Читать книгу Rulantica (Bd. 2) - Michaela Hanauer - Страница 6

PROLOG

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Man schrieb das Jahr 1557, als König Gustav, den man auch Gustav Wasa nannte, alt und zu müde geworden war, um in neue Schlachten zu ziehen. Er haderte bitter mit seiner Sterblichkeit, zu viele Aufgaben waren noch zu erledigen, die er seinen Nachfolgern nicht zutraute.

In dieser Not trat ein Fremder auf ihn zu und berichtete ihm von einer Quelle, deren Wasser angeblich ewiges Leben verlieh. Er vertraute Gustav seinen gehörnten Helm an, der ihn zu einer im Nebel verborgenen Insel leiten würde, auf der die Quelle zu finden war. Als Gegenleistung werde er lediglich eines Tages den Helm zurückverlangen, erklärte der Fremde, bevor er genauso spurlos verschwand, wie er gekommen war.

Also schickte Gustav seinen engsten Vertrauten, Kapitän Tord Johansen, auf die geheime Mission und das königliche Segelschiff, die Tre Kronor, stach in See.

Als sie die vorhergesagte Nebelwand erreichten, nahm der Kapitän den Helm vom Kopf, brach eines der Hörner ab und blies hinein. Im Nu enthüllte sich eine Insel. Einen Großteil der Mannschaft nahm der Kapitän mit an Land. Nur der Schiffsjunge Fin sollte zur Bewachung auf der Tre Kronor bleiben.

Aber Fin wollte sich nicht so leicht abhängen lassen und folgte ihnen in einigem Abstand. Auf der Insel empfing ihn ein betörender Gesang, und er kletterte auf einen Felsen, um die Sängerin zu sehen und ihr zu zuzuhören. Es war die Sirene Kailani, die mit ihrem Gesang verhindern sollte, dass Menschen die Quelle erreichten. Doch stattdessen erzählte sie Fin von dem Fluch, der auf der Insel lastete, und der Schlange, die bereitlag, sie alle zu verschlingen, wenn jemand die Quelle benutzen würde.

Fin verlor sich in Kailanis großen, schönen Augen und geriet ins Grübeln. Konnte er wirklich den Auftrag seines Königs über das Wohl der Inselbewohner stellen?

In ihrem Schwärmen füreinander bemerkten sie nicht, dass Exena, die Anführerin der Quellwächter, sie entdeckt hatte. Exena zerrte Fin vom Felsen und ließ ihn gefangen nehmen. Wahrscheinlich wäre er ertrunken, hätte Kailani ihn nicht mithilfe ihres Sixtopus Snorri aus dem Unterwasserkäfig befreit. Fin gab für Kailani seine ursprünglichen Pläne auf und half den Meermenschen, Kapitän Johansen und seine Leute von der Quelle fernzuhalten. Fins Fürsprache verdankte es die Mannschaft der Tre Kronor, dass sie freies Geleit erhielten und die Insel lebend verlassen durften.

Fin aber blieb bei seiner großen Liebe Kailani auf Rulantica, auch wenn es Exena ein Dorn im Auge war. Er leistete den Schwur, nie die Quelle zu nutzen, und daran hielt er sich sein ganzes Leben lang.

Was aus der Tre Kronor oder dem Helm wurde, ist ungewiss. Die Geschichte geriet in Vergessenheit, bis sich nun das Schicksal der Insel erneut entscheidet …


Magni lümmelt auf Odins Thron und starrt Löcher in die Welten. Modi hockt breitbeinig zu seinen Füßen und poliert Mjölnir, Thors Hammer, den er ihnen beiden vermacht hat.

»Gibt es was Interessantes zu sehen?«, fragt Modi, ohne von seiner Beschäftigung abzulassen.

»Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren, die wenigen, die noch an uns glauben, hocken auf einer vernebelten Insel, und sonst kräht in Midgard kein Hahn nach uns!«, nörgelt Magni.

»Unser Hammer rostet ein, wenn er nicht bald etwas zu tun bekommt«, behauptet Modi. »Wollten wir nicht die Menschenwelt ordentlich aufmischen?«

»Wollten wir«, sagt Magni. »Aber Wali hat es sich auf halbem Weg anders überlegt.«

»Wali!«, ruft Modi. »Wali! Komm! Schnell!«

Draußen im Hof seines Schlosses hört Wali den Ruf. Unschlüssig wiegt er ein Hühnchen in seiner Hand, es zappelt noch. Aber wer weiß, was die Söhne Thors entdeckt haben, es ist ohnehin nicht klug, die beiden zu lange allein zu lassen. Also unterbricht er das Apport-Training mit seinen Wölfen Geri und Freki und eilt in den Thronsaal.

»Was gibt es?«

»Sag, wann brechen wir auf? Ich will endlich die Sterblichen zum Zittern bringen!«, begrüßt Modi ihn.

»Ich habe euch doch erklärt, dass wir unseren Plan erst vorbereiten müssen, damit er die Wirkung entfaltet, die uns gebührt!«, meint Wali.

»Reicht die Schlange dafür nicht?«, wundert sich Magni.

Wali verdreht genervt die Augen. »Ein Fluch, von dem niemand weiß, macht niemandem Angst. Wir brauchen jemanden, der an uns glaubt und der den Menschen erzählt, wie groß und mächtig wir jungen Götter sind.«

»Lahmes Gerede! Die werden uns schon kennenlernen!« Modi streichelt beinahe zärtlich über den Hammer.

»Du wärst der Erste, der sich beschwert, wenn sie dich für Thor halten, weil sie noch nie von Thors Söhnen gehört haben!«, behauptet Wali.

»Vidar und dich kennt auch keiner«, stichelt Magni. »Die glauben da unten immer noch an euren Gottvater Odin. Wenn überhaupt.«

»Eben, darum brauchen wir den Jungen«, sagt Wali.

