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Kapitel 5

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Noch während Miguel sich umdrehte, holte Kayla aus und traf ihm mit dem Handrücken mitten im Gesicht. Dann trat sie ihr Knie in seinen Bauch, dass er in die Knie ging und nach Luft schnappte. „Müsstest du für den dämlichen Wahlkampf nicht dein dummes Gesicht in die Kamera halten, würde ich dir jetzt die Nase brechen“, sagte sie mit einem bedrohlichen Unterton und drückte Miguel an seinen Schultern weiterhin zu Boden, ihr Knie leicht gehoben, als würde ein falsches Wort seinerseits es hervorschießen lassen. „Kayla! Schön dich zu sehen“, begrüßte Frau Braggs sie, und Kayla wandte sich um. „Wag es nicht aufzustehen“, fauchte sie noch Miguel an, bevor sie sich endgültig umdrehte. „Hallo Frau Braggs. Es tut mir Leid, dass ich das nicht bemerkt habe, ich war beruflich sehr eingespannt und…“ Frau Braggs hob die Hand, um Kayla zu unterbrechen: „Es ist nicht dein Vergehen, Kayla, also brauchst du dich auch nicht zu entschuldigen. Wir müssen Jeanette nur ungesehen zu euch schaffen, um den Rest kümmere ich mich und, naja, was ihn betrifft, musst du natürlich selbst wissen, wie du das regeln möchtest, aber ich steh dir natürlich immer zur Seite.“ Sie nickte in Miguels Richtung und Kayla antwortete: „Darüber können wir dann bei uns zu Hause reden. Ich habe einem Kollegen von Miguel mitgeteilt, dass wir zusammen Mittag essen gehen wollen und Sie eine Freundin aus Uni-Zeiten seien. Er sollte nur unten Bescheid geben, dass er sich den Rest des Tages freinehmen wird und auch Jeanette freistellt, damit wir in dieser Hinsicht keine Aufmerksamkeit erregen. Da um diese Zeit viele Pause machen dürften und entweder hier in der Cafeteria oder außerhalb essen, sollten wir ungehindert ins Parkhaus kommen. Ich habe auch direkt neben dem Aufzug geparkt, so dass es keine Zwischenfälle geben sollte.“ Frau Braggs schenkt Kayla ein zufriedenes Lächeln und stellte fest: „Na wenigstens einen von euch hab ich gut hinbekommen.“ Die immerwährende Kälte in Frau Braggs grünen Augen entging Kayla zwar nicht, dennoch erwiderte sie das Lächeln und bedankte sich höflich. „Ich habe meinen Wagen woanders geparkt, von daher würde ich dir jetzt die Verantwortung für Jeanette überlassen. Soll ich Miguel mitnehmen oder möchtest du das tun?“ „Soll ich Sie bei Ihrem Auto absetzen? Ich denke, es wäre besser, wenn er auch durch die Garage verschwindet“, bemerkte Kayla und erhielt ein zustimmendes Nicken von Frau Braggs. „Gut, dann stehen jetzt beide unter deiner Verantwortung, und wir treffen uns bei euch Zuhause. Zu dem Parkplatz, wo ich stehe, sind es nur ein paar Schritte, trotzdem ein nettes Angebot. Dann würde ich sagen, rufst du jetzt unten an und nimmst dir frei“, wies sie den immer noch am Boden hockenden Miguel an. Dieser erhob sich und ging zum Schreibtisch, an dem die beiden Frauen saßen und jede seiner Bewegungen aufmerksam verfolgten. Mit einer raschen Handbewegung ergriff er den Hörer und wurde per Kurzwahltaste mit dem Empfang unten verbunden. „Hallo Janis, ja das geht in Ordnung, sie ist eine Freundin meiner Frau, wir wollten jetzt Mittag essen gehen. Ich hatte es ganz vergessen“, sagte er mit einem gespielten Lachen, wobei er zugleich nervös Frau Braggs anblickte. „Wissen Sie, ich wollte mir heute den Rest des Tages freinehmen. Durch den ganzen Wahlkampf hab ich kaum noch Zeit für meine Liebste. Jeanette hab ich auch schon nach Hause geschickt. Wenn Sie wohl so gut sein könnten und meine restlichen Termine verschieben. Ich danke Ihnen Janis, Sie sind ein Schatz“, wieder lachte er, und nachdem er noch einige Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatte, legte er auf. „Mit Liebste meinst du Jeanette oder mich?