Читать книгу Wen immer wir lieben (Immer-Trilogie - Band 1) - Michelle Schrenk - Страница 12

KAPITEL 3

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Als Emma und ich die Tür zu unserer kleinen Altbauwohnung öffneten, atmete ich einmal tief durch. In der kurzen Zeit, in der wir nun hier wohnten, hatten wir es uns schon sehr gemütlich gemacht. Ein flauschiger weißer Teppich im Flur, Fotos an der Wand, Blumen und Pampasgras in den Ecken. Wir hatten allem einen Touch von Boho verliehen und ich liebte es.

Als ich gerade aus der Jacke geschlüpft war und sie an der Garderobe aufhängen wollte, machte sich mein Handy bemerkbar.

»Wer ist das?«, fragte Emma und streckte sich. Sie hatte bereits alles verstaut und ging auf den goldgerahmten Standspiegel zu, den wir uns gemeinsam zugelegt hatten. Ich liebte diesen Spiegel. Er war so einfach, aber gerade das machte ihn besonders und zu einem absoluten Eyecatcher in unserem Eingangsbereich.

»Kati vielleicht?«, überlegte Emma. »Sie könnte was vergessen haben.« Wir hatten Kati vor knapp zehn Minuten vor ihrer Wohnung abgesetzt und es wäre nichts Neues, wenn sie mal wieder irgendwas im Auto oder in unseren Handtaschen vergessen hätte. Aber ich war mir sicher, diesmal war sie es nicht.

»Das muss Nika sein«, entgegnete ich. »Sie hat vorhin schon geschrieben, ob sie sich melden könne. Hab das voll verpeilt.« Ich fischte das Handy aus meiner Tasche. »Ja, sie ist es. Bestimmt geht es um Alex. Oh Mann, ich hab es ja gesagt, sicher gibt es ein Drama«, seufzte ich.

»Wer weiß, vielleicht ist das mit Alex ja auch ganz und gar kein Drama«, meinte Emma.

»Kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Aber ich halte dich auf dem Laufenden. Und wette, es ist ein Drama.« Ich hielt ihr die Hand hin.

»Mach das. Ich geh schlafen, bin total müde. Aber ich wette dagegen!« Gähnend schlug sie ein.

»Schlaf schön, okay? Aber dass du mir ja nicht von irgendwelchen heißen Kerlen träumst. Wenn was ist, gib Bescheid, ich rette dich!«, versicherte ich ihr augenzwinkernd.

Sie grinste. »Ich lass es dich wissen.«

»Gut. Ich flitze noch schnell ins Bad und …«

Mit einem Mal blitzten Emmas Augen auf. »Das war echt abgefahren. Aber auch richtig lustig. Auf so einen Blödsinn kommen wirklich nur wir.« Sie gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange. Dann wandte sie sich ab, und gerade als sie hinter der Tür am Ende des Flurs verschwand, klingelte mein Handy erneut. Das Bad musste wohl warten. Ich ging in mein Zimmer und nahm das Gespräch an.

»Lina, bist du noch wach?«, hörte ich meine kleine Schwester am anderen Ende der Leitung flüstern. In meinem Zimmer war es dunkel. Licht, ich brauchte Licht. Und ich wollte schleunigst raus aus den Klamotten, die ein wenig unter der Bierdusche gelitten hatten. Ich drückte auf den Schalter neben der Tür und schlüpfte unbeholfen aus der engen Hose. Oh Gott, ich war echt nicht mehr fit.

»Nein, ich schlafwandele nur«, antwortete ich matt und versuchte, nun auch noch mein Shirt auszuziehen. Irgendwie, ich wusste selbst nicht wie, gelang es mir und ich machte mich daran, in meinem Kleiderschrank nach etwas Schlaftauglichem zu suchen.

»Haha, sehr witzig. Bist du schon daheim?«, wollte Nika wissen.

»Ja, gerade zur Tür reingestolpert!« Ich klemmte mir das Handy zwischen Ohr und Schulter und wühlte in der obersten Schublade.

»Warst du bis jetzt im Club?«

»Haben morgen nur eine Vorlesung, was gibt’s?«, fragte ich. »Alles okay? Warum flüsterst du überhaupt?«, fügte ich hinzu.

