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Kapitel 3 Aus heiterem Himmel

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Mars-Central, Sitz des hohen Rates

Vor über zweihundert Jahren hatte das Terraforming begonnen. Es war längst nicht beendet und doch war das Bild des einst lebensfeindlichen Planeten vollkommen verändert. Auch jetzt gab es die altbekannten Hügel, Berge und tiefe Schluchten des Mars, aber große Teile der einstigen Öde aus Sand und Steinen wurde zunehmend vom Grün der Pflanzenwelt und dem blau-silbrigen Glitzern offener Gewässer bedeckt. Gräser und Blumen von der Erde trotzten den harten Bedingungen, passten sich an und trugen damit zur Bildung einer atembaren Atmosphäre bei. Es gab inzwischen ganze Wälder der widerstandsfähigen Mars-Kiefern und kleinere Herden von Rindern, die mit den harten und scharfblättrigen Gräsern zurecht kamen.

Noch immer arbeiteten die mächtigen Terraform-Konverter, denn der niedrige Luftdruck bereitete gelegentlich noch Probleme. Vor allem während der Sturmperioden konnte sich keiner der Marsbewohner ohne Verdichtermaske außerhalb eines Gebäudes aufhalten. Der Mensch passte sich nicht so leicht an wie Pflanzen und Tiere, die er importiert hatte.

Der Mars bewies zwei wesentliche Fakten: Der Mensch war in der Lage, eine fremde Welt nach seinen Wünschen zu formen, und er hatte aus der Ausbeutung der Erde nicht viel gelernt.

Die meisten Siedlungen auf dem Mars wurden untermarsianisch angelegt. Sie waren zu einer Zeit entstanden, als die Fluchtwelle eingesetzt hatte und das Terraforming des „roten Planeten“ noch am Anfang stand. Mit der Verbesserung der atmosphärischen Bedingungen waren auch zwei obermarsianische Städte errichtet worden.

Zu Beginn bestand Mars-Central aus bescheidenen Gebäuden, die innerhalb der Hülle von durchsichtigen Schutzkuppeln erbaut wurden. Die Grenzen dieser Kuppeln waren nun schon lange überschritten. Gewaltige Bauten aus Bauschaum und Klarstahl erhoben sich in den Himmel, mit grazil wirkenden Tunnelbrücken verbunden. Parks und Wasserflächen boten Entspannung und Erholung für die zwei Milliarden Menschen, die hier lebten und arbeiteten. Die Marsianer bevorzugten es bunt und verspielt. Ihre Wohnbauten zeigten sich in verschiedensten Farbkombinationen. Man liebte dekorative Elemente oder das, was die Bewohner darunter verstanden. Es gab Balkone, Erker, Säulen und Figuren, die es leicht machten, die Gebäude zu unterscheiden. Allerdings sorgte diese Vielfalt gelegentlich auch für Verwirrung, vor allem bei jenen Menschen, die nicht ständig in der Stadt lebten. Das tetronische Leitsystem der Stadtverwaltung ermöglichte jedoch eine schnelle Orientierung.

Im Zentrum der Stadt ragte die öffentliche Zentralbibliothek auf: ein schmucklos erscheinender Turm, der sich nach oben leicht verjüngte und in schlichtem Weiß gehalten war. Ein zartblaues Band zog sich, einer Schlange ähnelnd, um das Bauwerk in die Höhe. Auf ihm war, in schlichten weißen Grafiken und Symbolen, die Geschichte der Menschheit dargestellt. Von Anbeginn bis in die Neuzeit. Wer die Darstellung der gegenwärtigen Epoche studieren wollte, musste allerdings Holografien oder einen Schwebeanzug nutzen, denn hier befand sich das Schlangenband in einer Höhe von knapp zwei Kilometern. Das gesammelte Wissen der Menschheit war hier archiviert. Die meisten Daten wurden in hochmodernen Tetroniken gespeichert. Hier wurden auch die interstellaren Navigationskarten und Sternenkarten aktualisiert. Kurierboote brachten die Dateien zu allen Raumhäfen und Landeplätzen innerhalb des Direktorats, so dass alle Schiffe sie in kurzer Zeit verfügbar hatten.

Mars-Central entwickelte sich dabei zur neuen Metropole der Menschheit und hätte keinen Vergleich mit den früheren auf der Erde scheuen müssen. Inzwischen war die Stadt das unangefochtene Zentrum der vereinten Menschheit, denn hier befand sich auch der Sitz des hohen Rates, jenes Gremiums aus Vertretern aller von Menschen besiedelten Kolonien, die demokratisch über die Geschicke ihrer Bewohner entschieden.

Der „Turm des hohen Rates des Direktorats“, wie er offiziell hieß, überragte sogar noch die Bibliothek und wurde im Volksmund schlicht „der Finger“ genannt. Seine Konstruktion ähnelte einem umgekehrten Pilz mit extrem langem Stiel. An seiner Spitze befand sich ein ausladender Diskus, der eine großartige Aussicht bot und als Landemöglichkeit für jene Luftfahrzeuge diente, die den Mitgliedern des hohen Rates vorbehalten waren.

Es ging auf den Mittag zu und der hohe Rat Mbuto Sangales war erleichtert, dass die Abstimmung zum zweiten Punkt der Tagesordnung rechtzeitig vorüber war. Da es um Änderungen der Direktiven, also der Gesetze des Direktorats, ging, war ein Erscheinen Pflicht und alle zweihundertachtzig hohen Räte waren gekommen, um ihre jeweiligen Welten zu repräsentieren und mit ihrer Stimme zu vertreten.

