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DIE ERSTE PRÜFUNG

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Am Vorabend des ersten Jahrestages zauberte Muriel ein tolles Essen für sich und Monika und sprach während des Essens: »Ich will dir heute meinen Respekt ausdrücken, wie du das harte Training gemeistert hast. Zu Beginn hatte ich Zweifel, ob du das alles durchziehen würdest, aber nochmals Respekt – du hast es geschafft!«

Monika war fast gerührt vor so viel Lob, erhob ihr Glas, prostete Muriel zu und erwiderte: »Muriel, ich möchte mich bei dir bedanken, dass du mir das alles beigebracht hast. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft. Und wenn du Eberon siehst, dann richte ihm bitte herzliche Grüße und auch meinen Dank aus.«

Nach dem vorzüglichen Mahl fragte Muriel: »Soll ich nun deinen Anhänger freigeben für die Prüfungen? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich kann das jetzt tun, oder der Anhänger aktiviert sich in den nächsten Tagen selbst. Wenn ich es tue, dann kannst du davon ausgehen, dass die erste Prüfung heute Nacht beginnen wird, anderenfalls kommt diese etwas überraschender.«

Monika überlegte kurz und antwortete danach: »Aktiviere du es, denn ich fühle mich bereit dazu, Überraschungen mag ich nicht so sehr.«

»Ja, bereit bist du mit Sicherheit. Ich glaube, du bist fitter als die meisten meiner anderen Schüler, die ich im Laufe meines Lebens hatte.«

»Wie viele hattest du denn?«, fragte Monika nach und ergänzte noch: »Und wie viele davon waren letztendlich erfolgreich?«

Muriel überlegte kurz, bevor sie antwortete: »Insgesamt waren es sieben ohne dich, erfolgreich waren zwei. Von den anderen hat einer überlebt, die anderen sind tot. Also, du siehst, dass es möglich, wenn auch sehr schwer ist. Aber es geht. Deshalb auch das harte Training.«

»Gut, dann aktiviere den Anhänger!«

Muriel nahm ihren eigenen Talisman, der etwas anders aussah als Monikas, in die Hand und murmelte einige Worte, die Monika nicht verstand. Fast im Anschluss leuchtete Monikas Anhänger kurz auf und erzeugte in dem freien Feld eine Rune.


Monika sah sich die Rune genau an und erkannte diese als URUZ und rief sich dann noch die Bedeutung dieser Rune ins Gedächtnis.

Kraft, Stärke, Beendigung & Neubeginn: Ich unterstütze dich dabei, einen Teil deines bisher geführten Lebens zu beenden, um mit der freiwerdenden Lebensenergie Neues zu beginnen. Doch bevor du Neues integrierst, musst du Altes sterben lassen.

»Muriel, was für eine Prüfung gehört zu dieser Rune?«

Muriel sah Monika eindringlich an und antwortete: »Wie ich dir gesagt habe, darf ich dich zwar vorbereiten, aber wenn dann die Prüfungen begonnen haben, nicht mehr helfen. Allerdings kann ich dir hierzu sowieso nichts sagen, weil die Prüfungen immer anders sind und sich sehr stark auf die geprüfte Person beziehen. Also lass dich überraschen, was wohl heute Nacht passieren wird, und denke immer an dich, unser Training und was du sowieso an deinem Leben verändern möchtest. Dann solltest du erfolgreich sein.

Damit möchte ich mich nun auch von dir verabschieden und wünsche dir alles Glück der Welt, Kraft und Stärke, die Dinge zu meistern, die nun auf dich zukommen werden. Es wird nicht leicht, aber da du ein gutes Herz hast und stark bist, wirst du es schaffen.« Ohne noch etwas hinzuzufügen, stand Muriel auf und verließ das Haus.

Im ersten Moment fühlte sich Monika ziemlich alleingelassen und hatte ein ungutes Gefühl, aber dann dachte sie an die harte Arbeit des vergangenen Jahres und wie sie diese gemeistert hatte, und war wieder besserer Laune. Sie hatte Kraft und Ausdauer, hatte einen Biss entwickelt, Dinge durchzuziehen, und sah blendend aus. Monikas Selbstwertgefühl hatte sich mit den Erfolgen des harten Trainings ebenfalls deutlich erhöht. Fast freute sie sich schon auf die anstehenden Aufgaben.

