Читать книгу Pferdesoldaten 03 - Der Pfad der Comanchen - Michael Schenk - Страница 5

Kapitel 3 Kriegsrat

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Das Camp lag am Oberlauf des Red River und erstreckte sich zu beiden Ufern. Es waren die typischen Zelte der Comanchen, deren Tipis eine leichte Neigung zur Eingangsseite aufwiesen. Entlang der Ufer standen etliche Baumgruppen, aber es waren nicht viele und die Bäume waren auch nicht besonders groß. Dafür standen entlang des Flusses ganze Gruppen von Pecansträuchern und schwarzem Walnuss, beide wichtige Bestandteile der Ernährung für die Prärie-Stämme. Die Indianer der Great Plains waren es gewohnt nicht nur mit Holz, sondern auch mit getrocknetem Büffeldung zu heizen. Es herrschte Regsamkeit im Lager. Ein Jagdtrupp hatte einen Büffel und eine Antilope erlegt und die Frauen waren dabei, die Tiere zu zerlegen, die Häute zu säubern und sie auf die Trockenrahmen zu spannen, die vor den Zelten standen. Kinder und ein paar Hunde tollten herum. Außerhalb graste eine große Pferdeherde. Mustangs, eine Handvoll Pintos und sogar ein paar braune Quarterhorses, die fraglos von Weißen stammten.

Running Buffalo und White Elk zügelten ihre Pferde. Sie gehörten zum Gefolge von Senaco und näherten sich dem Lager selbstbewusst und doch vorsichtig. Dies war das Camp von Ketumsee und die beiden Häuptlinge waren nicht unbedingt Freunde. Ihre Stämme beschritten verschiedene Wege und dies war der Grund, warum Senaco seinen Rivalen aufsuchte.

Das Volk der südlichen Comanchen zählte nur noch knapp dreitausend Männer, Frauen und Kinder. Ketumsee gebot über Fünfhundert. Fünfundsiebzig von ihnen waren Krieger. Senaco hatte bedeutend mehr Stammesangehörige und Kämpfer, dennoch galt Ketumsee als der bedeutendere Häuptling. Sein Wort besaß sogar bei den Stämmen der nördlichen Comanchen Gewicht. Eine Tatsache, die Senaco sichtlich wurmte.

Senaco war in mittlerem Alter. Ein mittelgroßer und stämmiger Mann, der grellrote Leggins, Lendenschurz und die blaue Jacke eines Dragoners trug. An einem Ärmel war noch der dreifache Winkel eines Sergeants zu erkennen. Senaco trug die federgeschmückte Haube und den federgeschmückten Krummstab seiner Häuptlingswürde. Auf seine Waffen verzichtete er. Niemand aus Ketumsees Stamm würde es wagen, die Hand gegen ihn zu erheben und Ketumsee selbst war, wenigstens in Senacos Augen, schon lange kein Krieger mehr.

Senaco ließ sich von nur vier Kriegern begleiten. Es war eine Demonstration der Stärke und Selbstsicherheit, als die kleine Gruppe auf das Camp zuritt.

Eine berittene Wache hatte die Annäherung bemerkt. Sie ritt zwischen die Zeltreihen und rief ihre Warnung. Ein paar von Ketumsees Männern traten aus den Zelten. Niemand stieg auf sein Pferd oder griff nach seinen Waffen. Es war klar, dass dies kein kriegerischer Besuch war.

Neugierige und auch feindselige Blickte trafen Senaco, der zur Mitte des Dorfplatzes trabte. Dort befand sich das Zelt seines Rivalen. Dann schlug Ketumsee die Abdeckung des Eingangs vor seinem Tipi zurück und kam ins Freie.

Ketumsee war mit seinen fünfundfünfzig Jahren deutlich älter als sein Rivale und fraglos ein beeindruckender Mann. Groß und schlank, seine Haut schimmerte wie dunkle Bronze. Er trug braune Leggins, deren Außennähte bestickt waren, dazu ein grünes Baumwollhemd mit kariertem Muster. Auch er trug die Adlerhaube, deren lange Enden reiche Verzierungen mit Federn und Büffelhaar aufwiesen. Eine armlange Zeremonienpfeife lag in seiner Armbeuge.

„Frieden, Bruder Senaco“, grüßte der Häuptling und hob die freie Hand zum Gruß.

Senaco erwiderte die Geste. „Frieden, Bruder Ketumsee.“

„Es heißt, dein Lager stehe am Brazos River. Du hast einen weiten Weg auf dich genommen.“

Senaco wusste, dass Ketumsee damit nur andeuten wollte, dass seine Männer Senacos Lager beobachteten. „In diesen Zeiten ist der lange Weg manchmal der Kürzere.“

Ketumsee nickte bedächtig. „Wir sollten die Pfeife rauchen und reden.“

„Das sollten wir.”

