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Sarah stand vor dem Aufzug und wusste nicht, ob sie heulen oder lachen sollte. Sie wohnte noch nicht lange hier, aber dieses Mistding von Fahrstuhl war mehr kaputt als dass es funktionierte. Resigniert blickte sie auf den Boden. Dort standen drei Einkaufstüten, zwei Kästen Wasser und ein Karton Wein. Da sie es hasste, alle zwei Tage einkaufen zu gehen, hatte sie diesmal vorgesorgt und für die nächsten zwei Wochen eingekauft. „Hätte ich das bloß nicht getan“, murmelte sie und griff sich ergeben zwei von den Tüten.

„Da komme ich ja grade richtig“, hörte sie eine dunkle Stimme hinter sich. „So kann ich mich wenigstens ein wenig für die Hilfe am Wochenende revanchieren.“

Sarah drehte sich um und blickte in Lucas lächelndes Gesicht. Er stand in voller Motorradmontur hinter ihr, legte den Helm auf den Boden und schnappte sich die beiden Kästen Wasser. Sarah konnte nicht umhin zu bemerken, dass er in diesen Lederklamotten ziemlich reizvoll aussah. Sie hatte schon immer eine Schwäche für Leder. Es roch gut und verbarg nichts; jedenfalls nicht, wenn es so eng anlag, wie das bei Luca der Fall war. „Rettung in letzter Sekunde. Ich habe schon überlegt, ob ich den Karton auf dem Kopf balancieren kann, damit ich wenigstens nur zweimal hoch und runter muss.“

Luca lachte auf. „Ich glaube, diesen Fahrstuhl habe ich erst zweimal benutzt, und das auch nur, weil ich ein kaputtes Bein hatte. Sooft wie der kaputt ist, bleibt noch mal jemand drin stecken.“

Sarah folgte ihm die Treppen hoch. Allein bei dem Gedanken, in einer dunklen, engen Kabine stecken zu bleiben, schüttelte es sie. Sie nahm sich vor, ab jetzt doch lieber zu Fuß zu gehen. Vor ihrer Wohnungstür stellte Luca die beiden Kästen ab und eilte wieder nach unten, um den Karton und die letzte Tüte zu holen. Sarah blickte ihm hinterher und war dankbar, dass er, und nicht Bruno in dem Moment gekommen war. Dann schloss sie die Tür auf und trug die zwei Einkaufstaschen in die Küche.

„Gibst du eine Party?“, fragte Luca, der bereits wieder oben war und hinter ihr die Küche betrat.

Sarah schüttelte den Kopf. „Ich habe mich für die nächsten zwei Wochen mit allem nötigen eingedeckt. Aber in Zukunft werde ich doch lieber etwas weniger kaufen.“

„Wäre ratsam.“ Er lächelte sie an. „Ich kann schließlich nicht immer in deiner Nähe sein, wenn du Hilfe brauchst.“

„Eigentlich schade“, rutschte es Sarah raus.

Jetzt lachte Luca laut auf. „Ich fühle mich geschmeichelt.“

„Möchtest du ein Glas Wein“, lenkte Sarah schnell ab, während sie sich wegdrehte. Sie spürte wie sie rot wurde, und das sollte ihm auf keinen Fall auffallen. Gott, sie führte sich auf wie ein Teenager. Als wäre sie noch nie mit einem ohne Zweifel sehr attraktiven Mann alleine gewesen. Obwohl, wenn sie so drüber nachdachte, war das tatsächlich sehr lange her.

„Gerne“, antwortete er und unterbrach damit ihre Gedanken. „Wo hast du einen Korkenzieher?“

Sarah deutete auf eine der Schubladen, während sie zwei Weißweingläser holte.

Sie sah, wie Luca den ersten Schluck in den Ausguss goss und dann erst die Gläser füllte.

„Du kennst dich aus mit Wein“, stellte sie fest.

„Ich bin quasi damit groß geworden. Meine Eltern gaben oft Dinnerpartys.“

Da Luca keine Anstalten machte, näheres zu erzählen, hakte sie auch nicht nach. Sie nahm die beiden Gläser und ging ins Wohnzimmer. Luca folgte ihr, ließ sich auf ihrem bequemen Sofa nieder und blickte sich um. Während er seinen Blick schweifen ließ, konnte Sarah ihn ungehindert mustern. Als er das erste Mal bei ihr gewesen war, hatte ihr dazu die Muse gefehlt. Sie bemerkte, dass er trotz seines Dreitage-Bartes ein sehr gepflegter Mann war. Seine Fingernägel waren ordentlich kurz geschnitten, und er hatte große Hände mit langen schlanken Fingern. Sarah fand, dass die Hände eines Mannes für den ersten Eindruck mindestens genauso wichtig waren wie das Gesicht. Ein paar kleinere Kratzer zeugten davon, dass er durchaus auch mit seinen Händen arbeitete. Ihr Blick glitt über seine breite Brust auf seine vollen Lippen, die er zu einem angedeuteten Lächeln verzogen hatte. Seine Zähne waren ebenmäßig und weiß, was dafür sprach, dass er wohl kein Raucher oder übermäßiger Teetrinker war.

