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Vier

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Diese Ungewissheit machte mich rasend. Wer war diese Frau aus dem Casablanca? Hatte Thomas ein Verhältnis mit ihr? Ich dachte an unseren großen Streit. War es das, was Thomas unter der blumigen Umschreibung »Freiheit genießen« verstand? Oder warum sollte er sich sonst nach so vielen schönen gemeinsamen Jahren dagegen sträuben, endlich Nägel mit Köpfen zu machen?

Wie ein eingesperrtes Tier lief ich in der Wohnung umher, rückte hier ein Bild gerade und schob dort einen Blumentopf von rechts nach links.

Obwohl ich normalerweise am Wochenende eine passionierte Langschläferin war, hatten mich die quälenden Gedanken bereits in aller Herrgottsfrühe aus den Federn getrieben. Gegen acht hielt ich es nicht mehr aus und wählte Monas Telefonnummer. Es dauerte eine Weile, bis jemand an den Apparat ging.

»Hmmm«, brummte eine schlaftrunkene Stimme ins Telefon.

»Mona, bist du’s?«, vergewisserte ich mich vorsichtshalber.

»Weiß nich, kann schon sein. Frag mich das in drei Stunden nochmal. Ich leg jetzt wieder auf.«

Daran musste ich sie unbedingt hindern! »Mona«, jammerte ich, »das ist ein Notfall. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.«

Mit einem Schlag war meine Freundin hellwach. Sie hielt sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf, sondern kam sofort zur Sache. »Sag bloß, dieser elende Schuft ist tatsächlich fremdgegangen. Hat er gebeichtet? Seit wann geht das schon? Was hat er gesagt?«

»Nichts.«

»Niiiichts?«

Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, ihn zur Rede zu stellen. Gegen drei bin ich auf dem Sofa eingepennt, da war er immer noch nicht zu Hause. Verdammter Mist! Ich hatte mir fest vorgenommen, wach zu bleiben. Die ganze Zeit habe ich mir zurechtgelegt, was ich ihm sagen wollte, sorgfältig daran herumgefeilt – und es fünf Minuten später wieder verworfen. Dabei müssen mir einfach die Augen zugefallen sein.« Klar, mein Körper spürte instinktiv, was er brauchte, um konkurrenzfähig zu bleiben: Schönheitsschlaf, und zwar reichlich.

»Bist du dir denn sicher, dass er heute Nacht nach Hause gekommen ist?«, tastete Mona sich behutsam vor.

Der Schreck fuhr mir in die Glieder. Die Möglichkeit, dass er nicht in seinem eigenen Bett liegen könnte, hatte ich noch gar nicht in Betracht gezogen. O Gott, und das auf nüchternen Magen!

Ich warf den Hörer wie eine heiße Kartoffel von mir, tappte auf nackten Füßen durch die Diele und legte mein Ohr an die Schlafzimmertür. Mir fiel eine ganze Zentnerladung Steine vom Herzen, denn von drinnen vernahm ich das vertraute Grunzen, das mir schon unzählige Nächte den Schlaf geraubt und mich an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Für jeden Tipp, wie man die Geräuschkulisse eindämmen könnte, ohne dabei den Verursacher zu beseitigen – weder Mord im Affekt noch getrennte Schlafzimmer hielt ich für die geeignete Lösung –, war ich dankbar. Vor allem der Vorschlag, einen Tennisball auf dem Rücken des Schlafanzuges zu befestigen, hatte auf Anhieb meine Zustimmung gefunden. Toll, klang nach Folter! Und warum sollte es ihm besser gehen als mir? Bedauerlicherweise trug Thomas jedoch seit seinem vierzehnten Lebensjahr keine Schlafanzüge mehr. Darum hatte ich leider nie herausgefunden, ob der Trick funktionierte, und Thomas sägte fröhlich weiter.

Heute war ich allerdings ausnahmsweise mal froh, seine rhythmischen Schnarchgeräusche zu hören. Klang es nicht fast schon ein wenig melodisch? Gerade wechselte er den Takt. Zwei kurze Grunzer, dann zwei lange Grunzer. Wie hatte ich das bloß all die Jahre als störend empfinden können?!