Senaco stieg endlich vom Pferd. Auch dies war eine Geste mit Bedacht. Gleichrangige begegneten sich auf Augenhöhe, doch Senaco hatte auf den Rivalen hinab gesehen. Eine Provokation, über welche dieser jedoch hinweg ging. Für den Besucher ein erneuter Beweis, dass der Ältere den Biss verloren hatte.

Running Buffalo und White Elk blieben auf ihren Pferden sitzen und machten gelangweilte Gesichter. Insgeheim achteten sie sehr genau auf die jüngeren Männer des Stammes. Nicht weil sie diese fürchteten. Junge Krieger waren begierig darauf, sich zu beweisen. Bei dem alten Ketumsee würde sich hierzu kaum Gelegenheit finden. Manchmal gab es junge Männer, die ihren Stamm verließen, um sich anderen Gruppen anzuschließen, bei denen sie Ruhm ernten konnten. Ketumsee stand für den ehrlosen Weg des Friedens ein, Senaco für den ruhmvollen Pfad des Krieges. Ein hoher Anreiz für einen jungen Mann, dem es danach dürstete, sich einen Namen zu machen.

Ketumsee bot dem Gast einen Platz an und stopfte etwas Tabak in die Pfeife. Seine Frau verließ schweigend das Zelt. Niemand bei den Comanchen hatte etwas dagegen, wenn eine Frau bei einem Männergespräch zugegen war, doch dies würde ein Gespräch unter Häuptlingen sein.

Ketumsee machte die Eröffnungszüge und reichte die Pfeife dem Gast, der ihren Rauch in die Himmelsrichtungen sowie oben und unten blies, und sie dann zurückgab. „Ich habe mit Stämmen der nördlichen Plains gesprochen“, eröffnete er. „Pawnees, Kioway, Creeks… Sie alle breiten sich aus und beanspruchen die Plains für sich. Unsere Brüder im Norden haben einen schweren Stand.”

„Wundert dich das? Nachdem wir Austin überfielen kam die Rachsucht der Weißen über uns. Wir schlagen eine Schlacht und reiten heim, erzählen uns Geschichten und vergessen den Krieg. Aber die Weißen vergessen ihn nicht. Eines Tages kommen sie und nehmen Rache für ihre Toten.“

„Wie wir auch Rache für die unseren nehmen, Ketumsee.“

Ketumsee nickte bedächtig. „Und sie nehmen dann wieder Rache für die ihren. Es ist ein ewiger Kreislauf, Senaco. Ein Kreislauf, in dem das Volk der Comanchen nicht siegen kann.“

„Wo ist dein Stolz, alter Mann?“ Senaco sah den Rivalen missbilligend an. „Wo ist die Kraft deiner Arme? Du warst einst ein stolzer Krieger. Die anderen Völker haben dich gefürchtet. Niemand hat sich mit den Comanchen angelegt.”

„Ja, wir waren die Herren der Prärie.”

„Wir sind es noch immer. Wenn wir es nur wollen.“

„Du redest sehr leichtfertig von Stolz und Blut, Senaco. Doch öffne deine Augen und sieh dich um. Zehntausende von Comanchen sind tot. Männer, Frauen und Kinder. Getötet von feindlichen Kriegern oder von Weißen oder von den Krankheiten, die sie über uns brachten. Als wir uns wehrten und Austin angriffen, da haben sie zurückgeschlagen. Wir haben blutig für unseren vorherigen Triumph bezahlt. Nein, Senaco, man kann nicht gegen die Weißen triumphieren. Man muss mit ihnen leben.“

„Man kann nicht mit ihnen leben. Sie sind wie die Seuchen, die sie über unser Volk bringen. Sie sind selbst eine Seuche und wie eine Seuche muss man sie ausrotten.“

Ketumsees Gesicht wurde abweisend. „Es ist solcher Hass, der zu Blutvergießen führt. Ja, es ist wahr… Immer mehr Weiße strömen in unser angestammtes Land. Es gibt immer wieder Verträge, die gebrochen werden. Doch es gibt auch Weiße, die voller Ehre sind und deren Wort man vertrauen kann. Denke an die Deutschmannen von Fredericksburg. Sie schlossen Frieden mit uns und der Vertrag wurde niemals gebrochen.“

