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Kapitel 6 Angriffsvorbereitungen

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Werftplattform Tensa, im System der verborgenen Welt

Tensa war das Zentrum des Schiffbaus der Negaruyen der verborgenen Welt. Die gewaltige Plattform war im Weltraum errichtet worden und kreiste im Orbit um den neunten Planeten. Es war eine Wüstenwelt, deren Oberfläche vom Weltraum aus öde und nur mit rötlichem Sand bedeckt schien. Ihre gewaltigen Ressourcen waren jedoch der Hauptgrund, warum man die Werft ausgerechnet hier errichtet hatte. Ein weiterer Grund waren die zahlreichen großen und kleinen Monde, die den Planeten umgaben. Auch sie lieferten Rohstoffe, boten vor allem jedoch einen guten Schutz gegen Entdeckung durch den Feind. In Jahrhunderten des Krieges war es ihm nicht gelungen, Tensa zu finden.

Man musste ein ausgezeichneter Pilot sein, um Tensa unbeschadet zu erreichen und wieder zu verlassen, daran änderten auch die Hilfsmittel der modernen Technik nichts. Die Werft wurde daher vorwiegend von kleinen Schiffen und Zubringer-Shuttles angeflogen.

Eine Konzentration großer Kampfschiffe und Truppentransporter war ungewöhnlich. Die blau schimmernden Rümpfe wiesen alle die gleiche Form auf und unterschieden sich lediglich in der Größe und einigen Details. Normung war ein entscheidender Faktor in der Industrie der Negaruyen. Die walzenförmigen Körper wiesen an Bug und Heck leichte Verdickungen auf, in denen sich die leistungsstarken Triebwerke befanden. In der Mitte befanden sich die bauchige Konstruktion der Zentrale sowie der unterhalb des Rumpfes installierte neuartige „Zersetzer“.

Der Zersetzer war eine Waffe, mit der die Rümpfe der Norsun-Schiffe förmlich aufgelöst werden konnten, sofern es gelang, die goldenen Energieschutzwände zu überwinden. Schiffe verfügten seit Jahrhunderten über Energiewaffen, doch diese erwiesen sich zunehmend als wirkungslos, denn beide Seiten fanden Möglichkeiten, sich dagegen zu schützen.

Vor einigen Jahren hatte man sich dann an die Waffen der Ahnen erinnert. Nun wurden die Schiffe nach und nach mit den neuen Schnellfeuerkanonen bewaffnet, die massive Geschosse oder Sprengprojektile verfeuerten. Sie erwiesen sich als weitaus effektiver als Energiestrahlen, da die Projektile auch auf größte Entfernung nicht an Energie und damit Wirksamkeit verloren. Bei massierter Anwendung konnte man die Energieschirme der Norsun überlasten und die Wucht der Geschosse zertrümmerte dann die Hüllen der Schiffe.

Der Schiffbau der verborgenen Welt konnte die Verluste der Kämpfe nur dadurch ausgleichen, weil die Flotten selten massiert aufeinander trafen und sich die Negaruyen möglichst keine Gefechte mit starken Feindverbänden lieferten. Man bevorzugte kleine Kommandounternehmen, bei denen man Patrouillen und Handelsschiffe der Norsun überfiel und ihm auf diese Weise Nadelstiche versetzte. Gemessen an der Größe des Norsun-Reiches waren es winzige Nadelstiche, dennoch schmerzten sie.

Desara-dal-Kellon war es gelungen, die Primär-Matriarchin von ihrem Plan zu überzeugen. So kam es, dass sich bei Tensa vier Schlachtschiffe, siebzehn große und kleine Kreuzer sowie vier Truppentransporter versammelten. Fünf der Schiffe waren auf der Werftplattform gelandet und wurden dort mit den Projektilwaffen nachgerüstet.

Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon war an Bord des Flaggschiffes Korondaar gegangen, auf dem auch Hoch-Kommandantin Suna-dal-Sollis anwesend war.