»Er liegt im Bett und schnarcht«, teilte ich Mona so überschwänglich mit, als handele es sich dabei um eine nobelpreisverdächtige Leistung.

»Na, das ist ja prima«, antwortete sie nur lakonisch.

Wir redeten noch eine Weile hin und her, aber sie konnte mir keinen anderen Rat geben, als mit Thomas ganz in Ruhe über die Ereignisse der letzten beiden Tage zu sprechen. Auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünschte, als dass sich die Szene, die ich in der Kneipe beobachtet hatte, als harmlos erweisen würde, so war Thomas mir auf jeden Fall eine Erklärung schuldig, wie er sich unsere gemeinsame Zukunft vorstellte.

Nachdem Mona zum dritten Mal in Folge herzhaft gegähnt hatte, konnte ich den Wink mit dem Zaunpfahl nicht länger ignorieren. Zumindest nicht, ohne damit ernsthaft unsere Freundschaft aufs Spiel zu setzen. Sie hatte sowieso was gut bei mir, denn sie schätzte es normalerweise gar nicht, zu so früher Stunde ein Gespräch aufgezwungen zu bekommen.

»Süße, halt die Ohren steif!«, versuchte Mona mir noch einmal Mut zu machen. Eine meiner leichtesten Übungen, denn dank Henriksberg war mein ganzer Körper eine einzige Verspannung.

Während ich mich von Mona verabschiedete, überlegte ich angestrengt, womit ich die Zeit bis zur fälligen Aussprache totschlagen könnte. Mona würde schnurstracks ins Bett zurückkehren, um noch ein wenig an ihrem Kopfkissen zu schnuppern. Das kam für mich nicht in Frage. Ich beschloss, mir erst einmal kräftig den Kopf freipusten zu lassen, schlüpfte in Socken und Gummistiefel und pfiff nach Linus.

Na bravo! Ein typischer Herbsttag, und zwar einer der besonders farbenfrohen Sorte. Nicht nur meine Laune, sondern auch die Natur hatte sich dem aktuellen Modetrend unterworfen: Grau in Grau. Der Himmel war wolkenverhangen, über den Boden zogen dichte Nebelschwaden. Es roch nach Regen. Richtige Weltuntergangsstimmung. Im Nu fühlten sich meine Jeans und meine Daunenjacke klamm an. Igitt, war das ungemütlich! Fröstelnd zog ich mir den Wollschal enger um den Hals. Sollte ich die Schlinge gleich zuziehen oder lieber später? Alternativ könnte ich mich auch in einer der brackigen Pfützen ertränken, in denen Linus sich so gerne wälzte ...

Wie üblich schlugen wir den schmalen Weg in die Felder ein. Wir legten ein ordentliches Tempo vor und setzten schon bald zu unserem ersten Überholmanöver an. Eine alte Frau mit einem kleinen, molligen Dackel im Schlepptau hatte offensichtlich Anlaufschwierigkeiten. »So, Herkules, jetzt gehen wir schön Gassi!«, hörte ich sie sagen. Aber die Schlummerrolle mit dem klangvollen Namen Herkules verspürte partout keinen Bewegungsdrang. Eh die Frau sich’s versah, hatte sich ihr kleiner Begleiter auf seinen dicken Dackelpopo fallen lassen und dachte gar nicht daran, sich freiwillig von der Stelle zu rühren. Nachdem weder gutes Zureden noch lautes Schimpfen den Trotzkopf auf Trab zu bringen vermochten, zauberte die krisenerprobte Hundebesitzerin siegessicher ein Wiener Würstchen aus der Tasche. Bingo! Von einer Sekunde auf die andere setzte Herkules sich watschelnd in Bewegung. Die beiden schienen ein eingespieltes Team zu sein.

