Читать книгу Trixie Zeitlos und das Geheimnis der Mona Lisa - Michael Voß-von Patay - Страница 7

Alles steht still

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Träumte sie etwa? Ohne zu zögern zwickte Trixie sich in den linken Arm. Es half nichts: Die Regentropfen weigerten sich weiterhin, vorschriftsmäßig in Richtung Boden zu fallen. Langsam trat Trixie zwei Schritte vom offenen Fenster zurück. Hatte sie etwa den Verstand verloren? Doch bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, zuckte sie vor Schreck so zusammen, dass sie fast die Uhr fallengelassen hätte, die sie noch immer in der Hand hielt. Ohne Ankündigung war das Radio angesprungen, und auch der Regen hatte plötzlich wieder eingesetzt.

Ohne einen Moment zu überlegen, stürzte sie zur Tür, riss sie auf und rannte die Treppe hinunter.

„Mama?!“, rief sie, als sie ihre Mutter nicht im Wohnzimmer fand, „Mama, wo steckst Du?“

„Hier bin ich! In der Küche!“

Trixie eilte in die Küche, wo ihre Mutter gerade damit beschäftigt war, einen Kuchen zu backen.

„Na, was gibt es - warum bist Du denn so aufgeregt?“

Trixie versuchte, ruhig zu bleiben, doch ihr Herz klopfte immer noch bis zum Hals. Ihre Mutter stand direkt vor dem Küchenfenster, doch ihr schien nichts Ungewöhnliches aufgefallen zu sein.

„Hast Du vielleicht irgendetwas bemerkt?“, fragte Trixie vorsichtig.

„Etwas bemerkt? Was meinst Du denn damit?“

„Na, mit dem Regen zum Beispiel…“

„Nein, was sollte ich denn da bemerkt haben? Es gießt und gießt. Das finde ich zwar alles andere als schön - aber keineswegs besonders ungewöhnlich.“

„Und es war nicht so, dass es vorhin kurz aufgehört hat zu regnen?“

„Nein, da bin ich mir wirklich ziemlich sicher. Ich habe zwar nicht die ganze Zeit aus dem Fenster geschaut, aber das hätte ich wohl mitbekommen.“

Trixie entging nicht, dass ihre Mutter sie etwas verwundert ansah. Doch die Sache ließ ihr keine Ruhe.

„Ist Dir auch nicht aufgefallen, dass es plötzlich ganz still wurde?“

„Nein, wirklich nicht. Außerdem habe ich eben mit dem Rührgerät den Teig durchgeknetet. Und Du weißt ja: das ist so laut, dass man dann sowieso nichts anderes mehr mitbekommt. Hm - sag mal, geht’s Dir vielleicht nicht gut? Du machst einen etwas verstörten Eindruck auf mich…“

In diesem Moment wurde Trixie klar, dass ihre Mutter nicht das Geringste von den seltsamen Erscheinungen bemerkt hatte. „Ach nein – es ist nichts. Ich glaube, ich bin eben tatsächlich auf meiner Couch eingenickt und habe komisches Zeug geträumt.“ Und damit verschwand sie wieder in ihrem Zimmer und setzte sich an den Schreibtisch.

Sie hatte nicht geträumt. Das, was sie gerade erlebt hatte, war wirklich geschehen. Aber wie sollte sie das beweisen? Wer sollte ihr das jemals glauben? War sie womöglich der einzige Mensch, der davon etwas mitbekommen hatte? Das Radio lief noch immer, und da es sie gerade nur noch nervte, wollte sie es ausschalten. Da fiel ihr ein, dass gleich die Nachrichten kämen. Wenn plötzlich der Regen stillgestanden hatte, dann hätte das doch auch anderen Leuten auffallen müssen. In den Nachrichten wurde Trixies Beobachtung jedoch nicht mit einem Wort erwähnt. Lediglich die Wettervorhersage versprach zum Wochenende nachlassenden Regen und etwas mehr Sonne.

Wahrscheinlich würde sich nie aufklären lassen, was geschehen war.

„Also vergessen wir es lieber. Sonst kommt vielleicht noch jemand auf die Idee, dass ich ein Fall für den Psychiater bin“. Obwohl sie damit nicht besonders glücklich war, fiel ihr im Moment nichts besseres ein. Außerdem wurde es allmählich Zeit, dass sie endlich mit Asko Gassi ging. Sie konnte nicht die ganze Zeit in ihrem Zimmer herumsitzen und grübeln. Inzwischen hatte der Regen tatsächlich schon deutlich nachgelassen, so dass kaum noch ein Tropfen gegen die Fensterscheibe schlug. Also los! Nur die Uhr wollte sie vorher noch schnell wieder in das Kästchen zurücklegen.

Doch was war das? Das Ticken war ja schon wieder verstummt! War die Uhr denn jetzt schon wieder abgelaufen?

