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REISE ZUM MITTELPUNKT DES BIERTRINKERS
ОглавлениеDER SCHLUCKAKT
Tiefe Weisheit und das Wissen um das Wesen der Dinge wohnen der Tatsache inne, daß der menschliche Körper Flüssigkeit aufnehmen muß. Noch mehr dieser lobenden Attribute kommen dem Umstand zu, daß die Flüssigkeiten nach einer subjektiven Eignungsprüfung geschluckt werden und nicht einfach, der Schwerkraft gehorchend, den Innereien und damit ihrer Absorption entgegenplumpsen. Segensreich ist zudem die kulturhistorisch determinierte Übereinkunft, daß etwas Gutes auch gut schmeckt. Ein frisches Kölsch, zum Beispiel. Oder ein Alt. Oder erst ein frisches Alt und dann ein Kölsch.
Für den Schluckakt brauchen wir erstens etwas zu schlucken und zweitens etwas, wo hinein geschluckt werden soll. Das Bier und der Magen wären jeweils ein solches Etwas. Die Einleitung des Bieres erfolgt den Trinkgewohnheiten gemäß über die Mundhöhle. Der feuchte Fleischdom stellt eine schöne funktionelle Einheit dar, worunter wir uns das muntere Zusammenspiel seiner Wände, von Zunge, Speicheldrüsen und Gebiß vorzustellen haben. Die Form der die Mundhöhle umschließenden Wange wird vom Wangenfettpfropf bestimmt. Er verhindert das Einziehen der Wange beim Saugen des Bieres. Der weiche Gaumen ermöglicht den für den Schluckakt erforderlichen zeitweiligen Abschluß des Nasenteils vom Schlund. In der Mitte darüber baumelt das lustige Gaumenzäpfchen, welches das zur Abdichtung angelegte Gaumensegel unterstützt. Bei schlimmem Bier (Warsteiner) bewirken hilfreiche Nerven eine vorübergehende Funktionsuntüchtigkeit dieses Gaumensegels, wodurch die Flüssigkeit leicht wieder über die Nase abfließen kann.
Während des Bieraufenthaltes in unserer Mundhöhle erfüllt die Zunge mehrere Aufgaben, ihre Sensibilität dient der Kontrolle im Sinn der körperlichen Einfuhrbestimmungen. Dazu hat unser Schöpfer die Zungenoberfläche in mehrere praktische Distrikte unterteilt: vorne für Export und Märzen, zentral für Bock und Doppelbock, halb hinten und an den Seiten für Dunkles und Alt und ganz, ganz hinten für Pilsener und Kölsch. Die Daten unserer Geschmacksorgane werden zur Zentrale weitergeleitet, bestätigt oder gegebenenfalls verworfen. Die Speicheldrüsen treten auf den Plan, sekretieren wie Bolle und machen das Schluckgut gleit- respektive schluckfähig.
Das Bier passiert den Schlund, wo sich Speise- und Luftweg kreuzen. Letzterer möchte dicht bleiben, wenn es vorbeirauscht, denn unsere Lunge darf nicht der Ort sein, an dem sich Schönheit und Kraft des Biergetränks zur Zufriedenheit des Restorganismus entfalten können. Die Speiseröhre ist ein muskulöser Schlauch und mit zirka 12,4 Zentimetern die kürzeste Verbindung zwischen Mundhöhle und Magendarmtrakt. Mundbodenund Schlundmuskeln übernehmen jetzt den Job und spritzen das Bier durch diese Röhre, quasi volles Rohr, in den Magen. Lediglich nach dem letzten Schluck läßt die Speiseröhre wie zur Kontrolle eine Kontraktionswelle von oben nach unten laufen.
Im Rumpfdarm, das ist vielleicht noch wichtig, warten abwehrbereite Bindegewebe. Was also die Geschmacksknospen übersehen haben, wird hier gesammelt und antiperistaltisch retourniert. In unserem Magen und Darm passiert dann alles Weitere. Soviel zum Schluckakt.
