und Gesellschaft, wenn er schreibt, das jüdische Volk habe immer in stummer, glühender Erwartung des großen Tages gelebt, an dem »durch eine Tat, die über Nacht kommt, deren Zeitpunkt niemand wissen … kann, Gott die Rangordnung der Erde umkehren wird in ein messianisches Reich«.13
Auf die Übereinstimmung mit den Revolutionstheorien der Neuzeit macht Scholem selbst aufmerksam: »Der Messianismus unserer Zeit beweist seine Macht im Gewand der revolutionären Apokalypse, und nicht mehr als rationalistische Utopie des ewigen Fortschritts (falls diese Bezeichnung angebracht ist), die in den Zeiten der Aufklärung ein Ersatz für die Erlösung war.« Als Erben der jüdischen Tradition bezeichnet er Ernst Bloch, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse – die bedeutendsten Ideologen des revolutionären Messianismus in unserem Jahrhundert.14
Die Gültigkeit dieser Bewertung soll nicht in Abrede gestellt werden. Allerdings haben wir den Eindruck, daß die Erbschaft des jüdischen Messianismus speziell von den libertären Philosophen – zu denen auch Benjamin und der junge Bloch gehören – angetreten wurde. Tatsächlich ist der revolutionäre, katastrophische Aspekt der Befreiung im Anarchismus am deutlichsten ausgeprägt: »Die Lust des Zerstörens ist eine schaffende Lust«, schrieb Bakunin. Und Mannheim zeigt am Beispiel Gustav Landauers auf, daß der Widerspruch zwischen jeder bestehenden Ordnung (»Topie«) und der noch zu schaffenden menschlichen Gemeinschaft (»Utopie«) vom Anarchimus am radikalsten erfaßt wird. Wir haben es hier mit einer qualitativen Differenzierung von Zeit zu tun, in der sinnerfüllte und sinnentleerte Epochen scharf voneinander abgegrenzt sind. Jede Möglichkeit von Fortschritt oder Evolution wird bestritten, und die Revolution erfolgt als Eingriff in die Welt.15
3. In der jüdischen und insbesondere der biblischen Tradition ist die Veränderung bringende et qets (Endzeit) folgendermaßen definiert: als allgemein, universell und radikal. Sie bedeutet nicht die Verbesserung der bis zu diesem Zeitpunkt existierenden, sondern die Erschaffung einer völlig anderen Welt.16 Das Erscheinen des Messias am Ende der Tage, be’akharit hayamim, begründet ein Zeitalter der Harmonie, oder besser gesagt, stellt es wieder her. Harmonie wird herrschen zwischen Gott und den Menschen, zwischen Mensch und Natur und den Menschen untereinander. Es sind die berühmten Visionen aus Jesaja 11:8, wo der Säugling »vor dem Schlupfloch der Natter« spielt, oder Jesaja 2:4, die Verkündigung des ewigen Friedens: loyissagoielgoiherev weloyilmedu od milhamah – »Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.«17
Die Korrespondenz mit den revolutionären Utopien der Neuzeit erstreckt sich hier ebensowohl auf den absoluten und radikalen Charakter der Veränderung, wie auf den Inhalt dieser neuen bzw. wieder hergestellten Welt selbst. Tatsächlich aber weist von allen revolutionären Bewegungen der Neuzeit am entschiedensten der Anarchismus den Gedanken zurück, die bestehende Ordnung der Dinge ließe sich verbessern.