Prompt musste ich an Thomas denken. Wir waren auch ein perfekt eingespieltes Team. Zu perfekt? War es vielleicht das, was ihm Angst machte? Hatte er Schiss, dass es immer so weitergehen würde? Tag für Tag, das ganze Leben. Befürchtete er, etwas zu verpassen? Vermisste er die Spannung, die Überraschungen? Wir kannten einander fast in- und auswendig. Oft wusste ich im Voraus, was Thomas denken, tun oder sagen würde, und ihm ging es andersherum genauso. Unsere Beziehung verlief in geregelten, ruhigen Bahnen. Gut, mitunter war unser Zusammenleben etwas monoton geworden. Aber war das nicht normal nach so vielen Jahren? Was konnte man da schon großartig erwarten? Dass der Partner plötzlich im Bett einen doppelten Salto schlägt oder dass der Fleurop-Bote täglich dreimal klingelt?

Unwillkürlich lief ich schneller, mein Atem ging stoßweise. Natürlich vermisste ich auch ab und zu dieses Kribbeln. Dieses Gefühl, wenn auf einmal alles versagt: der Kreislauf, das Deo, der Verstand ... Aber alles Neue würde irgendwann alt sein, der anfängliche Reiz würde verfliegen. Wollte Thomas für diesen kurzen Kick unsere Beziehung aufs Spiel setzen? Meine Gedanken purzelten wild durcheinander. Die ganze Situation erschien mir auf einmal so irreal, so absurd. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Es war noch keine zwei Tage her, da war ich mir sicher gewesen, dass wir heiraten würden und bald ein kleiner Hosenscheißer unsere Wohnung und unseren Alltag auf den Kopf stellen würde. Wenn Thomas das alles gar nicht wollte, hatte unsere Beziehung dann überhaupt eine Perspektive? Ich war ein Familienmensch, schon immer gewesen, ein Leben ohne Kinder kam für mich nicht in Frage.

Ich vergrub meine Hände noch tiefer in den Jackentaschen. So oder so, ich musste herausfinden, ob ich nur bis zum Bauchnabel oder schon bis zum Hals in der Scheiße steckte!

Die ersten Tropfen, die dick und schwer auf meinem Kopf landeten, rissen mich aus meinen Grübeleien. Sorgenvoll schaute ich nach oben. Der Himmel war rabenschwarz, über uns türmten sich riesige, dunkle Wolkenberge. Von wegen alles Gute kommt von oben – jede Menge Schlechtes leider auch! Innerhalb von Sekunden steigerte sich der Regenschauer zu einem heftigen Wolkenbruch. Ruck, zuck war ich nass bis auf die Haut, und die Daunenjacke zog mich auf dem Nachhauseweg bei jedem Schritt wie ein tonnenschweres Gewicht nach unten.

Als ich die warme Küche betrat, war Thomas gerade damit beschäftigt, ein Brötchen fingerdick mit Butter und Marmelade zu bestreichen. Er pfiff fröhlich vor sich hin und machte einen durch und durch gut gelaunten und unbekümmerten Eindruck. Eingehüllt in eine Wolke seines markanten Aftershaves, verströmte er aus jeder Pore Frische und Vitalität. Sosehr ich diese Ausstrahlung sonst an ihm mochte, in diesem Moment hasste ich ihn dafür. Konnte er nicht ein bisschen vergrämt aussehen? Wenn schon nicht aus Überzeugung, dann wenigstens mir zuliebe?

Seit unserer Auseinandersetzung hatten wir noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Aber unsere Differenzen in puncto Zukunftsplanung schienen ihm, wie ich ja gestern Abend bereits hatte feststellen dürfen, nicht so wahnsinnig nahe zu gehen.

Auf einmal packte mich die blanke Wut. Ich zermarterte mir den Kopf über ihn, nein, vielmehr über uns, und er schlug sich die Nächte mit einer anderen Frau um die Ohren und schmauste in aller Seelenruhe feiste Marmeladenbrötchen. So als wäre nichts, aber auch wirklich gar nichts geschehen!

Thomas musterte mich belustigt von oben bis unten. »Du bist ja patschnass. Du hättest einen Schirm mitnehmen sollen.«

»Was du nicht sagst«, antwortete ich bissig.