“, fragte Kayla eisig und warf ihm einen bösen Blick zu. Miguel erwiderte den Blick betroffen und setzte zu erneuten Erklärungsversuchen an: „Hör zu, es tu mir wirklich Leid. Es ist schließlich keine richtige Ehe, und sie ist was Besonderes für mich und…“ „Das reicht!“, unterbrach Frau Braggs ihn: „Es gibt keine Entschuldigung für das, was du getan hast, und ich bin es Leid deine Ausreden zu hören. Wir reden Zuhause darüber und jetzt los. Miguel, du trägst Jeanette zum Auto, und Kayla, du sorgst dafür, dass euch keiner sieht.“ „Ja“, kam es von beiden gleichzeitig und für einen kurzen Moment fühlten sie sich zwanzig Jahre zurückversetzt als sie gemeinsam Nachsitzen mussten. Frau Braggs nickte zufrieden, und Miguel nahm Jeanette behutsam vom Boden auf und hielt sie fest in seinen Armen. Kayla nahm seine Jacke mitsamt Portemonnaie und Schlüsseln an sich. Frau Braggs packte ihre Unterlagen in ihre Handtasche und verließ als erste das Büro. Kayla schloss ab, während Frau Braggs den ersten Aufzug ins Erdgeschoss nahm. Kayla und Miguel mit Jeanette in den Armen nahmen den nächsten Lift, damit sie direkt ins Parkhaus durchfahren konnten. Kayla wirkte angespannt und trommelte die ganze Zeit mit den Fingern gegen die Wand des Aufzugs, doch sie sprach kein Wort mit Miguel, der bemüht war, jeglichen Blickkontakt zu vermeiden. Als sie im Untergeschoss hielten, trat Kayla zuerst raus und blickte sich kurz im Parkhaus um. Da niemand zu sehen war, winkte sie Miguel hinter sich her. „Tja, einer von euch muss in den Kofferraum, und ich tendiere stark dazu, dass du derjenige bist“, giftete Kayla ihn an. „Wir könnten auch mein Auto nehmen“, schlug Miguel vor, ohne auf sie einzugehen. „Macht sich nicht so gut, wenn wir an einer Ampel stehen und eine regungslose Frau auf der Rückbank hängt“, entgegnete Kayla zynisch und öffnete den Kofferraum. Miguel legte seine Geliebte fürsorglich ab und murmelte: „Hoffentlich wacht sie erst Zuhause auf.“ Kayla zuckte bloß mit den Schultern und hieß ihn einzusteigen. Während sie den Motor anließ, versuchte Miguel erneut, sich bei ihr zu entschuldigen: „Kayla, was da passiert ist, tut mir wirklich Leid.“ „Das tut es nicht, und das wissen wir beide. Du hast eben nicht mit deinem Kopf gedacht, sondern wie üblich einfach das gemacht, worauf du eben grade Lust hattest. Das du damit meine oder die Arbeit von anderen aufs Spiel setzt, ist dir dabei vollkommen gleichgültig. Hauptsache, du kannst deinen Spaß haben, und genau das war schon immer dein Problem. Du denkst nur an dich selbst, nicht an mich, nicht an andere, nicht an den Plan. Dein Glück, dass du eine wichtige Aufgabe erhalten und diese bisher noch nicht ganz vermasselt hast, sonst dürftest du jetzt auf dem Campus das Tor auf und zu machen, weil du eine Gefahr für unsere ganze Organisation bist. Nur tu uns beiden einen Gefallen und hör auf, mir etwas vorzumachen“, erwiderte Kayla in ruhigem und kühlem Tonfall.

