Читать книгу Rulantica (Bd. 2) - Michaela Hanauer - Страница 15
ОглавлениеGRÅ
»MRK!«
Stille.
»Mrk, ein Mensch. Mit zwei Beinen. Seit Jahrren hat sich keinerr zu uns verirrrt!«
Ungläubig lauscht Mats den Worten. Das bildet er sich doch bloß ein. Diesmal ist es ganz bestimmt nur eine Stimme in seinem Kopf. Vorsichtshalber fragt er nach.
»Wieso kannst du meine Sprache?«
Die Antwort ist eine Gegenfrage: »Mrk, woherr hast du das Amulett?«
Das ist eine längere Geschichte, denkt Mats. Da er nicht sicher ist, ob der Mauk ihm so lange bereitwillig zuhört, selbst wenn er sich das alles nicht nur einbildet, entschließt er sich zur Kurzfassung.
»Von meiner Mutter.«
Die Balken über ihm fangen gefährlich an zu wippen, offensichtlich ausgelöst durch den auf und ab hüpfenden Riesenvogel.
»Mrk, werr ist deine Mutterr?«
»War«, sagt Mats mit belegter Stimme. »Vivika Stenrokk.«
»Mrk, bedauerrlich!«
Jetzt ist es an Mats, unter der Bank zu zappeln.
»Du, du kanntest sie?«
»Mrk, könnte sein!«
»Ich leider nicht«, rutscht es Mats heraus.
»MRK!«
Die Bank knarrt und die Balken drücken sich auf Mats’ Brustkorb.
»MRRRK!«
»Was sagst du?«
»Mrk, das warr nicht für dich bestimmt, sondern für meine Scharr. Sie forderrn deinen Tod.«
»Nein, bitte, ich wollte wirklich nicht …«
»MRK – still, Mensch! Das entscheide ich! Jetzt komm rraus, damit ich dich sehen kann!«
Alles in Mats sträubt sich. Wieso sollte er freiwillig den einzigen Ort verlassen, der ihm etwas Schutz gibt?
Rums, der spitze Schnabel dringt nur wenige Zentimeter neben seinem Kopf in das Holz ein, als wäre es nicht viel mehr als Schaumstoff.
»MRRK! Du hast keine Wahl!«
Der Angstschweiß rinnt Mats in Sturzbächen von der Stirn. Egal, was er tut, er ist den Vögeln ausgeliefert. Die spitzen Schnäbel müssen nur einmal zustechen. Aber auf Dauer ist sein Platz unter der Bank sowieso nicht sicher, er kann sich genauso gut gleich stellen. Und immerhin kannte der Mauk seine Mam, was auch immer das bedeutet.
Mats streckt vorsichtig die Gliedmaßen aus. Wie hat er es jemals durch den schmalen Spalt unter die Bank geschafft? Oder ist er in der letzten Viertelstunde dicker geworden? Mit Ach und Krach und einigen Abschürfungen kriecht er unter der Bank hervor. Erschöpft bleibt er auf dem Rücken liegen und schielt nach oben. Über ihm auf der Bank thront ein gigantischer Vogel, er überragt die anderen um Längen, aber vor allem sind seine Federn nicht schwarz, sondern grau, als wären sie im Lauf der Jahre ausgeblichen. Auch seine Schnäbel leuchten kaum mehr, sondern sind schmutzig gelb mit einigen Scharten von den Kämpfen, die er damit zweifelsohne gefochten und gewonnen hat. Denn egal wie alt dieser Mauk auch sein mag, seine aufrechte Haltung und sein alles durchdringender Blick lassen keinen Zweifel daran, dass er immer noch der stärkste und klügste seiner Schar ist. Der wahre König der Insel Rulantica. Und er, Mats, liegt hier vor ihm auf dem Rücken wie ein hilfloser Käfer.
Der Vogel beugt sich über ihn, die beiden Schnäbel kommen seinem Gesicht verflixt nahe. Erst jetzt fallen Mats die stechenden Augen auf, die von gelben Federn umrandet werden wie von einer Maske. Das betont ihren starren Raubvogelblick, unter dem sich Mats kleiner als eine Maus vorkommt. Er wagt es nicht, auch nur zu blinzeln. Der Halsflaum des Mauks plustert sich auf, er bläst ein wenig Luft durch seinen krummen Schnabel und pustet damit Mats’ rote Haarsträhnen aus seiner Stirn.
»Mrk, gut fürr dich, du siehst ihrr ähnlich! Auch wenn du dich seit unserrerr letzten Begegnung sehrr verränderrt hast.«
Der graue Mauk hüpft zurück, um Mats von oben bis unten zu begutachten. Bisher haben die anderen Mauks sich das Spektakel einigermaßen ruhig angesehen, in einem dichten Ring um Mats und die Bank herum. Doch kaum rückt der große Graue etwas von Mats ab, schiebt sich ein schwarzer Vogel an ihn heran, pickt ihn an der Fußsohle und setzt an, ihn aufzuspießen.