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Kapitel 4 Das Wort des Herrn

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John Milton Chivington, im Jahr 1821 in Ohio geboren, war ein Mann, der mit dem Wort Gottes aufgewachsen war und der den Beruf des Methodisten-Pfarrers aus voller Überzeugung gewählt hatte. Man sagte ihm nach, in seiner Stimme läge der Donner des Herrn und in seinen Blicken die Flammen des Schwertes des Erzengel Gabriel, wenn er wider die gottlosen Heiden und Sünder predigte. Manchen Gläubigen war er ein wenig zu feurig, dennoch konnte sich kaum einer der Ausstrahlung von Father Chivington entziehen.

Chivington war ein Gebietsreiter, dem keine eigene Gemeinde unterstand. Er wechselte zwischen ihnen und sprang dort ein, wo ein Prediger fehlte, oder nahm die mühselige Aufgabe auf sich, neue Methodisten zu missionieren, wobei die Farbe der Haut keine Rolle spielte. Er war zunächst in Illinois, dann in Missouri tätig. Im Jahre 1853 nahm er an einer Expedition nach Kansas teil, um die dort lebenden Wyandot-Indianer zu missionieren.

Er war gleichermaßen geachtet wie auch gefürchtet, denn wer gegen die Gebote des Herrn verstieß, den traf sein Zorn, ungeachtet der Stellung des Betreffenden. Doch bei aller Strenge kümmerte er sich zugleich rührend um jene, die seiner Hilfe bedurften. Familien, die durch ein Unglück in Not geraten waren oder auch jene Strauchelnden, die an der Allmacht des Herrn zu zweifeln begannen, da sie einen geliebten Menschen verloren hatten. Jetzt, in den Jahren des entsetzlichen Bürgerkrieges, gab es viel zu viele Gemeindemitglieder, die einen solchen Verlust zu beklagen hatten.

Schon 1855 hatte manche feurige Predigt den Sklavenhaltern gegolten, die sich von Gott abwandten und seine Schöpfung in Ketten legten. Schließlich sei auch der Neger ein Teil der Schöpfung und ein im Grunde freies Wesen. Auch dem Neger habe Gott, der Herr, in seiner unendlichen Güte, die Möglichkeit des freien Willens gegeben. Jenes freien Willens, der den Menschen befähige, sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Natürlich seien die Schwarzen sehr schlichte Kreaturen, doch stehe es außer Zweifel, wie sehr sie dem Wort des Herrn zugetan seien. Manchmal wünsche er sich, die Schafe seiner Herde würden ihre Stimmen mit der gleichen Inbrunst zum Herrn erheben, wie dies bei den Gesängen dieser einfachen und gottesfürchtigen Menschen geschehe. Es sei nicht rechtens, dass es sich die sogenannten „Gentlemen aus dem Süden“ herausnahmen, die armen schwarzen Brüder und Schwestern in Ketten zu legen und ihnen den selbstbestimmten Weg zu verweigern.

Chivingtons nahezu fanatische Überzeugung führte schließlich dazu, dass er Drohbriefe erhielt, weswegen ihn die Methodistenkirche im Jahr 1856 nach Omaha, im Unionsstaat Nebraska, versetzte. Als die Goldfunde in Colorado bekannt wurden, entschloss man sich, den feurigen Prediger zum Gemeindeältesten des Rocky-Mountain-Distrikts zu machen. So siedelte Chivington mit seiner Familie nach Denver City um. Auch hier zeigte er sich als entschiedener Gegner der Sklaverei und es spielte für ihn keine Rolle, ob der Sklavenhalter im Norden oder Süden lebte. In Father Chivingtons Gemeinde gab es keine solchen Sünder und er achtete mit Argusaugen darauf, dass es so blieb.

Das Jahr 1862 bewirkte dann eine Veränderung in dem wortgewaltigen Mann.

Im März hatten sich rund elfhundert Mitglieder einer konföderierten Truppe unter Major Pyron über den Santa Fe Trail bewegt und waren in Richtung des Glorieta Passes vorgestoßen. Ihr Ziel war das New Mexico Territorium.

Doch die Rebellen hatten sicher nicht damit gerechnet, dass John Milton Chivington nicht nur mit Worten und Blicken kämpfte, sondern auch durchaus willens war, das Schwert der Gerechtigkeit in die Hand zu nehmen. Der Methodisten-Pfarrer hatte die Uniform der Union angelegt und diente als Major bei den Colorado-Volunteers. Er wehrte einen ersten Angriff von rund dreihundert Südstaatlern mit seinen ungefähr vierhundert Soldaten ab. Beide Seiten führten Verstärkungen heran, bis ihre Stärke elfhundert gegen dreizehnhundert Kämpfer betrug. Der darauffolgende Kampf endete im Grunde unentschieden, doch Chivington gelang es, den Feind mit einigen Männern zu umgehen und den gesamten Versorgungstross der Konföderierten, bestehend aus achtzig Wagen und einigen hundert Maultieren und Pferden, zu vernichten. Der fehlende Nachschub zwang die Konföderierten zum Rückzug und beendete ihre Absicht, sich das Territorium von New Mexico einzuverleiben.