Offensichtlich war die Feder des Uhrwerks noch ein wenig gespannt gewesen, als sie das Sandkorn entfernt hatte. Schließlich hatte die Uhr sofort zu ticken begonnen. Trixie zögerte einen Moment, dann drehte sie die Krone eine halbe Umdrehung herum. Als sie das leise tickende Geräusch hörte, wollte sie die Uhr schon wieder hinlegen, steckte sie schließlich aber doch in die Hosentasche. Ihre Mutter würde bestimmt Augen machen, wenn sie erfuhr, dass Trixie das alte Erbstück wieder zum Leben erweckt hatte!

Nun aber nichts wie raus! Sie griff an der Haustür nach der Leine. Asko lag bestimmt, wie immer bei solchem Wetter, im Wohnzimmer hinter der Couch.

„Asko! Komm, wir wollen schnell mal raus! Askooo!“

Nichts rührte sich. Trixie verstand ja, dass man bei diesem Wetter ungern sein kuscheliges Lieblingsplätzchen verließ, aber es musste nun einmal sein. Sie ging ins Wohnzimmer – doch da war niemand. Wo konnte er nur stecken? Hatte er womöglich Verdacht geschöpft und sich rechtzeitig verkrümelt? Zuzutrauen wäre ihm das. Da fiel Trixie ein, dass ihre Mutter in der Küche mit Kuchenbacken beschäftigt war. Das war die Erklärung! Langsam schlich sie hinüber. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt und schaute hindurch.

Natürlich – dort saß er, die rechte Pfote flehentlich erhoben, die Ohren aufmerksam in die Höhe gerichtet. Aber irgendetwas war seltsam. Das Ganze wirkte, als ob man ein Bild betrachten würde: Nichts bewegte sich. Ihre Mutter stand unbeweglich am Küchentisch, den Rücken zu Trixie gewandt. Asko schien wie erstarrt. Ja - er atmete nicht einmal. Langsam öffnete Trixie die Tür und trat in die Küche.

„Mama?“

Keine Reaktion.

„Mama! Asko! Was ist los mit euch?“

Mit zwei Schritten stand sie neben ihrer Mutter. Sie war wie erstarrt. Die Teigrolle in der Hand, schien sie mitten in ihrer Bewegung eingefroren zu sein. Asko saß da, als wäre er ein lebloser Plüschhund.

Trixie starrte ihre Mutter an, die sie überhaupt nicht zu bemerken schien. Sie stand einfach da als wäre sie aus Wachs. Trixie traute sich nicht, sie zu berühren.

„Mama – hörst Du mich? Sag’ doch was!“

Immer noch keine Reaktion.

Das war zu viel! Trixie rannte wie von der Tarantel gestochen aus der Küche, riss die Haustür auf – und bekam den nächsten Schreck: Da stand ihr Vater, der gerade vorhatte, die Tür aufzuschließen. Aber auch er wirkte wie eingefroren: Leicht nach vorn gebeugt, hielt er den Schlüssel in der Hand - genau in Höhe des Schlüssellochs.

Als Trixie sah, dass auch er sie nicht wahrnahm, drückte sie sich schnell an ihm vorbei und lief auf die Straße. Weit und breit war niemand zu sehen, aber irgendetwas war auch hier seltsam. Da fiel ihr auf, dass sich nicht der geringste Lufthauch regte. Außerdem war es absolut still – kein Laut war zu hören. Es war fast, als hätte jemand einen Film angehalten und alles – Tiere, Menschen, einfach alle Dinge ringsumher - wären plötzlich zum Stillstand gekommen. Alles – bis auf Trixie. Sie blickte zum Himmel hinauf. Dort flogen ein paar Krähen. Das heißt: Sie standen in der Luft, denn auch sie bewegten sich nicht vom Fleck.

Und dann rannte sie, rannte einfach los. Wohin? Das wusste sie selbst nicht. Sie sah einen Mann auf einem Fahrrad, zwei Fußgänger – auch sie rührten sich nicht von der Stelle.

Keuchend blieb sie an einer Straßenecke stehen, um zu verschnaufen. Und auf einmal stutzte sie. Sie konnte es sich selbst noch nicht erklären, aber es war, als würde langsam eine bestimmte Ahnung in ihr aufkeimen. Es war einfach zu verrückt, doch sie fühlte, dass es einen Schlüssel geben musste, der all das hier erklärte. Ohne lange nachzudenken, ging sie wieder zurück, zuerst zögernd, dann immer schneller. Und schließlich lief sie, bis sie wieder pustend vor ihrem Zuhause stand. Sie fand ihren Vater noch immer in derselben Haltung vor der offenen Tür. Langsam ging sie ein paar Schritte am Haus entlang und blickte durch das Küchenfenster. Auch ihre Mutter hatte sich nicht das kleinste bisschen bewegt. Ohne ihren Blick abzuwenden, zog Trixie die Uhr aus der Hosentasche. Sie hatte sie nicht besonders weit aufgezogen – aber noch immer tickte sie leise vor sich hin. Schnell lief sie ins Haus zurück, schloss die Tür und ging zur Küche. Die Uhr in der Hand, beobachtete sie ihre Mutter und Asko, der immer noch unbeweglich bettelnd hinter ihr saß.

Trixie achtete auf das Ticken. Schließlich wurde es ein wenig leiser, verschwand nahezu – und die Uhr stand still.

Trixie Zeitlos und das Geheimnis der Mona Lisa

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