Die nächste Nacht wollte einfach nicht kommen. Monika war sehr aufgeregt und konnte deshalb nicht schlafen. Ziemlich übermüdet übermannte sie dann doch der Schlaf kurz vor dem Hellwerden.

Monika stand plötzlich wieder auf dem Hügel, auf dem sie zuvor die Hütte und die winkende Muriel gesehen hatte. Dieses Mal allerdings war Muriels Hütte nicht zu sehen. Dafür nahm Monika in der Ferne ein Dorf wahr und marschierte in diese Richtung los.

Nach etwa einer Viertelstunde Fußweg kam sie durch ein Wäldchen und sah bereits von weitem einige Räuber, die zwei Frauen belagerten. Als Monika näherkam, wollte sich einer der Räuber an sie heranmachen, doch erstmals machte sich Eberons Training bezahlt, denn Monika schickte den Angreifer schnell zu Boden.

Nachdem sie auch einen zweiten Räuber ins Land der Träume befördert hatte, flüchtete der letzte in den Wald. Somit hatte sie die beiden Frauen gerettet.

Die eine der beiden bedankte sich überschwänglich bei Monika: »Ich möchte mich bei dir herzlich bedanken, dass du uns gerettet hast. Wer weiß, was passiert wäre, wenn du nicht gekommen wärst. Mein Name ist Sybilla, und das neben mir ist meine Freundin Christina.« Sie streckte ihr die Hand hin.

Sich langsam wieder entspannend, drehte sich Monika zu den beiden um und antwortete: »Ich bin Monika, angenehm.« Monika drückte ihr die Hand. »Ich hatte bereits von weitem gesehen, dass diese Schurken euch überfallen haben.«

Nun ergriff Christina, zuckersüß lächelnd, das Wort: »Auch von mir ein herzliches Dankeschön. Wir würden uns gerne erkenntlich zeigen und dich zum Essen in ein nahes Gasthaus in dem Ort dort vorne einladen wollen.«

Monika, die in diesem Moment auch Hunger empfand, willigte ein.

Zusammen machten sich die drei Frauen auf den Weg, nachdem die beiden Überfallenen wieder ihr verstreutes Hab und Gut aufgesammelt hatten.

Auf dem Weg zum Dorf plauderten die drei Frauen angeregt miteinander, während Monika versuchte, etwas von der Gegend und das Dorf, das sie gleich erreichen würden, zu erfahren.

Allerdings war es nicht viel. Monika wollte außerdem wissen, was zwei Frauen so allein in diese Gegend getrieben hatte.

Sybilla antwortete: »Ja, diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Wir beide waren bislang auf einem Bauernhof in der Nähe beschäftigt. Doch der Bauer hat erst kürzlich geheiratet und wollte keine weiblichen Kräfte mehr neben seiner Frau auf dem Hof haben. Daher mussten wir gehen. Wir sind nun auf dem Weg zu dem Dorf Waag dort vorne, um morgen einen Bekannten von uns zu treffen, der für uns Arbeit hat. Und was machst du so? Hast du genug Geld zum Leben?«

Monika überlegte kurz und erschrak innerlich, denn sie wusste, dass sie kein Geld besaß. Auch in dieser Welt schien nichts ohne Geld zu laufen. »Tja, ich bin von zu Hause weg, weil man mich dort verheiraten wollte, und der mir zugedachte Mann war so gar nicht mein Geschmack. Da ich Hals über Kopf fliehen musste, bin ich derzeit mittellos, aber ich bin sicher, bald eine Arbeit zu finden. Vielleicht sogar auch in dem Dorf da vorne.«

Die beiden Frauen sahen sich kurz an, und Sybilla fuhr danach fort: »Damit geht es dir finanziell gesehen auch nicht gut. Lass uns doch zusammentun! Unser Freund hat sicher auch Arbeit für dich, und außerdem schulden wir dir was, daher werden wir ein gutes Wort für dich bei ihm einlegen.«

»Ja das klingt doch gut. Na, dann sehen wir ja, was für Arbeit er für mich hat«, resümierte Monika noch.

Auf dem restlichen Weg zum Dorf unterhielten sie sich noch über Belangloses. Die beiden anderen Frauen wollten wissen, wie ihr Bräutigam so gewesen sei.

