Читать книгу Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität - Michael Schart - Страница 28
2.5.2 Prinzipien aufgabenbasierten Lehrens und Lernens
ОглавлениеVom aufgabenbasierten Ansatz – und das verbindet ihn mit den oben beschriebenen Überlegungen zur Integration von Fach und Sprache – geht ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der kommunikativen Didaktik aus. Deren rasanter Aufstieg zum Standardmodell des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen seit den 1980er Jahren war nur möglich, indem sie in der unterrichtlichen Praxis sehr flexibel gehandhabt und nicht selten an ihren innovativsten Ideen gestutzt wurde. Der im akademischen Betrieb zurecht als Paradigmenwechsel empfundene Übergang zum kommunikativen Unterricht gestaltete sich daher in den Klassenräumen wohl eher als ein geschmeidiger und auch langwieriger Veränderungsprozess. Somit ist die gewisse Konturlosigkeit des Konzepts, die wir heute beklagen, eigentlich die Voraussetzung seines so umfänglichen Erfolgs. Zugleich bieten sich dadurch zahlreiche Ansatzpunkte, das Profil der kommunikativen Didaktik zu schärfen. Und während sich in diesem Bemühen der fach- und sprachintegrierte Ansatz auf die Inhalte konzentriert, lenkt der aufgabenbasierte Ansatz das Augenmerk auf die methodische Gestaltung.
Die kommunikative Fremdsprachendidaktik muss sich in der Unterrichtspraxis mit der bis heute weit verbreiteten Vorstellung arrangieren, dass sich fremdsprachliches Lernen als linearer Prozess vollziehe, bei dem sich in den Köpfen der Lernenden diskrete Komponenten von Sprache nach und nach zu einem vollständigen Ganzen fügen. Eine Annahme, aus der weitreichende Konsequenzen für das Konzipieren von Unterricht erwachsen: Um die Fremdsprache einer Planung zugänglich zu machen, wird sie zunächst in kleinere Einheiten zerlegt. Derart isolierte sprachliche Phänomene, seien sie nun formaler oder funktionaler Natur, können dann in eine bestimmte Reihenfolge (Progression) gebracht und anschließend mit Hilfe von verschiedenen Texten und Arbeitsaufträgen zu einer Lernumgebung arrangiert werden. Ellis/Shintani (2014:50) merken sehr treffend an, dass bei dieser Sichtweise die Fremdsprache selbst im Zentrum stehe und nicht das Fremdsprachenlernen.
Anhand einer vorab entwickelten Progression sollen die Lernenden die fremde Sprache in immer differenzierterer Weise kennen und darauf aufbauend auch verwenden lernen. Dabei stehen sie vor der Herausforderung, die Synthese der zuvor isoliert geübten sprachlichen Einzelteile zu erbringen, weshalb man auch von einem synthetischen Ansatz spricht (Nunan 2009:11). Folgerichtig enthält ein typisches Unterrichtsdesign den Dreischritt von der Präsentation (neuer) sprachlicher Elemente, über das Einüben dieser Elemente bis hin zu ihrer selbstständigen Produktion.
Den Ideen der kommunikativen Didaktik öffnen sich dieses Unterrichtsmodell vor allem in der dritten Phase, in der die Lernenden zum – mehr oder weniger – selbstbestimmten Gebrauch der Fremdsprache angehalten werden. Die negativen Folgen dieses eher dürftigen Rückgriffs auf die Möglichkeiten, die der kommunikative Ansatz eigentlich bietet, wurden vielfach beschrieben. Sie zeigen sich etwa in der mangelnden Aktivität und Kreativität der Lernenden oder der fehlenden Relevanz der Interaktionen (z.B. Legutke/Thomas 1991:7ff).
Es war somit nur eine Frage der Zeit, bis man sich daran machte, die kommunikative Didaktik konsequenter zu denken und umzusetzen und der aufgabenbasierte Ansatz gehört sicher zu den prominentesten Beispielen dieser Bewegung. Er bricht mit dem soeben umrissenen Modell von Unterricht und setzt ihm ein vollkommen anderes Verständnis von fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozessen entgegen. Der Fokus der Unterrichtsplanung liegt dabei nicht auf den formalen oder funktionalen Aspekten der Fremdsprache, sondern auf ihrer selbstbestimmten und kreativen Anwendung. Die Lernenden sollen der Fremdsprache von Beginn an in möglichst komplexer Form begegnen, eingebettet in einen bestimmten kommunikativen Kontext und verbunden mit Handlungsabsichten.