Miguel sah sie von der Seite an, als könne er nicht begreifen, was aus seiner Frau geworden war. Wo war das Mädchen, das er vor zwanzig Jahren kennen gelernt hatte? Sicherlich, sie hatten sich während des Studiums aus den Augen verloren, nach dem Abschluss hatte sich jeder auf seine Aufgabe konzentriert, doch Miguel hatte niemals aufgehört, die Befehle zu hinterfragen und sich selbst vergessen. Wann hatten sie sich Kayla geholt und ganz für ihre Sache eingenommen? Sie hatte sich so stark verändert. Als sie sich vor drei Jahren wieder annäherten, schien Kayla zunächst immer noch das aufsässige, freche Mädchen von früher zu sein. Bei ihren Verabredungen hatten sie viele Anekdoten ausgetauscht und gemeinsam gelacht. Miguel dachte schon, es könnte mehr aus ihnen werden als nur eine Scheinehe, er hatte das Gefühl, es funkte zwischen ihnen. Doch nachdem die erste Wiedersehensfreude vergangen und alle alten Geschichten ausgetauscht waren, veränderte sich Kayla. Ständig hielt sie ihn an, sich an das Gelernte zu halten und immer den Plan vor Augen zu haben. Er solle sich immer schön auf die Wahl konzentrieren. Er solle pünktlicher kommen. Er solle nicht mehr so viel mit anderen Frauen flirten und mehr dies tun und weniger das. Sie machte Termine für ihn aus, die ihrer Ansicht nach für die bevorstehende Wahl ungemein wichtig waren. Schlimmer hätte es nur sein können, wenn Frau Braggs persönlich bei ihm eingezogen wäre, und es trieb ihn in den Wahnsinn. Er konnte kaum mit Kayla reden, ohne befürchten zu müssen, dass sie ihn analysierte und die Ergebnisse sofort weiterleitete. Zu diesem Zeitpunkt stand für ihn fest, dass es wohl doch bei einer Scheinehe bleiben würde, und gemeinsam mit Kayla entschloss er sich, die Beziehung freundschaftlich zu halten. Wann immer es um den Wahlkampf ging, ließ er sich auf Kaylas Vorschläge ein, da diese oftmals sehr hilfreich waren. Er redete mit ihr vornehmlich über die Arbeit und den Wahlkampf, besprach mit ihr Strategien und Pläne, doch auf persönlicher Ebene distanzierte er sich zusehends von ihr. Kayla war das natürlich nicht entgangen, da ihr Auftrag jedoch lautete, Miguel unter Kontrolle zu halten, kitzelte sie häufig doch den einen oder anderen Gedanken aus ihm heraus, den er eigentlich nicht hatte preisgeben wollen. Obwohl er so sehr versuchte, gewisse Dinge für sich zu behalten, konnte er nichts an der Tatsache ändern, dass sie zusammenlebten und Kayla wohl oder übel mehr über ihn erfuhr, als ihm lieb war. Was er jedoch nicht wusste war, dass sie nicht einfach alle Informationen weitergab, sondern nur eben das, was für seinen Beitrag zum Plan wichtig war. Auch sie hatte Gefühle für Miguel gehabt, doch der Plan, das Endziel, die Organisation, das alles war für sie wichtiger als eine Beziehung. Längst hatte sie eingesehen, dass Starrsinn und Provokationen keine Lösung waren. Genau das hatten sie während der schweren Jahre auf dem Campus schließlich gelernt, und daran wollte sie sich halten. Sie glaubte daran etwas verändern zu können, und sie wollte den Plan verwirklichen, nur Miguel schien das nicht nachvollziehen zu können. Es machte sie beide traurig zu sehen, wie weit sie sich von einander entfernt hatten.

