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Verknüpfung von Aufgaben und Inhalten
ОглавлениеEine der stringentesten Konzepte für eine inhaltsbasierte Anordnung von Aufgaben zu einem Syllabus stammt von Long (2015). Er setzt an einer Bedarfsanalyse an, fragt also zunächst danach, auf welche Situationen in der Arbeits- bzw. Lebenswelt ein Kurs die Teilnehmenden vorbereiten soll. Diese Situationen werden dann in unterrichtliche Aufgaben übersetzt, sodass sich das Geschehen innerhalb des Klassenraums schrittweise jenem außerhalb annähert. Nur auf diese Weise, so Longs Argumentation, sei es überhaupt möglich, einen kohärenten Syllabus aufgabenbasierten Unterrichts zu erstellen. Die traditionelle Unterscheidung zwischen dem Gegenstand eines Unterrichts und der Methode wird somit weitgehend aufgehoben (vgl. auch van den Branden 2006:6).
Longs Vorgehensweise hat zweifellos Charme, denn sie erleichtert es Lehrenden erheblich, die Relevanz des Unterrichts zu verdeutlichen. Wenn beispielsweise die Teilnehmenden an einem fach- und sprachintegrierten Vorbereitungskurs für ausländische Pflegekräfte bereits im Klassenzimmer mit Aufgaben konfrontiert werden, die sich sehr eng an den Anforderungen ihrer künftigen beruflichen Tätigkeit orientieren, dann ist dieses Vorgehen unmittelbar einsichtig und bedarf keiner weiteren Begründung. Und es finden sich auch im Kontext japanischer Universitäten Versuche, Longs Ideen umzusetzen. So beschreibt Lambert (2010), wie er auf der Grundlage einer Bedarfsanalyse bei potenziellen künftigen Arbeitgebern seiner Studierenden den Englischunterricht neu konzipiert. Und Iizuka (2019) führt eine Bedarfsanalyse durch, um das bevorstehende Auslandsstudium seiner Lernenden besser vorbereiten zu können. Durch Umfragen und Interviews – beispielsweise mit erfahrenen Gastfamilien – versucht er systematisch die kommunikativen Anforderungen während des Auslandsaufenthaltes zu erfassen, die dann in einem zweiten Schritt in die Planung eines aufgabenbasierten Kurses einfließen.
Wie diese Beispiele verdeutlichen, überzeugt das von Long vertretene Konzept – das er selbst als das einzig sinnvolle betrachtet – durch seine Stringenz. Gleichwohl gehen Longs Überlegungen weit an den unterrichtlichen Bedingungen vorbei, wie sie viele Lehrende in den Bildungssystemen weltweit vorfinden. Zumeist lassen sich die Anforderungen, vor denen die Lernenden in Zukunft stehen werden, nur sehr grob umreißen. Daher gewinnen bei der Programmgestaltung neben den fremdsprachlichen und fachlichen Kompetenzen die generischen Kompetenzen als Bildungsziele eine besondere Bedeutung. Sie werden mit Themen verknüpft, die auf das Interesse der Teilnehmenden stoßen oder – wie im hier untersuchten Fall – sich am Studienfach orientieren. Je nach Kontext können auf diesem Wege sehr unterschiedliche Modelle einer Verknüpfung von Inhalten und Impulsen entstehen. Sie weisen letztlich nicht weniger Kohärenz als der von Long favorisierte Ansatz auf, auch wenn der unmittelbare Zusammenhang mit künftigen Gebrauchssituationen fehlt.
Als ein Beispiel lässt sich Breens (1987) Prozess-Syllabus anführen, der konsequent von den Interessen der Teilnehmenden ausgeht und seine Gestalt erst durch einen gemeinsamen Findungsprozess aller Beteiligten erhält. Wenn institutionelle Bedingungen jedoch diesem sehr offenen Ansatz entgegenstehen, bietet sich ein themenbasierter Syllabus an. Dessen Struktur wird eher von den Entscheidungen der Lehrperson bzw. curricularen Vorgaben geprägt.
Sowohl beim Prozess-Syllabus als auch beim themenbasierten Syllabus kann sich die konkrete inhaltliche Planung an unterschiedlichen Leitgedanken orientieren. So schlägt Cameron (2010) vor, jedes Rahmenthema in die Aspekte Menschen, Objekte, Aktionen, Prozesse, typische Ereignisse und Orte zu untergliedern. Ellis (2003) gruppiert in seinem „Themengenerator“ die Inhalte konzentrisch um das lernende Individuum. Im unmittelbaren Umfeld der Lernenden befinden sich somit die Gegenstände der alltäglichen Lebenswelt, am weitesten entfernt globale Themen und auch die Welt der Imagination. Mit fortschreitender fremdsprachlicher Kompetenz, so die Idee, erschließen sich die Lernenden nach und nach den derart vorgezeichneten Raum.