Mbuto besaß afrikanische Wurzeln. Wie so oft trug er ein afrikanisches Gewand unter der vorschriftsmäßigen weißen Tunika der Ratsmitglieder. Fast alle hohen Räte trugen eine gefaltete mittelblaue Schärpe von der rechten Schulter zur linken Hüfte, nur bei Mbuto und vier anderen war diese grellrot gefärbt. Sie waren jene fünf „ausführenden Räte“, welche die außergewöhnliche Vollmacht besaßen, eine Direktive des hohen Rates zu erlassen, zu der die Zustimmung der Mehrheit nachträglich erfolgen konnte. Diese Vollmacht galt für alle Situationen, in denen eine rasche Entscheidung getroffen werden musste und in der die Zeit nicht ausreichte, eine Ratsversammlung einzuberufen.

Mbuto Sangales blickte nochmals auf das Ergebnis, welches für jedes Ratsmitglied auf einem separaten kleinen Holoschirm sichtbar war. „Damit ist die Novelle zu Direktive Drei des Direktorats abgelehnt. Es bleibt dabei, dass Kolonien unterhalb einer Population von hunderttausend Leben durch eine von ihnen bestimmte größere Kolonie im Rat vertreten werden oder andernfalls auf jegliches Stimmrecht verzichten.“ Er blickte kurz auf die Uhr und schlug mit dem verzierten Hammer auf die Holzplatte, die für diesen Zweck und aus traditionellen Gründen auf dem Rednerpult angebracht war. „Der dritte Punkt der Tagesordnung betrifft die Novelle der Direktive Vierzehn und damit das Flottengesetz.“

Auf allen Bildschirmen wurde das Ergebnis der Vorabstimmung angezeigt. Es ging um den deutlichen Ausbau der Streitkräfte und welche Meinung die einzelnen Räte derzeit hierzu vertraten. Eine große Mehrheit war für die Novelle, doch das konnte sich ändern, da es Wortmeldungen und einen möglichen Stimmungsumschwung gab. Entscheidend würde also die abschließende Abstimmung sein.

Mbuto Sangales, der an diesem Tag den Vorsitz innehatte, räusperte sich. „Der hohe Rat Lambert hat um Erteilung des Wortes gebeten, dass ich hiermit erteile.“

„Hört, hört, was mich das verwundert.“ Die spöttische Stimme gehörte zu Hildrun Olsondottir, einer erklärten Gegnerin der Streitkräfte. Der hohe Rat Lambert war stiller Teilhaber jenes großen Rüstungsbetriebes, dem sein Bruder vorstand. Es konnte also nicht verwundern, wenn sich der hohe Rat für die Novelle aussprach.

Ratsmitglied Lambert nickte Mbuto zu und trat an dessen Stelle am Pult. In den vergangenen zwei Wochen waren sie beide und das Ratsmitglied Kenduke immer wieder in den Medien aufgetaucht. Wohl jeder im Direktorat kannte inzwischen die Geschichte ihrer Entführung und was sie als Gefangene der Negaruyen erlebt hatten. Lambert genoss dies sichtlich, da es sein Ansehen und auch sein eigenes Anliegen förderte.

„Ehrenwerte hohe Räte des Mars und der Welten, vor gar nicht so langer Zeit entschloss sich die Menschheit zu einer gewaltigen gemeinsamen Anstrengung. Sie forderte alle unsere Kräfte, unsere Ressourcen und Unmengen an Credits. Damals entdeckten wir das nichtmenschliche Volk der Hanari und erkannten, dass es in einigen Jahrzehnten von seiner eigenen Sonne ausgelöscht werden würde. Damals standen wir vor der Frage, ob wir es einfach geschehen lassen. Ob wir die Hanari als eine Lebensform ansehen, die uns nichts angeht, oder ob wir sie als unsere Schwestern und Brüder im All sehen. Wir haben um die Entscheidung gerungen und es gab einige, die meinten, die Fremden gingen uns nichts an. Doch die meisten Menschen waren von der Tatsache fasziniert, dass wir erstmals auf eine intelligente außersolare Lebensform gestoßen waren. Wir entschlossen uns zu helfen. Trotz aller Schwierigkeiten und teilweise terroristischen Widerstands durch die fanatische Organisation der ‚Human Rights‘, erschufen wir eine Flotte und schickten sie auf den langen Weg. Wir konnten die Hanari rechtzeitig retten und heute sind sie unsere Freunde.“

Zustimmendes Klopfen und Raunen war zu hören, doch die meisten der Ratsmitglieder warteten irritiert, worauf Lambert denn nun hinaus wolle.

Erneut war es Olsondottir, die mit ihrem Zwischenruf auffiel. „Hört, hört … Falls der ehrenwerte Lambert uns nun erneut auffordert, eine Rettungsflotte zu bauen, so kann er mit den Stimmen der friedlichen Welten rechnen.“ Die Stimme nahm einen ironischen Unterton an. „Allerdings geht es in der Flottennovelle nicht um Rettungsschiffe, sondern um Kriegsschiffe.“

„Unsere ehrenwerte Olsondottir täuscht sich“, hielt Lambert gelassen dagegen. „Es geht durchaus um die Rettung eines Volkes und zwar diesmal um die Rettung der Menschheit. Ich erinnere die Anwesenden an unsere erste kriegerische Begegnung mit den Norsun auf Regan III. und die blutigen Kämpfe, in denen wir fast unterlegen wären. Die Leben von Menschen und Norsun gingen verloren, da die Kämpfe durch einen Irrtum ausgelöst wurden. Wir können uns glücklich schätzen, dass es uns inzwischen gelungen ist, das Volk der Insektoiden als Verbündete zu gewinnen.“

