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Kapitel 2 Die Bestätigung

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Lucius Pembroke stieß mit dem goldenen Knauf seines Gehstocks gegen das Wagendach. „Zum Gentlemen’s Club, Kutscher. Der einzige verdammte Ort, an dem ein Mann noch vor den verfluchten Weibern seine Ruhe hat.“

Er nahm die Bestätigung des Fahrers kaum wahr, ebenso wenig wie den Betrieb auf den Straßen der konföderierten Hauptstadt Richmond. Lucius war verärgert. Wieder einmal war seine Tochter der Grund und wieder einmal ging es um die verdammten Sklaven. Allmählich bekam Lucius das Gefühl, er habe eine verfluchte Abolitionistin großgezogen. Seit dem Tod ihrer Mutter hing das Mädchen immer mehr seinen eigenen Ideen nach. Sie interessierte sich für Politik. Ausgerechnet Politik, ein Gebiet, von dem die Weiber ja nun wirklich überhaupt nichts verstanden. Es wurde Zeit, dass sie endlich heiratete und einen Mann bekam, der sie im Griff hatte. Politik. Ha! Camille sollte sich um andere Dinge kümmern und Kinder aufziehen.

Während der Fahrt durch Richmond begann der Ärger von Lucius Pembroke zu verrauchen. Nach einer Weile saß er wieder entspannter im bequemen Polster der einspännigen Kutsche und blickte durch die offenen Gardinen der Kabine auf die Straße hinaus.

Das vierte Kriegsjahr hatte begonnen und es stand nicht besonders gut um die Konföderation. Doch die Entscheidung über Sieg oder Niederlage war noch längst nicht gefallen. Sicher, der Süden hatte im Juli des vergangenen Jahrs eine verheerende Niederlage bei Gettysburg erlitten, aber in darauffolgenden Schlachten war man siegreich geblieben. Nun drängte alles auf eine Entscheidung hin, denn während der Norden aus dem Vollen schöpfte, wurde mancher Mangel im Süden immer offensichtlicher. Viele Dinge konnten im eigenen Land nicht, oder nur in ungenügendem Maße, produziert werden und man mussten sie im Ausland erwerben. Dabei wurden die Auswirkungen der Yankee-Blockade der Häfen immer deutlicher spürbar. Selbst der Farbstoff zum Einfärben der grauen Uniformen war knapp und wurde immer öfter durch das bräunliche „Butternut“ ersetzt.

Die Kutsche hielt mit einem sanften Schwingen in den Blattfedern. Ein Farbiger in der reich bestickten Uniform der Dienerschaft eilte heran und öffnete den Schlag. Pembroke nickte ihm zu und ging die wenigen Schritte zu seinem Ziel hinüber.

Das Gebäude lag in unmittelbarer Nähe des Hafens von Richmond. Ein dreigeschossiger Bau im englischen Stil, mit sorgfältig behauenen Steinsäulen, welche den breiten Balkon stützten, der zugleich als Vordach diente. Großzügige Fenster ließen das Sonnenlicht herein und schufen Zonen hellen Lichts in den Räumen. Ein zweiter Diener hielt die Eingangstüre auf, neben der ein kräftiger Zivilist stand, dessen Jacke sich auf eindeutige Weise ausbeulte. In diesem Gebäude gab es keine militärischen Wachen, jedoch eine ungewöhnlich hohe Zahl gut bewaffneter Männer, die sich möglichst unauffällig im Hintergrund hielten.