4. Ein wichtiger Aspekt des allgemeinen eschatologischen Umsturzes ist die Vernichtung der weltlichen Macht. Bei Jesaja lesen wir: »Seht, der Tag des Herrn kommt, voll Grausamkeit, Grimm und glühendem Zorn«(Jesaja 13:9); »dem Hochmut der Stolzen mache ich ein Ende und werfe die hochmütigen Tyrannen zu Boden«(Jesaja 13:11). »Der Herr hat die Knüppel der Frevler zerbrochen, den Stock der Tyrannen, der in seinem Zorn die Völker erschlug, sie schlug ohne Ende, der die Völker in seiner Wut zertrat und sie verfolgte ohne jedes Erbarmen.« (Jesaja 14:5-6).18
Andere alttestamentliche und apokalyptische Texte gehen noch weiter. Sie beschwören die Aufhebung jeder Macht und Autorität, die von Menschen getragen wird, zugunsten einer Theokratie im eigentlichen Sinne des Wortes. Gott selbst, ohne Vermittler und Stellvertreter, soll die Herrschaft übernehmen. Mowinckel schreibt, Jahwe selbst sei der Herrscher des künftigen messianischen Königreichs, melekh yisrael wegoalo, König Israels und sein Erlöser (Jesaja 44:6).19
Und Jakob Taubes: »Die Theokratie ist auf dem anarchischen Seelengrund Israels errichtet. In der Theokratie äußert sich der Trieb des Menschen, von aller menschlich irdischen Bindung frei zu sein und im Bund mit Gott zu stehen.«20
Natürlich sind wir hier weit entfernt vom modernen Anarchismus, in dessen Devise »Weder Gott noch Herr« sich die Verweigerung jeder Autorität manifestiert, sei sie nun weltlich oder göttlich. Aber diese Ablehnung jeder von Menschen getragenen »leiblichen« Macht stellt eine bedeutungsträchtige Analogie und Korrespondenz dar und setzt uns in die Lage, jene eigenartige Denkfigur bestimmter zeitgenössischer, jüdischer Intellektueller wie Benjamin und Scholem besser zu begreifen: den theokratischen Anarchismus.
5. Was bleibt, ist der Aspekt des jüdischen Messianismus, den Scholem als den eigentlich »anarchischen« bezeichnet hat. In mehreren Textpassagen des Talmud und der Kabbala finden wir die Idee, die Ankunft des Messias bedeute die Aufhebung sämtlicher Einschränkungen und Verbote, welche die Thora den Juden bis zu diesem Zeitpunkt auferlegte. Im messianischen Zeitalter verliert die überlieferte Thora ihre Gültigkeit. Sie wird abgelöst von einem neuen Gesetz, der »Thora der Erlösung«, die keine Verbote mehr kennt. In einer neuen, paradiesischen Welt ist die Macht des Bösen gebrochen und der Baum des Lebens wird zum beherrschenden Symbol. Damit verlieren die Beschränkungen ihre Bedeutung, die den Juden in einer unerlösten, vom Baum der Erkenntnis regierten Welt auferlegt waren. Dieses »anarchische« Element weist Scholem an einer bestimmten Interpretation von Psalm 146:7 nach, die eine neue Lesart des hebräischen Urtextes voraussetzt. Anstelle der traditionellen Version »Gott löst die Gefangenen« (mattir asurim) müßte es heißen »Gott löst die Verbote auf« (mattir isurim).21
Es scheint gerechtfertigt, diese Aussage als »anarchisch« zu qualifizieren, denken wir nur an die berühmte Formulierung Bakunins, die Mannheim als signifikantes Beispiel für die chiliastische Haltung der radikalen Anarchisten zitiert: »Ich glaube nicht an Konstitutionen und an Gesetze; die beste Konstitution würde mich nicht befriedigen können. Wir brauchen etwas anderes; Sturm und Leben und eine neue gesetzlose und darum freie Welt.«22
Diese fünf Aspekte gehören zusammen. Ihre Untersuchung zeigte Übereinstimmungen zwischen zwei kulturellen Phänomenen auf, die ganz verschiedenen Bereichen angehören. Diese Übereinstimmungen könnte man als strukturelle Homologie und spirituelle Isomorphie bezeichnen, da sie sowohl die Sprachstruktur als auch den geistigen Inhalt von jüdischem Messianismus und revolutionärer, sprich libertärer Utopie der Neuzeit betreffen.
Unter »libertär« verstehen wir hier nicht nur anarchistische bzw. anarchosyndikalistische Lehren im eigentlichen Sinn, sondern auch progressive Tendenzen im Sozialismus – einschließlich des marxistischen –, die durch eine antiautoritäre und anti-etatistische Haltung gekennzeichnet sind.
