Читать книгу Perry Rhodan 3060: Die Thesan und der Lordadmiral - Michelle Stern - Страница 6
Оглавление»Die Täuschung ist unser größter Schutz. Die Lüge ein Zweck. Wir nutzen Verborgenheit, um zu verschleiern, was verschleiert werden muss; fingieren ganze Galaxien, wenn es Not tut.
Unsere Präsenz dient der Vorbereitung. Frieden ist ein hehres Ziel, doch Herrschaft ... dich suchen wir nicht. Wir sind die Diener des Trajekts. Wir ordnen uns dem großen Weiß unter, dem Reinen und Ganzen, dem Formlosen, und halten jenen einen Spiegel hin, die ihn brauchen.
Mögen wir noch lange verborgen bleiben, bis die Zeit gekommen ist, und wirken, wie wir wirken müssen.«
Aus den Aufzeichnungen der Legatin
1.
Zarut
»Ich beneide sie.« Shenbal Jassaradse blickte aus dem Panoramafester, das von außen verspiegelt war. Auch der Boden war entlang der Wand in einer Breite von zwei Metern durchsichtig und von außen mit Kacheln verspiegelt. Dadurch ließ sich ungehindert beobachten, was unten geschah, ohne selbst bemerkt zu werden.
Shenbal konnte einen Großteil der zweihundert Meter großen, schlüsselförmigen Kloknu-Arena einsehen. Dort traf ein ganzer Haufen Nuru erste Vorbereitungen für das große Spiel in drei Tagen, umgeben von riesigen Holos, die interessante Details des Geschehens zeigten.
Barrieren wuchsen in die Höhe, kleinere Labyrinthe entstanden. Eine Gruppe hob einen Wasserlauf aus, per Hand, wie es Tradition war. Die Spaten waren golden eingefärbt. Viele Nuru klapperten bei der Arbeit mit den Schnäbeln: Sie sangen unter den aufgespannten Schädelschirmen. Auch das war eine ihrer Traditionen. Musik hatte seit jeher einen großen Stellenwert.
Nuru setzen auf ihre Hörorgane, hatten nahezu einen Kult um sie, auch wenn sie kaum sichtbar waren. Wesen, die große Hörorgane hatten, faszinierten sie.
»Die Nuru?« Mailu Tanjadaril wischte mit einer Gespürhand durch die Hologalerie auf dem Tisch, die verschiedene Getränke zeigte. Beim Abbild eines Gerjets hielt sie mit den Fingern inne, bis das Bild leicht aufflackerte und die Bestellung abgeschlossen war.
»Die auch.« Shenbal nippte an seinem fast leeren Drajon, einem herbsauren Wurzeltrank. Er hätte gerne etwas Stärkeres getrunken, doch an diesem Tag durfte er sich die Aufmerksamkeit durch nichts trüben lassen. »Aber ich meine vor allem die Unwissenden.«
Er deutete mit einer behandschuhten Innenhand unauffällig zu einer Sitzgrube am anderen Ende der Bar, in der ein Cairaner mit seinen beiden Frauen und vier Kindern saß. Die Sitzgrube lag in einer Ausbuchtung und ragte wie ein Nest über der Arena auf. Der Boden konnte bei Bedarf transparent gestellt werden, im Moment jedoch war er halbverspiegelt, was bedeutete, dass Lebewesen aus der Spiegelsimulation gefiltert wurden.
Das Balshar Radjas war eine besondere Bar in Anur, der Hauptstadt des Planeten Zarut, in der sich hochrangige Cairaner wie er und Mailu Tanjadaril trafen – Mitglieder des legatischen Bunds und damit des Panarchivs. Dabei kam es immer wieder vor, dass sich auch gewöhnliche Cairaner an diesen Ort verirrten, die geduldet wurden, obwohl sie eigentlich keine Zutrittsberechtigung hatten. Sie dienten lediglich als Tarnung. Das Balshar Radjas war die einzige cairanische Bar am Rand der Arena, in der luftigen Höhe von zwanzig Metern, und war Bestandteil der cairanischen Ehrentribüne. Neben ihr erstreckten sich ähnliche Einrichtungen für Nuru und einige andere Völker. Die Stadt Anur war ein Schmelztiegel, der für fast jeden etwas bot.
Ein schwebender Roboter brachte Mailu das rot schäumende Getränk. Winzige grüne Blüten trieben darin. Sie nahm es, hob es mit einer Arbeitshand, trank jedoch nicht.
»Ja. Ich weiß genau, was du meinst«, sagte Mailu sinnend. »Sie ahnen nichts von der Gefahr, in der wir schweben. In diesen Tagen mehr denn je. Es ist schlecht, was mit Kaiku los ist. Sehr schlecht. Ich fürchte, die Phersunen können uns beinahe mit ihrem Lephend berühren.«
Der zweite Drajon kam unaufgefordert, weil die Positronik Shenbals Gepflogenheiten kannte. Er betrachtete die unscheinbare, blasse Flüssigkeit, als sähe er sie zum ersten Mal. Das Glas war bis zur Eingussrille gefüllt.
Eine Weile schwiegen sie beide, während in der Tiefe unter ihnen drei Nuru eine vier Meter hohe Kletterwand nach oben zogen. Sicher waren viele der Sprossen, die vermeintlich stabil wirkten, spröde und gaben unter den Füßen nach. Bei einem Kloknu-Spiel kam es immer wieder zu Verletzungen, dennoch rissen sich die Nuru darum, an einem solchen Spiel teilzunehmen. Wer das einmal geschafft hatte, erzählte noch seinen Enkeln davon. Die je zwanzig Spieler einer Mannschaft waren berühmt, galten als Helden.