Das Schlachtschiff war beeindruckend, auch wenn es mit den riesigen Hanteln des Feindes, was die Größe betraf, nicht konkurrieren konnte. Während es ein Norsun-Schlachtschiff auf einen Kugeldurchmesser von 1.200 Meter und eine Gesamtlänge von 3.600 Meter brachte, hielt die Korondaar mit einer Länge von 723 Metern und einem maximalen Durchmesser von 104 Metern dagegen. Was ihr Vernichtungspotenzial betraf, hielt sie jedoch durchaus mit dem Feind mit.

Die vier Trägerschiffe waren mit 740 Metern Länge und einem maximalen Durchmesser von 123 Metern noch ein wenig größer, als die Schlachtschiffe, allerdings wesentlich schwächer bewaffnet. Dafür beförderten sie, je nachdem, ob sie als Träger oder zum Transport von Truppen dienten, zweihundertvierzig Kampfjäger oder zwei Garderegimenter mit den dazu gehörenden sechzig Sturmbooten.

Desara erwiderte den Gruß der Ehrenwache, die sie an der Luftschleuse empfing und schritt dann, begleitet von ihren vier Leibgardisten, zum Lift, der sie in die Zentrale brachte. Hier wurde sie von Suna-dal-Sollis empfangen, die vor den führenden Offizieren des Flaggschiffes stand. Alle Offiziere waren weiblich. Im Matriarchat der verborgenen Welt dienten Männer als Arbeitskräfte und einfache Soldaten. Nur wenigen gelang der Aufstieg zum Unter- oder Obermann oder sogar in den Rang eines Offiziers. Eine Handvoll war sogar zu Kommandanten von Schiffen aufgestiegen, was auf ihre besonderen Fähigkeiten hinwies.

„Ehrenwerte Primär-Kommandantin, ich habe soeben die Nachricht der Werftleitung erhalten, dass die Arbeiten am Schlachtkreuzer Mildavaar in einer Zwölfteleinheit abgeschlossen sein werden. Damit wäre das Einsatz-Geschwader dann bereit.“

Desara nickte Suna zu. „Ist die Garde eingeschifft?“

Suna warf der Sub-Kommandantin einen auffordernden Blick zu, welche bei diesem Einsatz die Kampftruppen befehligen würde. Diese stampfte zustimmend mit dem linken Fuß auf. „Vier Garderegimenter sind auf den beiden Truppenträgern. Sechstausendvierhundert Kämpfer und allesamt mit den neuen Raketengewehren ausgerüstet. Auch die vierhundertachtzig Kampfjäger an Bord der beiden Träger sind bereit. Die Hälfte von ihnen ist auf Projektilwaffen aktualisiert, Ehrenwerte.“

„Gut. Dann ist es nun an der Zeit, den Schlachtplan zu entwickeln.“ Desara streckte die Hand aus und einer ihrer Gardisten legte eine Speicherkarte hinein. Sofort wechselte diese erneut die Besitzerin und wurde in die zentrale eTronik eingelegt. Alle wandten sich der riesigen Panoramascheibe zu, die freien Ausblick auf das Weltall vor dem Bug bot. Diese verwandelte sich nun in einen Bildschirm, auf dem fremdartige Sternenkonstellationen sichtbar wurden. Eine Reihe von ihnen befand sich innerhalb eines halb transparent unterlegten Bereiches.

„Das ist der von den Menschen beanspruchte Raum“, erklärte Desara und nahm einen Pointer, um auf Einzelheiten hinzuweisen. „Das dort ist ihr Heimatsystem, Sol. Wir wissen inzwischen, dass sie ihre Ursprungswelt, Planet Drei, verlassen haben und Planet Vier als neue Hauptwelt besiedeln. Ihr kleines Sternenreich umfasst siebzehn größere Siedlungswelten und ungefähr die dreifache Zahl, auf denen es kleinere Kolonien gibt. Darin eingebunden sind einige Rohstoffwelten, auf denen die Menschen lediglich Abbau betreiben. Sie sehen, dass der von ihnen genutzte Weltraum einen nur kleinen Sektor umfasst. Ungefähr elliptisch, mit zunehmender Verlagerung in Richtung auf das Zentrum der Galaxis. Die größte Annäherung zum Reich der Eierlinge liegt hier.“ Desaras Pointer ließ einen kleinen Stern in grellem Rot aufleuchten. „Neben dem Mars unterhalten die Menschen drei Flottenstützpunkte. Arcturus, Rigel und Arantes.“ Die drei genannten Sterne begannen blau zu blinken. „Alle Drei sind künstliche Basen, die frei im Weltraum schweben. Unser Ziel ist Rigel.“