Father Chivington, nunmehr Colonel Chivington, wurde als Held gefeiert und hatte erfahren, dass das Schwert durchaus machtvoller sein konnte, als jedes Wort. So sah er es als seine Pflicht an, in der Uniform zu dienen, bis die Gerechtigkeit der Schöpfung wieder hergestellt und die armen Neger von ihren Ketten befreit sein würden. In Anerkenntnis seiner Verdienste wurde er von Gouverneur Evans zum Militärbefehlshaber des Colorado-Territoriums ernannt.

An diesem Sonntag des Jahres 1863 war nun der Gouverneur in Denver City zu Besuch und so ließ es sich Colonel Chivington, der zu diesem Zeitpunkt bei seiner Familie weilte, nicht nehmen, in der Methodistenkirche als Gastredner zu predigen. Er trug die Paradeuniform der Kavallerie der Union und hatte, da er sich in einem Haus Gottes befand, auf den Säbel verzichtet.

Seine feurige Rede machte Eindruck und nach dem Ende des Gottesdienstes versammelten sich nicht nur viele Gemeindemitglieder, sondern auch andere Bürger von Denver City vor der Kirche, um noch ein paar Worte mit dem Helden vom Glorieta Pass zu wechseln.

„Großartig, Colonel, ganz großartig“, versicherte ihm ein schmächtiger älterer Mann. „Ohne Sie hätten die Rebellen unsere armen Truppen sicherlich überrannt, gottlose Heiden, die sie sind. Aber Sie haben ihnen die Furcht vor dem Herrn eingebläut und sie zurück nach Texas gejagt.“

„Gott, der Herr, schenkte mir die Kraft, dies zu bewirken“, erwiderte Chivington bescheiden. „Es gab keinen Zweifel an unserem Sieg, denn Er war auf unserer Seite.“

„Dennoch ist es betrüblich, dass ein Bruder den anderen erschlägt“, seufzte eine alte Frau.

„Schon die Bibel berichtet von Kain und Abel“, erinnerte der Methodisten-Prediger, der Chivington bereitwillig gestattet hatte, die Gastpredigt zu halten. Der Methodist wusste nicht, ob er vom Ergebnis erfreut sein sollte. Es waren die erwartet flammenden Worte gewesen und selbst die alte Mrs. Summerley, die sonst bei jeder Predigt vernehmlich schlummerte, war an diesem Sonntag wach geblieben. Der Gemeindeprediger empfand einen gewissen Neid auf seinen berühmten Gast. Dieses unchristliche Empfinden steigerte sich noch, als er unter den Umstehenden auch den Town Mayor und den Gouverneur erkannte. Wie erwartet, galt ihre Anwesenheit nicht seiner Person, denn nach einem freundlichen Nicken wandten sie sich dem Colonel zu.

„Mister Chivington?“ Der Gouverneur reichte Chivington die Hand und lächelte einnehmend. „Ich höre erfreut, dass Ihre Predigten nichts von ihrem alten Feuer eingebüßt haben. Dies gilt sicher ebenso für die Schärfe Ihres Schwertes.“

In Chivingtons Augen blitzte Interesse auf. „Es ist mir eine Ehre, Mister Governor. Und Sie können gewiss sein, dass ich Gott, unserem Herrn, mit Wort und Tat diene.“

„Nun, genau dies sollen Sie auch, verehrter Colonel. Ich werde ein drittes Kavallerieregiment aufstellen, mit Freiwilligen für einhundert Tage, und Sie sollen es befehligen. Haben Sie Interesse, Colonel?“

„Einhundert Tage?“ Chivington runzelte die Stirn. „Die Zeit wird kaum ausreichen, um in den Krieg gegen die Rebellen zu ziehen.“

„Nicht gegen die Rebellen. Eigentlich überhaupt nicht in den Krieg, Colonel“, erklärte Evans. „Sicherlich wissen Sie, dass es eine gewisse Unruhe unter den Cheyenne und Arapahoe gibt. Die neue 3rd Colorado soll unsere Macht demonstrieren. Sie soll, den Indianern begreiflich machen, dass sie den Vertrag einhalten müssen und jeder Bruch des Friedens unsere Vergeltung nach sich ziehen wird. Ich frage nochmals, Colonel, wollen Sie den Befehl über das neue Regiment übernehmen?“

Das Lächeln in Chivingtons Gesicht war Antwort genug.

Pferdesoldaten 10 - Der Schlächter

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