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Vom Lagerplatz zur Siedlung
ОглавлениеDie Präsenz von Menschen ist in der Palmyrene erstmals im mittleren Paläolithikum nachweisbar. Vor ca. 50.000 Jahren lebten im Umfeld der noch nicht existierenden Oase Jäger und Sammler. Das Becken mit seinen damals noch nicht versalzenen Seen bot Frischwasser, die umgebenden, in der Steinzeit bewaldeten Bergketten mit ihren Höhlen Schutz. Lagerplätze sind in vielen der Höhlen nördlich, westlich und östlich nachweisbar; hier fanden sich Klingen aus Feuerstein und Knochenreste, die einem hybriden Typus zwischen Neanderthaler und modernem Mensch zuzugehören scheinen.
Anhaltspunkte für menschliches Leben in der Palmyrene gibt es dann erst wieder für das Ende der Steinzeit: Im akeramischen Neolithikum (PPNB, ca. 7600–6000 v. Chr.) hatten sich Menschen im Palmyrabecken niedergelassen, die das zu der Zeit noch mit dichter Vegetation bewachsene Terrain als Weidegrund für ihre Viehherden nutzten. Viehzucht und vielleicht auch teilsesshafter Ackerbau hatten inzwischen das Jagen und Sammeln als Haupttätigkeit zur Nahrungsbeschaffung abgelöst. Dennoch hatte sich das Repertoire der Artefakte gegenüber der Altsteinzeit kaum verändert: Nach wie vor prägen Pfeilspitzen und Klingen aus Flint das Bild. Allein Ansammlungen von Tierknochen verraten den ökonomischen Wandel, der mit der Neolithisierung Einzug gehalten hatte.
Am Übergang zum Metallzeitalter, im sogenannten Chalkolithikum (ca. 5000–4000 v. Chr.), begannen die Menschen, gezielt ihre natürliche Umwelt zu verändern, um deren Potenzial für wirtschaftliche Nutzung zu verbessern. Sie errichteten trichterförmige Pferche aus Steinwällen, sogenannte Wüstendrachen, in denen sie Herden von Kropfgazellen und anderen wilden Tieren zusammentrieben, um sie zu erlegen. Etliche dieser Strukturen konnten auf Satellitenbildern identifiziert werden.6
Um 2400 v. Chr. setzen die ersten schriftlichen Zeugnisse aus Syrien ein: Das umfangreiche Palastarchiv in Ebla dokumentiert den wirtschaftlichen Aufstieg der nordsyrischen Stadt dank Viehzucht und Holzgewinnung. Mit den Stadtstaaten im südlichen Mesopotamien verbanden Ebla vielfältige Austauschbeziehungen. Unter anderem bezogen Kiš und Lagaš, aber auch das ägyptische Alte Reich Holz und Textilien aus Ebla. Über den Fernhandel geriet Ebla in Konflikt mit der Stadt Mari am mittleren Euphrat, die ebenfalls im Güteraustausch mit Babylonien engagiert war. Die Palmyrene taucht in den Texten von Ebla nicht auf; ob sie von der Urbanisierungswelle, die von Mesopotamien aus über Syrien geschwappt war, erfasst wurde, erschließt sich nicht aus den Quellen.7
Im späten 3. Jahrtausend v. Chr. rückte das Land zwischen Mittelmeer und mittlerem Euphrat allmählich ins Blickfeld der sich in Mesopotamien formierenden Imperien. Ständig verlangte es sie nach Metallerzen, Stein und vor allem Holz. Ihr unstillbarer Rohstoffbedarf führte die Großmächte auf militärische Abenteuer weit in den Westen. So erreichen uns erste schriftliche Nachrichten aus dem Land, das die Akkader Amurru („Westen“) nannten, für die Zeit um 2200 v. Chr., während der Herrschaft des akkadischen Königs Sar-kali-sarri. Der König war bis zum Amanus-Gebirge vorgestoßen, um dort für Tempelbauten in Babylonien dringend benötigtes Zedernholz an sich zu bringen. In Syrien sah sich der König offenbar mit Widerstand konfrontiert, denn eine Inschrift erwähnt einen „Aufstand der vier Weltgegenden“; am Berg Basar – wohl dem zu den Kreidehöhen gehörenden Ǧabal Bišri – habe er die Amurru in einer Schlacht besiegt.8 Knapp hundert Jahre später, inzwischen war das Akkad-Reich untergegangen, berichtet der König Gudea von Lagaš (ca. 2141–2122), er habe „von Pusala im Gebirge der Amurru große Steinplatten herabgebracht“9.