Thomas ignorierte meine Feindseligkeit und biss herzhaft in sein Brötchen. Ich hätte meinen Hintern darauf verwetten können, dass ich die Krümel später auf dem Küchenboden wieder finden würde. »Kannst du dich heute um den Hund kümmern? Ich habe gleich einen Kundentermin«, nuschelte er mit vollem Mund.

Wahrscheinlich war es gar keine berufliche, sondern eine höchst private, wenn nicht sogar intime Verabredung!

»Heute ist Samstag«, versuchte ich Zeit zu schinden, um mir eine Strategie zurechtzulegen.

»Natürlich ist heute Samstag, das weiß ich auch. Nur stört das meine Kunden herzlich wenig.« Thomas griff nach einer bunten Kapsel und spülte sie mit einem Schluck Orangensaft herunter. Er war der reinste Vitaminjunkie. Ein gefundenes Fressen für jeden Apotheker. Es gab keine Pille und kein Pülverchen, das er sich noch nicht hatte aufschwatzen lassen. Anstatt einfach mal zwischendurch einen Apfel oder eine Banane zu essen, kippte er lieber Massen von diesem Zeug in sich rein.

»Sonst nimmst du Linus doch auch immer mit.« Es sollte harmlos klingen, aber der misstrauische, spitze Unterton war kaum zu überhören.

»Herrgott nochmal, diesmal wird es voraussichtlich etwas länger dauern. Der Termin ist eben wichtig«, antwortete Thomas jetzt auch gereizt. Er strich sich unwillig die vorwitzige Haarsträhne, die vom Duschen noch feucht war, aus der Stirn.

»Ach, ich verstehe, und dabei stört ein Anstandswauwau natürlich. So wie gestern Abend zum Beispiel.« Die hysterischen kleinen Kiekser in meiner Stimme gefielen mir gar nicht.

Dieses Gespräch, so viel war sicher, lief in die komplett falsche Richtung. Ich kam mir vor wie ein Geisterfahrer, ein frontaler Zusammenstoß war vorprogrammiert.

Thomas schaute von seinem Brötchen auf. Sein Blick verhieß nichts Gutes. Gleich würde es krachen. »Ach, das ist ja hochinteressant. Machst du schon einen auf Ehefrau? Boah, wie erbärmlich, du spionierst mir also nach.«

Rums! Krach! Schepper!

Jetzt noch an Schadensbegrenzung zu denken war überflüssig. »Pah!« Ich stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Das war gar nicht nötig. Wie du eigentlich wissen müsstest, bist du nicht der einzige Mensch in dieser Stadt, der im Casablanca verkehrt.«

Hatte ich wirklich gerade »verkehrt« gesagt? Meister Freud lässt grüßen ...

»Und wie du eigentlich wissen müsstest, bist du nicht das einzige weibliche Wesen auf diesem Kontinent. Nur zu deiner Information: Valerie ist eine klasse Frau.« Das glaubte ich ihm aufs Wort. »Sie versteht mich wenigstens«, redete er sich immer weiter in Rage. »Ob du’s glaubst oder nicht, es gibt auch Frauen, emanzipierte Frauen übrigens, die nicht so versessen darauf sind, einen Mann an die Leine zu legen, wie du.«

»Das würde ich auch sagen, um dich ins Bett zu kriegen«, stichelte ich. »Oder hat sie das vielleicht sogar schon?«

So, jetzt mal raus mit der Sprache! Red schon! Oder muss ich dir erst Daumenschrauben anlegen?!

Wütend starrten wir uns an, Thomas wich meinem Blick zuerst aus. »Die Frage ist mir einfach zu blöd, um darauf zu antworten.«

Nicht mit mir, Bürschchen! Wenn er glaubte, dass ich mich so leicht abspeisen ließ, dann hatte er sich aber geschnitten. »Na schön, dann stelle ich dir zur Abwechslung mal eine schlaue Frage«, zischte ich. »Ist sie der Grund dafür, dass du mich nicht heiraten willst?« Ich fühlte mich wie Eva – kurz vor der Vertreibung aus dem Paradies. Angstvoll hielt ich den Atem an.

