Читать книгу Palmyra - Michael Sommer - Страница 7
I. Reisewege nach Palmyra
ОглавлениеIhr Städte des Euphrats!
Ihr Gassen von Palmyra!
Ihr Säulenwälder in der Eb’ne der Wüste!
Was seid ihr?
Euch hat die Kronen,
Dieweil ihr über die Gränze
Der Othmenden seid gegangen,
Von Himmlischen der Rauchdampf
Und hinweg das Feuer genommen;
Jezt aber siz’ ich unter Wolken (deren
Ein jedes eine Ruh’ hat eigen) unter
Wohleingerichteten Eichen, auf
Der Heide des Rehs, und fremd
Erscheinen und gestorben mir
Der Seeligen Geister
Friedrich Hölderlin
So dichtete vor über 200 Jahren Friedrich Hölderlin und er besang in dem mit „Lebensalter“ überschriebenen Gedicht die Hybris einer großen Zivilisation, die „über die Grenze“ des Menschen („Othmenden“) Möglichen gegangen sei. Die „Städte des Euphrats“ spielen auf das Babel der hebräischen Bibel und die Hure Babylon aus dem Neuen Testament an; auch der „Rauchdampf“ ist eine biblische Reminiszenz: „Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf“, übersetzte Luther den Propheten Joel.1 Das seit dem 17. Jahrhundert von westlichen Reisenden immer wieder aufgesuchte Palmyra steht mit seinen „Säulenwäldern“ für Hölderlin sinnbildlich für die untergegangene Zivilisation der Antike, der er das Idyll unverfälschter, von jedem menschlichen Wirken freier Natur entgegenstellt. Alles, und eben auch die Kronen historischer Größe, ist vergänglich, kein „Lebensalter“ hat Bestand.