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Kapitel 2 Eine Frage genauer Berechnung
ОглавлениеBeratendes Gremium der Primär-Matriarchin der verborgenen Welt
Die verborgene Welt wurde von Frauen beherrscht. Männer stiegen nur selten und aufgrund besonderer Verdienste in eine Führungsposition auf. Meist dienten sie als Arbeiter und einfache Soldaten. Trotz des erbitterten und fast ein Jahrtausend währenden Krieges gegen die Insektoiden Norsun waren Intrigen und Mordanschläge innerhalb der verschiedenen Führungsebenen an der Tagesordnung. Meist nicht einmal aus Eigennutz, sondern in der festen Überzeugung, der obersten Matriarchin und damit der verborgenen Welt weit besser dienen zu können als die jeweilige Konkurrentin. So hatte sich auch Desara ihre hohe Position durch ihre unleugbaren Fähigkeiten und die kompromisslose Bereitschaft zu Gewalt erobert. Dabei wurde sie für ihre gewagten Pläne und deren Erfolge ebenso geachtet wie beneidet.
Desara-dal-Kellon hatte eine Reihe von Anschlägen und mehrere Verschwörungen überlebt, nicht zuletzt, da sie von der obersten Matriarchin persönlich unterstützt wurde. An diesem Tag ging es für die Primär-Kommandantin und, davon war sie fest überzeugt, das gesamte Volk der verborgenen Welt, um die Entscheidung über Sieg oder Niederlage. Eine Niederlage gegen die Norsun konnte jedoch nur mit der Auslöschung allen Lebens auf der verborgenen Welt enden.
Die kleine Halle der Beratung, in der sich die Führungskräfte versammelt hatten, wurde an diesem Tag von der Gegenwart der obersten Matriarchin – in Form ihres Avatars – geehrt. Es war das Hologramm einer jungen und strahlend schönen Negaruyen, kaum mehr als ein Kind, es war eine Projektion, die körperlich schien und auf unbekannte Weise in der Lage war, Objekte zu berühren und zu bewegen. Es war die körpergewordene Erscheinung eines Wesens, dass die verborgene Welt nun schon seit Jahrhunderten regierte und das für seine Weisheit und Güte verehrt wurde. Doch selbst die oberste Herrin aller Negaruyen sah sich an diesem entscheidenden Tag mit Unmut, ja sogar Widerstand, konfrontiert. Wortführerin der spontan anwachsenden Opposition war wieder einmal die Hoch-Kommandantin Suna-dal-Sollis, seit Langem die erklärte Gegnerin von Desara.
Die Primär-Kommandantin war sich der Bedeutung und Schwierigkeit dieser Beratung bewusst und hatte zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Mit Ausnahme von ihr und der obersten Matriarchin durfte keine der Teilnehmerinnen bewaffnet sein oder eine Leibwache mitbringen. Scanner und Sensoren in den Gängen überprüften alle Anwesenden auf Hilfsmittel und Substanzen, die in der Lage waren, einem Lebewesen Schaden zuzufügen.
Im Beratungsraum hingegen bemühte man sich um eine angenehme und entspannende Atmosphäre. In dem weißen, kreisrunden Saal gab es Pflanzeninseln, drei fröhlich plätschernde Brunnen, Erfrischungsgetränke und kleine Stärkungen. Die im Rund angeordneten Sitze besaßen dicke Polster, ein für Negaruyen angenehmer süßlicher Duft hing in der Luft und die Beleuchtungselemente tauchten alles in angenehmes indirektes Licht.
Doch all dies konnte die beklemmende Atmosphäre und Spannung kaum mildern. Einer konstanten Drohung und Einschüchterung gleich, hielten die jeweils drei Wachen der Matriarchin und Desaras ihre Pulspistolen schussbereit.