Diese Vorschläge für die Strukturierung der inhaltlichen Planung richtet sich an Kursangebote, deren Curriculum sich im Unterschied zu Longs Konzept nicht an fest umrissenen, zukünftigen (beruflichen) Anforderungen orientieren kann. Sie sind daher auch für das Intensivprogramm für Deutschlandstudien an der Keio Universität von besonderem Interesse. Wie bereits in Kap. 2.4.4 anklang, inspirierte vor allem der Themengenerator dessen inhaltliches Konzept. So befasst sich der Unterricht im ersten Studienjahr schwerpunktmäßig mit Fragen der Identität und richtet sich in den folgenden Studienjahren auf die Themenbereiche Generation und Gesellschaft. Die Übergänge sind jedoch fließend gestaltet, was sich gerade an den mit dieser Studie untersuchten Unterrichtseinheiten ablesen lässt. Obwohl sich die Lernenden mit einem Gegenstand beschäftigen, der ihre alltägliche Lebenswelt unmittelbar betrifft – die Beziehung zwischen den Menschen und den Dingen, die sie umgeben –, geht es zugleich um gesellschaftspolitische bzw. juristische Fragen (siehe Kap. 2.4.4).
Nach dem Abstecken des inhaltlichen Rahmens kann sich die Planung der Frage zuwenden, wie sich darin Aufgaben sinnvoll integrieren lassen. Auch hierfür wurde eine Reihe unterschiedlicher Vorgehensweisen entwickelt. Die einzelnen Aufgaben können beispielsweise so arrangiert werden, dass sie die Lernenden nach und nach zu einer Zielaufgabe führen. Der Planungsprozess setzt also an den Kompetenzen an, die Lernende entwickelt haben müssen, um ein bestimmtes Endprodukt hervorzubringen. Von diesem Punkt aus rückwärts blickend werden vorbereitende Aufgaben zu längeren Unterrichtssequenzen bzw. Lernszenarien (Legutke 2006; Piepho 2003) verknüpft.
Auch für Modelle, die auf Vorwärtsplanung gerichtet sind, finden sich in der Fremdsprachendidaktik Beispiele. Detailliert ausgearbeitet ist etwa der Six T’s approach von Stoller/Grabe (2017:53ff). Bei diesem Ansatz werden Rahmenthemen (themes) zunächst in Unterthemen (topics) zerlegt, und anschließend mit Materialien (texts) und geeigneten Aufgaben (tasks) zu Unterrichtssequenzen arrangiert. Gezielt geplante Übergänge (transitions) und sich im Unterricht eher spontan ergebende Verknüpfungen (threads) sorgen für eine insgesamte kohärente Struktur eines Kursangebots.
Auch das lineare Modell von Ellis (2018) setzt an einem Rahmenthema an, geht jedoch dann direkt zu den Aufgabenstellungen über: deren Verbindung führt zu der oben beschriebenen Lücke und der Entscheidung für einen bestimmtes Ergebnis. Erst dann werden die Materialien entwickelt, die im Modell von Stoller/Grabe als Bestandteil des Themas betrachtet werden.
Im hier untersuchten fach- und sprachintegrierten Kurs für Studierende auf Grundstufenniveau werden diese unterschiedlichen Planungsansätze zusammengeführt. Während also einige Unterrichtseinheiten aus einer Rückwärtsplanung hervorgehen (z.B. Schart 2013), entstehen andere eher aus einem vorwärts gerichteten Verfahren. In einigen Fällen stehen interessante Texte am Beginn der Entwicklung einer Unterrichtseinheit, in anderen beginnt die Planung bei zu fördernden Kompetenzen und entsprechenden Aufgabentypen.
Anders als es die oben beschriebenen linearen Modelle nahelegen, gestaltet sich die Planung jedoch in der Praxis normalerweise als ein iterativer Prozess. Die Auswahl und Formulierung von Aufgaben einerseits und die Gestaltung der Texte andererseits wird kontinuierlich aufeinander bezogen. Neben der Orientierung an einer inhaltlichen Kohärenz sind im Intensivprogramm für Deutschlandstudien dabei zwei weitere Prinzipien von zentraler Bedeutung. Zum einen werden die Unterrichtseinheiten so konzipiert, dass die Studierenden auf kognitive Konflikte stoßen. Die Planung wird also beständig dahingehend hinterfragt, inwiefern sie zu intellektuell herausfordernden Situationen führen kann (vgl. Gillies 2014:795). Im Einklang mit der inhaltlichen Relevanz liegt hierin eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Lernenden animiert werden, sich einer Thematik zu stellen, Problemstellungen motiviert anzugehen und sich auf den Austausch mit den anderen einzulassen. Interaktion wird dadurch zu einem inhärenten Merkmal des Unterrichtsgeschehens. Und hier zeigt sich das dritte Prinzip der Planung: die Inhalte und Aktivitäten werden so arrangiert, dass sie Austausch- und Aushandlungsprozesse nicht nur ermöglichen, sondern auch wahrscheinlich machen. Und weil sich daraus eine Art des Unterrichtens ergibt, die von bisherigen Darstellungen des interaktiven Geschehens in fach- und sprachintegrierten Programmen abweicht (Kap. 2.4.5), möchte ich sie im folgenden Abschnitt eingehender betrachten.