DAS SCHLUCKGUT
Export ist ein untergäriges, helles Vollbier, war noch bis weit in die siebziger Jahre hinein das bevorzugte Biergetränk des Exportweltmeisters BRD und wurde nur zögerlich vom Pilsener abgelöst. Es sollte weniger gehopft sein und ein robuster malzbetontes, aber lieber nicht ganz so breites Aromenspektrum vorweisen, denn das bleibt dem Märzen vorbehalten. Unter fünf Prozent Ethanol geht da nix. Der etwas schwächere bayerische Bruder wäre dann das Helle. Das Pilsener hat sich seit seinem Urknall in vielem gewandelt. Charakteristisch ist und wird ewig bleiben: hell, untergärig, schlank und spritzig muß es sein und kräftig gehopft, mit knapp um fünf Prozent Ethanol. Seine abgedunkelte Ausführung heißt Schwarzbier. Der Bock wäre das untergärige Starkbier, gebraut aus Gerstenmalz und mit sechs bis acht Prozent Ethanol aufgewertet. Seine Farbe variiert von hell-bernsteinfarben über schnitzelbraun, rostrot bis richtig dunkel-schwarzbraun. Der Geschmack richtet sich nach dem verwendeten Malz. Es gibt malzig-süßen, leptosom gehopften, aber auch regelrecht knisplig-bitteren Bock. Sinn und Zweck dieses Starkbiergetränkes fußen auf seinem Saisoncharakter, denn ursprünglich war es das Bier der kälteren Jahreszeit. Und dann gibt es noch den Maibock, den Blauen, und den Doppelbock, den bayerischen Bock2. Das obergärige Altbier ist mit einem größeren und auch großzügigeren Herkunfts- und Verbreitungsgebiet als das Kölsch ausgestattet. Altbier, weil obergärige, also ältere und ursprünglichere Gärung. Wie beim Kölsch gibt es stammwürze- und ethanolmäßig kaum Ausreißer aus dem Vollbiersektor. Wir merken uns die knappe Zwölf und die knappe Fünf. Die Verwendung diverser Malzsorten macht das Alt nicht nur dunkler als das Kölsch, sondern auch voller und kräftiger im Geschmack. Und die Altbierhauptstadt ist Düsseldorf. Also bitte jetzt nicht extra deswegen nach Köln fahren. Das Kölsch wird nach Buchstabe und Gesetz eines eigenen R(h)einheitsgebotes gebraut. Aufgrund dieser ominösen Kölschkonvention (1986) dürfen nur vierundzwanzig Brauereien innerhalb der Kölner Bannmeile (inklusive einiger streng umsorgter Ausnahmen) ein Kölsch brauen. Die sensorische Konkordanz schöpft von Märzen bis Pilsener sämtliche Mittel aus. Kölsch hat auf alle Fälle knappe Fünfkommanull Prozent Ethanol und eine hellgelbe Farbe zu haben, es ist oft gut gehopft, und manchmal darf auch Weizenmalz mit hinzu.
Weizenbier heißt die obergärige, am besten hefetrübe, bayerische Spezialität mit Nachgärung in der Flasche. Da kommen vermehrt fruchtige Aromata zum Zug. Stammwürze und »Allohol« ähnlich dem Export oder Märzen. Selbstverständlich muß es auch Exportweizen, Weizenbock und Weizendoppelbock geben. Lambics gären und reifen bis zu drei Jahre. Gerstenmalz und Rohweizen bedienen sich wilder Hefen zur spontanen (Ober-)Gärung und sind selten stärker als fünfprozentig. Gerne werden sie in Faro und Früchtebiere verwandelt oder zum Gueuze verschnitten. Prima. Ales sind obergärige Biere. Bewegen sich zwischen drei und elf Prozent Ethanolvolumen. Kolorit daher auch von hellgelb bis dunkelbraun und umgekehrt. Die obergärige Hefe steht beim Ale für fruchtigere, fülligere Malzvariationen, naturgemäß mit einer angenehmen Säure korrespondierend. Wahre Ales, »Real Ales«, haben in Flasche oder Faß bei elf bis dreizehn Grad Celsius nachzureifen (bottle/cask conditioning), verweisen somit auf ihre prinzipielle Verwandtschaft mit den hiesigen Weizenbieren, werden knapp unter Zimmertemperatur serviert und getrunken, ohne Kohlendioxid gezapft und stellen in der Schaumbildung Bescheidenheit zur Schau. Die Fachwelt unterscheidet Brown Ale, India Pale Ale (ursprünglich für die Kolonialtruppen eingebraut, reifte auf See im Schiffsrumpf), Mild Ale (das ethanolarme Mittagsbier), Pale Ale, Barley Wine (schwer, malzig, »Gerstenwein«), Old Ale, Bitter Ale (welches seinen trockenen Anflug dem Hopfenstopfen verdankt), Cream Ale (USA, leicht goldfarben, zuweilen mit Lager verschnitten) und Ginger Ale. Die Scottish Ales, tendenziell hoch malzakzentuiert und dunkel, hören auf Light, Strong, Export und Heavy. Stout ist ein obergäriger, röstmalzorientierter Dunkelbiertyp. Kann in Hochform sehr auf Kakao oder Kaffee machen. Alkoholismus wie beim Ale. Auch hier wieder ausgeklügelte Säure. Soll ab Ende des 17. Jahrhunderts der Braunschweiger Mumme nachempfunden worden sein. Im wesentlichen kennen sollten wir Sweet Stout (England), Dry Stout (Irland) und Imperial Stout – das einst aus London stammende und in Kontinentaleuropa zum Starkbier mutierte Porter galt ursprünglich als leichtere Variation des Stout.