„Das muss sich erst noch erweisen!“, rief nun Arnus Magnusson, der für seine kritische Haltung gegenüber allen Fremdwesen bekannt war. „Ich erinnere an die Vorgeschichte dieses brutalen Volkes, welches bislang alle anderen raumfahrenden Völker ausgelöscht oder versklavt hat. Wer kann garantieren, dass wir nicht als Nächstes an der Reihe sind, hat man die Negaruyen erst bezwungen?“

„Hört, hört.“ Es wurde offensichtlich, dass die Zweifel des hohen Rates von etlichen Angehörigen der Versammlung geteilt wurden.

„Ein Grund mehr, der Flottennovelle zuzustimmen“, meldete sich ein anderer zu Wort.

„Die Norsun sind stark genug, um die Negaruyen im Alleingang zu besiegen!“

„Unsinn, werter Kollege, das versuchen sie schon seit Jahrhunderten ohne Erfolg!“

„Mehr Schiffe bedeuten mehr Sicherheit!“

„Mehr Schiffe bedeuten eine Provokation!“

Mbuto Sangales hob die Hände und seine Stimme wurde verstärkt. „Ich rufe zur Ordnung. Das Wort hat noch immer der ehrenwerte Lambert. Danach mag sich ein jeder zu Wort melden und wird Gehör finden.“

„Aber erst nach der Mittagspause“, wandte ein Ratsmitglied ein und erntete mehrere Lacher.

Plötzlich wechselten die Lichtkörper im Raum ihre Farbe und begannen in warnendem Orange zu blinken. Eine angenehme Frauenstimme war zu hören, die jedoch synthetisch erzeugt war. „Achtung, alle Medien werden hiermit für eine Sondermeldung unterbrochen. Live-Schaltung läuft.“ Mitten im Raum entstand eine holografische Kugel, die Oberkörper und Kopf eines Mannes zeigte, der den Overall eines zivilen Controllers und die Mütze des Interstellar Transportation and Safety Board trug. Die Besonderheit der Projektion bestand darin, dass sie aus jedem Blickwinkel ein identisches Bild zeigte.

„Hier Upper Area Control Mars 2 Süd. Die Raumüberwachung zeigt eine Vielzahl schwacher Echos in Richtung der Jupiterbahn. Wir gehen davon aus, dass …“ Der Kopf des Mannes ruckte zur Seite. „Was? Was sagst du da?“ Nun wurde die Stimme panisch. „Sie schießen. Es müssen Hunderte von Raumtorpe…“

Das Bild löste sich schlagartig auf und die holografische Kugel zeigte nur noch ein bläuliches Flimmern.

Lambert sah irritiert um sich. „Was hat das zu bedeuten?“

Sie alle waren beunruhigt. Seit dem katastrophalen Absturz eines Kreuzfahrtschiffes auf der Kolonialwelt Neijmark waren alle Verkehrsüberwachungsstationen, die Area Controls, mit der Möglichkeit ausgerüstet worden, direkt in alle laufenden Medien einzugreifen und die Bevölkerung vor einer drohenden Gefahr zu warnen. Mars verfügte über zwei Upper Area Controls an seinen beiden Polen, die, jeweils von der Äquatorlinie zu ihrem Pol, für die Raumüberwachung zuständig waren und den dortigen zivilen und militärischen Verkehr koordinierten. Zwei nahezu identische Stationen, die Lower Area Controls, waren für die Überwachung innerhalb der Lufthülle verantwortlich. Nun hatte sich die südliche UAC mit einer alarmierenden Nachricht gemeldet und war mitten im Wort verstummt.

Eine sanfte Vibration lief durch den Turm des hohen Rates. Wie alle Hochbauten auf dem Mars, so war auch er erdbebensicher konstruiert worden und so musste es eine heftige Erschütterung gegeben haben, wenn sie vom Gebäude abgefedert wurde.

Einige der Ratsmitglieder eilten an die Panoramascheiben, die sich um die gesamte Ebene der oberen Kugel herum zog und starrten hinaus. Andere folgten und Mbuto schloss sich ihnen an.

„Da drüben steigt Rauch auf“, meinte Olsondottir schockiert. „Es muss brennen.“

„Das ist kein Brand“, widersprach ein anderer. „Das sind Rauch und Dreck und da ist eine große Lücke. Grundgütiger, es scheint so, als wären dort mehrere Bauten zusammengestürzt!“

Jetzt stiegen an mehreren Stellen von Mars-Central mächtige Einschlagfontänen auf. Mbuto sah zufällig zu einem anderen schlanken Turm, der übergangslos auseinanderzuplatzen schien. Trümmer und Einrichtungsteile wurden herausgeschleudert. Der hohe Rat wusste, dass dort Menschen starben, und war für einen Moment dankbar, dies auf die Entfernung nicht sehen zu müssen.

Die Raumklanganlage, die für die Übertragung menschlicher Stimmen und Musik konzipiert war, gab ein aufdringliches, auf und ab schwellendes Summen von sich. Ein Teil der Beleuchtungskörper blinkte nun in intensivem Rot. Dies geschah nun in allen, an das Warnnetz angeschlossenen, Gebäuden.