Sie seufzte. »Ja, alles so was von okay. Ich … ich bin bei Alex. Also, in seinem Badezimmer.«

Nachdem ich ganz unten in der Schublade ein altes Bandshirt meines Papas gefunden hatte, zog ich es über und ließ mich aufs Bett fallen. »Was machst du denn im Badezimmer von Alex?«

»Na ja, mich hat das mit deinem Prinzip einfach nicht losgelassen und ich sag dir, ich war wirklich achtsam, ähm, wachsam. Aber ich muss dir auch sagen: Alex ist anders, denn sonst wäre ich ja jetzt nicht in seinem Badezimmer.«

»Ich versteh immer noch nur Bahnhof. Warum ist er anders, weil du im Badezimmer sitzt? Ist Badezimmer ein Codewort für irgendwas?«

Sie kicherte. »Na gut, nein, ja, also die Sache ist so: Wir hatten Sex, und zwar echt guten Sex, und …« Hatte ich es doch gewusst.

»Und?«, hakte ich nach.

»Ich bin noch bei ihm, heißt also, er hat mich nicht rausgeworfen. Und ich schlafe sogar bei ihm. Was ja ein gutes Zeichen ist.« In ihrer Stimme schwang Stolz mit.

»Du schläfst in seinem Badezimmer? Das finde ich jetzt nicht so ein gutes Zeichen«, erwiderte ich irritiert.

»Unsinn.« Sie lachte.

»Aber was machst du dann da? Warum schläfst du nicht, sondern sitzt flüsternd in seinem Badezimmer?«, versuchte ich es noch einmal und kuschelte mich unter die Decke.

»Weil ich dir davon berichten wollte, Schwesterherz. Um dir klarzumachen, dass dein Prinzip nicht greift.« Sie machte eine kurze Pause. »Nur bei ein paar kleinen Details hattest du vielleicht recht.« Ich lag also richtig.

»Okay, und wobei? Lass mich raten: Er war wirklich mit dir an seinem Lieblingsplatz?«

Sie räusperte sich. »Wenn du es genau wissen willst, ja. Wir sind zu einem See gefahren und … Ach, es war so romantisch. Irgendwie wirkte er nachdenklich und war doch ganz bei mir. Und dann … Hattest du schon mal so ein heftiges Gefühl, wenn du mit jemandem, also … du weißt schon was. Er hat sich mir geöffnet und anvertraut. So leicht hatte er es nicht im Leben. Er hat immer viel zu wenig Taschengeld bekommen und gute Sneaker sind ja teuer und …« Ich verdrehte die Augen, obwohl ich wusste, dass sie es nicht sehen konnte. Meinte sie das etwa ernst?

»Echt jetzt? Das klingt ja herzzerreißend. Das war also seine dramatische Geschichte? Er konnte sich keine Markenschuhe leisten? Der Arme, ja, ich schätze, davon muss er einen ganz schönen Schaden davongetragen haben.« Offensichtlich.

Sie merkte wohl selbst, was sie da gerade von sich gegeben hatte. »Nein, so meine ich das doch gar nicht. Aber egal! Jedenfalls, als wir zurück waren, haben wir miteinander geschlafen. Er war stürmisch und bestimmend, aber das hat mir so gefallen! Das hätte ich nicht gedacht. Weißt du, was ich meine? So als wäre ich die einzige Frau auf der Welt.«

Ich lachte.

»Lina!«

»Sorry.«

»Also weißt du, was ich meine? Ich habe mich einfach fallen lassen und … keine Ahnung. Das war irgendwie so … so anders, ich hab mich beinahe gefühlt wie in Fifty Shades of Grey, so hat er mich herumgewirbelt und gepackt und …«

»Dich dann ins Badezimmer geschubst?«, fragte ich neckend und Nika seufzte am anderen Ende der Leitung.

»Kannst du mal ernst bleiben?«

Ich rollte mich auf die andere Seite. »Ja, sorry, also er hat dich richtig gepackt. Alex Grey sozusagen.«

Nika kicherte. »Irgendwie schon und … Lina, ich weiß, du bist da skeptisch, aber es war echt Wahnsinn. Ich denke, es geht in eine gute Richtung und laut deiner Theorie müsste er mich ja jetzt abschießen, ich dürfte nicht hier im Bad sitzen, oder? Und bisher ist das nicht passiert.«

»Ich habe ja nicht gesagt, dass er dich direkt danach abserviert. Nur, dass es jetzt so kommen wird. Und versteh mich nicht falsch, ich hoffe so sehr für dich, dass es positiv ausgeht. Aber … ich möchte einfach nicht, dass du verletzt wirst, Nika.«

»Das werde ich nicht, sicher nicht. Ich passe schon auf. Du machst dir einfach zu viele Sorgen um mich.« Nika stoppte. »Ich meine, gut, ein paar Dinge finde ich schon merkwürdig, aber … doch, ich denke, das mit uns kann was werden. Man muss nur geduldig sein, oder? Und das mit den Stufen, ich …«

»Inwiefern merkwürdig? Und wieso geduldig?«, unterbrach ich sie.