Das Feld der Korrespondenzen (Baudelaire), das unterirdische Netz von Analogien, Ähnlichkeiten, Äquivalenzen zwischen mehreren Elementen der beiden kulturellen Konfigurationen haben wir bisher nur markiert. Für sich allein betrachtet konstituieren diese Korrespondenzen noch keine wirkliche Beziehung: Der Anarchismus Proudhons oder Bakunins, die – nebenbei bemerkt – beide Antisemiten waren, hat mit der religiösen Tradition des Judentums nichts zu tun. Nur zu einem konkreten historischen Zeitpunkt (der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) und innerhalb eines konkreten soziokulturellen Milieus wurden sie dynamisch und entwickelten sich im Werk bestimmter jüdischer Intellektueller zu einer wirklichen Wahlverwandtschaft von Messianismus und libertärer Utopie.
Mit anderen Worten: Es bedurfte einer bestimmten Konstellation sozialer, historischer und kultureller Faktoren, damit dieser Prozeß entstehen konnte, diese attractio electiva oder »kulturelle Symbiose«, die von wechselseitiger Befruchtung und Stimulierung beider spiritueller Figuren bis zu ihrer Vereinigung und Verschmelzung reicht, und die die Weltanschauung der wichtigsten deutschsprachigen jüdischen Intellektuellen entscheidend geprägt hat.
Der Charakter der Verbindung und die Frage, aus welchen Elementen sie besteht, hängt vom jeweiligen Autor ab. Eine Vermischung wie eine Legierung aus zwei Metallen wäre denkbar, oder ein Ineinandergreifen zweier Element wie bei einem Gelenk. Eine oder mehrere der »Korrespondenzen«, die wir ermittelt haben, können beteiligt sein.
Die einfachste, jedermann sofort einleuchtende Erklärung des Phänomens wäre die Interpretation des jüdischen Messianismus als »Quelle«, aus der die libertäre Utopie der jüdischen Intellektuellen ihre Kraft bezog.
Die Hypothese ist nicht völlig zu verwerfen und enthält wahrscheinlich »ein Körnchen« Wahrheit, läßt aber neue Probleme entstehen: a) Ein Einfluß allein reicht als Erklärung nicht aus und müßte selbst wiederum erklärt werden. Warum hat diese Lehre, und keine andere, ausgerechnet jenen Autor beeinflußt? Die Frage stellt sich um so mehr, als fast alle hier zur Debatte stehenden Autoren eine Erziehung genossen haben, die sie den religiösen Traditionen des Judentums weitgehend entfremdet hat. In Osteuropa sah die Sache anders aus. Die deutschsprachigen jüdischen Intellektuellen hingegen kamen durchweg aus einem assimilierten Milieu, bezogen ihre kulturelle Orientierung aus der deutschen Literatur und Philosophie und verehrten die Schriften Goethes, Schillers, Kants und Hegels. Der Talmud und die Kabbala galten als atavistische, obskurantistische Relikte der Vergangenheit.
b)Die messianische Idee hat im Judentum ganz unterschiedliche Deutungen erlangt. Neben der konservativen Lesart der Rabbiner und der rationalistischen Deutung durch Maimonides finden wir die Auslegung Hermann Cohens, die vom liberalen, fortschrittsgläubigen Geist der Aufklärung und ihrer jüdischen Entsprechung, der Haskala, beeinflußt ist. Warum ist von einer bestimmten Gruppe jüdischer Intellektueller ausgerechnet die apokalyptische, sowohl restaurative als auch utopische Interpretation gewählt worden?
Umgekehrt ließe sich argumentieren, die utopische Orientierung dieser Intellektuellen habe sie für die messianische Tradition ihrer Vorfahren sensibilisiert. Auch dieser Erklärungsversuch ist einseitig, während wir unter Zuhilfenahme von Wahlverwandtschaft als Begriff jede einseitige Bestimmung zugunsten eines dialektischen Verständnisses des Phänomens vermeiden können.