Mbuto Sangales erbleichte, als er nun begriff. „Das … Das ist ein Angriff. Wir werden angegriffen. Der Mars wird angegriffen!“

Hollmann Constructions Orbital-Werft Mars 1

Der Konzern Hollmann Constructions war der unbestrittene Marktbeherrscher, wenn es um die Fertigung, Modifikation oder Reparatur ziviler und militärischer Schiffe ging. Einige wurden nach individuellen Plänen gebaut, andere nach standardisierten Konstruktionen in modularer Bauweise erschaffen. Das Direktorat hatte Verträge mit dem Konzern abgeschlossen, so dass dieser Vorrang für Instandsetzung und Neubau von Einheiten der Sky-Navy besaß. Dies hing vornehmlich damit zusammen, dass die meisten Zulieferer wichtiger Komponenten auf dem Mars ansässig waren. Verhüttungsschiffe im Asteroidengürtel steuerten weitere wichtige Ressourcen bei.

Hollmann Constructions verfügte im Gebiet des Direktorats über insgesamt fünf Werftanlagen, von denen sich drei im Orbit um den Mars befanden. Ebenfalls im Orbit lagen Werft und Dock von Boeing-Jentao Engineering, die auf Neukonstruktionen spezialisiert war. Hier ging gerade der Prototyp einer neuen Klasse von Trägerschlachtschiffen seiner Vollendung entgegen, die D.C.S. Verdun. Auch zwei kleinere Firmen unterhielten Orbitaldocks, waren aber auf Modifikation und Bau interstellarer Langstrecken-FLVs und kleiner Raumfrachter spezialisiert.

Die größte Werft von Hollmann, Nummer Eins, bestand aus vier Segmenten. Die Mitte bildete eine Konstruktion, die an zwei riesige Teller erinnerte, die man mit den Rändern aufeinandergelegt hatte, wobei die Teller einen Durchmesser von zwei Kilometern aufwiesen und der Rand immerhin fast vierhundert Meter dick war. Hier befanden sich die Lager, Fertigungsräume, Unterkünfte, Aufenthaltsräume, ein kleines Hospital und die Verwaltung. Die drei anderen Segmente waren kleinere Ausführungen und ringartig um das Zentrum verteilt. Ihre nach außen weisenden Hangartore erstreckten sich über ein Drittel des jeweiligen „Tellerrandes“. Dank der künstlichen Schwerkraft durch die Shriever-Platten konnte man unter normalen Bedingungen oder auch in Schwerelosigkeit arbeiten.

Derzeit wurden hier zwei beschädigte Trägerschlachtschiffe, die D.C.S. Clavijo und die D.C.S. Lepanto repariert.

Die Clavijo hatte im Gefecht ihre vordere Manöverbrücke, die wie eine Glaskuppel am Bug klebte, und zwei der vorderen Raketentorpedoabschussrohre eingebüßt, zudem war ein Teil der Bugpanzerung dermaßen demoliert worden, dass der Schutz des Schiffes hier um dreißig Prozent reduziert war. Ihre Schäden waren fast behoben und das Schiff sollte die Werft in zwei Wochen verlassen können.

Die Lepanto hatte schwere Schäden im Inneren erlitten. Das Schiff war an seiner rechten Seite, oberhalb des Äquators, auf einer Länge von über hundertfünfzig Meter und über drei Decks aufgerissen. Die Druckwelle hatte einen Teil der Innenschotts, Decken und Wände zerstört und den kleinen Wald, der tief im Rumpf erheblich zur Lufterneuerung beitrug, dem Vakuum ausgesetzt. So würde das Trägerschlachtschiff noch fast neun Monate im Dock verbringen, da das Interstellar Transportation- and Safety Board es erst freigeben würde, wenn unabhängige die Luftversorgung garantiert war.

Über dreitausend Konstrukteure, Ingenieure und Arbeiter lebten für einen Monat in Werft 1 und verbrachten anschließend zwei Wochen Freizeit auf dem Mars. Ihre Aufgaben waren anspruchsvoll und verlangten äußerste Präzision. Ein Teil von ihnen konnte relativ bequem innerhalb des jeweiligen Docks vollzogen werden, die an die Lebenserhaltung der Werft angeschlossen waren, doch ein wesentlicher Teil geschah mit angelegtem Raumanzug und ohne die Bequemlichkeit künstlicher Schwerkraft.

Die Arbeitsschicht und die beiden Freischichten wurden von dem Alarm vollkommen überrascht. Kaum wurden die Schallgeber und Signalleuchten ausgelöst, als die Werft auch schon von mehreren Projektilen getroffen wurde.

Mehr als tausend Männer und Frauen starben durch explosive Dekompression, als gleich drei Raumtorpedos der Negaruyen den riesigen Hauptdiskus zwischen den drei Dockelementen trafen und auseinanderrissen. Trümmer wirbelten umher, während an vielen Stellen blitzartig Brände aufflammten, die ebenso rasch erloschen, als der Sauerstoff verbraucht oder ins All entwichen war. Die Explosionswelle ließ die drei Docks auseinandertreiben.

Auf den Trägerschlachtschiffen befanden sich nur Rumpfmannschaften, welche die Arbeiten in ihrem Schiff überwacht und unterstützt hatten. Sie wurden ebenso unvorbereitet mit dem Angriff konfrontiert wie die zivilen Arbeiter der Werft.