Erneut blinkte Rigel auf, bevor die Ansicht wechselte und ein stark vergrößerter Ausschnitt erschien, der Rigel und die benachbarten Systeme umfasste.

„Auf Rigel sind normalerweise drei ihrer großen Trägerschlachtschiffe und dreißig ihrer Kampfkreuzer stationiert. Dazu zwei Eliteeinheiten ihrer Garde. Eines der großen Schiffe, acht der Kampfkreuzer und eine der Gardeeinheiten wurden jedoch abgezogen, da sie andernorts benötigt werden.“ Desara lachte leise. „Unter anderem zur Suche nach dem von mir eroberten Menschenschiff Nanjing.“

„Verzeih, Ehrenwerte“, unterbrach einer der Offiziere. „Wie zuverlässig sind diese Informationen?“

Desara-dal-Kellon lächelte sichtlich zufrieden. „Meine Bemühungen haben sich ausgezahlt. Obwohl manche…“, sie warf einen vielsagenden Blick auf Suna-dal-Sollis, „… an Sinn und Möglichkeiten der Veränderten gezweifelt hat. Mutige Frauen und ein paar Männer, die sich den Menschen so weit anpassen ließen, dass sie nicht als Negaruyen erkannt werden können. Einigen Veränderten ist es gelungen, in Positionen zu gelangen, in denen sie an äußerst wertvolle Informationen gelangen.“

Die Kommandantin des Flaggschiffes erwiderte das Lächeln der Befehlshaberin. „Ich nehme an, eine dieser Veränderten befindet sich auf Rigel?“

Desara neigte kurz den Kopf. „So ist es. Das ist auch der Grund, warum Rigel das Ziel unseres Vorstoßes sein wird. Wir erhalten nicht nur aktuelle Informationen über die Vorgänge auf der Basis, sondern werden auch von dort aus unterstützt. Unsere Veränderte ist in einer Position, von der aus sie die Basis der Skai-Näivi von Innen heraus sabotieren kann.“

„Dennoch wird der Frontalangriff auf ein solche Basis mit hohen Verlusten verbunden sein“, wandte Hoch-Kommandantin Suna-dal-Sollis ein. „Wir müssen also bedenken, ob sich diese Verluste für uns auszahlen.“

„Das werden sie“, versicherte Desara. „Natürlich sind eigene Verluste unvermeidlich, doch wir werden sie minimieren, denn bevor wir die Rigel-Basis angreifen, werden wir dafür sorgen, dass die meisten Schiffe und Truppen von dort abgezogen werden.“

„Ich verstehe.“ Suna deutete auf die Kartenprojektion. „Ein Ablenkungsangriff, nicht wahr?“

„Auf eines der benachbarten Systeme“, bestätigte Desara.

Vela-dal-Hasara, die Kommandantin der Korondaar, rieb sich über das Kinn und betrachtete nachdenklich die Karte. „Dieses System muss sorgfältig ausgewählt werden. Groß genug, dass die Menschen ihm zu Hilfe eilen, dennoch von nur geringer Bedeutung, damit unsere Angrifftruppe nicht in Schwierigkeiten gerät.“

„Um dieses System zu erwählen, sind wir hier versammelt.“ Desara sah die Anwesenden der Reihe nach an. „Wobei ich der Meinung von Kommandantin Vela-dal-Hasara vollauf zustimme. Ich werde nun einige der Rigel benachbarten und geeignet erscheinenden Sonnensysteme aufrufen und bitte um Vorschläge.“

Desara hatte ihre Wahl längst getroffen, doch es war wichtig, dass die Offiziere das Empfinden hatten, in die Entscheidung eingebunden zu sein. Das würde ihr Engagement steigern und die Last der Verantwortung, bei einer falschen Einschätzung der Situation, auf mehrere Schultern verteilen. Desara war sich allerdings sicher, dass die Führungsoffiziere zu denselben Schlüssen kamen, wie sie selbst.