Desara-dal-Kellon hatte mit ruhiger Stimme über ihre gescheiterte Mission berichtet, die Delegationen der Menschen und der Norsun in Gefangenschaft zur verborgenen Welt zu bringen. Natürlich hatte Suna-dal-Sollis die Gelegenheit zu Kritik genutzt, diese aber in höfliche und verklausulierte Worte verpackt. Als Desara dann jedoch ihre Schlüsse zog und das weitere Vorgehen erläuterte, wuchs der Unmut im Kreis der Beraterinnen in einem Maße, das Suna zu offenem und ungehemmtem Widerspruch überging.
„… denn was unsere verehrte Primär-Kommandantin uns hier anbietet, das ist nichts anderes, als die Selbstvernichtung der verborgenen Welt“, fuhr die Hoch-Kommandantin mit bleichem Gesicht fort, da sie die tödlichen Konsequenzen ihrer Worte durchaus richtig einschätzte. Doch Suna-dal-Sollis war von ihrer Meinung überzeugt. „Ich würde lieber in Ehren vor dem Feind fallen, als hier wegen der Wahrheit meiner Worte ermordet zu werden, doch ich kann nicht schweigen. Was Desara-dal-Kellon plant, das ist unser aller Tod.“
Zustimmendes Gemurmel steigerte sich zu erregten Rufen.
Desara sah aus den Augenwinkeln, wie eine ihrer Wachen zielte, und rief ihr einen scharfen Befehl zu, die Waffe zu senken.
„Heute ist nicht der Zeitpunkt für solche Maßnahmen“, sagte sie mit lauter Stimme und hob die Arme, um so Ruhe zu fordern.
Sie wurde ignoriert. Im Gegenteil, aus den Rufen wurden hysterisch klingende Schreie, in denen man Desaras Rücktritt und sogar ihren Tod forderte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die oberste Matriarchin geschwiegen. Nun erhob sie sich schweigend von ihren Polstern und sofort senkte sich Stille über den Raum. Der Atem der Anwesenden schien übermäßig laut, als die verehrte Oberherrin in die Mitte des Kreises und an Desaras Seite trat. Sie hob die Hand und über ihrem Kopf formte sich das Symbol der verborgenen Welt, frei schwebend im Raum. Es bestand aus einem Kreis in verschiedenen Blautönen und zwei stilisierten Händen, die sich sehnsüchtig nach einem über ihnen blitzenden goldenen Stern ausstreckten.
„Meine Schwestern, die verborgene Welt steht am Scheideweg. Fast tausend Jahre widerstanden wir den mörderischen Versuchen der Eierlinge, uns auszulöschen. Im Gegenteil, es gelang uns immer wieder, sie schmerzhaft an uns zu erinnern. Der neue Zersetzer, der die Hüllen ihrer Schiffe auflöst und die neuen Projektilkanonen machten uns für kurze Zeit ihnen überlegen. Doch die Menschen sind an die Seite der Mordwesen getreten. Ihr Reich mag klein und schwach sein, doch sie selbst und ihre Schiffe sind es nicht. Unsere geschätzte Primär-Kommandantin hat uns geschildert, wie ähnlich uns das Volk dieser Langnasen ist. Unsere eingeschleusten und genetisch veränderten Infiltratoren brachten uns Wissen über ihre Lebensweise und Stärke. Die Menschen sollten besser an unsere Seite treten, doch das tun sie nicht. Ihnen ist es geschuldet, dass die Eierlinge unsere Raumwerft Tensa vernichten konnten. Ihnen ist es geschuldet, dass wir nun Niederlage um Niederlage erleiden, denn die Denkweise der Menschen gleicht in vielen Dingen der unseren. Nun haben die Menschen neuartige Scanner erforscht, mit denen sie jedes Objekt über viele Lichtjahre hinweg und ohne Zeitverlust orten können. Ihre Rällganns verschießen mächtige Torpedos, die unsere Schiffe ebenfalls ohne Zeitverlust treffen und gegen die es keinen wirksamen Schutz gibt. Nun haben die Norsun den Menschen die Technik der formbaren goldenen Energie offenbart. Die Menschen werden ihre Schiffe künftig durch die goldenen Schutzwände verbessern und schwer angreifbar machen.“
Die oberste Matriarchin machte eine kurze Pause und ließ ihre Worte einwirken.
