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Kapitel 4 Der Freihändler
ОглавлениеFreihandelsschiff I.T.S. Juliette Beecher
Frachter und Handelsschiffe wurden nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten konstruiert. Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit bestimmten Form und Spezifikationen. Es gab nur wenige Nutzschiffe, die man im Hinblick auf ihre Ästhetik nicht bestenfalls als interessant bezeichnen konnte.
Die wenigen Schiffe der Silkroad-Baureihe fielen nicht darunter. Sie waren eine gelungene Kombination aus Zweckgebundenheit und Schönheit, was fraglos der Tatsache zu danken war, dass diese kleinen Handelsschiffe fähig sein mussten, aus eigener Kraft auf einem Planeten zu landen und wieder von diesem zu starten.
Der Rumpf war schlank und wies weiche aerodynamische Formen auf. Direkt hinter der pfeilförmigen Bugspitze begannen die Tragflächen, deren Deltaform nach hinten weit auslief. Die riesigen dreieckigen Flächen beinhalteten die Triebwerke und Düsen, die zum Flug innerhalb einer Lufthülle erforderlich waren und trugen erheblich zur Tragfähigkeit und Steuerfähigkeit bei. Der sich nach hinten konisch verbreiternde Rumpf enthielt die Räume der Besatzung, den großen Frachtraum, zwei kleine Frachträume, von denen einer als Kühlraum genutzt werden konnte, Energieversorgung und Lebenserhaltung, Impuls- und Cherkov-Triebwerk sowie den Hiromata-Nullzeitantrieb. Den Erfordernissen eines Handelsschiffes entsprechend hatte man die Frachtkapazität großzügig und den Komfort der Besatzung bescheiden bemessen.
Für die derzeitigen Eigner war dennoch reichlich Platz. An Stelle der ursprünglich vorgesehenen Besatzung von neun Personen bestand diese nur aus deren vier.
Captain Gillard Bouncer war hager, ungewöhnlich groß und rothaarig, was man jedoch nur an dem üppigen Vollbart erkennen konnte, da sein Schädel ansonsten von perfekter Kahlheit beherrscht wurde. Seine Augen schienen in fanatischem Feuer zu glühen, doch Bouncer war allgemein für sein gutmütiges Wesen bekannt. Er war mit einem bescheidenem Gewinn seines Handels zufrieden und für seine günstigen Konditionen bei den Kolonisten neuer Welten beliebt.
Chief-Engineer Carol Hawker hatte es auf ihrer Heimatwelt nicht mehr ausgehalten. Sie zog es in die unendliche Weite des Weltraums hinaus. Nach ihrem ersten Doktorgrad in den Ingenieurs-Wissenschaften musterte sie bei Bouncer an und bereute dies bislang nicht. Sie war glücklich, wenn sie sich in ihrem ölverschmierten Overall um ihre Maschinen kümmern konnte. Die kleine schlanke Schwarzhaarige war mit einem feurigen Temperament gesegnet und begleitete den Captain bei seinen Verhandlungen. Sie bewies dabei viel Geschick, vor allem dann, wenn es männliche Verhandlungspartner betraf. Bouncer hatte väterliche Gefühle für sie und fürchtete sich vor dem Tag, an dem sie das Schiff verlassen würde, weil irgendein junger Mann plötzlich mehr Reiz auf sie ausübte, als der Anblick der Unendlichkeit und der altersschwachen Maschinen seines geliebten Schiffes.
Frachtmeister Tim Westwood lebte in seinem eigenen Universum, welches aus Tabellen und Zahlen bestand. Er lebte für sie und war unbestritten ein Meister darin, jedem Stück Frachtgut den optimalen Platz zuzuweisen. Zugleich war er ein Genussmensch, der an jeder Ausschweifung teilnahm, die eine Welt bot, auf der das Schiff gelandet war. Auf dem Schiff musste er sich mit dem begnügen, was dieses bot. Während er den Süßspeisen besonders zugetan war, mied er den kleinen Fitnessraum, als sei ihm dort der Tod gewiss, weswegen sich der schlichte Bordoverall der Crew zunehmend über seinem Leib spannte.
Eine gewisse Teilschuld an der Fülle des Frachtmeisters trug sicherlich Umbake. Er hatte seine Wurzeln auf dem afrikanischen Kontinent der alten Erde und eine Leidenschaft für das Kochen entwickelt. Er war in der Lage, selbst aus den Notrationen der Streitkräfte noch etwas Schmackhaftes zu zaubern. Im Übrigen erledigte er alle Arbeiten, die ansonsten auf dem Schiff anfielen, und an Bord der Juliette Beecher gab es, schon auf Grund ihres Alters, immer zu tun.
Einst schimmerte der Rumpf in strahlendem Weiß. Nur die Nase und das aufragende Seitenleitwerk waren in kräftigem Purpur gehalten und zeigten das Logo der „Bouncers Best – Interstellar Trading Corporation“. Fast hundertfünfzig Jahre im Raum und zahllose Planetenlandungen hatten der Juliette Beecher zugesetzt. Der Rumpf war zerschrammt, die Farben verblichen und das Logo schon mehrfach ausgebessert, aber Bouncer hielt nichts von Schönheitsreparaturen, solange Instandsetzungen an den Maschinen anfielen, die das Schiff einsatzbereit hielten. Carol hielt stets eine Liste bereit, welches Ersatzteil gerade vonnöten war und diese schien niemals kürzer zu werden.