In jene Jahre datieren die ältesten Zeugnisse einer Siedlung in der Oase Tadmur. Im Hof des Bēl-Tempels beförderten Grabungen Keramik ans Tageslicht, die darauf hinweist, dass Palmyra im späten 3. Jahrtausend Verbindungen nach Osten wie nach Westen unterhielt: ins südliche Mesopotamien, von wo ein kleiner Kopf aus Terrakotta stammt, sowie nach Westsyrien und ins Orontestal, von wo der überwiegende Teil der Gebrauchskeramik stammt. Voreilige Schlussfolgerungen über die Einbindung des frühbronzezeitlichen Palmyra in großräumige Fernhandelsnetze sollte man daraus freilich nicht ableiten: Darüber, auf welchem Weg die Keramik in die Oase gelangt ist, wissen wir ebenso wenig wie über die Identität ihrer Bewohner. Gesichert ist immerhin, dass die erste Siedlung in Palmyra bis zum Ende der Bronzezeit – bis ca. 1200 v. Chr. – Bestand hatte.10
Das Vorhandensein einer Siedlung bestätigen auch die ersten Texte, die den Namen der Oase überliefern. Es handelt sich um Tontafeln aus dem kappadokischen Kültepe, dem mittelbronzezeitlichen kārum Kaniš. Ein kārum war ein assyrischer Handelsplatz, an dem sich Kaufleute aus dem mesopotamischen Mutterland niedergelassen hatten. Die Handelskolonie genoss gegenüber dem lokalen König weitreichende Autonomie und zahlreiche Privilegien. Der Stützpunkt Kaniš wurde ab etwa 2000 für rund 300 Jahre genutzt. Dann, um 1728 v. Chr., brechen die Texte plötzlich ab. Das Ende des kārum stand vermutlich im Zusammenhang mit der Eroberung des Ortes durch die Hethiter.11
In Kaniš wurde über alle Transaktionen sorgfältig Buch geführt. In einem Kaufvertrag aus dem frühen 2. Jahrtausend taucht als Zeuge des Vorgangs mindestens eine Person aus der Oase Tadmur auf: Der Vertrag wird „vor Puzur-Ištar aus Tadmur“ geschlossen und mit dem „Siegel des Puzur-Ištar aus Tadmur“ (tadmurim) beglaubigt.12 Puzur-Ištars Name weist nach Mesopotamien: Übersetzt bedeutet er so viel wie „Geheimnis der Ištar“ – die babylonische Göttin wurde überall in Mesopotamien und weit darüber hinaus verehrt. Wenn Puzur-Ištar aus Tadmur gebürtig war, dann drängt sich der Schluss auf, dass Ištar auch in der Oase einen Kult besaß. Puzur-Ištars Siegel zeigt links einen Stier, der auf einem Altar steht und von einer Person angebetet wird; rechts ist eine thronende Figur mit zwei Adoranten und den Symbolen von Sonne und Mondsichel zu erkennen. Die Motivik des Siegels weist nach Kleinasien (Stier) und Assyrien (Figur auf Thron). Welchen Bezug sie zur Oase Tadmur hat, wird allerdings nicht deutlich.13
Ein zweites Dokument, ebenfalls aus dem frühen 2. Jahrtausend v. Chr., beurkundet die Lieferung von 1/3 Mine Silber „aus Tadmur“ (tadmurim).14 Ob ein Zusammenhang zu dem Text besteht, in dem Puzur-Ištar genannt wird, ist unklar. Bemerkenswert ist aber, dass als Herkunftsbezeichnung beide Male der Name der Oase auftritt, Puzur-Ištar also nicht durch Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder einem Stamm identifiziert wird. Tadmur taucht in den Texten als einer unter mehreren durchaus namhaften Orten auf. Sinn ergibt das nur, wenn in der Oase zu dieser Zeit eine Siedlung existierte, die vermutlich sogar eine gewisse Bedeutung hatte. Wie die ältere Keramik beweisen auch die Texte aus Kültepe, dass Tadmur eine Rolle im Fernhandel Mesopotamiens mit dem Westen spielte – ohne dass freilich deutlich wird, welcher Art diese Kontakte waren.15