„Ja, weil die Deutschmannen unsere Macht fürchten.“

„Weil es Männer sind, die ihr Wort halten.“

„Ketumsee, die anderen Stämme breiten sich in unseren Jagdgründen aus. Sie spüren unsere Schwäche. Die Apachen dringen vor und ebenso die Kioways. Die Stämme der Sioux jagen in unserem Land den Büffel. Wir sind von Feinden umringt und die Weißen nehmen unser Land.“

„Ein Grund mehr, den Frieden zu erhalten und gute Verträge abzuschließen.“

„Es gibt keine guten Verträge!“, brüllte Senaco erregt und sprang auf. Er sah schwer atmend auf Ketumsee hinab, dann setzte er sich wieder. „Und wenn es einen guten Vertrag gibt, dann nur, solange die Weißen uns fürchten. Wir müssen kämpfen und ihnen unsere Stärke zeigen.“

In Ketumsees Blick lag Trauer. „Dann werden sie kommen. Mit ihren Langmessern, ihren Marschiereviel und ihren Wagengewehren, die den Tod aus riesigen Rohren speien.“

„Dann lass sie kommen. Wenn wir zusammenstehen, dann sind wir auch bereit und stark genug, ihnen zu widerstehen.“

Ketumsee war müde. Nicht von dem Gespräch, sondern von den Wahrheiten, die in Senacos Worten lagen. „Mein Stamm war stark und zahlreich, wie das Büffelgras in der Prärie. Sieh selbst, was von uns übrig ist. Wir haben gekämpft, Senaco. Wir haben lange und mit Stolz gekämpft. Doch wenn Frauen, Kinder und alte Männer sterben, dann schwindet der Stolz und weicht der Trauer.“

„Du hast ein gebrochenes Herz, Ketumsee. Das verstehe ich gut. Wir alle haben viel Leid erfahren. Doch dieses Leid wird nicht enden, indem wir ihm einfach nur zusehen. Ich werde lieber mit der Lanze in der Hand sterben, als auf den Knien zu leben. Was ist mit dir, Ketumsee? Lebst du bereits auf deinen Knien?“

Die Augen des älteren Häuptlings verengten sich. Die Trauer in seiner Stimme wich unerwarteter Härte. „Auch ich vermag es noch, die Lanze zu führen. Doch ich werde sie erst aufnehmen, wenn es keinen Weg zum Frieden mehr gibt.“

Senaco lachte. „Du wirst erst an den Krieg glauben, wenn die Weißen über dein Lager herfallen. Ich bin nicht bereit, so lange zu warten. Ich habe genug von gebrochenen Verträgen. Die Weißen kommen, daran gibt es keinen Zweifel. Sie planen ihre Straßen und Städte, die sie in unserem Land errichten wollen. Ich weiß es, denn meine Krieger haben einen Trupp ihrer Landvermesser erwischt. Wir haben gute Waffen erbeutet und ihre Skalpe genommen.“

„Du Narr. Damit hast du den Vertrag gebrochen.“

„Sie taten dies zuerst! Ich bin nicht der Einzige, der so denkt. Viele Stämme sind meiner Meinung und ihre Krieger sind bereit, die Lanze aufzunehmen. Sie hätten dies schon längst getan, doch die Häuptlinge zögern noch. Sie wollen den Rat einberufen und dein Wort hat dort Gewicht.“

„Weil der Rat das Wohl des Volkes sucht“, entgegnete Ketumsee mit ruhiger Stimme. „Die alten Häuptlinge wissen, wohin der Weg des Krieges führt.“

Senaco erhob sich. „Und andere wissen, wohin der Weg des Abwartens führt. Nein, alter Mann, wir werden nicht abwarten, bis wir wehrlos geworden sind. Wir werden gegen die Weißen reiten.“

„Eben sagtest du noch, dass der Rat einberufen werden soll.“

„Ich werde nicht warten, bis sich alte Männer endlich zum Krieg entscheiden“, giftete der Jüngere. „Ich werde dafür sorgen, dass es ein Kriegsrat sein wird.“

Nun erhob sich auch Ketumsee. „Du willst Blut über unser Volk bringen.“

Der Blick von Senaco war finster. „Das haben die Weißen längst getan, alter Mann.“

Ketumsee sah zu, wie der andere das Zelt verließ. Seufzend legte er die Zeremonienpfeife in die Armbeuge und folgte nach draußen. „Lass den Rat entscheiden“, mahnte er.

Senaco saß bereits auf seinem Pferd. „Die Zeit des Wartens ist vorüber, alter Mann. Sitze du nur am Feuer, wärme dich mit deinem Weib und rauche deine Pfeife… Ich hingegen beschreite den Pfad, der den Comanchen vorgezeichnet ist.“

Pferdesoldaten 03 - Der Pfad der Comanchen

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