„Was ist nur los mit dir? Wo ist das Mädchen, das sich niemals selbst vergessen wollte?“, fragte Miguel nun verächtlich schnaubend, nachdem er an ihre erste Begegnung zurückgedacht hatte. „Ich bin erwachsen geworden, das solltest du vielleicht auch mal versuchen“, entgegnete Kayla spitz. „Ach, erwachsen ist das also, wenn man der dummen Braggs die Schuhe küsst, sobald sie schnipst“, höhnte Miguel, und Kayla machte eine absichtliche Vollbremsung, so dass Miguel gegen den Gurt geschleudert wurde. Kayla schlug ihm vor Wut mit dem Ellbogen in den Magen, dass er sich zusammen krümmte. „Hör zu, du verdammter Mistkerl! Wo ständest du heute, wenn sie dich nicht aufgenommen hätten? Im Knast? Unter einer Brücke? Wo? Anstatt, dass du dich mal ein bisschen erkenntlich zeigst, überleg nur, was sie alles für dich getan haben, kannst du nicht aufhören, Ärger zu machen und Regeln zu brechen?! Der Plan ist dir egal, ebenso wie die Menschen, die dir dieses Leben hier ermöglicht haben, und ja, ich finde es kindisch und launisch, wie du dich benimmst. Du bist egoistisch und willst nur deinen Spaß, aber jetzt sag ich dir mal was. So läuft das Leben nicht, und ich werde dich auch nicht weiter schützen. Mit der ganzen Nummer hier hast du einfach den Bogen überspannt. Das ist keine einfache Frechheit oder jugendliche Lappalie, nein das ist ernst, und ich habe kein Interesse daran, dich weiter darin zu unterstützen“, schrie sie ihn an. Jetzt wurde er ebenso wütend und brüllte zurück: „Unterstützung? Wann hilfst du mir schon mal? Nein, wie eine brave kleine Arbeiterbiene gibst du sofort alles an die Königin weiter, damit ja alles nach diesem wundervollen Plan läuft. Denkst du überhaupt noch selber oder steuern die auch schon dein Gehirn. Ich erinnere mich noch daran, dass wir uns über diese Regeln lustig gemacht haben, weil sie eine vollständige Beschneidung von Autonomie und Freiheit sind, und es tut mir Leid, aber nach einem solchen Prinzip will ich nicht leben. Damals hat mich niemand gefragt, ob ich für sie leben will, und heute tut das auch keiner, wofür soll ich also dankbar sein? Ich habe die Nase voll davon, überwacht zu werden und nicht normal leben zu dürfen. Ich will keine dämlichen Kontrolltermine und vor allem will ich keine Frau zu Hause, die gegen mich arbeitet!“ Kayla war wieder angefahren und warf Miguel so zurück in den Sitz. „So siehst du das also? Ich arbeite gegen dich? Wer hat denn in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass du nicht regelmäßig beim Boss landest, weil du schon wieder absolut konträr zu den Ansichten agiert hast? Ohne mich dürftest du gar nicht mehr frei rumlaufen, aber schön, wenn du darauf keine Lust mehr hast, dann kannst du gleich mit Frau Braggs eine Alternative besprechen, weil ich auch raus bin, hast du verstanden. Du kannst schauen, wer dir dann den Rücken freihält. So etwas muss ich mir von dir wirklich nicht vorwerfen lassen.“ Bevor Miguel etwas erwidern konnte, klingelte Kaylas Handy, und über die Freisprechanlage nahm sie den Anruf entgegen. „Ich bin es“, meldete sich Frau Braggs: „Wo bleibt ihr? Ist alles gut gelaufen?“ „Ja, wir sind gleich da. Niemand hat uns gesehen“, antwortete Kayla und beobachtete, wie Miguels Körper sich komplett anspannte, sobald Frau Braggs Stimme erklang. Vom psychologischen Standpunkt aus, hatte er sie immer sehr fasziniert, und für einen kurzen Moment vergaß sie ihren Zorn und betrachtete ihren Ehemann. Seine Hände presste er flach auf seine Beine, und er straffte die Schultern, so dass er ganz grade saß. Den Blick hatte er auf seine Hände gerichtet, und er biss sich leicht schuldbewusst auf die Unterlippe. Fast hätte Kayla laut aufgelacht. Hatte er nicht eben noch behauptet, dass sie die hörige Arbeiterbiene sei? Er sollte sich selbst sehen, wie er schon bei dem bloßen Klang von Frau Braggs Stimme ganz folgsam wurde. „Das heißt, es ist alles in Ordnung?