Aus dem andächtigen Schweigen war ein beklommenes Schweigen geworden. Atemlos lauschte man den Worten des Avatars, als diese ihre Rede fortführte.
„Nein, meine Schwestern, wir und unser Volk stehen am Abgrund. Es ist nur ein einziger Schritt, bis wir in diesen und den Tod stürzen. Die Worte der Primär-Kommandantin berühren mein Herz, denn sie sind nur zu wahr.“ Eine zierliche Hand richtete sich auf Suna-dal-Sollis. „So, wie auch Eure Worte wahr sind, Hoch-Kommandantin Suna-dal-Sollis. Der Weg, den Desara-dal-Kellon mit uns beschreiten will, kann der Weg in den Tod sein. Doch wenn wir ihn nicht beschreiten und wenn wir zögern, so ist es mit Sicherheit unser Tod. Wir müssen zuschlagen. Mit aller und vereinter Kraft, wie es den Schwestern der verborgenen Welt gebührt. Zuschlagen mit aller Kraft, bevor der Feind weiter erstarkt und dies seinerseits tut. Wir sind nur eine Welt, die gegen viele steht. Doch lasst uns den Feinden beweisen, was für eine Welt die unsere ist. Ja, meine Schwestern, vielleicht führt uns die Primär-Kommandantin in den Untergang. Doch wenn nicht sie, so frage ich euch, meine Schwestern, wer soll uns dann zum Sieg führen?“
Es war eine kurze und emphatische Ansprache und sie verfehlte ihre Wirkung nicht.
Der Saal hallte wieder, als die linken Füße der Beraterinnen rhythmisch auf den Boden stampften und so ihre Zustimmung signalisierten. Das Stampfen wurde lauter, bis schließlich auch die streng disziplinierten Wachen begeistert einfielen.
Als die oberste Matriarchin erneut die Hand hob, herrschte wieder andächtige Stille.
Nur Suna-dal-Sollis hob sich mit geröteten Wangen ihre Hände. „Sag es uns auf Ehre, Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon: Wohin werdet Ihr uns führen?“
Als Desara das Ziel nannte, konnte Suna ihr Erstaunen nicht unterdrücken. „Anschabb, wie soll uns das gelingen?“
Nun glitt ein Lächeln über das Gesicht der Militärbefehlshaberin. „Es ist nur eine Frage sehr genauer Berechnung.“
Zwei Wochen später, Taktische Phase 1
Sirandaar, Kommando-Schleichschiff der Negaruyen der verborgenen Welt
Die Sirandaar war eine der schlagkräftigsten Einheiten der Flotte der verborgenen Welt. Keineswegs aufgrund ihrer Bewaffnung oder Größe. Im Gegenteil, sie gehörte zu den kleinsten Kreuzern, besaßen jedoch die Fähigkeit zur Tarnung, was ihr zu der Bezeichnung „Schleichschiff“ verholfen hatte. Das optische Tarnsystem war nahezu perfekt. Nur bei schnellen Bewegungen des Schiffes entstanden Verzerrungen, die an Schlieren erinnerten. Versuche hatten bewiesen, dass die Ortungsmöglichkeiten der Norsun ein getarntes Schleichschiff erst bemerkten, wenn dieses nur noch wenige tausend Kilometer entfernt war. Die Überlegung, eine Schlachtflotte aus diesen Schiffen zu bauen, war bislang jedoch nicht praktikabel. Die Tarnung verschlang immense Mengen an Energie, was proportional zur Größe des getarnten Objektes anwuchs. Man konnte also nicht einfach größere Schiffe mit stärkeren Energieerzeugern bauen. Die Sirandaar war daher ein Kompromiss zwischen starker Tarnung und relativ schwacher Bewaffnung. Da sie sich einem Feind jedoch unerkannt auf geringe Distanz annähern konnte, hatte sie schon oft ihre tödliche Effizienz bewiesen.