„Übrigens, noch mal danke für neulich. Meinen Eltern ist das Veilchen nicht aufgefallen.“

Sarah blickte in seine grünen Augen und verspürte ein angenehmes Kribbeln in der Magengegend. „Gern geschehen. Aber es wäre einfacher, sich aus Schlägereien herauszuhalten“, konnte sie sich nicht verkneifen, hinzuzufügen.

Luca verzog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen. „Ich ziehe den Ärger irgendwie an. Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich lediglich zwei charmante Frauen vor einer Bande ungehobelter Rabauken gerettet habe.“

Sarah betrachtete ihn stumm. Für sie hatte sich noch nie ein Mann geprügelt. Sie fand sie das sehr anziehend an ihm. Sie bemerkte, dass Luca sie fragend ansah.

„Entschuldige bitte, ich war mit meinen Gedanken woanders. Was hast du gefragt?“

„Hm – jetzt möchte ich viel lieber wissen, wo du mit deinen Gedanken warst? Kann es sein, dass dich meine Gegenwart langweilt und du an andere Männer denkst.“

Angriff ist die beste Verteidigung, dachte Sarah und entgegnete schnippisch: „Ich habe mir grade überlegt, dass ich sehr geschmeichelt wäre, wenn du dich meinetwegen prügeln würdest.“

Wieder lachte er laut auf. „Ich werde es auf meine Liste setzen. Aber nur, wenn du mich hinterher verarztest. Und nur auf einem Montag.“

„Wieso ausgerechnet montags?“

„Weil ich fast jeden Sonntag bei meinen Eltern zum Essen bin. Bis dahin sind eventuelle Wunden verheilt.“

Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Es wäre einfacher, die Prügelei von der Liste zu streichen.“

„Aber wer will schon immer das Einfachste?“ Er blickte sie über den Rand des Glases intensiv an. Sarah fiel auf, dass er für einen Mann wahnsinnig lange und dunkle Wimpern hatte.

„Wo kommst du eigentlich her?“

Sarah räusperte sich. Irgendwie brachte Luca sie durcheinander. Es war verdammt lange her, seit sie wegen eines Mannes durcheinander war. „Ich komme aus Hannover.“

„Und was hat dich in den Taunus verschlagen?“

„Du meinst außer dieser Wahnsinnsgegend?“

Er zuckte mit den Schultern. Luca war in Bad Homburg aufgewachsen. Er sah die Schönheit des Taunus schon lange nicht mehr.

„Ich habe hier einen Job bekommen und ihn angenommen. So einfach ist das.“

Luca wusste aus Erfahrung, dass nichts so einfach war. Es steckte bestimmt eine Geschichte dahinter. Aber Sarah wollte nicht darüber reden. Also drang er auch nicht weiter in sie.

„Ich muss jetzt leider gehen“, sagte er mit einem Blick auf seine Uhr und stand gleichzeitig auf. „Vielen Dank für den Wein.“

Sarah war enttäuscht und brachte ihn zur Tür. Danke fürs Hochtragen der Einkäufe“, bedankte sie sich. Im Treppenhaus drehte sich Luca noch einmal zu ihr um. „Hast du Lust, morgen mit mir ins Kino zu gehen?“

Sarah, die mit so etwas nicht gerechnet hatte, überlegte einen Augenblick. Sie hatte Frühdienst und danach nichts Bestimmtes vor. Wie denn auch, sie kannte noch kaum Leute hier. Es gab Schlimmeres, als mit einem attraktiven Mann ins Kino zu gehen.

„Sehr gerne.“

„Gut. Ich hole dich um sechzehn Uhr ab. Nimm Schwimmsachen und einen Bademantel mit.“

Sarah, die glaubte sich verhört zu haben, blickte ihn verständnislos an. „Schwimmsachen?“

Luca beugte sich zu ihr und gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange.

„Vertrau mir!“

Dann ging er und ließ sie in jeder Hinsicht verwirrt zurück.

Schatten und Licht

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