“, hakte Frau Braggs nach, die sofort spürte, dass etwas nicht stimmte. „Ich ähm, ja wir hatten nur eine kleine Auseinandersetzung“, winkte Kayla ab, betont beiläufig klingend. „Wie bitte?“, wollte Frau Braggs nun doch genauer wissen. „Es ist wirklich nur eine Kleinigkeit, ich habe mich nur darüber aufgeregt, dass Miguel unsere ganze Arbeit so mit Füßen tritt, in dem er so leichtfertig ein Risiko eingeht“, erklärte Kayla und vergaß dabei vollkommen ihre Drohung, nicht mehr für Miguel in die Bresche zu springen. „Du musst ihn nicht decken, wenn er sich daneben benimmt, dann sag es ruhig“, redet Frau Braggs auf sie ein. Kayla warf Miguel einen mitleidigen Blick zu, welcher stumm das Wort Danke formte. „Nein, nein er hat sich nur bei mir entschuldigt“, versuchte Kayla das Gespräch zu beenden: „Wir sind aber auch in fünf Minuten da.“ „Na schön“, sagte Frau Braggs und legte auf. Miguel atmete erleichtert auf und entspannte sofort wieder. Seine Hände lagen locker in seinem Schoß und die Schultern sanken herab. „Danke, Kayla“, sagte er ehrlich und sie nickte nur, da sie seine Vorwürfe immer noch nicht ganz verdaut hatte. „Ich habe dich immer gedeckt“, meinte sie nur. „Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe, ganz ehrlich. Nur manchmal ist mir der ganze Druck einfach zu viel.“ „Mir geht es ähnlich, dennoch ist das kein Grund, aus der Rolle zu fallen und so einen Mist zu machen. Du hättest einfach mit mir reden können, ich will dir schließlich nichts Böses“, bemerkte Kayla. „Jetzt ist mir das auch klar. Nur du bist so anders als früher. Das hat mich total verunsichert“, entfuhr es Miguel, und sein Blick huschte flüchtig in Kaylas Richtung. „Wie ich schon sagte, ich bin wohl erwachsen geworden. Außerdem habe ich erkannt, dass die Erfüllung unseres Plans das Beste für uns alle ist. Warum sollte ich mich also dagegen stellen?“, wollte Kayla wissen. „Naja, aber sie verraten uns doch nicht mal alles. Ich kann einfach nicht blindlings etwas folgen, dessen Ende ich nicht absehen kann. Meine Aufgaben erfülle ich nur, soweit ich sie als sinnvoll erachte“, gab Miguel zu bedenken. „Nun, ich kenne das Ende, und wenn du schon nicht dem Boss vertraust, dann vertrau mir, denn es wird nur Gutes für uns bereit halten“, forderte Kayla. Ihr Haus kam in Sicht, und Miguel schluckte seine Antwort hinunter. Sie wohnten am Stadtrand in einem großen Haus recht weit entfernt von anderen Nachbarn. Das Grundstück hatte Frau Braggs ausgewählt, doch Miguel hatte es von Anfang an sehr gut gefallen. Die großzügigen Grünflächen, die das Haus umgaben und der angrenzende Wald hatten ihn begeistert, und er genoss jede freie Minute in der Natur, was ihm das Gefühl von Freiheit vermittelte. Im Haus waren mehrere Schlafzimmer, sowie ein großer Wohn- und Essbereich. Neben drei Badezimmern hatte Miguel sich im Keller einen Fitnessraum einrichten lassen, sowie jeweils ein eigenes Büro für ihn und Kayla. Als Frau Braggs ihnen damals die Immobilie gezeigt hatte, war er sofort überzeugt und hatte den Kauf bereitwillig getätigt. In der breiten Einfahrt stand bereits der Wagen von Frau Braggs, die ungeduldig daran lehnte und ihnen erwartungsvoll entgegen schaute. Kayla hielt hinter ihr und machte den Motor aus. Gleichzeitig stiegen sie aus, und Frau Braggs machte bereits einige Schritte auf sie zu. Kayla öffnete den Kofferraum, und zu ihrer Erleichterung war Jeanette nicht aufgewacht. „Bring sie in ein Gästezimmer. Da kann sie bleiben, bis sie aufwacht“, befahl Frau Braggs in unmissverständlichem Tonfall. Miguel nickte und machte sich sofort daran, seine Geliebte ins Haus zu tragen und sie sanft auf einem Bett abzulegen. Er setzte sich auf die Bettkante und fuhr der regungslosen Frau mehrere Male übers Haar. Dann drückte er ihr einen leichten Kuss auf die Lippen und ging in die Küche, wo Kayla und Frau Braggs sich an die Theke gesetzt hatten, die den Übergang zum Esszimmer markierte.

