Читать книгу Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität - Michael Schart - Страница 24
Zwei Beispiele
ОглавлениеDie beiden Sequenzen, die ich im Folgenden kurz beschreiben möchte, spiegeln die inhaltlichen Gestaltungsprinzipien im Unterricht des ersten Studienjahres wider. Sie wurden in zwei unterschiedlichen Lerngruppen nach 7-8 Lernmonaten behandelt und sind beide eingebettet in einen größeren Themenkomplex, der sich über das gesamte zweite Semester erstreckt und sich der Frage widmet, wie unsere Identität geprägt wird durch die Dinge, die uns umgeben und mit denen wir uns umgeben.
In der ersten Sequenz setzen sich die Studierenden mit dem Begriff Wohlstand auseinander. Sie untersuchen beispielsweise anhand des Glücksatlas der Deutschen Post die Faktoren für die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit der Menschen mit ihrem Leben in unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Sie entwickeln anschließend eigene Parameter für den Wohlstand eines Landes und recherchieren Informationen dazu. Auf dieser Grundlage vergleichen sie dann die Situation in Deutschland und Japan. Das auf diese Weise entstehende, vielschichtige Bild von Wohlstand bietet schließlich den Anknüpfungspunkt, um das Bruttoinlandsprodukt als gängiges Maß zu hinterfragen und sich gemeinsam in alternative Modelle von Wohlstandsindikatoren einzuarbeiten.
Die zweite Unterrichtssequenz hat einen juristischen Schwerpunkt. Sie nimmt ihren Ausgang an dem vom Grundgesetz geforderten Schutz der Würde des Menschen. Gemeinsam wird zunächst rekonstruiert, wie sich dieser in Institutionen und Gesetzen widerspiegelt. Als ein konkretes Beispiel kommen dann die gesetzlichen Vorgaben zum Pfänden ins Spiel. Dieses Gesetz ist aus zwei Gründen von besonderem Belang für die Zielgruppe. Zum einen wurde das entsprechende Regelwerk in Japan gegen Ende des 19. Jahrhunderts direkt aus dem Deutschen übersetzt. Es bietet sich daher an, diesen Übertragungsprozess zu beleuchten: An welchen Stellen wurde beispielsweise der Text variiert, um den kulturellen Besonderheiten Rechnung zu tragen? Zum anderen ist die Frage, welche Dinge einer Person gepfändet werden dürfen und welche nicht, ein ergiebiger Unterrichtsgegenstand für politische Bildung, weil sich das Gesetz über die vielen Jahrzehnte seines Bestehens hinweg beständig den gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen musste. So reflektiert es kulturelle und technologische Veränderungen ebenso wie sich wandelnde ethische Urteile.