Monika beschrieb diesen nach einem Bekannten, den sie aus München kannte und der so gar nicht ihr Fall war. Damit konnte sie ein Bild zeichnen, bei denen auch die beiden anderen zustimmen mussten, so jemanden sicherlich nicht als Bräutigam in Erwägung zu ziehen.

Kurz darauf erreichten die drei das Dorf und begaben sich zum Gasthaus. Sybilla bestellte Essen und Trinken für alle sowie ein Zimmer für die Nacht.

Der Wirt fragte, etwas verwirrt, nach: »Soll das Zimmer für euch drei sein?«

Nachdem Sybilla nickte, fügte er hinzu: »Gut, dann bekomme ich ein Silberstück von jeder von euch.«

Sybilla und Christina überreichten dem Wirt jeweils das gewünschte Geldstück, und als Monika an der Reihe war, sagte Christina, als sie Monikas verzweifelten Gesichtsausdruck sah: »Ich leihe dir das Geld. Gib es mir zurück, wenn du Arbeit hast und es zurückzahlen kannst.« Sie gab dem Wirt ein zweites Silberstück, woraufhin sich Monika bei ihr mit einem Nicken bedankte, obwohl ihr gar nicht so recht wohl dabei war, Schulden zu haben; immerhin war sie gerade erst in diesem Dorf angekommen.

Als dann das Essen gebracht wurde, ließen es sich alle drei schmecken. Nachdem sie danach auch noch ein Bier getrunken und miteinander angestoßen hatten, näherte sich plötzlich ein verschlagen dreinblickender Mann den Frauen, setzte sich an deren Tisch und sagte, an Sybilla und Christina gewandt: »Hallo, ihr beiden, da seid ihr ja! Ich hatte euch bereits gestern erwartet. Wo wart ihr denn so lange?«

Dieses Mal antwortete Christina und erzählte von dem Überfall und dass Monika ihnen geholfen hatte. Danach stellte sie Monika dem Fremden vor: »Übrigens, das ist Fred, unser Freund, von dem wir dir schon erzählt haben und der auch Arbeit für uns hat.«

Neugierig geworden, fragte Monika ihn sogleich: »Welche Tätigkeit hast du eigentlich anzubieten?«

Misstrauisch betrachtete Fred die fremde junge Frau, wandte sich danach wieder an Christina und wollte wissen: »Kann man der wirklich trauen?«

Christina und Sybilla nickten, und Sybilla meinte: »Monika ist so arm dran wie wir, ja, ich denke, wir können ihr trauen.«

Fred betrachtete nochmals Monika und meinte: »Also gut. Ich habe vor, im Wald zwischen diesem Dorf hier und Natternheim, welches nördlich von hier liegt, den Geldtransport der Bauernzunft zu überfallen. Der ist zwar bewacht, aber die Gruppe um Janis wird morgen zu uns stoßen, und dann sind wir genug. Zudem fahren in dieser Kutsche immer auch noch gutbetuchte Bauern mit. Denen können wir dann auch noch die Barschaft abnehmen. Was ist, macht ihr mit?«

Christina und Sybilla nickten sofort erfreut, während Sybilla antwortete: »Wir müssen uns dann nur noch auf unsere Rolle und unseren Anteil einigen, aber sonst sind wir dabei.«

Christina nickte ebenso zustimmend.

»Und du, Monika, machst du mit?«, fragte Fred und sah Monika lauernd an.

»Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann plant ihr einen Überfall und einen Raub«, entgegnete sie.

Fred nickte und lächelte, sodass Monika erstmals seine ungepflegten Zähne mit dem bereits fehlenden Schneidezahn sah. Es war vor allem sein Lächeln, welches ihren Entschluss, den sie bereits getroffen hatte, noch weiter festigte. »Es tut mir leid, aber an so etwas bin ich nicht interessiert. Nein, ich mache nicht mit.«

Staunend sagte Christina zu Monika: »Und wie willst du dann deine Schulden bei mir zurückbezahlen?«

Monika hatte mit so einem Einwand gerechnet und stand nun wortlos auf, ging zum Wirt und sprach mit ihm. Wenig später kam sie zurück, händigte Christina ihr Silberstück aus und sagte nur: »Ich wünsche euch, dass ihr heil aus dieser Sache rauskommt. Alles Gute euch!« Sie drehte sich um und ging.