Eine Auswahl verschiedener Sternensysteme wurde aufgerufen und die Daten verrieten, in welchem Umfang die Menschen die dortigen Planeten besiedelten oder für ihre Zwecke nutzten. Wie die Primär-Kommandantin erwartet hatte, kristallisierte sich schon bald ein bestimmtes System als Favorit heraus.

„Dieses System erscheint mir für unsere Zwecke ideal“, schlug ausgerechnet Suna-dal-Sollis vor. „Auf dem zweiten Planeten der Sonne Korelia unterhalten die Menschen eine kleine Rohstoffkolonie. Nicht besonders groß, aber bedeutsam genug, um die Menschen zu einer Rettungsaktion zu veranlassen.“ Suna runzelte die Stirn und sah Desara fragend an. „Die Menschen neigen doch zu derartigen Handlungen, oder? Denn wenn sie keinen Rettungsversuch starten, dann werden ihre Schiffe auf Rigel bleiben und unser Vorstoß gegen die Basis ist bedroht und sogar zum Scheitern verurteilt.“

„Er wird nicht scheitern. Die Menschen fühlen sich ihresgleichen ähnlich verpflichtet, wie dies für uns gilt.“ Desara lachte spöttisch. „Selbst die Eierlinge sorgen sich um ihre Brut.“

„Dann also Korelia“, legte sich Vela-dal-Hasara fest und die anderen stampften zustimmend mit ihrem linken Fuß.

„Legen wir die Einzelheiten fest“, entschied Desara. „Der Plan umfasst mehrere Phasen. In Phase Eins kommt unser Flottengeschwader im Korelia-System aus der Nullzeit-Schwingung. Weit genug vom Zielplaneten entfernt, dass die Menschen dort Zeit haben, richtige Furcht zu empfinden und um Hilfe zu rufen. Dabei muss unser Kurs deutlich machen, dass wir tatsächlich Korelia II. zum Ziel haben und wir einen Angriff beabsichtigen.“

„Vier Schlachtschiffe und die anderen Schiffe sind sicherlich ein überzeugendes Argument, dass wir einen Angriff vorhaben“, meinte die Befehlshaberin der Gardetruppen schmunzelnd.

„In Phase Zwei erscheinen die Schiffe der Skai-Näivi“, führte Desara weiter aus. „Wir wissen, dass dies drei bis vier Zwölfteleinheiten dauern wird, da ihr Hiromata-Nullzeitantrieb und unser Schwingungsantrieb ungefähr die gleiche Aufladezeit benötigen.“

„Das gibt uns einen zeitlichen Vorteil“, warf Vela-dal-Hasara ein. „Wenn ihre Schiffe aus der Schwingung kommen und ihre Antriebe erst wieder neu aufladen müssen, sind unsere Schwingungsantriebe bereits wieder aufgeladen.“

„Wir könnten wieder in die Schwingung gehen, ohne dass es überhaupt zum Kampf kommt“, fügte ein anderer Offizier hinzu. Die Frau sah Desara fragend an. „Was hoffentlich nicht der Fall sein wird. Ohne Kampf gibt es keine Ehre.“

„Keine Sorge, es muss sogar zum Kampf kommen“, beseitigte Desara die aufkommende Befürchtung der kampfgewohnten Offiziere. „Der Kampf ist Phase Drei des Plans. Ein Gefecht ist sogar Wesentlich, damit Phase Vier gelingen kann: Die Eroberung und Vernichtung der Rigel-Basis.“

Sie besprachen die Einzelheiten und die zunehmende Begeisterung in der Zentrale der Korondaar war spürbar. Selbst Hoch-Kommandantin Suna-dal-Sollis kam nicht umhin, ihrer vorgesetzten Konkurrentin immer wieder Zustimmung zu zollen.

Sky-Navy 13 - Kampf um Rigel

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