Es verbleibt uns noch die Erläuterung eines Begriffes, der oft benutzt wird, um Beziehungen zwischen Religion und sozialen bzw. politischen Ideologien darzustellen. Wir meinen den Begriff der Säkularisierung. Für unser Phänomen ist er von begrenztem Interesse, denn die religiöse, messianische Dimension verschwindet bei den jüdischen Intellektuellen keineswegs, sondern bildet vielmehr einen zentralen Gesichtspunkt ihrer Weltanschauung. Tatsächlich läßt sich in ihren Werken ebensoviel Sakralisierung des Profanen wie Säkularisierung des Religiösen beobachten; eine enge, wechselseitige Beziehung verbindet beide Sphären miteinander, ohne daß eine die andere beeinträchtigte. Die Säkularisierung aber weist nur in eine Richtung, bei ihr wird das Sakrale vom Profanen absorbiert.
Sinnvoller als diese begrifflichen Erklärungsversuche erscheint uns die Methode, Messianismus und libertäre Utopie in den Rahmen eines breiter gefaßten sozio-kulturellen Kontextes zu stellen.
Die von Krisen erschütterten mitteleuropäischen Gesellschaften erleben zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ein neuerliches Aufblühen der Romantik. Dieser Begriff bezeichnet hier keinen malerischen oder literarischen Stil, sondern ein allgemein um sich greifendes Lebensgefühl: Eine Stimmung von Sehnsucht und Zivilisationskritik verbindet die Verklärung der vorkapitalistischen Epoche mit der Ablehnung der bürgerlichen Industriegesellschaft, und diese Bewegung manifestiert sich ebenso im Bereich von Kunst und Literatur als auch im ökonomischen, soziologischen und politischen Denken. Der romantische Antikapitalismus – der Begriff stammt von Lukács – als politisches und kulturelles Phänomen hat bis heute nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhalten, weil er sich den üblichen Klassifizierungen entzieht. Die traditionelle Aufteilung des politischen Spektrums in Linke/ Zentrum/Rechte bzw. Konservative/Liberale/Progressive oder Rückschritt/Status quo/Fortschritt wird ihm nicht gerecht. Er fällt durch die groben Maschen dieses Netzes und entgleitet den Kategorien der politischen Willensbildung, die seit der französischen Revolution maßgebend sind. Dies gilt besonders für eine Tendenz, die man als Revolutionäre Romantik bezeichnen könnte und zu der Hölderlin, Fourier, William Morris und Gustav Landauer gehören. Hier ist die Sehnsucht nach einer vorkapitalistischen Vergangenheit (real oder erträumt, nah oder fern) mit der revolutionären Hoffnung auf eine neue Zukunft ganz besonders eng verknüpft, sind Restauration und Utopie nicht voneinander zu trennen.23
Vor diesem Hintergrund der Neuromantik wird das Wiedererwachen des jüdischen Messianismus in seiner restitutionistischen, utopischen Version und seine wahlverwandtschaftliche Annäherung und (manchmal) Übereinstimmung und Verschmelzung mit der libertären Utopie verständlich. Sie wurzeln im selben ethisch-kulturellen, sprich »ideologischen« Boden und entwickeln sich im selben geistigen Klima – dem romantischen Antikapitalismus der deutschen Intelligenz. Und tatsächlich konnte dieser vor allem in der Spielart der Revolutionären Romantik eine restaurative und utopische Interpretation sowohl des Messianismus als auch der Revolution (den Anarchismus) nur begünstigen.
In den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts finden wir eine Anzahl jüdischer Intellektueller in Mitteleuropa, die ein gemeinsames Anliegen eint: das Interesse an den Traditionen der Religion, die ihre Eltern längst vergessen haben, und die Begeisterung für den Anarchismus. Einige der bedeutendsten Köpfe des Jahrhunderts sind darunter: Dichter und Philosophen, Revolutionäre und religiöse Führer, Volkskommissare, Theologen, Schriftsteller und Kabbalisten, und solche, die alles in sich vereinigen. Franz Rosenzweig und Martin Buber gehören dazu, Gershom Scholem, Gustav Landauer, Franz Kafka, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Ernst Toller, Erich Fromm, Manès Sperber, Georg Lukács und viele andere.