Ein Kreuzer der Sirandaar-Klasse war nur hundertdreiundsiebzig Meter lang und besaß einen maximalen Durchmesser von fünfundzwanzig Metern. Die Grundform entsprach dem Standard der Flottenschiffe, mit einem konischen und leicht vorgeneigten verdickten Bug, der ein starkes Triebwerk und zwei Raketenrohre beinhaltete, das Heck war eher stumpf und mit dem Kranz des Hauptantriebs versehen. Die knollenartige Verdickung in der Mitte war der Brücke und dem Hauptwaffensystem vorbehalten. Es gab sechs Decks mit den üblichen Betriebs-, Versorgungs- und Aufenthaltsbereichen. Neben drei ausschließlich weiblichen Offizieren, dienten fünfundsiebzig weitere Negaruyen auf einem solchen Schiff. Die Hauptbewaffnung bestand aus zwei schweren Energieprojektoren, mehreren mittleren Pulsgeschützen und zwei der neuartigen 10-Zentimeter-Schnellfeuerkanonen, deren massive Projektile oder Sprenggeschosse darauf ausgelegt waren, die Panzerungen feindlicher Schiffe zu zertrümmern.
Inzwischen verfügte die verborgene Welt, nach immensen Anstrengungen, über zweihundertdreiundsiebzig Tarnkreuzer der Sirandaar-Baureihe und doch war die Sirandaar auf ihre Weise einzigartig. Nicht allein weil sie der Prototyp dieser Klasse war, sondern weil sie nunmehr als Flaggschiff der Flotte diente. So befanden sich neben der Oberbefehlshaberin, Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon, auch drei zusätzliche Offiziere und eine Eliteeinheit der Garde an Bord. Es war eine Sondertruppe, die ihr als persönliche Leibwache diente und inzwischen von Hoch-Kommandant Kenlor-dos-Alonges befehligt wurde.
Es gab mehrere Gründe, warum Desara kein Schlachtschiff als Flaggschiff gewählt hatte, sondern die kleine Sirandaar. Da waren die Tarnfähigkeit des Schiffes, die enorme Erfahrung seiner Mannschaft und die strikte Loyalität der Kommandantin Liu-dal-Mandar. Einst eine Gegnerin der Primär-Kommandantin, war sie inzwischen zu deren treuester Anhängerin geworden.
Zwei Wochen hatte es gedauert, die Flotte der verborgenen Welt an einem geheimen Treffpunkt zu versammeln und vorzubereiten. Nur eine Handvoll Schiffe verblieb zum Schutz der Heimat. So verfügte Desara über eine beeindruckende Streitmacht, deren Kommandantinnen und wenige männliche Kommandanten in langen gemeinsamen Besprechungen auf Desaras Plan eingeschworen wurden. Meinungen prallten aufeinander und wurden diesmal nicht überstimmt, sondern diskutiert, bis man zur Gemeinsamkeit kam und Zweifel ausgeräumt waren.
Das von den Infiltratoren gesammelte Wissen kam den Negaruyen ebenso zugute wie die Erfahrungen aus Kämpfen mit den Menschen sowie jene Kenntnisse, die man durch die Eroberung und Bedienung des APS-Kreuzers Nanjing gesammelt hatte. So wusste man sehr genau, dass die Aufladezeit des Hiromata-Nullzeitantriebs bei einem APS nur sechs Stunden betrug und keineswegs deren neun, wie das Direktorat den verbündeten Norsun glaubhaft machte. Ebenso, dass die großen Trägerschlachtschiffe mindestens acht Stunden benötigten, um zur Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen und in den Nullzeit-Sturz gehen zu können. Desara-dal-Kellon ging sogar so weit, in allen Schiffen die menschlichen Zeiteinheiten und Messwerte anwenden zu lassen. Tiefenhypnose verankerte diese im Bewusstsein der Brückenbesatzungen.