»Aber wie willst du ihn von der Insel weglocken und dazu bringen, von uns in der Menschenwelt zu berichten?«, fragt Magni.

»Wir werden Zwietracht säen«, sagt Wali.

»Bist du seit Neuestem unter die Ackerbauern gegangen?«, höhnt Modi.

Magni kichert.

Innerlich regt Wali sich nicht zum ersten Mal über die fehlende Auffassungsgabe seiner Gefährten auf. Doch die Liste seiner Verbündeten ist kurz, also muss er sich weiter mit ihnen herumplagen.

»Ich zeige es euch. Magni, komm mit mir.«

»Wieso nur Magni?«, mault Modi.

Doch Wali lässt sich nicht beirren.

Vor der Tür fragt Magni: »Und was willst du von mir?«

»Sag es deinem Bruder nicht weiter, aber ich habe gehört, Thor wollte ursprünglich nur dir den Hammer überlassen. Zu Recht, finde ich, der Hammer ist besser bei dir aufgehoben als bei Modi.«

Magni reckt sich stolz. »Nun ja, Mjölnir liegt mir wahrlich besonders geschmeidig in der Hand. Aber erzähle es Modi nicht, er ist bei allem, was den Hammer betrifft, leicht reizbar.«

»Ich behalte es für mich«, verspricht Wali.

»Was habt ihr getuschelt?«, will Modi wissen, als sie zurückkehren.

»Nichts Wichtiges«, behauptet Magni.

Wali lächelt tiefgründig, nimmt aber gleich darauf Modi zur Seite.

»He, he, denk an dein Versprechen, Wali!«, ruft Magni ihnen hinterher.

»Aber ja doch!«, ruft Wali zurück.

»Habt ihr ein Geheimnis vor mir?«, zürnt Modi.

»Nein, nein«, entgegnet Wali, »wir wollen dich nur schonen, weil wir wissen, wie wichtig dir der Hammer ist.«

»Ja, das ist er! Das Wichtigste. Abgesehen von meinem Bruder selbstverständlich.«

»Selbstverständlich!«, stimmt Wali zu. Mehr sagt er nicht, sondern fängt stumm an, bis zehn zu zählen, bereits bei fünf wird er von Modi unterbrochen.

»Schonen, wovor?«

»Ach, nichts!«, windet sich Wali.

»Rede oder ich lasse dich den Hammer spüren!«, droht Modi.

»Bitte nicht!« Wali tut erschrocken. »Ich weiß doch, wie schwer es dir im Moment fällt, ihn zu halten.«

»Was redest du da, Schandmaul? Niemand schwingt Mjölnir besser als ich!«

»Ja, genau – ich habe Magni beruhigt und ihm gesagt, dass euer Vater Thor sich irrte, als er nur ihm den Hammer überlassen wollte. Es ist gut, dass mein Vater Odin ihn überzeugt hat, euch beide zu gleichberechtigten Erben auszuwählen!«

Wali tätschelt Modis Schulter zur Beruhigung. Der sonst stets laute und grobschlächtige Modi wird still. Das ist er noch, als sie zu Magni zurückgehen. Samen gesät, denkt Wali, jetzt kommt die Ernte.

Laut sagt er: »Ich würde euch gerne zum Nachtmahl einladen. Ihr seid doch geschickte Jäger – kann mir einer von euch ein Stück Wild besorgen?«

»Schüre das Feuer an, ich erledige das!«, bietet Magni an.

»Wieso du? Ich kann das ebenso übernehmen!« Modi schnappt sich den Hammer.


Erst als die Sonne bereits langsam den Himmel verlässt, kehrt er zurück.

Mit leeren Händen.

»Wo ist unser Abendessen?«, meckert Magni seinen Bruder an. »Sollen wir von der Tischkante abbeißen?«

»Geh doch selbst, wenn du es besser kannst!«, murrt Modi.

»Mehr als nichts kann ich allemal für uns jagen!«, behauptet Magni.

»Natürlich, der feine Gott Magni trifft auch noch in einem ausgestorbenen Wald ein ganzes Rudel!«, unkt Modi.

»Pah, du triffst in einem ganzen Rudel nicht einmal das älteste und schwächste Tier!«, stänkert Magni.

Zornig wirft Modi Magni den Hammer vor die Füße.

Wali klatscht langsam, aber laut Beifall. »Genau so, meine beiden ungeduldigen Mitstreiter, genau so werden wir unser Ziel erreichen!«

Magni kapiert als Erster. »DU! Du miese Ratte, du hast uns gegeneinander ausgespielt!«

»Nur, um euch das Spiel zu erklären«, verteidigt sich Wali.

Magni ballt die Fäuste. »Niemand stellt sich zwischen mich und meinen Bruder!«

»Kläre uns auf, bevor die Kraft Mjölnirs das Letzte ist, was du zu spüren bekommst!«, droht Modi.

Wali lässt sich seinen Respekt vor der rohen Gewalt nicht anmerken, sondern meint gelassen: »Was bei euch funktioniert hat, funktioniert überall, wenn wir die richtigen Ohren füttern. Ich werde die bereits vorhandenen Zweifel der getreuen Exena schüren. Sie wird die Einigkeit der Auserwählten stören und uns den Jungen in die Arme treiben.« Wali reibt sich die Hände. »Er wird Zeuge sein, wenn wir unsere Macht zeigen, und allen davon erzählen. Dann werdet ihr erleben, wie Midgard vor uns auf die Knie fällt!«

»Wir werden unsere Väter an Ruhm sogar noch überflügeln!«, jubelt Magni.

»Oder ich schlage sie alle nieder!«, grölt Modi.

Rulantica (Bd. 2)

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