ABSORPTION
Hier geht es unmißverständlich zur Sache, meine Damen und Herren. Das geistig aufgeladene Schluckgut hat auf die beschriebene Weise seinen Weg ins Körperinnere des Trinkers gefunden. Nun gilt es, die palliative Kraft und Würde des inhärenten Ethanols zu entfalten. Für die Kraft sind die zwanzig Prozent zuständig, die im Magen absorbiert werden, für die Würde die restlichen achtzig Prozent, die im Dünndarm in Aktion treten. Penibel werden die Ethanolteilchen abgezählt, um Unregelmäßigkeiten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die von der Mundschleimhaut absorbierten Mengen sind statistisch zu vernachlässigen; darauf haben sich die zuständigen Stellen im Absorptionsapparat vertraglich geeinigt.
Die Anflutungsphase mit Bierethanol dient dem großartigen Zweck, die Hämoglobinteilchen als Shuttle zu allen gefragten Schauplätzen der Ethanolverwertung zu nutzen. Denn es ist zwar bekannt, daß die ständig unter Erwartungsdruck stehende Leber unverzüglich mit dem Abbau des Ethanols beginnen möchte, doch, sind wir ehrlich, was soll das jetzt schon? Reden wir von Schauplätzen, meinen wir in erster Linie das Gehirn – der Mittelpunkt des Biertrinkers. Und hier treffen wir auf ein bisher ungelöstes Rätsel: Obwohl das Bierethanol wasserlöslich ist, verteilt es sich nicht sofort gleichmäßig im Gehirn, sondern belagert anfänglich die Hirnrinde am meisten. Erst relativ spät schreitet die Angleichung des Pegels in den einzelnen Hirnbezirken voran. Das Ergebnis ist Interpretationssache: Werden wir von den C2H5OH-Teilchen angeregt, oder lähmen sie nur hemmende Zentren? Unabhängig davon: Die gesellschaftlich überbaute, phylogenetisch jüngste, im Orbitalhirn repräsentierte Persönlichkeit zeigt zuerst Wirkungen, während die sogenannten Werkzeugfunktionen – Wahrnehmen, Denken, Sprache – später beeinträchtigt werden.
Und zwar so: Je nach körperlicher Konstitution beginnt sich ab 0,5 Promille das Gesichtsfeld einzuschränken. Wesentliche Einflußfaktoren sind lokaler und meteorologischer Natur, aber auch Charakterstruktur und Ausgangsstimmung (Trinkaktivatoren und Trinkziel) des Biertrinkers. Je nachdem erfährt er Empfindungen von Zufriedenheit oder konträrer Niedergeschlagenheit, gefolgt von protrahierter Reaktionsfähigkeit und psychischer Entkrampfung. Die Risikobereitschaft nimmt zu, bis hin zum Angstverlust. Daneben macht sich ein ausgeprägtes Großartigkeitsgefühl breit, welches wir auch mit dem Begriff Sorglosphase umschreiben. Die Sinnkontinuität bleibt erhalten.
Ab 1,2 Promille beobachten wir eine gewisse Disharmonie des muskulären Zusammenspiels. Im Verein mit dysphorischen Stimmungen werden nur noch Bruchstücke von Sätzen oder Ausrufe in lauter Form vorgebracht. Die Merkfähigkeit verringert sich rapide (Inselgedächtnis). Das kann für den Beobachter mitunter stark unterhaltsame Züge aufweisen. Die erkenntnispraktischen Turbulenzen umrahmen sämtliche lebensweltlichen Teilgestade: Innerhalb einer biertrinkenden Gruppe entstehen Schlägereien aus geringstem Anlaß, beziehungsweise ohne daß eine thematische Unterschiedlichkeit der Auffassungen begründet ist. Oder alle am Tisch sind Freunde, die geheimnisvolle erste Millionstelsekunde nach dem Pilsener Urknall läuft in Superzeitlupe vor dem inneren Auge des Biertrinkers ab, Black Sabbath sind auf einmal besser als Deep Purple, selbst die holzbusige Kellnerin verliert schlagartig wesentliche Komponenten ihrer sexuellen Unattraktivität, und selbstverständlich wird jetzt noch eins getrunken!
