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Kapitel 4 Ein verhängnisvolles Jahr

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Das Abendessen im Restaurant des Union Star war gut und es war reichlich. Im Anschluss daran bat Mister Tucker das Ehepaar Dunhill in den Saloon hinüber, wo der angekündigte Wettbewerb der Hausmusikanten stattfinden sollte. Der Saloon entsprach immerhin weitestgehend dem Klischee, welches man sich im Westen von solch einem Etablissement machte. Der Tresen nahm die gesamte Stirnbreite des Raums ein. Gut bestückte Regale mit zahlreichen Flaschen zogen sich die Wand entlang, dazwischen hing ein großes Gemälde. Es zeigte eines der im Augenblick beliebten Motive, einen großen Wagentreck, der nach Westen rollte. Mister Tucker hatte die Kosten auf sich genommen und ein Piano heranschaffen lassen, doch an diesem Abend konnte dessen Spieler pausieren. Die runden Tische und die Stühle waren umgruppiert worden und ließen an einer der Seitenwände eine Fläche für die Familien mit ihren Instrumenten frei.

Es zeigte sich wieder einmal, dass sich viele Bewohner des Westens und der kleinen Städte auf das Spielen eines Instruments verstanden. Fidel, Geige und Banjo, Mundharmonika, Waschbrett und eine Reihe von Blas- und sogar Zupfinstrumenten kamen zum Einsatz und unterstützten die Stimmen der Sängerinnen und Sänger. Die Talente mochten sich unterscheiden, doch allen war anzumerken, wie viel Freude ihnen der Abend bereitete. Das Publikum ging mit und klatschte im Takt, stampfte mit den Füßen und stimmte in die Refrains mit ein.

Es wurden einige der populären patriotischen Stücke dargeboten, doch die meisten Gruppen bevorzugten die traditionelle Folklore.

„Wir machen das regelmäßig“, erklärte Mister Tucker. „Von Anbeginn an, denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Abende den Gemeinschaftsgeist fördern.“

„Dem kann ich nur zustimmen“, sagte Mary-Anne lächelnd. „Solche Abende werden auch in den Forts und Camps veranstaltet, in denen wir vor dem Krieg stationiert waren, und ich bin mir sicher, in den großen Lagern unserer Soldaten, da ist es nicht anders.“

„Sie sagten gerade, dass Sie diese Abende seit Gründung der Stadt veranstalten“, hakte Matt nach. „Seit wann existiert Lenningstown eigentlich?“

„Es ist jetzt das sechste Jahr.“ Mister Tucker winkte einem Angestellten, damit er die Gläser nachfüllte. „Wir sind mit der Entwicklung zufrieden, auch wenn wir erst rund vierhundertfünfzig Einwohner zählen.“

„Die Katastrophe in diesem Jahr hat sie sicherlich schwer getroffen“, meinte Matt mitfühlend.

Phil Tucker runzelte die Stirn. „Katastrophe? Was für eine Katastrophe?“

„Wir kamen während unseres Ausflugs am Friedhof vorbei und entdeckten, dass innerhalb kurzer Zeit rund achtzig Mitbürger verstorben sind.“

„Oh.“ Tuckers Gesicht war einen Moment unbewegt. Er schien zu überlegen, bevor er sich zu einer Antwort entschloss: „Es war ein tragischer Zwischenfall, über den wir nicht gerne sprechen. Der Schmerz ist einfach noch zu groß.“

„Darf ich fragen, was geschehen ist?“

„Eine Bürgerversammlung im alten Rathaus.“ Tucker wies um sich. „Das Union Star ist nur ein Notbehelf, bis das neue Rathaus steht.“ Er sah die Neugierde in den Blicken des Paares und zuckte mit den Schultern. „Ein Feuer. Es brach während der Versammlung aus. Der größte Teil von uns konnte dem Brand entkommen, aber dann stürzte ein Deckenbalken herab und blockierte die einzige Tür. Eine Tragödie, eine wirkliche Tragödie.“

Tucker fischte ein Tuch aus seiner Jacke und tupfte sich die Augenwinkel.

Mary-Anne sah ihn mitfühlend an. „Wir fühlen mit Ihnen und den anderen, Mister Tucker. Ich bedauere, dass wir diese Wunde aufgerissen haben.“

Der Besitzer des Union Star lächelte halbherzig. „Nun, man muss sich wohl der Vergangenheit stellen, um für die Zukunft offen zu sein, nicht wahr? Ich wäre Ihnen aber verbunden, wenn wir nicht mehr darüber reden würden, ja?“

„Selbstverständlich.“ Matt nickte, doch eine Frage bewegte ihn noch. Immerhin hatte der Sergeant berichtet, dass man die Soldaten in der Stadt nicht besonders schätzte. „Die Soldaten des Depots … Konnten sie nicht helfen? Im Depot muss es doch sogar einen Spritzenwagen geben.“

Tuckers Gesicht verzerrte sich für einen Moment. „Wenn Sie den Captain dieses Depots kennen würden, dann würde sich Ihnen diese Frage gar nicht erst stellen, Mister Dunhill. Der Mann ist ein verdammter Säufer. Verzeihung, Ma’am.“

Mary-Anne nickte. Matt blickte verlegen drein. Es war nicht selten, dass Soldaten auf einsamen Posten zu Alkoholikern wurden. Kurz vor Ausbruch des Kriegs hatte Matt den Kommandanten eines abgelegenen Forts ablösen müssen, da dieser nicht mehr in der Lage gewesen war, seinen Dienst zu versehen, und das, während der Stützpunkt von Verrätern und kriegerischen Indianern bedroht worden war.

Tucker deutete zur nächsten Musikgruppe, die gerade ihre Plätze einnahm. „Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich muss mich noch um ein paar dringende Angelegenheiten kümmern. Genießen Sie den Abend. Ich will sehen, ob ich für Sie nicht für den morgigen Tag etwas Besonderes vorbereiten kann.“

„Für den morgigen Tag wird es nicht erforderlich sein.“ Matt lächelte freundlich. „Ich hatte versprochen, mit meiner Frau das Depot zu besuchen.“

„Verstehe. Nun, das wird sicher ein interessanter Tag für Sie beide.“

Pferdesoldaten 11 - Unter schwarzer Flagge

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