Rund 200 Jahre nach dem von Puzur-Ištar beurkundeten Vertrag tritt Tadmur abermals in Keilschriftquellen auf. „Eine Bande von sechzig Sutäern“ soll um 1750 v. Chr. einen Überfall auf die Oasen Tadmir (Tadmur) und Našala (Qaryatayn) unternommen haben. So berichtet es ein Brief aus Mari, das in der Mittelbronzezeit beträchtliche Anstrengungen zum Management der Nomadenstämme links und rechts des Euphrat unternahm, zu denen auch die Sutäer gehörten. Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Lesung des zweiten Textteils, in dem von einem Todesopfer des Überfalls die Rede ist: Ob die Bewohner von Tadmur einen Sutäer töteten oder ob einer der ihren, der selbst Sutäer war, den Tod fand, ist in der Forschung umstritten.16 Die Interpretation der Textstelle ist kein rein antiquarisches Problem: Wenn tatsächlich Stammesgenossen der Sutäer im bronzezeitlichen Tadmur lebten, dann überbrückten die tribalen Identitäten die Grenze zwischen Stadt und Steppe; dann gehörten Nomaden und Sesshafte, bei allen Gegensätzen, zu ein und derselben Gesellschaft.
Dies hätte weitreichende Folgen für das Bild, das wir uns vom Miteinander von Nomaden und Sesshaften in der Syrischen Wüste machen müssen. Meist orientieren sich moderne Darstellungen an den Berichten, die sich in den Textquellen erhalten haben. Und diese folgen, ob sie nun in Keilschrift oder auf Griechisch verfasst sind, alle einem ähnlichen Muster: Nomaden sind in der Optik der Verfasser fremd, anders und gefährlich. Ihre Lebenswelt in der Steppe trennt eine unsichtbare Mauer vom Ackerland und den Städten der Sesshaften. Die Steppe gilt den Bewohnern des Kulturlands als ein Ort, wo böse Geister ihr Unwesen treiben, als ein „Land des Durstes“ und der Dämonen. Nomaden wie die Sutäer werden gar als Kannibalen diffamiert. „Welcher Mensch unter ihnen stirbt, den pflegen sie zu essen. Wenn sie einen fetten Menschen sehen, dann töten sie ihn und essen ihn auf“, behauptet etwa ein hethitischer Text aus der Mittelbronzezeit über die Nomaden der Syrischen Wüste.17
Waren Nomaden und Sesshafte im Vorderen Orient tatsächlich in erster Linie Erzfeinde, die einander nichts schenkten? Gewiss gab es genug Konfliktstoff bei der erzwungenen Koexistenz beider Gruppen auf engem Raum. Der saisonale Weidewechsel führte die Viehzüchter mit ihren Herden regelmäßig im Winter von den Höhen in die fruchtbaren Ebenen, wo sie, wenn sich ihnen niemand in den Weg stellte, die Felder der Bauern verwüsteten. Nomaden waren mobil und wehrhaft, und immer wieder plünderten sie das Hab und Gut von Sesshaften, die sich zu ihrer Verteidigung organisierten. Dennoch war das Verhältnis keineswegs nur antagonistisch, häufig war es geradezu symbiotisch: Nomaden waren auf Sesshafte angewiesen, die vieles herstellten, was sie zum Leben benötigten; umgekehrt waren die Herden der Viehzüchter auch für Bauern und Städter in Zeiten der Not eine unverzichtbare Nahrungsreserve. Sesshafte und Nomaden kooperierten bei Kriegszügen und im Fernhandel.