„Mister Pembroke, schön, Sie wieder einmal zu sehen.“ Der farbige Butler trat heran und deutete eine Verbeugung an. „Das Übliche, Sir?“

Lucius nickte und reichte ihm Hut und Gehstock. „Danke, Ambrose, es ist ein gutes Gefühl, wieder hier zu sein. Ja, das Übliche. Einen guten Whiskey, eine gute Virginia-Zigarre und die neuesten Yankee-Zeitungen. Ich bin in Bibliothek Zwei. Äh, ist Mister Hardbone im Haus?“

„Ja, Sir. Es ist schon alles vorbereitet. Mister Hardbone wies mich entsprechend an und ich darf Ihnen ausrichten, dass er Sie in Bibliothek Zwei erwartet.“

Lucius lächelte zufrieden. Während der Butler Hut und Gehstock zur Garderobe brachte, ging der Gentleman die breite Treppe zum ersten Stockwerk hinauf, wo sich die sogenannten Bibliotheken befanden. Gemütlich eingerichtete Räume mit dicken Polstersesseln, kleinen Lesetischen, Bücherregalen und jener Verschwiegenheit, die vertrauliche Gespräche garantierte.

Tatsächlich erwartete Hardbone ihn bereits und erhob sich kurz, um ihn mit Handschlag zu begrüßen. Butler Ambrose kannte Pembroke als Stammgast und war auf dessen Wünsche vorbereitet, wie die Objekte auf dem runden Tisch bewiesen.

„Sie machen einen zufriedenen Eindruck, Philip“, meinte Lucius Pembroke, während er die Enden der Zigarre schnitt, sie sorgsam vorwärmte und schließlich mit einem Schwefelholz entzündete.

„Will ich wohl meinen, Lucius“, bestätigte der Händler. „Ich konnte eine große Lieferung Baumwolle an die Yankees verkaufen. Der Transport über die Grenze ist bereits organisiert und wir bekommen gute Yankee-Dollars dafür.“

„Ausgezeichnet“, lobte Lucius.

„Wenn man die richtigen Leute kennt, dann ist das nicht schwer“, erwiderte Hardbone bescheiden. „Die Yankee-Händler wissen einen guten Handel ebenso zu schätzen wie wir, und ich weiß sehr gut, mit welchen Offizieren der Yankee-Patrouillen ich reden muss, damit es keine, äh, Schwierigkeiten gibt.“ Er klopfte mit der Hand auf einen kleinen Stapel Zeitungen. Sie stammten aus New York und Washington und waren erst eine Woche alt. „Die Preise für Öl und Tran sind bei den Yanks mächtig angestiegen. Unsere Alabama scheint ihnen ziemlich zuzusetzen.“

Lucius lachte und nickte Ambrose zu, der herantrat und ihm Whiskey einschenkte. „Unser Kaperschiff soll inzwischen schon sechzig oder siebzig der Walfangboote der Union versenkt haben und die C.S.S. Alabama ist ja nicht unser einziger Kaperfahrer.“

„Man sagt, im englischen Liverpool gehe eine Dampffregatte der Fertigstellung entgegen und soll in vier Wochen nach Südamerika ausgeliefert werden“, meinte der Händler beiläufig.

„Ja, das hörte ich ebenfalls.“ Pembroke lächelte. „Unser Verbindungsmann zur britischen Regierung hat mich benachrichtigt, dass England keine Schwierigkeiten machen wird, wenn das Schiff, ein paar Tage vor dem Übergabetermin, von einer anderen Mannschaft übernommen wird.“

„Sicher sind bereits ein paar zuverlässige Leute unterwegs.“

„Oh, sie sind schon vor Ort.“ Sie beide lachten und Pembroke fügte hinzu: „Allerdings haben mich die Briten gebeten, diesmal bessere gefälschte Papiere vorzulegen.“

„Sie sind vorsichtig, die Engländer.“ Hardbone schenkte sich nach. „Falls die Yankees den Krieg doch gewinnen, dann wollen die Briten natürlich nicht, dass ihre Unterstützung für uns so offensichtlich wird, da sie ja, wenigstens offiziell, neutral sind.“

„Haben die Gentlemen noch Wünsche?“, erkundete sich Ambrose beflissen.