Erst der schwere Rausch, verursacht ab etwa 2,5 Promille, läßt lebensbedrohliche Ausfallerscheinungen sämtlicher Funktionen und Reaktionen zu. Das Erspüren der sozialen Situation ist erheblich gestört, wenn nicht ausgehebelt. In einem derartigen Intoxikationszustand sind Handlungen, die einen Sinnbezug zeigen, selten.
Wie oben erwähnt, nimmt sich die Leber des Ethanolabbaus an, denn ein dauerhafter Verbleib dieser beliebten Erfrischungssubstanz kann aus toxikologisch eindeutigen Gründen nicht befürwortet werden. Zumal in der Abflutungsphase unerbittlich Ermüdungserscheinungen und Energieverlust dominieren. Im Volksmund wird die Leber daher auch als »Entgiftungsstation« verhöhnt. Sie bedient sich während dieser Verrichtungen des von ihr monopolistisch produzierten Enzyms Alkoholdehydrogenase. Dieses Enzym destruiert das Bierethanol unter tatkräftiger Zuhilfenahme von Wasserstoff (daher Flüssigkeitsbedarf!) mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit von annähernd 0,1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Stunde bei den Herren und etwa 0,085 Gramm bei den Damen. Eine strenge Kommission wacht über die exakte Einhaltung dieses ehrgeizigen wenngleich nachgewiesenermaßen frauenfeindlichen Zeitplanes. Für die Anwender regelmäßiger Ethanolzuführungen steht zudem ein ergänzender Enzymkatalog zur Verfügung, den wir MEOS abkürzen: Microsomal Ethanol Oxidizing System. Hier spielt der Sauerstoff eine gewisse Rolle (bleibt nach der Abspaltung von Wasserstoff übrig; tja, wohin damit?). Rivalitäten oder Kompetenzüberschreitungen zwischen beiden Abbaumöglichkeiten sind nicht belegt. Zerlegt und damit ohne Frage entgeistigt wird das Bierethanol über die Zwischenstufe des übelriechenden Aldehyds, um dann endgültig in der Anonymität würdeloser Kohlenwasserstoffe unterzutauchen. Verständlich, daß das im Bier enthaltene Ethanolträgermedium Wasser sich nicht für diese Exekutionen hergibt und lieber schnellstens über die Harnröhre den Organträger des Biertrinkers verläßt, um nicht in Loyalitätskonflikte zu geraten.
NEBENSCHAUPLATZ REZENS
Rezens bedeutet Spritzigkeit und ist visuell am Verhalten der Kohlendioxidbläschen beim Einschenken zu beobachten: Haben sie es eilig, die Flüssigkeit zu verlassen, um nur flüchtigen Schaum zu bilden, oder spielt sich das Ganze in graziöser Zeitlupe ab – ein sich Wiegen und Schaukeln, die Trennung fällt schwer, letzte Grußadressen werden ausgetauscht, leichtfertig ewige Treueschwüre geleistet. Zum Abschied und Dank formen die Bläslein Schaummassive, um das geliebte Bier letztmalig uneigennützig vor dem bösen Sauerstoff zu schützen. Die Rezens markiert einen wesentlichen Bestandteil der physischen Begutachtung eines Trinkbieres. Wir nehmen das durch ein angenehmes, Frische vermittelndes Kribbeln auf der Benutzeroberfläche unserer Zunge wahr. Die Kohlendioxidbläschen eines guten Bieres (Westmalle Tripel, Hoegaarden Witbier) sind sowieso ein übermütiges Völkchen und, das ist eine ihrer biochemischen Besonderheiten, besitzen die Eigenschaft, ausgesuchten Geschmacksknospen geneigter Trinker ihre besten Hopfenfreunde persönlich vorzustellen oder sie, wo das in der Kürze der Zeit nicht möglich ist, mit einer Unzahl kleinster, aber leidenschaftlichster Küsse zu überziehen und damit Genuß und Genußbereitschaft in nie gekannte Regionen zu überführen. Letzthin aber purzeln die Teilchen fröhlich in den Magen, um via Aufstoßen neues Leben und neues Glück in der freien Atmosphärenwirtschaft zu beginnen.
