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Das Prinzip der Lücke

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Bei genauerer Betrachtung der Prinzipien wird jedoch erkennbar, dass der aufgabenbasierte Ansatz der Gefahr einer beliebigen Auslegung vorbaut, indem auch die konkrete Ausgestaltung unterrichtlicher Aktivitäten einbezogen wird. So spiegelt sich etwa die Maxime der Förderung von Selbstbestimmtheit und individuellen Lernwegen unmittelbar in der Art der Aufgabenstellungen wider. Wie am zweiten Prinzip der Liste deutlich wird, gehören vor allem sogenannte gap-activities zum unabdingbaren Inventar aufgabenbasierten Unterrichts (Ellis 2018:159; Johnson 1982; Willis 2004).

Die Aufgabengestaltung orientiert sich am Lernpotenzial von Heterogenität, sie nutzt die Spannung, die das Zusammentreffen von Unterschieden erzeugen kann. Mit Hilfe von Lückenaktivitäten lassen sich Situationen arrangieren, in denen die Lernenden ihre eigenen Ideen, Meinungen oder Lösungen einbringen können und sich zugleich mit anderen abstimmen müssen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Zum einen wird die bereits vorhandene Vielfalt der Lerngruppe genutzt, etwa wenn die Aufgaben dazu anregen, persönliche Meinungen oder Erfahrungen mit den anderen zu teilen. Zum anderen können die Aufgaben aber auch so gestaltet sein, dass sie Differenzen und Diskrepanzen selbst erst generieren, beispielsweise indem sich die Lernenden zunächst voneinander abweichende Informationen erarbeiten, diese vergleichen, diskutieren oder in einer Synthese zusammenzuführen.

Lückenaufgaben erhöhen die Chance, dass das Geschehen im Klassenraum tatsächlich von Situationen charakterisiert wird, in denen die Lernenden selbstbestimmt ihre sprachlichen und nicht-sprachlichen Ressourcen einbringen und erweitern können. Aus der etwas diffusen Idee der Selbstbestimmtheit wird dadurch ein greifbares Element der Unterrichtsgestaltung.

Solche Aktivitäten können natürlich in sehr unterschiedliche Konzepte von Fremdsprachenunterricht integriert werden. Das entscheidende Merkmal aufgabenbasierter Settings besteht deshalb darin, dass sie den Motor der Lehr- und Lernprozesse bilden. Im hier untersuchten Kursangebot äußert sich das Prinzip der Lücke beispielsweise in der wichtigen Rolle, die der sogenannten Think-Pair-Share-Technik (Lyman 1981) zukommt. Durch die Lernmaterialien mit Texten und Aufgaben bzw. Impulsen wird zunächst eine Lücke innerhalb der Lerngruppe erzeugt, oft in Form eines Informationsgefälles oder der Begegnung mit einem kognitiven Konflikt (vgl. Gillies 2014). Es folgt ein methodischer Dreischritt, der von der individuellen Auseinandersetzung mit der Problematik über den Austausch in Kleingruppen zur Präsentation und Diskussion im Plenum führt.

Auch wenn sich die Think-Pair-Share-Technik in besonderer Weise anbietet, um das Prinzip der Lücke in einen kohärenten unterrichtlichen Ablauf einzubinden, so lässt sich doch der aufgabenbasierte Ansatz nicht auf eine bestimmte Abfolge methodischer Schritte reduzieren. Über die oben genannten Prinzipen hinaus beschränkt er sich darauf, Hilfestellungen in Form von Aufgabentypologien bereitzustellen. Diese Typologien verdeutlichen die große Bandbreite an Gestaltungsvarianten. Sie schärfen das Bewusstsein für die verschiedenen Aspekte, die bei der Entscheidung für eine bestimmte Aktivität relevant sind. Sollen sich beispielsweise die Lücken in den gap activities auf Informationen beziehen, auf Meinungen oder auf Argumentationen (Nunan 1987:46ff)? Und welche kognitiven Fähigkeiten werden von einer Aufgabe angesprochen? Geht es eher darum, Informationen nur zu ordnen und aufzulisten, oder können und sollten größere Anforderungen an die Lernenden gestellt werden, etwa indem sie Vergleiche anstellen, Synthesen bilden oder eigenständig Problemlösungen entwickeln (Willis 1996). Die Typologien nutzen auch gerne Dichotomien, um das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen: So können Aufgaben eher Input-fokussiert angelegt sein oder Output-fokussiert, schriftliche oder mündliche Aktivitäten auslösen, auf konvergente oder divergente Ergebnisse zielen, offen oder geschlossen gestaltet sein, einseitig – etwa im Sinne einer Präsentation – oder zweiseitig, wenn ein Austausch angestrebt wird.

Lehrenden wird somit eine sehr breite und flexibel handhabbare Palette von gestalterischen Optionen geboten, auf deren Grundlage sich ein abwechslungsreiches Unterrichtsgeschehen arrangieren lässt. Aber die Abwechslung allein, so wichtig und motivierend sie für erfolgreiche Lernprozesse auch sein mag, verleiht einem Kursangebot noch keine Stringenz. An dieser Stelle tritt das Kernproblem des aufgabenbasierten Unterrichts zutage (vgl. Nunan 2009:30): Wenn man bewusst auf das Gerüst verzichtet, das grammatische Progressionen bereitstellen, und wenn zugleich die empirische Aufgabenforschung kaum hilfreiche Erkenntnisse für eine systematische Unterrichtsplanung hervorbringt (siehe Kap. 2.5.1), welches Kriterium bleibt Lehrenden und Programmgestaltern dann, um das vielfältige Angebot an Aufgaben zu einem pädagogisch sinnvollen Verlauf anzuordnen?

Die Antwort ist offenkundig und sie kam in der bisherigen Argumentation bereits mehrfach zur Sprache: Soll ein „Schrotflinten-Syllabus“ (van Lier 1996:205), also eine mehr oder weniger beliebige Aneinanderreihung von Impulsen vermieden werden, dann bedarf die Planung aufgabenbasierten Unterrichts eines inhaltlichen Rahmens. Auch sehr kreative und anregende Aufgabenstellungen können zu frustrierenden Aktivitäten führen, wenn sie sich nicht zugleich auf Gegenstände beziehen, die von den Lernenden als interessant, herausfordernd oder motivierend empfunden werden. Fitzsimmons-Doolan et al. (2017:22) weisen daher meines Erachtens zurecht darauf hin, dass Lückenaktivitäten ohne überzeugende thematische Einbettung leicht als gekünstelte oder konstruierte Unternehmung wahrgenommen werden. Wie zutreffend diese Kritik ist, lässt sich am Beispiel der Aufgabensammlung von Ur (2015) illustrieren, in der ansprechende methodische Ideen unter der sie begleitenden inhaltlichen Beliebigkeit leiden.

Es kommt beim aufgabenbasierten Unterricht – ganz anders als es die Bezeichnung suggeriert – demnach keineswegs vor allem auf die Aufgabenstellungen an. Tatsächlich entfaltet sich sein Potenzial erst durch die Komposition von Aufgaben und Inhalten.

Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität

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