»Na ja, in … in Sachen Beziehung eben«, druckste Nika herum.

»Also hattet ihr ein Gespräch, das in diese Richtung ging?«, hakte ich nach.

»Nur angedeutet. Er meinte, dass wir alles langsam angehen und einfach mal sehen sollten, was kommt … ja, dass er gern in den Tag hineinlebt und halt nichts plant. Einfach mal chillen.«

Oh, oh, ein absolutes Alarmsignal. Was sollte ich ihr jetzt sagen? Ich wollte sie nicht unglücklich machen, aber noch weniger wollte ich, dass sie verletzt wurde.

Bevor ich zu Ende denken konnte, fuhr sie schon fort: »Trotzdem, ich bin hier, bei ihm. Alles kommt, wie es kommt, Theorie hin oder her, Stufen, Prinzipien. So ist sie eben, die Liebe …«

»Ja, Liebe ist … bescheuert«, knurrte ich in meine Decke.

»Was? Nein, sie ist toll und unberechenbar, verstehst du? Und weißt du …«

Als sie nicht weitersprach, fragte ich vorsichtig: »Ja?«

»Na ja, ich habe mir Gedanken über dich gemacht. Du, ich … ich hoffe, du lässt dich auch mal darauf ein. Nicht alle Kerle sind gleich. Auch wenn es vielleicht manchmal so wirkt. Auch wenn du, wenn wir es anders erlebt haben, und Papa ist halt …«

»Jaja«, antwortete ich nur. Ich hatte keine Lust, über altes Zeug zu reden. Vergangenes war vergangen. Außerdem fühlte ich mich gerade nicht so, als ob ich es schaffen könnte. Nach dem heutigen Abend war ich nicht mehr imstande, meinen Standpunkt wie sonst mit Pauken und Trompeten zu verteidigen. Auch wenn ich im Auto noch überzeugt und guter Dinge gewesen war, das Gespräch mit Nika hatte mich nachdenklich gestimmt. War ich wirklich zu festgefahren, zu negativ? Aber ich wollte die aufkommenden Zweifel nicht die Überhand gewinnen lassen.

»Also, schlaf jetzt mal gut«, sagte ich stattdessen. »Husch ins Bett mit dir! Das Bad ist sicher kalt.«

Sie lachte. »Okay. Schlaf du auch gut, große Schwester. Morgen ist ein neuer Tag.« Ich hörte ein Küsschen-Geräusch am anderen Ende der Leitung. »Ich hab dich lieb, Lina.«

»Ich dich auch, Nika«, flüsterte ich in den Hörer.

Als wir aufgelegt hatten, drehte ich mich auf den Rücken und starrte eine Weile an die Decke. Liebe. Ich fand sie nervig. Sie hielt einen von wichtigen Dingen ab. Gab es sie überhaupt? Auf alle Fälle nicht dort, wo sie so viele suchten. Das Ganze mit Tinder, all diese Profile – das war doch nicht echt. Um Liebe ging es überhaupt nicht mehr. Sich in irgend so einen Kerl zu verlieben, brachte nichts. Außer Herzschmerz, wenn es nicht klappte.

Mit einem Mal tauchte Bens Gesicht vor meinem inneren Auge auf. Ich griff nach meinem Handy und öffnete Tinder. Doch der Chat mit Ben war verschwunden. Was hatte das zu bedeuten? Hatte er etwa das Match aufgelöst?

Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Ich ließ den Abend noch einmal in meinem Kopf Revue passieren. Der letzte Aperol war wohl einer zu viel gewesen und die Taktik nicht vollständig durchdacht. Am Ende hatte ich ihm auch ganz schön was an den Kopf geknallt. Aber es war doch nur die Wahrheit! Die aber nicht sonderlich nett und für die Challenge auch nicht gerade förderlich gewesen war. Ich hätte das alles anders einfädeln sollen. An sich war die Idee gut, aber vorhin hatte ich sie echt mies umgesetzt …

Wie auch immer, heute würde ich sowieso keine Lösung mehr finden. In diesem Augenblick hörte ich die Badezimmertür. Emma war fertig. Jetzt würde auch ich mich bettfertig machen. Gesicht waschen, Zähne putzen und dann schlafen.

Während ich unter der Bettdecke hervorschlüpfte, dachte ich an Nika. Ja, morgen war ein neuer Tag. Und irgendwas würde mir schon einfallen.

Wen immer wir lieben (Immer-Trilogie - Band 1)

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