Bei schlechten (Beck’s, König) und noch schlechteren Bieren (Warsteiner) ist das alles ganz anders. Die Betreffenden formen eine nur nachlässige Lust zur Bläschenbildung aus, zerplatzen meistens schon vor dem Mund, hängen sich in ihrer Schlaffund Trägheit an alte Malzinvaliden oder Hopfenrentner, deren abstoßendes Wesen sie durch ihr Eigengewicht ins Unermeßliche steigern und wahre Greueltaten auf der Zunge anrichten.
Das Aufstoßen ist technisch betrachtet eigentlich nichts weiter als das Entweichen des Kohlendioxids aus dem Magen. Dieses Gas wird bei der Flüssigkeitsaufnahme moussierender Getränke (Bier) zwangsläufig freigesetzt und verläßt, nachdem es im Verbund mit der Flüssigkeit dem Trinker ein Gefühl von Spritzigkeit und Frische vermittelt hat, augenblicklich den Wirtsorganismus über den weit geöffneten Mund. Trägere Gaskollektive oder welche, die sich wieder mal nicht trennen können, entweichen über den Anus als sogenannter Bierfurz. Anderenfalls drohen Auftreibung des Leibes und Zwerchfellhochstand.
Der Körper bedient sich bei diesem Vorgang der rückläufigen Peristaltik, also Antiperistaltik. Einzelne oder mehrere Gastrauben werden nach oben transportiert und zwar durch zirkulär einschnürende Kontraktion der Speiseröhrenmuskulation, die sich nämlich, wie schön das doch immer wieder klappt, ebenfalls in die gewünschte Transportrichtung bewegt.
Wir unterscheiden das ganz gewöhnliche, auch ungewollte Aufstoßen, ein der simplen, natürlichen Notwendigkeit Rechnung tragendes Gebaren, gepaart mit sich unmittelbar anschließender in Mimik und Gestik breit dokumentierender mentaler Indisponiertheit, besser peinlicher Berührtheit, während sich die folgenden Äußerungsformen unter dem Oberbegriff des gewollten Aufstoßens zusammenfassen lassen.
Einmal das kontemplative Aufstoßen: ein eher sich selbst vergewissernder Akt mit verhaltener Lautformung, der meist von einsamen Biertrinkern vollzogen wird, die sich dabei gleichzeitig der noch vorhandenen Funktionstüchtigkeit ihres Verdauungssystems versichern. Das exzessive Aufstoßen hingegen gilt nur in seiner klangästhetischen Bewertung als umstritten: In erster Linie Stimmungen und Meinungen vermittelnd, als quasi unterste, aber nichtsdestotrotz agilste Verständlichmachung sozial grundwichtiger Sachverhalte wie »Mir hat’s geschmeckt«, »Mir geht’s pfundig« oder »Mir ist heut’ so«, wird mit dem exzessiven Aufstoßen aus dem Gefühl des Wohlbehagens heraus häufig erneuter (Bier-)Trinkwunsch paraphrasiert und von den meisten Bedienungskräften öffentlicher Schankstätten auch so verstanden.
Beschlossen und abgerundet wird die Aufstoß-Palette vom aggressiven Aufstoßen. Hier werden über die mehr oder minder ausgeprägte Fähigkeit zur absichtlichen Lautbildung aus der Tiefe des Rachenraumes hierarchische Festlegungen getroffen, die fraglos im Trinkergruppenverhalten fußen und auf das unmittelbar bevorstehende Herauskehren anderer im Gruppenkontext erheblich scheinender Fähigkeiten schließen lassen. Anwendungsbereiche finden sich etwa vor der Trinkhalle, im Biergarten, beim Kirchen- oder Männertag und beim kollektiven Fernsehempfang. Eine Sonderform, das sogenannte Wett-Rülpsen, soll umworbenen weiblichen Biertrinkpartnern Paarungsbereitschaft, mindestens aber den Willen zum gemeinsamen Ausschlafen des Rausches signalisieren. Hierbei beobachten wir jedoch meist ein jähes Umschlagen der imponierenden in die desintegrierende Wirkung.
AUSBLICK
Wir sehen: Es ist alles wohl und weise bedacht und eingerichtet. Und dabei soll »es« unserer Auffassung nach auf absehbare Zeit hübsch bleiben. Haben wir uns da verstanden?