Thomas’ Gesicht lief rot an, ob aus Zorn oder aus schlechtem Gewissen vermochte ich nicht zu beurteilen. »Nein, ist sie nicht!«

Ich ließ geräuschvoll die angehaltene Luft entweichen. »Aber warum dann, Thomas? Warum bist du gegen eine Hochzeit?«

»Ich will einfach nicht heiraten. Weder dich noch sonst jemanden. Und damit basta. Geht das eigentlich nicht in deinen gottverdammten Schädel rein?!«, schrie er.

Ich war vielleicht schwer von Begriff, aber nicht taub.

»Anscheinend ist ein Verhältnis mit einer anderen der einzige Grund, den du akzeptierst«, schimpfte Thomas zornig weiter. »Na schön, du hast es ja nicht anders gewollt, dann gebe ich es eben zu: Ja, ich habe eine Affäre. Ich habe ein Verhältnis mit Valerie. Bist du jetzt zufrieden?«

Zufrieden? Und wie zufrieden ich war! So zufrieden, wie man nur sein kann, wenn einem alles, woran man bisher geglaubt hat, wie ein Silvesterböller um die Ohren fliegt.

»Das war’s dann wohl«, sagte ich tonlos. Los, widersprich mir!, betete ich. Sag, dass alles wieder gut wird. Dass wir das gemeinsam schon hinkriegen. Dass das nur eine lächerliche kleine Krise ist. Dass die Geschichte mit dem Seitensprung ein dummer, geschmackloser Scherz gewesen ist. Völlig egal, was du sagst, erzähl mir irgendwelche Märchen, ich glaub dir alles. Bloß lass dir was einfallen!

Aber Thomas war offenbar gerade nicht in Stimmung, sich etwas einfallen zu lassen. »Ja, das war’s dann wohl.«

Meine Knie wurden auf einmal weich wie Wackelpudding, Halt suchend stützte ich mich auf dem Küchentisch ab. Mein Mund war so trocken wie die Wüste Gobi. Das unheilvolle Schweigen, das wie Blei auf meinen Schultern lastete, gab mir den Rest. Plötzlich wurde mir Thomas’ Anwesenheit unerträglich, sie nahm mir die Luft zum Atmen. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle rausgeschmissen. Mein Hals war wie zugeschnürt. »Wann ziehst du aus?«, presste ich mühsam hervor.

Herr Vogel zeigte mir denselben. »Du hast doch echt ’n Rad ab! Wenn hier einer auszieht, dann bist du es ja wohl. Von mir aus könnte alles so weiterlaufen wie bisher.«

»Das glaube ich dir gerne«, bemerkte ich ironisch. »Bloß schade, dass in Deutschland die Vielweiberei verboten ist.«

»Himmel Donnerwetter, du bist schließlich diejenige, die unbedingt einen Ring am Finger haben will.«

Logisch, ein Luxusweibchen wie ich war eben scharf auf Klunker ... Als ob ich ihn, nach dem, was er mir eben offenbart hatte, überhaupt geheiratet hätte! Nicht für Geld dabei!

»Und wer von uns beiden hat denn munter in der Gegend rumgevögelt!?«

»Du bist wirklich ..., ach was, leck mich doch!«

Das würde ich ganz bestimmt nicht tun!

Thomas rauschte aus der Küche, kurz darauf hörte ich die Wohnungstür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Rums! Alles um mich herum bebte. Schätzungsweise Stärke fünf auf der Richterskala.

Meine Augen brannten wie Teufel. Nein, ich würde nicht weinen, nicht schon wieder und schon gar nicht wegen dieses elenden Scheißkerls. Wenigstens einen Rest Würde und Selbstachtung wollte ich mir bewahren.

Ich hatte mir selbst die ganze Zeit etwas vorgemacht. Unsere Beziehung war für Thomas so bequem und praktisch wie ein alter, ausgelatschter Pantoffel, den er bei der erstbesten Gelegenheit einfach fortwarf. Mein Nachfolgemodell stand ja schon bereit, um ihn mit offenen Armen und wiegenden Brüsten zu empfangen.