Mit dem Wirt hatte sie vereinbart, ihm heute in der Wirtschaft zu helfen. Dafür durfte sie heute Nacht in seinem Stall übernachten und konnte morgen dann weiterziehen und sich eine legale Arbeit suchen.

Nun war es Monika gleich wieder wohler ums Herz.

Sie arbeitete hart den ganzen Abend, spülte unzählige Gläser und Schüsseln und bediente die Gäste der Wirtschaft. Anscheinend war sie bei den Gästen so gut angekommen, dass sie sogar mehrere Kupferstücke als Trinkgeld erhalten hatte. Vom Wirt erfuhr sie, dass alles zusammen fast einer Silbermünze entsprach.

Für zwei Kupfermünzen erhielt Monika sehr früh am Morgen noch ein Frühstück, währenddessen sie der Wirt bat, noch etwas länger auszuhelfen, da seine Magd erkrankt war und Monika seine Gäste anscheinend zu mehr Umsatz animiert hatte.

Früh am Morgen hatte Monika gesehen, wie Christina und Sybille das Wirtshaus verlassen hatten, weshalb es somit unwahrscheinlich war, die beiden je wiederzusehen. Daher fühlte sie sich sehr viel wohler und sagte dem Wirt zu.

Mit ihrer guten Laune steckte sie ihre Gäste an und war dadurch überaus beliebt. Zudem war sie eine Augenweide, und die harte Arbeit machte ihr durch das Training, das sie im letzten Jahr absolviert hatte, nicht viel aus.

An jedem Abend zählte sie mindestens eine Silbermünze als Trinkgeld, und das lediglich für das eine oder andere Lächeln, das sie den Gästen schenkte. Lediglich zweimal bekam sie einen Klaps auf den Po, woraufhin aber der Wirt jedes Mal dem Täter seine Meinung darüber kundtat, dass er die Belästigung seiner jungen Aushilfe nicht wünsche.

Die Woche verging wie im Fluge, während die Magd des Wirtes wieder gesund wurde. Dem Wirt wäre es zwar lieb gewesen, Monika noch weiter beschäftigen zu können, denn während der letzten Tage hatte sich sein Umsatz deutlich erhöht, aber Monika wollte der Magd nicht den Platz streitig machen.

So saß sie an ihrem letzten Abend an einem Tisch in einer Ecke und aß sich so richtig satt, als ein älterer Mann, den sie die letzten Tage einige Male bedient hatte und der immer sehr freundlich zu ihr gewesen war, an ihren Tisch kam. »Guten Abend, Monika. Entschuldige bitte, dass ich dich hier beim Essen störe, aber ich habe mitangehört, dass du morgen früh das Gasthaus verlassen wirst. Ich würde dir gerne anbieten, mich auf meiner Reise zu begleiten, denn ich mag deine Art, und nun sehe ich noch dazu, dass du ein Schwert trägst. Kannst du auch damit umgehen?«

Monika war überrascht, mochte aber den Mann und bewunderte ihn für seine Beobachtungsgabe. »Ja, ich denke, für mich persönlich hat es bislang gereicht, wie ich mit dem Schwert umgehe«, antwortete Monika nach kurzem Überlegen.

»Sehr gut, dann bitte ich dich nunmehr für fünf Silbermünzen, meine Reisebegleitung zu werden. Sei aber versichert, dass ich lediglich deine Begleitung wünsche. Da ich sehr gut verheiratet bin, und dies seit über dreißig Jahren, habe ich auch kein weiteres Interesse an dir.

Ich will wahrhaft nur deine Begleitung und, wenn du es dir zutraust, auch deinen Schutz für einen alten Mann.«

Monika war geneigt, das Angebot anzunehmen, wollte aber noch wissen: »Wohin soll es denn gehen? Und wie heißt du eigentlich?«

»Oh, entschuldige, ich heiße Orman, und ich will zurück nach Hause auf meinen Hof. Der liegt vier Tagesreisen von hier entfernt. Ich habe hier in der Gegend gute Geschäfte gemacht, und nun ist es an der Zeit, zu meiner Familie zurückzukehren. Ah, eines noch: Nach der Reise kann ich dir eine Stelle auf meinem Hof anbieten. Also ein Auskommen sei dir gewiss.«

Monikas Neugier war fast gestillt, aber dennoch wollte sie noch wissen: »Wenn ich mitkommen soll, dann wüsste ich gern, welche Route du nehmen willst.«