»Ich brauche dich.« Shenbal spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Es war lange her, dass er solche Angst gehabt hatte. Wenn er daran dachte, was vor ihm lag, wurde ihm übel. Dabei war die Aufgabe ehrenhaft und vermutlich weitaus weniger gefährlich, als er befürchtete. Jedenfalls für ihn.
»Du willst, dass ich deine Außenhände unterstütze? Außerhalb meines derzeitigen, durchaus sehr anstrengenden Auftrags?«
»Ja. Das erste Treffen ist morgen. Ich würde mich weit wohlerfühlen, wenn du dabei wärst.«
Mailu senkte das Glas. »Was springt für mich ...?«
Lautes Geklacker und Getröte unterbrach sie. Eine Gruppe von fünf Nuru drängte sich in die Bar. Drei von ihnen hatten Tröthörner dabei, in die sie mehr oder weniger rhythmisch stießen. Zwei Ebenen unter ihnen hatte eine der beliebten Vorpartys stattgefunden, bei der ein ehemaliger Spieler die aktuelle Konstruktion der Hindernisse vorgestellt hatte.
Die fünf Nuru hatten es sich dort offensichtlich wirklich gut gehen lassen. Sie schwankten und spreizten die Schädelknochen im Rausch. Der hellrosafarbene Körperflaum im Gesicht war aufgerichtet. Sie trugen traditionelle Borken-Flickenkleider, die sie vor der unbarmherzigen Hitze ihrer Welt schützten.
»Nuru, Nuru!«, stieß einer der Kloknu-Fans hervor. Er stolperte auf die Sitzgrube zu, in der die cairanische Familie saß.
Schneller als jeder Gedanke sprang Mailu auf und versperrte dem kleineren, aber deutlich breiteren Nuru den Weg. »Fort! In diese Ebene habt ihr keinen Zutritt.«
»Ja!«, grölte ein Nuru weiter hinten in der Gruppe. »Weil wir keine Cairaner sind!« Er schwenkte sein Tröthorn wie eine Waffe.
Mailu blieb gelassen stehen. Noch war der Nuru nicht nah genug heran, um sie mit dem Tröthorn zu treffen, dafür hätte er es werfen müssen. Beruhigend hob sie die Gespürhände. »Auch nicht alle Cairaner dürfen hier herein. Es gibt ähnliche Bars und Restaurants der Nuru, in der Cairaner nicht erwünscht sind. Du erinnerst dich?«
Der Nuru starrte sie aus rotgelben Augen an. Er schien tatsächlich zu überlegen. Vielleicht irritierte ihn die Ruhe, die Mailu ausstrahlte.
»Nuru an die Macht!«, tönte es hinter ihm. »Kloknu ist ewig!«
Mailu trat einen Schritt vor. Sie ignorierte dabei vermeintlich die Nuru hinter dem Rädelsführer, doch Shenbal wusste, dass sie die Situation komplett unter Kontrolle hatte. Wenn Mailu es gewollt hätte, lägen bereits sämtliche Nuru am Boden.
Tatsächlich wich der Anführer zurück, doch nun drängte eine weibliche Nuru vor. In ihren Augen glitzerte es kalt. Shenbal erkannte an den breiten Schultern und den dicken Arm- und Beinmuskeln, dass es sich um eine Halbnuru handelte, zu deren Vorfahren zweifellos auch Skomaten zählten, extrem Umweltangepasste, die an eine deutlich höhere Schwerkraft gewohnt waren und über eine ganz erstaunliche Konstitution verfügten.
Die Halbnuru wog wahrscheinlich gut und gerne das Dreifache von Mailu. Sie wollte sich auf die Familie in der Sitzgrube stürzen, die eng aneinandergerückt war. Beide Frauen hatten sich vor dem Mann und den Kindern erhoben. Auch mit ihnen wollte Shenbal sich nicht anlegen. Wenn es um die Familie ging, konnten sie weit über das Ziel hinausschießen.
Mailu machte einen Schritt zur Seite, um der Wucht des bewegten Körpers zu entgehen, griff nach der Knorpelschädelplatte der Halbnuru, die halb ausgefahren war, und ließ die Arme sinken. Die Geste wirkte einfach, nahezu kraftlos, doch sie hatte einen verheerenden Effekt: Die Angreiferin stürzte dem stets verlässlichen Gesetz der Schwerkraft folgend mit einem überraschten Schnabelklacken zu Boden, was den Raum erzittern ließ. Geschirr klapperte. Ein zur Seite gelegter Trinkstutzen rutschte vom Tisch auf den Boden.
Mailu ging in Knie, drehte die Halbnuru einmal im Kreis, rollte sie dann auf den Bauch und packte sie erneut am biegsamen Schädelschirm. »Raus jetzt! Oder es wird unangenehm!«
»Schon gut!« Die Nuru traten den Rückweg an. Mailu ließ die vorwitzige Tröterin los, damit sie ihren Freunden nacheilen konnte. Danach setzte sie sich zurück in die Grube, als wäre nichts geschehen.
»Und?«, fragte Shenbal, der sich darin bestätigt fühlte, warum er Mailu für das anstehende, ganz besondere Treffen als Ergänzung seiner Arbeitshände haben wollte. »Wirst du mir helfen? Ich kann dir im Gegenzug Karten für das Große Spiel besorgen. Fünf Stück, wenn du willst.«
»Sieben.«
»Einverstanden.«