Über diese Autoren ist viel veröffentlicht worden, aber bis heute kam niemand auf die Idee, eine gemeinsame Grundlage eigne ihrem Denken. Und auf den ersten Blick erscheint es ja auch paradox und willkürlich, so unterschiedliche Persönlichkeiten mit stark markierter eigener Werkintention unter einem gemeinsamen Aspekt untersuchen zu wollen.
Zwar standen sie untereinander in Verbindung, es gab ein komplexes Netz sozialer Beziehungen, wenn auch von einer Gruppe im eigentlichen Sinn nicht die Rede sein kann. Gustav Landauer und Martin Buber waren eng befreundet und respektierten einer des anderen intellektuelle und politische Redlichkeit. Das gleiche gilt für Gershom Scholem und Walter Benjamin, Ernst Bloch und Georg Lukács, Martin Buber und Franz Rosenzweig, Gustav Landauer und Ernst Toller. Scholem interessiert sich für Buber und Landauer, Buber korrespondiert mit Kafka, Bloch und Lukács, Erich Fromm studiert bei Scholem. Im Mittelpunkt dieses Netzes: Walter Benjamin. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen, er integriert die entgegengesetztesten Meinungen und Standpunkte. Eng befreundet mit Scholem, steht er zu gleicher Zeit mit Bloch in Kontakt, ist stark beeinflußt von Lukács, Rosenzweig und Kafka und ein kritischer Leser der Werke Landauers, Bubers und Fromms. Aber das Wesentliche besteht nicht in diesen sozialen Kontakten. Wenn wir diese Autoren und andere, weniger bekannte wie Hans Kohn, Rudolf Kayser, Eugen Leviné, Erich Unger usw. gemeinsam betrachten, so liegt das darin begründet, daß ihre Werke im Zusammenhang der Neuromantik stehen und als Dokumente der Wahlverwandtschaft von jüdischem Messianismus und libertärer Utopie zu lesen sind. Für einen Autor wie Georg Lukács war diese Orientierung eine Episode im intellektuellen Werdegang. Bei Walter Benjamin stellt sie den Mittelpunkt des Lebenswerkes dar. Natürlich stehen Messianismus und Anarchismus bei jedem Schriftsteller in einer anderen Proportion: bei Franz Rosenzweig zum Beispiel überwiegt die religiöse Komponente, bei Bloch der utopisch-revolutionäre Entwurf. Aber beide Aspekte findet man bei allen.
Eine systematische Gesamtdarstellung von Messianismus und anarchistischer Utopie wird man bei keinem von ihnen finden. Aber die Wirkung beider Phänomene in ihren Werken ist wie ein mächtiger Strom, der bald unterirdisch, bald deutlich sichtbar fließt und in Themen zur Darstellung gelangt, die von Autor zu Autor, von Lebensabschnitt zu Lebensabschnitt verschieden sind.
Manchmal lassen sich beide Dimensionen klar voneinander unterscheiden, dann wieder sind sie eng verbunden oder gehen ineinander über. Explizite Formulierungen sind vertreten oder indirekte, und auch »Leerstellen« sollte man zu interpretieren wissen.
Messianismus und Anarchismus können im Werk eines Autors dominieren, oder ein rasches, seltenes »Aufblitzen« deutet auf sie hin. Zwei verschiedene Gruppierungen von Autoren können wir unterscheiden. Bei der ersten herrscht die religiöse Orientierung vor, bei der zweiten geht es in stärkerem Maße um Fragestellungen der Politik:
Zur Gruppierung religiös geprägter Juden mit anarchistischen Tendenzen gehören Franz Rosenzweig, Rudolf Kayser, Martin Buber, Gershom Scholem, Hans Kohn und viele andere. Letztere sind Zionisten, erstere eher feindselig, zumindest zurückhaltend, was den Zionismus betrifft. Obwohl sie die Assimilierung ablehnen und zum Judentum als Religion und Nationalkultur zurückgekehrt sind, formulieren sie politische und soziale, sprich utopisch-libertäre Anliegen in ihren Werken. Ihr Universalismus bewahrt sie davor, in engherzigem und chauvinistischem Nationalismus zu verfallen. So gehören Scholem und Buber in Palästina zu den Initiatoren von Brit Schalom und Ihud: Organisationen, die ein Zusammenleben von jüdischer und arabischer Bevölkerung befürwortet haben und die Errichtung eines nur den Juden vorbehaltenen Nationalstaates ablehnten. In gewisser Weise gehört auch Kafka in diese Gruppe, aber seine Einstellung zur jüdischen Religion ist problematischer und sein Verhältnis zur Assimilierung weniger negativ.