»Richtig, die Route. Ich hatte vor, die Kutsche nach Norden zu nehmen, in der auch die Zunftgelder transportiert werden. Diese ist gut bewacht und hätte noch zwei Plätze frei. Na, was ist nun, kommst du mit?«

»Gut, Orman, ich begleite dich. Aber du kennst mich doch gar nicht, weißt nicht, ob ich gute oder böse Absichten hege. Warum also gerade ich?«

»Die letzten zwei Abende habe ich dich beobachtet und festgestellt, wie herzerfrischend und ansteckend deine Freundlichkeit und deine gute Laune ist. Du hast ein gutes Herz, das sehe ich, und deshalb wird mir dank deiner Begleitung nichts geschehen.«

»Also gut, ich nehme dein Angebot zu den angebotenen Bedingungen an, und vielleicht gefällt mir sogar das Leben auf deinem Hof. Wer weiß? Wann soll es losgehen?«

»In zwei Stunden fährt die Kutsche ab«, antwortete Orman, freundlich lächelnd.

Während Monika noch ihr Mahl zu sich nahm, erzählte Orman ein wenig von seinem Hof. Danach nahmen beide jeweils ihr Gepäck auf und gingen langsam in Richtung der Kutschstation. Monika hatte lediglich das, was sie am Leib trug, und zusätzlich eine Decke, die sie vom Wirt erworben hatte, und ihre Waffen: ein Schwert und ein Messer. Orman hingegen hatte deutlich mehr, weshalb Monika dem alten Mann gleich beim Tragen behilflich war.

Als dann endlich die Kutsche mit etwas Verspätung abfuhr, weil der Kutscher noch essen wollte, unterhielten sie sich angeregt. Mit ihnen reiste noch eine ältere Dame, die zur Hochzeit einer Verwandten, die ebenfalls in einem Dorf nördlich von hier wohnte, reisen wollte. Da sie allerdings, bedingt durch das Schaukeln der Kutsche, bald eingeschlafen war, konnten sich Monika und Orman in Ruhe unterhalten.

Plötzlich jedoch rief die Wache, die neben dem Kutscher auf dem Kutschbock saß, zu den Insassen hinunter: »Die Straße dort vorne ist blockiert! Bitte bleibt im Wagen, bis wir das Hindernis beseitigt haben!«

Da fiel es Monika wieder ein, dass es wohl diese Kutsche war, die Fred und die Frauen überfallen wollten, woraufhin sie rief: »Vorsicht, das könnte auch eine Falle sein!«, und an Orman und die Dame gewandt sagte sie: »Verstecken Sie Ihre Wertsachen, denn ich denke, es droht ein Überfall.«

Orman gab daraufhin seinen Beutel mit Münzen Monika. »Versteck du ihn für mich. Bei dir werden sie ihn am wenigsten vermuten.«

Monika, etwas verdutzt ob des dargebrachten Vertrauens, nahm den Beutel und steckte diesen in eine Beintasche ihrer Hose. Danach fasste sie ihr Schwert am Griff und zog dieses. Mit der anderen Hand nahm sie ihr Messer, so wie es ihr Eberon beigebracht hatte.

Monika hatte recht, denn schon bald stürmten vier Gestalten aus dem Wald heraus und überfielen den Kutscher und die Wache. Als Monika schnell aus dem Wagen gesprungen war, die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte und rief: »Bleibt hier im Wagen, ich helfe den anderen beiden!«, musste sie sich auch schon einem der Angreifer stellen. Da sie dieser falsch eingeschätzt hatte, fand er sich im Nu kampfunfähig auf dem Boden wieder mit einer tiefen Wunde am rechten Oberarm.

Monika hatte allerdings wenig Zeit, sich über ihren Sieg zu freuen, denn nun kamen ihre »Freundinnen«, zwei Männer und Fred aus dem Wald und umstellten sie. Doch Monika wehrte sich erfolgreich, sodass sich Christina und Sybilla wieder zurückzogen, denn beide trugen erste Blessuren davon: Christina an ihrem Oberschenkel und Sybilla an einer Hand.