Anthropologische Untersuchungen rezenter Gesellschaften haben gezeigt, dass gerade dort, wo Viehzüchternomaden in der Nähe von Städten saisonalen Weidewechsel, sogenannte Transhumanz, praktizieren, enge Bindungen zwischen Nomaden und Sesshaften bestehen. Städter sehen in Nomaden ihre Stammverwandten, familiäre Beziehungen werden zwischen Sesshaften und Nichtsesshaften geknüpft. Gerade die besseren Kreise führen das Leben von Teilzeitnomaden, die mehrere Monate auf Wanderschaft in der Steppe und den Rest des Jahres in der Stadt verbringen. An den Institutionen von Stadt und Staat partizipieren Sesshafte wie Nomaden. Die Forschung hat solche Gesellschaften, in denen beide Lebensweisen anzutreffen sind, „dimorph“ genannt – oder auch „polymorph“, weil sich zwischen Nomadismus und Sesshaftigkeit keine klare Grenze mehr ziehen lässt.18
Ob die Oase Tadmur in der Mari-Zeit um 1750 v. Chr. eine polymorphe Gesellschaft in der Art, wie die Anthropologen sie beschreiben, beherbergte, lässt sich bei der wenig eindeutigen Befundlage nicht entscheiden. Sicher ist, dass in Mari selbst Nomaden und Sesshafte auf engem Raum zusammenlebten und vielfältig miteinander verflochten waren. Ḫana oder Ḫibrum tauchen als feststehende Begriffe für die nomadische Komponente von Stämmen auf, die auch über sesshafte Angehörige verfügten.19 Solche Stämme waren zu Konföderationen zusammengeschlossen, deren Eliten eng mit den in großen Zentren wie Mari herrschenden Familien verzahnt waren.20 Vermutlich war die Realität der Palmyrene von den Verhältnissen in Mari nicht allzu weit entfernt. Die bronzezeitlichen Steintumuli, die sich überall in der Palmyrene im Luftbildbefund deutlich abheben, könnten dazu gedient haben, Räume abzugrenzen und zum Beispiel über Ahnenkulte zu genealogischen Strukturen in Beziehung zu setzen.21 Wie noch zu sehen sein wird, spielte sozialer Polymorphismus in Vorderasien immer dann eine wichtige Rolle, wenn Imperien große Räume befriedeten und den Handlungsspielräumen nomadischer Gruppen Grenzen setzten – auch in der Palmyrene und besonders während der Glanzzeit Palmyras in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten.
Ob über polymorphe Strukturen mit den Steppennomaden verbunden oder nicht – die Palmyrener der Mari-Zeit waren bereits fester Bestandteil des „internationalen“ Systems der Bronzezeit, das bis 1750 v. Chr. relativ stabile Formen angenommen hatte: mit Elam im heutigen Iran, Babylon im südlichen, Mari im mittleren und Assyrien im oberen Mesopotamien, den amurritischen Territorien Qatna und Jamchad im Westen, den Hurriterund Hethiterreichen im Norden und dem ägyptischen Mittleren Reich im Südwesten. Einer der Mari-Texte, der Brief eines Palastfunktionärs an den lokalen Herrscher Jasmach-Addu, berichtet von zwei Tadmuräern, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts v. Chr. mit einem Brief Iši-Addus, des Königs von Qatna, an den assyrischen König Šamši-Adad unterwegs waren. In Mari wurden sie vor den dortigen Herrscher gebracht, bevor sie nach Assur weiterreisten.22 Der Brief dokumentiert die Verflechtung Tadmurs mit den Herrschaftszentren des mittelbronzezeitlichen Vorderasiens. Auch waren die Tadmuräer als Gruppe so klar definiert, dass der Funktionär, ohne Missverständnisse befürchten zu müssen, das Ethnikon (ta-ad-mi-ra-yu) selbstverständlich in seiner Korrespondenz mit dem Herrscher benutzte. Schließlich scheinen zumindest einzelne Tadmuräer so mobil gewesen zu sein, dass der Herrscher von Qatna ihnen den Botendienst anvertraute. Immerhin plausibel ist, dass Tadmur zeitweise zum Machtbereich der Herrscher von Qatna gehörte. In diese Richtung deutet auch ein zweites Dokument aus Mari, das die Ankunft von vier tadmuräischen Boten aus Qatna in der Stadt am Euphrat festhält.23
Rund 500 Jahre später datiert eine Urkunde aus Emar, einer Stadt am Euphratbogen, deren Archiv mit Hunderten Keilschrifttafeln bei Grabungsarbeiten in den 1970er-Jahren ans Tageslicht kam. Der Text beglaubigt die Rückzahlung eines Darlehens. Als Zeugen der Transaktion treten zwei Personen „aus der festen Siedlung Tadmur“ (URU ta-ad-mir) auf,24 die sich zu diesem Zeitpunkt in Emar befanden, rund 150 Kilometer nördlich von Palmyra. Das sumerische Logogramm URU bezeichnet unzweideutig eine stadtähnliche Siedlung.