Die zweite Gruppierung besteht aus assimilierten (atheistisch-religiösen), libertären Juden, d. h. aus Anarchisten, Anarcho-Bolschewiken und antiautoritären Marxisten: Gustav Landauer, Ernst Bloch, Erich Fromm, Ernst Toller, Georg Lukács usw. Im Gegensatz zu den Vorhergehenden haben sie sich mehr oder weniger von ihrer jüdischen Identität entfernt, doch eine gewisse Verbindung zum Judentum ist noch vorhanden und wird deutlich formuliert. Ihr religiöser Atheismus (der Begriff stammt von Lukács) trägt neben jüdischen auch christliche Züge, und mehrere von ihnen lassen den Anarchismus hinter sich und bekennen sich später zum Marxismus oder Bolschewismus.
Abseits und am Scheideweg steht Walter Benjamin. Er gehört beiden Gruppen gleichzeitig an und verkörpert wie kein anderer die messianische, libertäre Kultur des deutschsprachigen Judentums.
Diese Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Gruppierungen macht auch deutlich, daß die Wahlverwandtschaft zwischen jüdischem Messianismus und libertärer Utopie nicht frei von Spannungen ist, vielleicht sogar einen Widerspruch enthält. Wir meinen den nationalen und kulturellen jüdischen Partikularismus, der zum Messianismus gehört, und den universalistischen – humanistischen, internationalistischen – Charakter der emanzipatorischen Utopie. In der ersten Gruppierung relativiert die Prädominanz des jüdischen Partikularismus den revolutionären, universalistischen Charakter der Utopie, ohne ihn zum Verschwinden zu bringen.
In der zweiten Gruppierung steht der Universalismus der Utopie im Vordergrund, und der Messianismus verliert seine jüdische Prägung, die jedoch nicht völlig ausgelöscht wird.
Warum hat sich dieses politische und kulturelle Phänomen nur in Mitteleuropa entwickelt und in keinem anderen Teil des europäischen Judentums? Und warum ausgerechnet in diesem historischen Moment? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir die besondere, widersprüchliche Situation der deutschsprachigen jüdischen Intellektuellen in Mitteleuropa untersuchen. Dann werden wir auch verstehen, in welcher Weise der romantische Antikapitalismus von ihnen rezipiert wurde.
1Max Weber: Das antike Judentum. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Band II, Tübingen 1923, S. 6.
2Karl Mannheim: Ideologie und Utopie, Frankfurt am Main 1969, S. 195f, 210, 214.
3Paul Honigsheim: »Soziologie der Mystik«. In: Max Scheler (Hg): Versuche zu einer Soziologie des Wissens, Leipzig 1924, S. 343.
4Gershom Scholem: »Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum«, Judaica I, Frankfurt am Main 1963, S. 41f.
5Ebd., S. 12f. Der utopische Aspekt des Messianismus erscheint bereits im Alten Testament, vgl. z. B. Jesaja 65:17: »Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken wird noch sie zu Herzen nehmen.« Zum messianischen Zeitalter als Wiederherstellung des verlorenen Paradieses (auch in der Literatur der Rabbiner) vgl. Hermann Leberecht Strack, Paul Billerbeck: Kommentar zum Alten Testament. Aus Talmud und Midrasch, München 1924, Band IV, S. 886, 893; Hugo Gressmann: Der Messias, Göttingen 1929, S. 150–163.