Zum Teufel mit ihm und dieser Schlampe! Ich hatte mich noch niemals zuvor so gedemütigt gefühlt.

Erneut kroch heiße Wut in mir hoch und trieb mein Blut Richtung Siedepunkt. Ich konnte mich gar nicht entscheiden, auf wen ich mehr wütend sein sollte. Auf ihn, weil er mich einfach aufs Abstellgleis geschoben hatte, oder auf mich, weil ich zu doof gewesen war, um es rechtzeitig zu bemerken.

Mannlos, freudlos und kinderlos – das waren ja tolle Zukunftsaussichten! Ich bemühte mich, diesen fiesen, stechenden Schmerz in meinem Inneren zu ignorieren. Bestimmt hatte ich bloß Hunger, versuchte ich mir einzureden, einfach bloß Hunger. Nichts, was sich nicht mit ein paar nahrhaften Schokoladenkeksen oder einem Käseschnittchen beheben ließe.

In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Ein kleiner Funke Hoffnung glomm auf. Ob Thomas ... Vielleicht von seinem Handy ... Ich hechtete an den Apparat.

»Köster.«

»Köster? Oh, Entschuldigung, da habe ich mich wohl verwählt.« Ärgerlich knallte ich den Hörer auf. Manche Leute waren einfach zu dämlich, um ein paar läppische Tasten zu drücken. Ein Besuch am Geldautomaten musste für sie eine echte Herausforderung sein.

Ich war auf dem Weg in die Küche, um den galligen Geschmack in meinem Mund mit ein paar Tassen Kaffee hinunterzuspülen, da läutete schon wieder das Telefon.

»Ja, Köster!« Mein Stimmchen klang vermutlich alles andere als lieblich.

»Ist das nicht der Anschluss von Thomas Vogel?« Die gleiche Frauenstimme wie vor zwei Minuten. Ich versuchte den dunklen, leicht rauchigen Klang mit der Frau aus dem Casablanca in Verbindung zu bringen. Passt, wackelt und hat Luft. Anscheinend hatte der Lümmel ihr verschwiegen, dass er nicht allein lebte. Aber das würde sich ja nun bald ändern.

»Mit wem habe ich denn bitte das Vergnügen?«, fragte ich zuckersüß. Wie war noch gleich ihr Name? Natalie? Vanessa?

»Valerie Jansen. Ist Thomas da?« Schon wie sie seinen Namen aussprach!

Ich war so perplex, dass ich diesem Luder, das mir meinen Freund, Pardon Exfreund, ausgespannt hatte, auch noch antwortete: »Nein, Thomas ist nicht da.«

»Na wunderbar«, hauchte sie. Wahrscheinlich würde aus ihrem Mund selbst »Einmal Currywurst mit Pommes« erotisch klingen. »Dann wird er sicher jeden Moment bei mir eintreffen.« Also doch! Mein erster Verdacht war richtig gewesen. Kundentermin? Ja, Pustekuchen! Wie oft hatte Thomas in den vergangenen Wochen seine Arbeit vorgeschoben, um sich heimlich mit ihr zu treffen? Und ich dusselige Kuh hatte ihn wegen des Stresses im Büro auch noch bemitleidet! Mir stieg die Galle hoch. Gott, was war ich dumm und naiv gewesen!

»Schönen Tag noch«, säuselte es auf einmal nah an meinem Ohr. Ich hatte total vergessen, dass ich immer noch den Telefonhörer in der Hand hielt.

Schönen Tag noch – guter Scherz. Da lachen wir dann morgen drüber ...

Gerade setzte ich zu einer bissigen Erwiderung an, da wurde mir bewusst, dass es am anderen Ende der Leitung verdächtig still geworden war. Aufgelegt. So eine bodenlose Frechheit! Wenn es jemandem zustand, das Gespräch zu beenden, dann ja wohl mir! Wahrscheinlich würden Thomas und diese Valerie sich gemeinsam bei einem Gläschen Champagner über dieses Telefonat halb totlachen.