Die D.C.S. Clavijo war während ihrer Liegezeit an die Versorgung der Werft angeschlossen, die nun schlagartig ausfiel. Nicht ahnend, was überhaupt vor sich ging, tappte die kleine Besatzung durch die Dunkelheit, bis sich die Notbeleuchtung aktivierte. Nun ging man mit verzweifelter Hast daran, die Maschinenanlagen zu starten und das Schiff manövrierfähig zu machen.

Die D.C.S. Lepanto hatte mehr Glück. Ihre Eigenversorgung war für einen Testlauf aktiviert und ihre Schwerkraftanlage fing die meisten Erschütterungen ab, die von Einschlägen in der Werftkonstruktion herrührten. Als weitere Torpedos ihr Dock trafen und große Segmente aus diesem heraussprengten, gelang es, die Manövertriebwerke des riesigen Trägerschlachtschiffes in Betrieb zu nehmen. Während das Dock auseinanderfiel, trieb die Lepanto gemächlich zwischen den Trümmern hervor.

Ein Torpedo traf ihre Flanke und sprengte ein weiteres gewaltiges Loch in den Rumpf, dann konnte ein Teil der Schiffsverteidigung aktiviert werden. Drei der Waffentürme fuhren aus dem Rumpf, ihre Tetroniken suchten nach Bedrohungen und die schweren Gatling-Kanonen und HE-Lasergeschütze vernichteten vier weitere anfliegende Geschosse.

Nun wurde die D.C.S. Clavijo ebenfalls direkt getroffen. Eine ihrer Railgun-Kuppeln zerbarst, ihre Energiespeicher entluden sich ins Schiffsinnere und verbrannten eine ganze Sektion und die darin befindlichen Menschen. Der inzwischen reparierte Bug erhielt erneut Treffer. Die neue Manöverbrücke am Bug explodierte und ein guter Teil der frischen Bugpanzerung wurde durch die Detonationen aufgerissen. Aber auch der Clavijo gelang es, sich aus den Trümmern zu lösen. Kaum war sie von der Werft frei, schlug ein weiterer Torpedo in einen der offen stehenden Steuerbordhangars, in dem eine Reihe flugbereiter FLVs stand. Eine ganze Serie der Vernichtung zerstörte die Beiboote und riss die Flanke des Riesen auf über zweihundert Metern Länge und hundert Metern Tiefe auf. Die Erschütterungen hatten eine Notschaltung zur Folge, in der ein Teil der Energieerzeuger heruntergefahren wurde. Einige Gefechtstürme, die gerade aktiv wurden, verloren ihre Energie und schalteten ab. Nur zwei der Türme begannen damit, weitere Feindtorpedos abzuwehren. Dennoch musste das Schiff einen weiteren schweren Treffer in den Aufbauten hinnehmen, bis die erste Angriffswelle vorüber war.

Für die Menschen im dritten Dock gab es hingegen keine Rettung. Als die Werft auseinandergerissen wurde, trieb die Druckwelle diesen Bereich direkt in die Marsatmosphäre. Für die Arbeiter und das Navy-Personal begann der tödliche Sturz zur Oberfläche. Mit ihnen gingen zwei in Reparatur befindliche und drei fast fertig gestellte APS-Kreuzer verloren.

Mars, Museumsanlage, Abwehrfestung Fort Nummer 12

Als sich die einstige „Solare Föderation“ in den Weltraum ausbreitete und immer mehr Kolonien gegründet wurden, war es wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis einige von diesen ihre Unabhängigkeit anstrebten. Die Dauer interstellarer Flüge, die zu jener Zeit noch Monate und Jahre in Anspruch nahmen, bestärkte die Siedler in ihrem Bestreben und so kam es schließlich zum kolonialen Krieg, der, aufgrund einer Teilmeuterei der damaligen solaren Flotte, mit dem Sieg der Kolonisten und der Gründung des Direktorats endete.

In jener Zeit hatten die Kriegsparteien militärische Raumschiffe gebaut und zivile Frachter mit Waffen nachgerüstet. Die Bedrohung eines Angriffes aus dem Weltraum führte auch zum Bau von orbitalen Waffenplattformen und sogar zu der Errichtung von Festungsanlagen, deren überschwere Geschütze Feindschiffe im Orbit vernichten sollten.

Mit Ende des Krieges waren die meisten dieser Verteidigungsanlagen abgerissen oder dem Verfall überlassen worden. Nach fast zweihundert Jahren war vielerorts keine Spur mehr von ihnen zu finden. Nicht so auf dem Mars, wo man, in Gedenken an die Vergangenheit, eine der Anlagen erhalten hatte. Eine Reihe ziviler Angestellter und Veteranen der Sky-Cavalry bemühten sich darum, die Erinnerungen wach und die Systeme funktionsbereit zu halten.

Rein äußerlich bot Fort Nummer 12 kein sonderlich beeindruckendes Bild. Eine flache Kuppel aus Plas-Beton, mit Verstärkungen aus dem damals üblichen Durastahl, von zweihundert Metern Durchmesser und vierzig Metern Höhe, die im unteren Bereich größtenteils von Marsmoos bewachsen war. Lediglich im Bereich der Zufahrt und des dortigen Panzertores waren die Pflanzen entfernt worden.

Innerhalb der Kuppel gab es die üblichen Räume zur Unterbringung und Versorgung der Soldaten, die Anlagen der Lebenserhaltung, einen Funkraum sowie die Räumlichkeiten für Besprechungen, Lager und den Kommandostab. Alles entsprach, wie zu Kriegszeiten üblich, den notwendigsten Anforderungen. Bei Weitem überdimensioniert wurde es im Zentrum der Kuppel: ein zusätzlich gepanzerter Hohlzylinder, der zwölf Ebenen in den Marsboden hinabreichte und der die riesigen Energieerzeuger für ein ebenso riesiges Geschütz aufnahm.