Die große eTronik jenes Schlachtschiffes, welches als Versammlungsort diente, berechnete ständig die Planung, bis sich jedes Detail wie ein Puzzlestück in das Gesamtbild fügte. Immer wieder wurde das Vorhaben in den verschiedensten Varianten durchgespielt, bis alles zu Desaras Zufriedenheit war. Die einzigen nicht genau zu kalkulierenden Risiken bildeten zwei Fragen: Wie würden sich die Norsun verhalten und welche Auswirkungen mochten die Nullzeit-Railguns der Menschen haben? Trotz aller Bemühungen hatte man nicht ermitteln könne, über wie viele dieser speziellen Waffen und welche Vorräte an Nullzeit-Raketentorpedos der Feind verfügte.
So blieb ein gewisser Unsicherheitsfaktor, ob man tatsächlich siegen könne, doch alle empfanden Zuversicht, dass es gelingen werde.
Schließlich synchronisierten alle Einheiten ihre Daten, nahmen Kurs und Fahrt auf, und beschleunigten für die Schwingung.
Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon verfügte über eine überaus beachtliche Flotte.
Zweihundertdreiundsiebzig Schleichschiffe der Sirandaar-Klasse bildeten die erste Welle. Ihnen würde die zweite Welle mit vierhundertzwanzig Kreuzern, dreihundertsechsundsiebzig Schlachtkreuzern, zweihundertachtzig Schlachtschiffen und vierundzwanzig Trägern folgen.
Es war nur ein kleiner Teil dessen, was das Reich der Norsun hätte aufbieten können, doch es war mehr als genug, das Ziel zu erreichen und die menschlichen Streitkräfte auszulöschen.
Desara-dal-Kellon flog mit der Sirandaar in der ersten Welle.
Zweihundertdreiundsiebzig Schleichschiffe der Sirandaar-Klasse gingen, zum ersten Mal in der Geschichte der verborgenen Welt, gleichzeitig in die Schwingung, um ihr Ziel ohne Zeitverlust zu erreichen. Zum ersten Mal in der Geschichte der verborgenen Welt, geschah dies unter voller Tarnung.
Ein Handicap der Negaruyen war es stets gewesen, dass der Durchgang durch die Schwingung sie für einen gewissen Zeitraum handlungsunfähig machte. Diese Scheinstarre währte für gewöhnlich recht genau dreißig Minuten, in denen die Besatzung darauf angewiesen war, dass die eTronik ihr Schiff zuverlässig beaufsichtigte und eigenständig Gegenmaßnahmen einleitete, wenn Gefahr drohte.
Von einem Augenblick zum nächsten erschienen die zweihundertdreiundsiebzig Schiffe im solaren Sonnensystem, ungefähr auf halber Höhe zwischen den Umlaufbahnen von Jupiter und Saturn. Die Berechnungen waren so exakt, dass sich die Flotte genau vierzig Lichtminuten vom Mars entfernt befand und ihr Kurs auf diesen ausgerichtet war.
Als Desara-dal-Kellon nach zweiunddreißig Minuten aus ihrer Starre erwachte, richtete sie sich ruckartig in dem Sessel auf, den man zusätzlich neben dem Kommandositz von Liu-dal-Mandar in die Zentrale der Sirandaar gestellt hatte.
Kommandantin und Brückenbesatzung waren bereits aktiv. Werte wurden abgeglichen und Datenströme flossen zwischen den Schiffen der ersten Angriffswelle hin und her.
Hinter den getarnten Kreuzern lagen der Saturn mit seinen Ringen und nun auch der Jupiter, dessen Anblick an eine Kugel aus Marmor erinnerte. Desara-dal-Kellon fühlte sich ausgelaugt und blickte durch die Einwegscheibe, an der schrägen Front der Zentrale, in Flugrichtung. Dort war die rötliche Kugel des Mars zu sehen, der inzwischen dort Stellen mit grüner und blauer Tönung aufwies, wo das Terraforming ihn zunehmend in eine zweite Erde verwandelte.