Bereits in die Eisenzeit gehört die Erwähnung Tadmurs in den Annalen des mittelassyrischen Königs Tiglat-Pilesar I. (1114–1076 v. Chr.), der in ehrgeizigen Feldzügen bis nach Kilikien, Kappadokien im Norden, bis an den Persischen Golf im Süden und bis an die phönizische Mittelmeerküste im Westen vorstieß. „28 Mal überschritt ich den Euphrat […] zum Land Hatti“, brüstet sich der assyrische Herrscher, der einen Sieg über die „aramäischen Achlamäer“ für sich beansprucht, in einem Gebiet, das vom Fuß des Libanon-Gebirges und von „der Stadt Tadmar im Land Amurru“ bis nach „Anat im Land Suhu“ – einer Insel im mittleren Euphrat – und nach „Rapiqu im Land Karduniaš“ – beim heutigen al-Fallūǧa im Irak reichte.25 Tadmur war hier also lediglich der Eckpunkt eines trapezförmigen Areals, das praktisch die gesamte Syrische Wüste rechts des Euphrat umfasste und auf das Tiglat-Pilesar Anspruch erhob. Immerhin dokumentiert der Text die fortdauernde Existenz einer Siedlung über die große Zäsur am Ende der Bronzezeit hinaus, die viele der großen Zentren am Ostrand des Mittelmeers in Trümmer legte.26
Aus dem ersten vorchristlichen Jahrtausend erreichen uns nur höchst bruchstückhaft Nachrichten über die Oase. Im zweiten Chronikbuch des Alten Testaments heißt es, König Salomo – dessen Regierungszeit im 10. Jahrhundert v. Chr. anzusetzen ist – habe „Tadmur in der Steppe“ befestigt.27 So willkommen ein solcher Hinweis auf Querverbindungen zwischen dem Königreich Juda-Israel und der Oase Tadmur wäre, so wenig führt doch diese Textstelle weiter. Der anonyme Redaktor des zweiten Chronikbuchs hat hier lediglich seine Vorlage, das 1. Buch Könige, missverstanden, in der von Bauaktivitäten Salomos in Tamar („Palme“) die Rede ist, einer Stadt in Juda.28 Allerdings gab es in Tadmur zur Entstehungszeit des Chronikbuches, also wohl im späten 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr., eine namhafte Siedlung. Sonst wäre dem Verfasser der angesichts der Geographie abenteuerliche Lapsus wohl kaum unterlaufen.29
Verdächtig nimmt sich demgegenüber aus, dass Palmyra nicht ein einziges Mal in den assyrischen Texten des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr. auftaucht, obwohl doch der Westen und besonders Syrien in den Feldzügen der neuassyrischen Könige eine bedeutende Rolle spielte. Setzt man voraus, dass sich in der Oase in der ersten Hälfte des Jahrtausends eine halbwegs bedeutende Siedlung befand, dann wäre eigentlich damit zu rechnen, dass sie angesichts ihrer enormen strategischen Bedeutung in den Annalen Erwähnung gefunden hätte. Dies umso mehr, als der assyrische König Assurbanipal 645/44 v. Chr. bei Yarki (Arak), nur ca. 27 Kilometer östlich von Tadmur, die nomadischen Aribi („Araber“) vernichtend schlug.30 Doch auch dieser Bericht bleibt stumm, was Tadmur angeht: Dem suchenden Blick bleibt Palmyra für Jahrhunderte verborgen.