Es war eine zweiläufige Waffe, deren Bestimmung genauso hässlich war, wie ihr Äußeres vermuten ließ. Eine Kombination aus Raketengeschütz und einem der ersten Hochenergie-Laser.

Die zehn Meter langen und einen Meter durchmessenden Raketen trugen an ihrer Spitze einen sogenannten Fragmentkopf, der dicht vor dem Ziel in zwanzig kleinere Sprengköpfe zerfiel. Die Streuung dieser Projektile sollte die Chance erhöhen, das anvisierte Ziel auch tatsächlich zu vernichten oder zumindest kampfunfähig zu machen. Durch ein ausgeklügeltes System konnte die Waffe innerhalb von zehn Minuten nachgeladen werden.

Der Hochenergie-Laser war zur Zeit des kolonialen Krieges eine Weiterentwicklung der bis dahin üblichen Lichtenergiewaffen gewesen und besaß die tausendfache Stärke der vorherigen Lasergeschütze. Die damalige Konstruktion war, aufgrund ihres hohen Energiebedarfs und der relativ schwachen Energiequellen, plump und eine Art Kompromiss gewesen. Der HE-Laser wurde nicht nur direkt, sondern auch über Speicherbänke mit Energie versorgt. Ein Dutzend armdicker Kabel führte sie der Waffe zu und das Bewegen der Lafette, auf dem die Waffenkombination saß, hatte in der Vergangenheit gezeigt, wie anfällig gerade diese Verbindungen waren.

An diesem Tag war eine Schulklasse durch die Anlage geführt worden. Obwohl Captain (retired) Nick Humboldt eine sehr fesselnde Weise hatte, über die Geschichte des Forts zu erzählen, hatte sich, wie so oft, wieder eine kleine Gruppe der Schüler abgesetzt. Da einige der internen Überwachungskameras wieder funktionierten, war es Sergeant (retired) Björn Arnussen rasch gelungen, diese ausfindig zu machen. Wartungstechnikerin Kana Dalunga konnte die Gruppe rechtzeitig aufhalten, bevor sie ahnungslos zwischen zwei halb aufgeladene Speicherbänke geriet. Die dunkle Haut von Kana war immer noch merkwürdig grau, als sie die Jugendlichen erleichtert bei ihren Begleitern ablieferte.

Die große Sandkatze, die der Gruppe als Transportmittel diente, war gerade abgefahren, als der Alarm durch das alte Fort tönte. Es waren noch alte Klaxxon-Schallgeber, deren infernalisches Auf und Ab seit vielen Jahren nicht mehr zu hören gewesen war.

Direktorin Josefine Zehrendorff erstarrte ebenso wie das Dutzend Mitarbeiter der Museumsanlage. Obwohl sie die Bedeutung des Alarms kannte, war sie zunächst nicht bereit, diese zu realisieren. „Dalunga, da hat jemand an den Klaxxons herumgespielt. Stellen Sie diese nervigen Dinger ab“, ordnete Josefine über ihr Headset an. „Und dann suchen Sie nach dem Fehler, warum die Anlage ausgelöst hat. Ich will dieses nervige Getute nicht mehr hören.“

Captain Humboldt glaubte ebenfalls an eine Fehlfunktion. Da er sich in der Nähe der Kampfzentrale aufhielt, entschloss er sich dazu, diese aufzusuchen und mittels Systemdiagnose auf die Spur des Falschalarms zu kommen. Unterwegs schloss sich ihm Sergeant Arnussen an.

„Ich weiß nicht, Cap, aber ich habe ein ganz komisches Gefühl“, meinte Arnussen und deutete auf einen der eckigen trichterförmigen Schallgeber. „Plötzlich habe ich das unangenehme Empfinden, als befänden wir uns wieder im kolonialen Krieg.“

„Die üblichen Gespenster“, erwiderte Humboldt. „Kein Wunder, wenn man ständig durch so alte Gemäuer schleicht. Ich hoffe nur, wir haben keines der Kids übersehen, das heimlich zurückgeblieben ist und uns nun einen Streich spielt.“

„Ney, Cap, das ist ausgeschlossen.“ Arnussen schüttelte entschieden den Kopf. „Ich habe selbst dreimal nachgezählt, damit uns keiner durch die Lappen geht. Die sind alle weg, den Göttern sei gedankt.“

„Sarge, du solltest froh sein, dass sie uns besuchen. Wir sind eine Museumsanlage und wenn es keine Leute mehr gibt, die sich für uns und die Geschichte interessieren, dann können wir endgültig dichtmachen.“

Sie erreichten das Panzerschott zur Kampfzentrale. Das Schloss war noch auf die alte Weise geschützt, mit Fingerabdruck, Retina-Scan und einem Zahlencode. Als es nach außen schwang, wurde deutlich, dass es einer alten Safetüre ähnelte. Dicker Durastahl in einer mehrstufigen Bettung, mit wuchtigen Scharnieren und einer ebensolchen Hydraulik.