Im Unterschied zu einem Unterrichtskonzept, das formalen oder funktionalen Progressionen folgt, sehen sich hier also die Lernenden mit der Herausforderung konfrontiert, eigene Lernwege zu erschließen, indem sie die Fremdsprache analysieren und deren Regelmäßigkeiten und Konventionen verstehen. Nunan (2009:11) beschreibt diesen Prozess als analytischen Ansatz des Fremdsprachenlernens. Übungssequenzen, bei denen ausgewählte sprachliche Elemente in isolierter Form trainiert werden, spielen bei der Planung des Unterrichts eine untergeordnete oder – wie im hier untersuchten Unterricht – keine Rolle. Denn es entspricht der Zielsetzung von Aufgaben, dass sie die Aufmerksamkeit der Lernenden vor allem auf die Bedeutung sprachlicher Äußerungen lenken. Sie sollen animiert werden, ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren, um die Aufgabe zu bewältigen. Ein einheitlicher Lernprozess aller Teilnehmenden eines Unterrichts, wie er beispielsweise mit einer grammatischen Progression angestrebt wird, ist somit nicht intendiert.
Da der aufgabenbasierte Unterricht auf bekannte und bewährte Vorgehensweisen setzt, wäre es ein Missverständnis, ihn als eine neue Methode des Fremdsprachenunterrichts zu begreifen. Dass die Lernenden beispielsweise angeregt werden, Informationen aus komplexen Zusammenhängen zu extrahieren, in andere Textformen umzuformen oder sie neu zu anzuordnen, gehört zum traditionellen Inventar von fremdsprachendidaktischen Aufgabenstellungen. Das Neue oder Innovative der Aufgabenbasierung ergibt sich daher nicht aus den Unterrichtstechniken, sondern aus den Prinzipien, nach denen diese arrangiert werden. Diese lassen sich in wenigen Punkten zusammenfassen (vgl. Long 2016:7, Ellis 2018:175, Nunan 2009:35, Samuda/Bygate 2008:69; Samuda 2015; Willis/Willis 2007:34):
1 Die Triebkraft des Unterrichts bilden Aufgabenstellungen, also offen gestaltete Impulse, die zu einem kreativen, selbstständigen und zielgerichteten Gebrauch der Fremdsprache anregen.
2 Das Unterrichtsgeschehen wird von Lückenaktivitäten (gap activities) geprägt. Das sich aus der Heterogenität von Meinungen, Ideen, Argumentationen oder Lösungsansätzen ergebende Potenzial für den Austausch und das Lernen wird planvoll genutzt.
3 Der Unterricht zielt auf die Verknüpfung von Sprachgebrauch und Sprachlernen. Die „intuitiven Heuristiken“ (Kumaravadivelu 1994:32) der Lernenden werden aktiviert. Systematische Sprachbetrachtungen erfolgen immer eingebunden in einen inhaltlichen Kontext und sind nachgeordnet (focus on form).
4 Die individuellen Lernwege der Lernenden werden respektiert und gefördert. Sie erhalten vielfältige Möglichkeiten, ihre sprachlichen und nicht-sprachlichen Kompetenzen einzubringen und weiterzuentwickeln.
5 Zugleich wird das Potenzial kooperativen Lernens intensiv genutzt. Es werden permanent Räume geschaffen, in denen die Lernanlässe von den Lernenden selbst ausgehen und sich Aushandlungsprozesse unter den Beteiligten vollziehen können.
6 Die Materialien zeichnen sich durch reichhaltigen, elaborierten und anspruchsvollen sprachlichen Input aus.
Wie man auf der Grundlage solcher Prinzipien zu einem Kurskonzept gelangt, möchte ich im folgenden Abschnitt thematisieren.