Soeben war der Handel mit den Siedlern auf „Derringers Place“ abgeschlossen worden. Ein Handel zur beiderseitigen Zufriedenheit. Es war eine kleine Siedlung von wenigen hundert Personen, denen es vielfach noch am Nötigsten mangelte. Sie hatten genug mit dem Überleben zu tun, produzierten kaum ausreichend für den bescheidenen Eigenbedarf und verfügten noch nicht über die Mittel, jene Dinge einzuhandeln, die man als Luxusgüter bezeichnen konnte. Derzeit war ihnen nur Tauschhandel möglich und so war die Siedlung für die großen Handelshäuser und sogar die meisten der Freihändler uninteressant.
Nicht so für Captain Bouncer, der sich gut daran erinnern konnte, selbst auf einer solchen Siedlungswelt aufgewachsen zu sein.
„Derringers Place“ bot Holz, Pelze und einige Edelsteine für den Handel. Holz gab es zwar auf nahezu allen besiedelten Welten und somit reichlich, doch Bouncer hatte sofort erkannt, dass das von „Derringers Place“ seine Abnehmer finden würde. Es war fest und zugleich sehr biegsam, zeigte die übliche Struktur des natürlich gewachsenen Materials und zugleich einen ungewöhnlichen metallischen Schimmer an den Kanten der Rinde. Das ergab einen interessanten Farbeffekt und der Captain war sich sicher, dass sich „Derringers Holz“ gut für Designmöbel und künstlerische Objekte eignete. Die Pelze waren Massenware. Es gab so viele von ihnen im Handel, dass es keinen Mangel an Beschaffenheit, Farben und Mustern gab. Mit viel Glück würde man auf den hoch industrialisierten Welten ein gewisses Interesse zeigen. Die Edelsteine hingegen … Die Galaxis wurde überschwemmt von Edelsteinen und Edelmetallen. Schon die Asteroidenfelder waren voll von ihnen. Vielleicht fand sich jedoch ein Designer für Modeschmuck, der sie ihm abnahm. Wenn nicht, so konnte man sie, wenn sie von ausgezeichneter Qualität waren, vielleicht in der Industrie verwenden.
Nein, was „Derringers Place“ zu bieten hatte, das versprach keinen wirklichen Gewinn. Wenigstens noch nicht. Doch Bouncer plante stets für die Zukunft. Vielleicht konnte er dazu beitragen, dass diese Kolonie aufblühte und dann würden sich die Siedler an jenen Händler erinnern, der ihnen einst geholfen hatte. Dann konnte sich auch ein schlechter Handel letztlich auszahlen.
Bouncer hatte den Kolonisten ein paar transportable Stromerzeuger geliefert und Bauteile für Solar- und Wasserkraftanlagen. Ferner drei Bodenfahrzeuge für den Lastentransport, ein paar Baumaschinen, eine Filteranlage und zwei robuste Jet-Helikopter. Bei diesem Handel würde die Crew keinen Gewinn machen, aber Bouncer plante ja für die Zukunft und der alte Derringer würde dies künftig honorieren.
Der Frachtraum der Juliette Beecher war erst zur Hälfte gefüllt, obwohl das Schiff nun schon den fünften Planeten angeflogen hatte. Kleine Siedlungen brachten nun einmal auch nur kleinen Handel.
„Captain, wir sollten noch wenigstens zwei Kolonien anfliegen, bevor wir den Outer-Rim wieder verlassen“, meinte Tim Westwood mit einem Blick auf seinen Mini-Comp. „Bislang ist unsere Gewinnmarge bedenklich niedrig. Um nicht zu sagen, sie ist praktisch nicht vorhanden.“
„Hm“, brummte Bouncer unentschlossen. Obwohl er der Eigentümer des Schiffes und mit dreiundsechzig Prozent Anteilen der Hauptaktionär von „Bouncers Best“ war, hatte er es sich zu eigen gemacht, alle Entscheidungen in Gemeinschaft zu treffen. Dabei besaß jede Stimme das gleiche Gewicht. Allerdings behielt sich der Captain ein Vetorecht oder die Entscheidung bei Stimmengleichheit vor. „Was meint ihr? Ab in die Zivilisation oder noch ein bisschen durchs Outer-Rim streifen?“
„Zivilisation“, antwortete Carol prompt. „Boss, wir brauche neue Filter für die Luftanlage.“
„Wir haben noch jede Menge Platz.“ Umbake deutete in Richtung des Frachtraums. „Jede Menge Platz für weitere Waren und die Chance auf ein wenig Gewinn.“
Bouncer nickte. „Kleines, wie lange halten die Filter noch durch?“
Der Captain war der Einzige, der sie „Kleines“ nennen durfte. Jeder andere hätte das feurige Temperament der jungen Frau zu spüren bekommen. „Wenn Tim nicht zu asthmatisch schnauft? Zwei, vielleicht noch drei Wochen.“
„Gut.“ Bouncer klatschte in die Hände. „Dann bleiben wir im Outer-Rim und treiben noch etwas Handel. Eine Woche. Danach fliegen wir eine Station an und besorgen Carol die Filter.“