Vor den beiden ehemaligen Soldaten öffnete sich ein Raum mit zwölf Arbeitsplätzen. Es war der altmodischen Elektronik und der einst üblichen Kälteleitertechnik geschuldet. Dank der modernen Tetroniken war es möglich geworden, die Funktionen des Forts von nur drei Konsolen aus zu steuern. An den Wänden zogen sich schlichte dreidimensionale Monitore entlang. Am Platz der Geschützsteuerung hing ein altmodischer und plumper Virtual-Reality-Helm. Das Licht ging nur von zwei rhythmisch pulsierenden Alarmlichtern aus und Arnussen trat zum Pult der Systemüberwachung und aktivierte die indirekte Raumbeleuchtung.

„Check mal das Alarmsystem durch, Sarge“, brummte Humboldt und ging zu einem der anderen kreisförmig angeordneten Pulte. „Ich sehe mir die Objektüberwachung an. Vielleicht haben die Scanner oder Sensoren ja wieder eine der Ratten entdeckt und machen einen auf Panik.“

Die Ratten hatten sich ebenso als Überlebenskünstler erwiesen wie der Mensch selbst und es einst, bei der Evakuierung der Erde, ebenfalls auf eines der Rettungsschiffe geschafft. Zwar hatte man sie bislang aus den Städten fernhalten können, doch in den neuen Grünzonen begegnete man ihnen inzwischen immer öfter. Einige Male waren sie bereits in das alte Fort eingedrungen und man führte einen erbitterten Kleinkrieg gegen die Nager, für welche die alten Kabel, Leitungen und Einrichtungen ein wahrer Leckerbissen zu sein schienen. Viel von dem alten Material konnte nicht mehr ersetzt werden, da man es einfach nicht mehr herstellte und so gingen die ehemaligen Soldaten immer wieder auf die Jagd nach ihrem kleinen Feind.

Der Captain schaltete zunächst die Sensoren und Scanner der inneren Überwachung ein und aktivierte dann auch die der externen. Nirgends wies etwas auf einen Eindringling oder eine Gefahr hin, doch dann bemerkte er das auffordernde Blinken beim Datenlink. Mit einem leichten Stirnrunzeln nahm er auch diesen in Betrieb und stellte so die Verbindung zur Raumüberwachung her. Die Scanner, Radar- und Sensoranlage mochte veraltet sein, funktionierte aber noch immer, da Direktorin Zehrendorff Wert darauf legte, Besuchergruppen die Abläufe in ihrem Museumsstück vorführen zu können. Einer der großen Bildschirme flackerte und baute eine dreidimensionale Karte des südlichen marsnahen Weltraums auf.

Humboldts Kiefer klappte nach unten. „Da soll mich doch … He, Sarge, sieh dir das mal an!“

Der Angesprochene kam heran und schnappte überrascht nach Luft. „Grundgütiger, ist das eine Übung des planetaren Katastrophenschutzes? Haben wir da was verpennt?“

Humboldt überflog die Daten und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Nein, haben wir nicht. Gequirlter Dung, das … das ist echt!“

Die Stimme von Arnussen klang fast andächtig. „Verdammt.“

Captain Nick Humboldt stieß einen bitteren Fluch aus, dann wandte er sich auf den Absätzen um und eilte zum Platz des Fortkommandanten. Er hieb auf die breite rote Alarmtaste und ließ sich in den Polstersitz fallen. Ein wenig Staub wallte, während er eine Reihe von Schaltungen betätigte und den biegsamen Arm eines Mikrofons herumzog.

Das Heulen des Alarms wurde durch seine Stimme ersetzt. „Achtung, an alle: Der Mars wird von unbekannten Schiffen angegriffen! Kana, runter zum Energieraum. Aktiviere alle Generatoren und schalte die Energiespeicher zu, egal wie viel Saft sie haben. Alle Energie verfügbar machen, die du kriegen kannst. Und die Zehrendorff soll in die Zentrale kommen.“ Er machte eine kurze Pause. „Äh, das ist jetzt keine Übung, damit das klar ist. Der Mars wird wirklich angegriffen und es sieht so aus, als ob wir kämpfen müssten.“

Die beiden Veteranen konnten sich durchaus ausmalen, was ihre Worte bewirkten. Nach einigen Augenblicken meldete sich Kana über ihr Headset. „He, Captain, meinst du das ernst?“

„Verdammt, Mädel, ja, das tue ich. Bewege deinen Arsch und liefere uns Saft für das Waffensystem.“

„Äh, ja, klar, mache ich“, stammelte die Wartungstechnikerin verwirrt.

Prompt war Josefine Zehrendorff zu hören. Ihre gehetzte Stimme verriet, dass sie sich redlich abmühte, auf ihren hochhackigen Schuhen die Zentrale zu erreichen. Das Mikrofon übertrug das harte Klacken der Absätze auf dem Plas-Beton des Bodens. „Sind Sie irre, Captain? Sie wollen dieses alte Ding tatsächlich in Betrieb nehmen? Sie Narr, hören Sie mit dem Unfug auf, sonst fliegt uns hier noch alles um die Ohren!“

„Tut mir leid, Ma´am, aber es sieht so aus, als würde der Mars im Augenblick selbst unser altes Schätzchen bitter nötig haben. Eben bekomme ich Schadensmeldungen herein … Grundgütiger … Wer es auch ist, er ist gerade dabei, uns den Arsch quer aufzureißen.“

„Mäßigen Sie sich, Captain“, fauchte die Direktorin. „Ich habe Ihnen schon wiederholt gesagt, dass ich solche Kraftausdrücke nicht schätze. Das hier ist ein seriöses Museum und …“

„Tut mir leid, Ma´am“, beteuerte Humboldt erneut, „aber ich habe jetzt keine Zeit für einen netten Plausch. Hier ist der Dung am dampfen, aber das werden Sie gleich ja selber sehen. Ende der Kommunikation.“