„Navigations-Wissende?“ Desaras Stimme klang belegt, gewann aber wieder an Festigkeit.
„Wir sind exakt auf dem berechneten Punkt aus der Schwingung ausgetreten, Ehrenwerte“, berichtete die Frau mit sichtlichem Stolz in der Stimme. „Der Toleranzwert lag unter 50.000 Kilometer. Kursabweichung drei Grad linksweisend und 1,7 Grad aufwärts. Die erste Welle hat den Kurs nun korrigiert.“
„Flug-Wissende bestätigt die Korrektur des Kurses“, kam es von der Pilotin.
„Ankunft?“
„In genau acht Minuten und zwölf Sekunden erreichen wir die Höhe der Umlaufbahn“, sagte Liu-dal-Mandar mit ruhiger Stimme.
„Waffen-Wissende?“
„Statusmeldungen aller Schiffe bestätigen die volle Bereitschaft, Ehrenwerte.“
Kenlor-dos-Alonges trat aus dem Hintergrund der elliptischen Brücke heran. Er wusste, was ein Negaruyen nach dem Durchgang durch die Schwingung benötigte und reichte seiner Herrin einen Becher mit einem erfrischenden Stärkungsgetränk. Schweigend blieb er neben ihr stehen und folgte ihrer Blickrichtung.
„Kommandantin, reagiert der Feind?“
Liu-dal-Mandar lächelte kalt. „Unsere passiven Sensoren erfassen einige Feindschiffe in der Umgebung und in Flugrichtung, doch es scheint sich ausnahmslos um harmlose Zivilschiffe zu handeln. Bislang konnten wir nirgends ein ansteigendes Energiepotenzial anmessen, welches auf Vorbereitung zur Kampfbereitschaft hinweist. Wir gingen getarnt durch die Schwingung und er hat uns nicht entdeckt. Die kurze Betätigung der Triebwerke zur Kurskorrektur mag dies geändert haben und sicher hat er inzwischen die Impulse des Datenaustauschs zwischen unseren Einheiten erkannt, doch ihm bleiben bestenfalls wenige Minuten, um sich auf unseren Angriff vorzubereiten. Wie Ihr es sagtet, Herrin, es ist alles nur eine Frage der genauen Berechnung.“
„Waffen-Wissende, sind die Ziele zugeteilt?“
„In einer Minute beginnen die aktiven Scans. Alle erfassten Ziele werden dann den entsprechenden Schiffen zugeteilt.“
„Hier Navigations-Wissende, Herrin. Ich erfasse erhöhte Scannerimpulse. Der Feind hat unsere Kommunikation erkannt und sucht nach uns. Aktiv-Schaltung unserer eigenen Scanner beginnt … jetzt.“
„Nun werden sie uns orten, aber es ist längst zu spät.“ Desara fühlte sich nun erfrischt und lehnte sich entspannt in die Polster zurück. „Waffen-Wissende?“
Wie zur Antwort legte sich die halbtransparente taktische Karte über die Front- und Seitenscheiben und zeigte die erfassten Objekte in der jeweiligen Blickrichtung an. Um den Mars herum blinkten immer mehr Echos und zeigten Raumschiffe an, die sich durch den Weltraum bewegten. Dann wurden die ersten Kontakte im Orbit und auf der Oberfläche des Planeten angezeigt.
„Ziele werden erfasst und zugewiesen“, meldete die Frau an der Waffenkontrolle.
Desara-dal-Kellon schloss für einen kurzen Moment die Augen und genoss die Bedeutung dieses Augenblicks. Dann sah sie erneut in Richtung des Ziels. „Bin ich aufgeschaltet?“
„Ja, Herrin, alle Schiffe warten auf deinen Befehl.“
„Primär-Kommandantin an alle Einheiten der ersten Welle: Feuer!“
Einen Augenblick später lösten sich hunderte von Raumtorpedos aus ihren Abschussrohren und rasten dem Mars entgegen.