Vor Zorn bebend, pfefferte ich den Hörer auf die Gabel zurück. Der Apparat ächzte Besorgnis erregend. Lange würde er meine Zornattacken sicherlich nicht mehr über sich ergehen lassen. Sei es drum, irgendwie musste ich nun mal Dampf ablassen.

Beim Stichwort Dampf hatte ich eine spontane Eingebung.

Ich lief ins Arbeitszimmer und durchwühlte die Schreibtischschubladen. Schließlich fand ich das, wonach ich gesucht hatte: ein altes, zerknautschtes und schon fast, aber eben nur fast in Vergessenheit geratenes Päckchen Zigaretten. Ich angelte mit zitternden Fingern einen Glimmstängel aus der Packung, zündete ihn an und nahm einen kräftigen Zug.

Aaah, was tat das gut! Ein leichtes Schwindelgefühl erfasste mich. Mein treuer, sadistisch veranlagter Henriksberg begann vor meinen Augen hin und her zu schwanken wie ein besoffener Leichtmatrose. Na, Kumpel, alles klar?

So, damit wäre das schon mal geklärt: In Zukunft würde ich wieder rauchen, wann immer und wo immer ich wollte. Wenn’s sein musste, auch Kette. Vorzugsweise natürlich im Wohnzimmer, weil Thomas das auf den Tod nicht leiden konnte. Und falls er damit ein Problem hatte, war es genau das: sein Problem. Sollte er doch bei diesem Megaweib Zuflucht suchen! Denn eins war so sicher wie die Steuer: Selbst wenn ich vor lauter Qualm ersticken müsste, ich würde keinen Zentimeter aus der Wohnung weichen. Ende der Ansage.

Ich suchte einen Aschenbecher, fand aber auf die Schnelle keinen, und so benutzte ich der Einfachheit halber eine Untertasse. Darauf kam es nun auch nicht mehr an.

»Das war’s dann wohl.« Diese Worte hallten unaufhörlich in meinen Ohren wider. Verdammt, konnte mal einer das Echo abschalten?!

Aufgewühlt stapfte ich mit der Zigarette in der Hand zwischen Küche, Wohnzimmer und Badezimmer hin und her. Küche, Wohnzimmer, Badezimmer, Küche ... Wenn ich nicht bald damit aufhörte, würde mein Marathonlauf eine tiefe Furche im Teppichboden hinterlassen. Ich drückte die Zigarette aus.

Abreagieren – irgendwie musste ich mich jetzt abreagieren. Und die sonst so verhasste Hausarbeit war in solchen Fällen genau die richtige Therapie.

Die überquellende Wäschetonne sprang mich förmlich an. Ich leerte den Inhalt auf dem Fußboden aus und begann penibel genau, Thomas’ Kleidungsstücke auszusortieren. Wie kam ich denn dazu, dieser miesen Ratte auch noch als Belohnung die Wäsche zu waschen?!

Aber eigentlich hasste ich kleinkariertes Verhalten jeder Art. Hin und wieder muss man einfach mal fünfe gerade sein lassen! Entschlossen griff ich nach einem Berg weißer Feinrippunterhosen, von denen Thomas sich trotz meines heftigen Protests partout nie hatte trennen wollen, und stopfte sie in die Waschmaschine. Dann durchforstete ich meine eigene Wäsche und wurde bei einer roten Socke fündig.

Nachdem ich die Maschine angestellt hatte – Kochwäsche, wie es sich gehört –, ließ ich mich mit einem Gefühl tiefer Befriedigung auf den kalten Badezimmerfliesen nieder.

Heißa, nicht nur bei ARD und ZDF sitzt man in der ersten Reihe ... Dieses Schauspiel wollte ich mir um nichts auf der Welt entgehen lassen!

Die Entsetzensschreie, die am späten Abend aus dem Badezimmer drangen, ließen mich kalt. Im Krieg und in der Liebe war schließlich alles erlaubt. Und wenn Thomas Krieg haben wollte – bitte schön, den konnte er haben!

Die Lavendelschlacht

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