Der Captain hörte noch die Hälfte eines Fluches, dann schaltete er ab und sah Björn Arnussen müde und zugleich entschlossen an. „Also dann, Sarge, bringen wir das alte Schätzchen wieder auf Touren.“

„Positiv, Sir“, verfiel der ehemalige Sergeant automatisch wieder in den alten Militärjargon. „Ich gehe an die Systemkontrolle, Cap. Wer übernimmt die Feuerleitung?“

„Das mache ich selber“, versicherte Humboldt. „Wenn alles hochgefahren ist und keine Panne auftritt, dann ist die Funktion des Fortkommandanten nicht unbedingt erforderlich. Meinethalben kann die Zehrendorff ihren dicken Hintern hier einparken und herumkommandieren. Wir beide haben Ernsthafteres zu tun.“

„Was fällt Ihnen ein? Ich habe einen dicken …?“ Die Direktorin stand keuchend im offenen Panzerschott und sah die beiden Veteranen empört an. „Erlauben Sie mal, Sie …“

„Sehen Sie, verdammt noch mal, auf die Karte!“, brüllte Humboldt. „Ich habe jetzt andere Dinge zu tun, als über Gesäße zu diskutieren.“

Josefine Zehrendorff schnaufte empört, schwieg aber und ließ sich an Stelle des Captain in den Sessel des Kommandanten fallen. Ungläubig studierte sie die Anzeigen und die Karte, während Humboldt im Sitz des Geschützführers Platz nahm.

Die Anzeigen an dem hufeisenförmig eingeschnittenen Pult vor dem Captain waren überwiegend blind. Jetzt begannen einige zu flackern, bis sie konstant leuchteten. Bildschirme und Skalen wurden aktiv. Humboldt stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Sarge, wie ist der Status?“

„Energieleistung steigt. Erreicht gerade zwölf Prozent und steigt weiter. Soll das Protokoll ablaufen?“

„Bis wir genug Saft haben, haben wir ausreichend Zeit dafür. Außerdem gibt es uns die Sicherheit, das alles funktioniert.“

Der Sergeant erlaubte sich ein dünnes Lächeln. „Sofern die Anzeigen korrekt sind.“

„Gehen wir es an, Sarge.“ Humboldt erinnerte sich an die Abläufe des alten Forts, die man gelegentlich für Besucher aus Militärkreisen zur Demonstration verwendet hatte. „Bereitmachen aller Systeme, Sergeant Arnussen.“

„Positiv, Sir. Bereite Systeme vor.“ Eine Reihe von Schaltungen folgte, am Pult der Systemüberwachung wurden mehr und mehr Anzeigen und Kontrolleinheiten aktiv. „Energiewerte bei zwanzig Prozent und steigend. Lebenserhaltung auf Grün. Außentore sind verriegelt. Feuerschotts werden geschlossen. Jetzt geschlossen, aber nicht verriegelt. Externe Geländeüberwachung aktiv. Interne Raumüberwachung aktiv. Na ja, von den Kameras abgesehen, die im Lauf der Jahre den Geist aufgegeben haben oder als Souvenir eines Besuchers endeten.“

„Sarge!“, mahnte Humboldt.

Der Sergeant räusperte sich verlegen. „Die Anzeigen für interne und externe Kommunikation sind Grün. Sender und Empfänger dürften bereit sein, sobald die Kommunikationskonsole besetzt wird.“

„Wie ich schon des Öfteren sagte“, schaltete sich die Direktorin ein, „die damalige Verteilung der Aufgaben auf so viele verschiedene Arbeitsplätze, ist nicht effektiv.“

„Damals hatte man noch keine Tetronik, dafür aber genügend Arbeitskräfte“, knurrte Humboldt. „Sarge, ist die taktische Karte aktuell?“

„Ah, positiv, Sir. Der Datenlink nach Mars-Central steht. Soweit ich sehe, kommen die Daten über Upper Area Control 1 North und vom Nordpol herein. Sollten doch eigentlich von 1 South kommen …“

„Laut taktischer Karte existiert 2 South nicht mehr“, entgegnete Humboldt grimmig. „Gütiger Himmel, das müssen Hunderte von Feindschiffen sein. Seltsam, sie bremsen nicht ab.“

Die Direktorin sah kritisch auf die große Kartenprojektion. „Ja, das ist wirklich merkwürdig. Ich habe das Gefühl, als wären sie mit dem Überraschungsangriff zufrieden und würden abhauen, bevor unsere Abwehr reagieren kann. Ja, sehen Sie, Captain, sie passieren den Mars ohne die Geschwindigkeit zu verringern.“

„Sie hauen ab“, stellte Arnussen erleichtert fest. „Äh, Cap, sollen wir wieder alles runterfahren? Scheinbar wird unser Schätzchen doch nicht gebraucht.“

„Nichts da.“ Humboldt war Arnussen einen finsteren Blick zu. „Jetzt, wo wir schon einmal dabei sind, reaktivieren wir das alte Fort auch vollständig.“

„Das ist riskant und nicht mehr erforderlich“, meinte die Direktorin.

„Es ist ein guter Test. Wir wollten doch ohnehin schon lange ausprobieren, was an diesem Museumsstück noch funktioniert. Ist also eine gute Gelegenheit.“ Humboldt lächelte schwach. „Zudem … Irgendwie sagt mir mein Bauch, dass das noch nicht alles war.“

Sky-Navy 19 - Konfrontation

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