Читать книгу Elisabeth Petznek - Michaela Lindinger - Страница 14
Kranke Kinder
ОглавлениеErzsi konnte „normale Ärzte“, wie sie sagte, nicht leiden. Lediglich die Tiermediziner, die sich ihrer Hundezucht annahmen, schafften es gelegentlich, ihre Auftraggeberin zufriedenzustellen. Allerdings waren sowohl Erzsi als auch ihre Kinder häufig kränklich oder richtig krank und litten unter wiederkehrenden Krankheitssymptomen unerklärlicher Herkunft. Insbesondere die Azetonämie-Anfälle ihrer Kinder zehrten an Erzsis Nerven. Diese Krankheit tritt hauptsächlich bei Heranwachsenden auf. Heute nennt man sie Ketose, es handelt sich um eine Stoffwechselkrankheit mit verschiedenen Symptomen wie beständige Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen und vor allem heftiges Erbrechen. Erzsis vier Kinder wuchsen sehr schnell, fast alle erreichten die enorme Körpergröße ihrer Vorfahren auf belgischer Seite, also des Urgroßvaters Leopold II. und der Großmutter Kronprinzessin Stephanie, sowie von Erzsi selbst. Sie wurden fast zwei Meter groß. Dies könnte eine Ursache für die Leiden der Kinder gewesen sein, sicher trugen aber auch der unstete Lebensstil der Mutter, die Abwesenheit des Vaters und überhaupt die in Scheidung lebenden, sich öffentlich bekriegenden Eltern zum Unwohlsein der Kinder bei. Das jüngste Kind von Erzsi und Otto Windisch-Graetz, die Tochter Stephanie, genannt Fee, machte seiner Mutter die meisten Sorgen und jagte ihr sogar regelrecht Angst ein. Oft schien die Heranwachsende halb ohnmächtig, zeigte auf Ansprache keinerlei Reaktionen. Sie schien vollkommen abwesend, nahm kaum wahr, was sich in ihrer Umgebung abspielte. Dass ihr die Tochter immer ähnlicher sah, beunruhigte Erzsi zusätzlich. Da sie viel über „Astralleibe“ und „Doppelgänger“ las, könnte Erzsi sich vor einer Reinkarnation ihrer selbst gefürchtet haben. Fee war ihr zeitweise so unheimlich, dass sie sich von der Tochter angestarrt fühlte, auch wenn diese gar nicht mit ihr im selben Zimmer war.
Erzsi suchte aus diesen Gründen laufend Ärzte, Psychologen und von sich selbst sehr überzeugte Heiler auf, doch die ersehnten Therapieerfolge blieben aus. Kalte Bäder, Stromanwendungen, Homöopathie – alles wurde ausprobiert. Astrologen und Wünschelrutengeher kamen und gingen. Erzsi holte auch sogenannte Wender. Das Wenden wird heute kaum mehr verstanden, es gehört zu den sehr alten Formen der Heilkunde. Man kann es sich als europäische Form des Geistheilens vorstellen. In Niederösterreich, wo Erzsi damals lebte, war es einmal sehr verbreitet, doch schon zu ihrer Zeit gab es kaum noch Wender. Salben, Medikamente oder andere Hilfsmittel werden bei dieser Art des Heilens nicht verabreicht. Der Heiler konzentriert sich auf den Kranken und versucht allein durch die Kraft seiner Gedanken, die Krankheit abzuwenden, das heißt die Krankheit wird „umgewendet“ in Gesundheit. Es gibt auch die Möglichkeit, den Kranken zu besprechen: Der Wender sitzt beim Kranken, verlässt ihn nach einer Weile und nimmt die Krankheit mit sich. Mit einem Spruch wird das Leiden dann aufgelöst. Von manchen Kranken werden solche Menschen „Gesundbeter“ genannt – vor allem, wenn sich Patient und Heiler nicht am selben Ort befinden. Mit Beten haben Wender im Allgemeinen jedoch nichts zu tun. Ihre Methoden stammen durchwegs aus den vorchristlichen Jahrhunderten und Menschen, die es nach dem Mittelalter noch praktizierten, wurden als „Hexen“ und „Zauberer“ verfolgt. Die meisten Wender fielen dem Hexenwahn zum Opfer, ihre Fähigkeiten starben – zum allergrößten Teil – mit ihnen.
Aus der Sammlung Peter Altenbergs: Erzsi mit ihren Kindern, um 1914
Die Söhne Franzi und Erni erzählten später von ihren Brechanfällen und von Erzsis Art, diese zu bekämpfen. Auf Anraten eines „Heilers“ mussten die Kinder Unmengen Spinat essen, was sich günstig auf die Verdauung auswirken sollte.