Unsicher blieb Miguel im Türrahmen stehen und betrachtete die beiden, die sich leise unterhielten. Als Frau Braggs auf ihn aufmerksam wurde, informierte sie ihn: „Wir reden gerade darüber, wie wir nun fortfahren sollen. Zu deinem Glück ist die Wahl wohl nicht in akuter Gefahr, da ich das mit Jeanette schon klären werde, nur was dich betrifft, bin ich dennoch ziemlich wütend. Es gibt uns wirklich sehr zu denken, wie leichtfertig du alles aufs Spiel setzt, und du weißt ganz genau, dass ich das nicht dulde. Du kannst dir also sicher sein, dass dein Verhalten Konsequenzen zur Folge hat.“ „Ja, was auch sonst“, murmelte Miguel vor sich hin und starrte trotzig zu Boden. „Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann so, dass ich es verstehen kann!“, verlangte Frau Braggs wütend. „Schon gut“, meinte Miguel schulterzuckend. „Nein, gut ist es ganz und gar nicht“, schrie sie ihn an: „Im Gegenteil, du brichst Regeln, bringst deine und Kaylas Aufgabe in Gefahr, ignorierst meine Anweisungen und bist absolut respektlos. Ich kann und will diese Entwicklung deinerseits nicht zulassen!“ Sie war geschmeidig von dem Hocker geglitten, auf dem sie gesessen hatte und mit langsamen Schritten auf Miguel zugegangen. Er hatte sich bemüht, ruhig zu wirken und seine Angst zu verbergen, doch jetzt, da sie so dicht vor ihm stand, raste sein Herz panisch, und er machte unweigerlich einen Schritt zurück. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Kayla ihn interessiert beobachtete, aber seine vordergründigen Gedanken galten in diesem Moment Frau Braggs. Sie packte ihn grob am Arm und stieß ihn in Richtung Kellertreppe. „Runter mit dir“, verlangte sie und gab ihm einen leichten Stoß, als er nicht sofort reagierte. Reflexartig krallte er sich am Geländer fest, um nicht zu stürzen, und eilte dann dicht gefolgt von Frau Braggs die Treppe hinunter. Sie schob ihn zu der Tür, hinter der sich der einzige Raum verbarg, den Miguel noch nie betreten hatte. Mit Schwung öffnete sie die Tür und gab ihm die Order, hineinzugehen. Zunächst hob Miguel an, um etwas zu sagen, sie zu bitten, es sich noch einmal zu überlegen. Er zitterte am ganzen Körper und blickte sie flehentlich an, aber ihre Augen waren kalt und erbarmungslos, sie duldeten keinen Widerspruch, so dass er sich schließlich mit kleinen Schritten in den Raum begab. Sobald er eingetreten war, schlug Frau Braggs die Tür hinter ihm zu und schloss ihn ein. Es war stockdunkel, und Miguel tastete sich an den Wänden ab, um sich besser orientieren zu können. Eine Welle der Furcht überkam ihn, als er feststellte, wie klein der Raum war. Ein beengendes Gefühl machte sich in seiner Brust breit, und er glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Wie ein Kind hockte er sich auf den Boden und hielt seine Beine umklammert. Laut flehte er Frau Braggs an, sie möge ihn wieder heraus lassen, er habe seine Lektion gelernt und wolle sich von nun an bessern, aber sie reagierte nicht. Alles blieb still und dunkel, und wieder einmal bereute Miguel es, sie herausgefordert zu haben, wo sie doch immer mit seinen schlimmsten Ängsten spielte und mit Vorliebe seine Psyche folterte. Schon von Beginn an, hatte sie ihm immer wieder ihre Überlegenheit demonstriert und ihn bis zum Rande des Wahnsinns getrieben, um ihn gefügig zu machen.

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