Читать книгу Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof - Michael Möseneder - Страница 15
Der Cam-Sex der falschen 14-Jährigen
ОглавлениеTobias S. ist „Isabella“ und 14 Jahre alt. Besser, er war es – und das nur im Internet. Genauer, in diversen Erotikforen, in denen er zahlungswilligen Männern versprach, dass sie sein weibliches Alter Ego vor einer Webcam nackt sehen könnten. „Eine absolut blöde Idee“, wie er nun in seinem Betrugsprozess zu Claudia Bandion-Ortner sagt, die dem Schöffensenat vorsitzt.
Im Jahr 2010 war der Deutsche nach Wien gekommen, um zu studieren. Wirklich schlecht ging es ihm finanziell nicht, die Idee für einen illegalen Zusatzverdienst entwickelte sich dennoch. „Wie kommt man darauf?“, fragt ihn Bandion-Ortner. „Ich habe im Fernsehen eine Reportage gesehen, wie leicht Männer glauben, dass sie mit einer Minderjährigen chatten.“ Das wollte er ausprobieren, legte sich seine falsche Identität zu. Und hatte Erfolg: „Sobald ich geschrieben habe, dass ich Cam-Sex-Dienste anbiete, haben mich sofort 500 Leute geaddet“, erinnert sich der Geständige. Später erhöhte er sein „Alter“ auf 18.
Insgesamt 1.350 Euro zum Beispiel überwies ihm ein „Herr Peter“. Der ist eines jener 18 in der Anklage genannten Opfer, die gezahlt haben, bei weiteren drei blieb es beim Versuch. In der Realität muss es viel mehr Interessenten gegeben haben, sagt auch der ermittelnde Polizist als Zeuge aus. „Die Opfersuche war schwierig.“ Es gebe zwar bändeweise Ausdrucke von Mailkonversationen und offensichtlich auch mehr Überweisungen. Die konnten teils aber nicht zugeordnet werden.
Andere schon – doch die Betroffenen, darunter zwei Priester, wollten keine Anzeige erstatten. „Einer der Männer hat gesagt, er sei verheiratet und wolle keine Schwierigkeiten, er habe keinen Schaden erlitten“, meint der Beamte achselzuckend.
Ob es das ganz große Geschäft war, kann man S. daher nicht nachweisen. 4.400 Euro soll er zwischen 2011 und 2013 so ergaunert haben. Er sagt, er habe den ihm bekannten Opfern 50 Prozent als Wiedergutmachung angeboten. Ein im Saal anwesendes Opfer widerspricht. Es habe ein Mail gegeben, danach nichts mehr. Obwohl er nicht muss, erzählt der Mann, wie es zum Kontakt mit der „18-Jährigen“ kam: schmutzige Scheidung, Burnout, Skype-Konversation mit der Internetbekanntschaft. „Da war das Gefühl, dass hier mehr dahintersteckt.“ Steckte doch nicht – zum vereinbarten Treffen kam niemand.
Der Senat berät nur kurz und verurteilt S. rechtskräftig zu zwei Jahren bedingt. Mittlerweile studiert der Angeklagte übrigens Jus, daher hat die Vorsitzende noch einen Rat: „Ich hoffe, Sie haben etwas gelernt. Nicht nur für Ihr Studium, sondern auch für Ihr Leben. Machen Sie so einen Blödsinn nie wieder.“