Allerdings wurde Monika ebenfalls nun heftig von Fred und seinen beiden Kumpanen bedrängt. Bald neigte sich das Blatt zu Monikas Ungunsten, da einerseits der Kutscher schwer verletzt worden war und die Wache von zwei Banditen in Schach gehalten wurde. Der Dritte griff nun Monika an. Der Kampf schien aussichtslos und verloren, als plötzlich ein Reiter zwischen die Kämpfenden herbeistürmte und zwei der Banditen niederstreckte. Damit waren die anderen entmutigt, reagierten auch nicht mehr auf Freds Aufforderungen weiterzumachen und verschwanden im Wald.

Monika, nun völlig außer Atem, drehte sich zu dem Reiter um, damit sie ihm danken konnte, sah in dessen Gesicht und rief erstaunt aus: »Markus, du? Was machst du denn hier?«

Der Angesprochene antwortete lächelnd: »Wie du siehst, musste ich dir helfen, damit du nicht zu Schaden kommst. Man kann dich wohl nicht allein lassen. Hilfe meinerseits ist wohl immer erwünscht.«

Zustimmend lächelnd sagte Monika: »Wohl wahr, aber hilf mir bitte noch mit dem Kutscher und dem Hindernis. Wir sollten schauen, dass wir von hier verschwinden.«

Nachdem der schwerverletzte Kutscher in die Kutsche gehievt und versorgt war, wurde das Hindernis, das die Straße blockierte, mit vereinten Kräften von der Wache, Markus und Monika beseitigt. Anschließend band Markus sein Pferd hinten an die Kutsche, stieg auf den Kutschbock neben die Wache und fuhr los, nachdem auch Monika eingestiegen war. Die Wache beugte sich noch während der Fahrt zu Monika herunter und dankte ihr für ihre Hilfe. Ebenso dann bei Markus, und Monika rief durch die kleine Öffnung hinauf zum Kutschbock: »Und eine Kutsche lenken kannst du auch noch! Du bist ja ein Tausendsassa!«

Markus beschleunigte das Tempo der Kutsche, und so erreichten sie schon nach einer weiteren Stunde das nächste Dorf und brachten den verletzten Kutscher zu dem dort ansässigen Arzt. Dieser untersuchte den Verletzten, versorgte ihn und sah danach Monika an: »Kindchen, lass mal deinen Arm sehen!«

Erst jetzt merkte Monika selbst, dass sie an ihrem Unterarm eine kleine Schnittwunde erlitten hatte, aus der ein kleines Rinnsal an Blut floss. »Oh, das hatte ich im Eifer des Gefechtes selbst noch gar nicht bemerkt!«

Gut versorgt, ging sie zurück zur Kutsche und gab als Erstes Orman seinen Beutel zurück, der freudig sagte: »Kindchen, siehst du, es hat sich für mich doch gelohnt, mit dir zu reisen, denn ohne dich wäre ich jetzt mein Geld los und vielleicht auch mein Leben.«

»Warum sagt eigentlich jeder ›Kindchen‹ zu mir? Ich bin doch eine erwachsene Frau!«, echauffierte sich Monika künstlich.

Orman lächelte sie väterlich an und meinte leise: »Weil du einfach auch noch sehr jung aussiehst; zudem ist es zumindest von mir nett gemeint.«

Nachdem einige Stunden später ein Ersatzkutscher angekommen war, konnten sie endlich weiterfahren.

Markus gesellte sich nun auch zu den Fahrgästen, und damit war die Kutsche voll. Nach sehr angeregten und angenehmen Gesprächen und erholsamen Übernachtungen in Gasthöfen erreichten sie weitere drei Tage später Ormans Hof. Dort erhielt Monika außer den vereinbarten fünf Silbermünzen zusätzliche drei für die Rettung vor den Banditen.

Auch Markus bekam drei Silbermünzen für seine Hilfe. Beide wurden von Orman eingeladen, seine Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, was sie gern annahmen.

So verbrachten sie einige Tage auf dem Hof, halfen, wo sie konnten, und genossen eine glückliche Zeit.

Eines Abends, als Monika in der ihr zugewiesenen Kammer einschlief, wachte sie plötzlich wieder zu Hause in München auf. Das Letzte, das sie noch vor dem Aufwachen wahrnahm, war der Satz einer fremden dunklen Stimme: »Du hast deine Sache gut gemacht. Du hast drei Tage.«

Monika war völlig verwirrt, als sie vollends wach war, denn die Erlebnisse waren so, als wären sie gerade real passiert. Sofort versuchte sie, Markus zu erreichen, aber der war in der Uni und nicht verfügbar.

Der Runenanhänger

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