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Die wütende Mutter als Brandstifterin

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„Ein Mutterherz kann viel verzeihen“, trällerte Rudolf Schock einst. Er kannte offensichtlich Vesna J. nicht, die sich in Korneuburg vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Monika Zbiral verantworten muss. Die 59-jährige J. griff in einem jahrelangen Familienstreit nämlich zu kriminellen Mitteln: Sie zündete das Haus ihres Sohnes an, wie sie zugibt.

„Bekennen Sie sich schuldig?“, will die Vorsitzende von der Unbescholtenen zunächst wissen. „Ja. Aber fragen Sie mich, wie es dazu gekommen ist!“, lässt die resolute Österreicherin übersetzen. „Das mach ich gleich, aber erst belehre ich Sie über Ihre Rechte“, versucht Zbiral zu bremsen.

Das gelingt ihr im Verfahrensverlauf nur bedingt, immer wieder echauffiert sich J. lautstark über die angeblichen Ungerechtigkeiten, unter denen sie zu leiden habe. Vor fünf Jahren sei ihr Mann verstorben, das Haus und dazugehörende Grundstück im Bezirk Korneuburg überschrieb sie daraufhin auf ihren Sohn. Mit diesem und der Schwiegertochter habe es aber ständig Streit gegeben.

Besonders wütend machte J. offenbar, dass der Sohn ein zweites, größeres Haus auf dem Grundstück baute, dieses aber vermietete. „Wir mussten weiter im kleinen Haus wohnen!“, empört sich die Angeklagte auch vor Gericht. Dazu habe ihr der Sprössling samt Gattin vorgeworfen, dass sie nicht arbeiten würde.

„Was soll das jetzt für einen Zusammenhang mit der Brandstiftung haben?“, will die Vorsitzende wissen. „Ich war damals nervös. Und befand mich in einer tiefen Depression!“, behauptet J., der ein psychiatrischer Sachverständiger Zurechnungsfähigkeit beschieden hat. „Zur Krankheit Depression gehören traurige Gedanken und Antriebslosigkeit. Aber nicht Aggressivität“, belehrt Zbiral die Angeklagte.

Irgendwann zog die Familie dann doch in das große Haus, zufrieden war J. damit aber auch nicht. „Ich durfte dort nicht kochen und rauchen“, beschwert sie sich. Das kleine Haus wurde mit einer Alarmanlage versehen, die aber offensichtlich Fehlalarme produzierte, was ebenso zu Streitereien mit dem Sohn führte. „Ich wollte mir einen Kaffee kochen. Mein Sohn hat gesagt: ‚Warum trinkst du ständig Kaffee? Es ist besser, du lutschst meinen Schwanz‘“, übersetzt der Dolmetscher.

Der Sohn habe sie auch aufgefordert, sich umzubringen, behauptet die Angeklagte. „Die Frage, die ich an Sie habe, ist, warum Sie Feuer gelegt haben“, versucht die Vorsitzende wieder zum Kern des Problems zu kommen. „Hätte ich mich aufhängen sollen?“, empört J. sich mit einer Gegenfrage.

Am 1. Oktober ging sie jedenfalls gegen vier Uhr in das kleine Haus, tränkte an drei Stellen Polster und Matratzen mit Speiseöl und deponierte brennende Küchenrollen. Anschließend packte sie Koffer und Tasche und stellte sich bei der Polizei, während die Feuerwehr noch mit den Löscharbeiten beschäftigt war.

Sie wurde allerdings nicht festgenommen, sondern zunächst wegen Fremdgefährdung in ein Spital gebracht. Die Ärzte konnten dort keine Geisteskrankheit feststellen, am 3. Oktober folgte daher die Untersuchungshaft. Die Zeit im Krankenhaus nutzte J. allerdings dazu, ihren Enkel anzurufen und zu drohen, sie werde sich und die gesamte Familie anzünden, weshalb nicht nur Brandstiftung, sondern auch gefährliche Drohung angeklagt ist.

Auch zu diesem Faktum ist die Angeklagte geständig, der Staatsanwalt regt daher an, auf die Einvernahme von Sohn und Enkel zu verzichten, um den Familienstreit nicht weiter anzuheizen. Der Konflikt scheint aber bereinigt zu sein. Der Sohn verzichtet auf Schadenersatz und stellt klar: „Ich möchte keine Anklage, sie ist ja meine Mutter!“

Da die Herbeiführung einer Feuersbrunst, wie Brandstiftung juristisch definiert ist, ein Offizialdelikt ist, kann dem Sohn dieser Wunsch nicht erfüllt werden. Stattdessen wird J. zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt.

Während sich die Angeklagte mit ihrem Verteidiger im Nebenraum berät, ergreift ihr Sohn im Verhandlungssaal noch einmal das Wort. „Drei Jahre sind schon viel. Kann man nicht eine längere Strafe, aber auf Bewährung, geben? Es ist ja eigentlich ein Familienstreit“, bittet er die Vorsitzende, die ihm mit Engelsgeduld den Instanzenzug der heimischen Strafjustiz erklärt. „Aber meine Mutter ist eine alte Frau, die überlebt drei Jahre nicht“, ist der Sohn überzeugt. „Ich bin auch 59“, merkt Zbiral daraufhin an.

Der Staatsanwalt ist mit der Strafe einverstanden, J. kündigt schließlich Berufung gegen die Strafhöhe an. Mit Tränen und Küssen verabschiedet sie sich von ihren Angehörigen, ehe sie zurück in die Haftanstalt gebracht wird.

Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof

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