„Danke, Ambrose, alles ist bestens“, versicherte Pembroke. „Bitte sorgen Sie nur dafür, dass wir in der nächsten Zeit ungestört lesen können.“

„Selbstverständlich, Sir.“ Erneut deutete der Butler eine Verbeugung an, bevor er sich endgültig zurückzog.

„Ein guter Mann und absolut verschwiegen“, murmelte Hardbone, als sich die Türe schloss.

„Das muss man vom Personal im ‚Gentlemen’s Club‘ auch erwarten. Immerhin hat man einen ausgezeichneten Ruf zu verlieren“, stellte Lucius Pembroke fest.

In den drei Etagen gab es nahezu alles, was das Herz eines Gentlemans erfreuen konnte, bis hin zu einem Schießstand im Kellergeschoss. Livrierte Diener achteten aufmerksam darauf, dass es den Besuchern an nichts fehlte, gleichgültig ob es sich um Tabakwaren, Getränke oder einen kleinen Imbiss handelte.

Das Einzige, auf das man hier verzichten musste, war die Gesellschaft von Damen, denn dies war der „Gentlemen’s Club“ von Richmond und dem weiblichen Geschlecht war der Zutritt verwehrt. Hier genoss die feine männliche Gesellschaft gepflegte Konversation und erging sich in Themen, für welche das zarte Geschlecht „einfach nicht geschaffen“ war. Der Club war alt, ebenso wie seine Traditionen und Vorbilder, die im gesamten britischen Herrschaftsbereich zu finden waren.

Dennoch unterschied sich diese geschlossene Gesellschaft in einem erheblichen Punkt von den üblichen Clubs dieser Art. Obwohl Frauen keinerlei Zutritt zu den Räumen genossen, waren sie es, welche auch in politischen Dingen hier hauptsächlich die Gespräche der Gentlemen bestimmten, denn die meisten und erfolgreichsten Agenten der Südstaaten-Konföderation gehörten dem weiblichen Geschlecht an. Eine dieser Agentinnen, Rose O’Neal Greenhow, war es gewesen, welche die erste Schlacht am Bull Run überhaupt erst ermöglicht hatte. Sie hatte säckeweise fehlende Zündhütchen durch die Unionslinien geschmuggelt und auf diese Weise zur Niederlage der Union beigetragen.

Der „Gentlemen’s Club“ in Richmond verbarg sich nicht und war doch sicherlich eine der geheimsten Einrichtungen der Konföderation, denn von hier aus wurden ihre Spione eingesetzt und, wenn möglich, mit gezielten Missionen betraut. Hier wurde jede Nachricht aus dem Norden ausgewertet, derer man habhaft werden konnte.

Lucius Pembroke beugte sich ein wenig vor und sah sein Gegenüber angespannt an. „Ich habe Ihre Nachricht erhalten, werter Freund, und bin gekommen, so schnell es mir möglich war. Gibt es Neuigkeiten aus Washington? Gute Neuigkeiten?“

Philip Hardbone grinste breit. „Die besten, Lucius, die allerbesten. Wir haben die Bestätigung erhalten.“

„Und sie ist zuverlässig?“

„Kein Zweifel.“

Lucius Pembroke, einer der Leiter des konföderierten Spionagewesens, seufzte erleichtert. „Gott sei Dank. Ich hatte schon befürchtet, wir hätten General Ferroman umsonst nach Lenningstown in Marsch gesetzt.“

„Haben wir nicht.“ Hardbone, der die Kontakte zu etlichen Angehörigen des Spionagerings in Washington hielt, schenkte ihnen nach. „Die Quelle ist absolut zuverlässig und wir werden den Yankees eine verdammt üble Überraschung bereiten.“

Pembroke hob sein Glas. „Auf General Ferroman.“

„Auf Ferroman und Lenningstown“, erwiderte Hardbone, dann ließen sie die goldfarbene Flüssigkeit durch ihre Kehlen laufen.

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