6Sigmund Mowinckel: He that Cometh, Oxford 1956, S. 143. Vgl.auch S. 144: »Die Restauration ist eine Rückkehr der Dinge zu ihrer ursprünglichen Vollkommenheit, die letzten Dinge werden die ersten sein.«
7Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Zürich 1957, S. 294–301. Der Begriff Tikkun taucht bei mehreren deutsch-jüdischen Philosophen auf; außer Scholem verwenden ihn Buber, Bloch und indirekt Benjamin.
8Vgl. Karl Mannheim: Ideologie und Utopie, S. 196.
9Georges Darien: »Anarchistes«. In: L’Ennemie du peuple, Paris 1972, S. 166.
10Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1956, S. 313.
11Gershom Scholem: Die jüdische Mystik …, S. 20. Vgl. auch Gershom Scholem: Sabbatai Zwi. Der mystische Messias, Frankfurt am Main 1992, S. 30f: »Es gibt keine Kontinuität zwischen der gegenwärtigen und der messianischen Zeit … Mit Erlösung war eine Revolution in der Geschichte gemeint.«
12Gershom Scholem: »Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum«, Judaica I, S. 24f. Die Kritik Scholems an der Vernachlässigung der katastrophischen Dimension des jüdischen Messianismus und an seiner Reduzierung auf die Fortschrittsidee wendet sich ausdrücklich gegen Hermann Cohen, indirekt vielleicht aber auch gegen Joseph Klausner, den nationalistischen Messianismusforscher der Hebräischen Universität in Jerusalem, für den die »Quintessenz des jüdischen Messianismus« im »Ideal einer unaufhörlichen geistigen Entwicklung« besteht. (Vgl. Joseph Klausner: The Messianic Idea in Israel from its Beginning to the Completion of the Mishna, London 1956, S. 70f.)
13Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 372.
14Gershom Scholem: »Considérations sur la théologie juive«. In: Fidélité et Utopie. Essais sur le judaisme contemporain, Paris 1978, S. 254, 256. Vgl. auch die englische Übersetzung aus dem Hebräischen On Jews and Judaism in Crisis. Selected Essays, New York 1976.
15Karl Mannheim: Ideologie und Utopie, S. 190. Zum messianischen, utopischen und apokalyptischen Charakter des Anarchismus äußert sich ebenfalls Eric Hobsbawm in seiner Untersuchung der anarchosyndikalistischen Agrarbewegung in Spanien: »Das beeindruckendste Beispiel einer modernen millenaristischen oder quasi millenaristischen Massenbewegung.« (Eric Hobsbawm: Primitive Rebels, New York 1965, S. 90)
16Vgl. Sigmund Mowinckel: op. cit., S. 261–263, 265.
17Die hebräischen Zitate sind der Ausgabe des Alten Testaments durch die British and Foreign Bible Society, London 1963, entnommen. Die deutschen Zitate stammen aus Die Heilige Schrift, nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers (Hg: C. I. Scofield), New York 1967.
18Zu anderen biblischen und nachbiblischen Quellen zu dieser Thematik vgl. Sigmund Mowinckel: op. cit., S. 154.
19Ebd., S. 172; vgl. auch S. 140–148.
20Jakob Taubes: Studien zu Geschichte und System der abendländischen Eschatologie, Bern 1947, S. 18. (Erschien als Dissertation vollständig unter dem Titel: Abendländische Eschatologie.)
21Gershom Scholem: Judaica I, S. 47–50 und Judaica II, Frankfurt am Main 1970, S. 161. An anderer Stelle spricht Scholem vom »messianisch-anarchistischen« Judentum der Sabbatianer. (Judaica III, Frankfurt am Main 1973, S. 196).
22Karl Mannheim: Ideologie und Utopie, S. 190.
23Vgl. zu diesem Thema Michael Löwy, Robert Sayre: »Figures du romantisme anticapitaliste«. In: L’Homme et la Société, Nr. 69–70; 73–74, Paris, Publications de la Sorbonne, 1984.