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4.

NIKE QUINTO

Paath und ich beendeten unsere Vorbereitungen. Wir hatten uns beide getarnt, waren nicht sofort als Thesan und Oxtorner einzuordnen. Paath trug silberne Handschuhe, durch die es wirkte, als hätte sie je fünf humanoide Finger wie ein Terraner. Die Augen waren nun dunkelgrün.

Über meinem Gesicht saß eine an den Seiten geschlossene Sonnenbrille, wie sie auf Zarut häufig benutzt wurde. Die Welt stand verhältnismäßig nah zu ihrem Stern, war eine Gluthölle, in der es oft lebensbedrohlich heiß für Terraner wurde. Die Nuru dagegen hatten sich an die Umwelt angepasst und unter anderem einen Schädelschirm entwickelt, den sie aufspannen konnten. Die simple Mechanik erinnerte mich an die Falthelme in SERUNS, da die Schädelschirme sich im Nacken zusammenzogen.

Wir wechselten per Transmitter auf die RATBER TOSTAN, sobald die Inspektion durch die Nuru abgeschlossen war. Einer ihrer Quaderraumer, ein sogenannter Gewaltiger mit dem Namen JAHR 189, hatte den Handelsraumer und die USO-Begleitschiffe genau unter die Lupe genommen. Zum Glück hatte niemand die außerhalb des Poilusystems wartende NIKE QUINTO entdeckt. Sie würde sich in einem Sonnenschatten verbergen und auf weitere Anweisungen warten.

Ich ging mit Paath in die Zentrale, wo Daan Gudati gerade das Holo des Poilusystems studierte. Der Halboxtorner mit den kurzen roten Haaren und den grünen Augen war ein Stück kleiner als ich, im Kampf jedoch nicht zu unterschätzen. Ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte – so sehr ich eben jemandem vertraute.

Ganz in seiner Nähe saß sein Stellvertreter, der Topsider Wno Traekknor. Als er mich und Paath bemerkte, bewegten sich die Kugelaugen im echsenartigen Kopf rasch von rechts nach links – ein Anzeichen, dass er über etwas nachdachte. Worauf spekulierte er?

Kurz betrachtete auch ich das Poilusystem mit seinen sieben Planeten. Die Sonne war eine gelbe Standardsonne, ein bisschen größer und heißer als Sol. Zarut war der dritte Planet und wurde von einem lunagroßen Trabanten umlaufen, der den Namen Penmee trug. Die heiße Welt stand in einer Reihe mit Nurpa, der Ursprungswelt der Nuru, die mittlerweile ein 39 Planeten umfassendes Reich in 29 Sonnensystemen beherrschten: das Nurunat. Was genau interessierte die Cairaner ausgerechnet an dieser Welt?

»Was macht unser Schützling?«, fragte ich.

Daan Gudati wandte sich vom Holo ab. »Symdar Kirzay ist ein reines Nervenbündel. Er bereitet sich auf die Verhandlungen vor. Ich hoffe, er verpatzt es nicht. Ein Erfolg würde unserer Sache mehr dienen.«

»Ja. Es würde den Cairanern gefallen. Wirken Sie positiv auf Kirzay ein!«

Es fiel mir schwer, Gudatis Gesichtsausdruck zu deuten. Symdar Kirzay war ein Mitglied des Oberen Tschenos, der Regierung der Tentra-Blues, und damit dessen offizieller Repräsentant. Er hielt sich an Bord des größten Frachtraumers der Karawane auf. Der derzeitige Sprecher der Fünferrats, der Nuru Parshu, wollte sich auf Zarut mit Kirzay treffen, um einen Handelsvertrag zwischen den beiden Reichen voranzutreiben.

»Es waren die Nuru, die den Friedensbund um Unterstützung gebeten haben«, erinnerte Gudati. »Sie wollten, dass die Cairaner über das Treffen wachen. Wir sollten in erster Linie zusehen, dass die Nuru zufrieden sind, nicht die Tentra.«

Ich dachte daran, dass Konsul Baldaraise diese Anfrage zwar positiv beantwortet hatte, doch dass er nicht begeistert gewesen war. Nach allem, was ich selbst mitbekommen hatte und was mir über Informanten vermittelt worden war, schien den Cairanern der Aufstieg des Planeten Zarut nicht geheuer zu sein. Passte das zu der These, die ich Paath gegenüber geäußert hatte? Dass es die Cairaner gewesen sein konnten, von denen die Nuru in den letzten 500 Jahren gefördert worden waren?

Im Grunde schon. Vielleicht wuchsen die Schüler den Lehrmeistern zu schnell heran, und nun fürchteten sie, die Kontrolle zu verlieren.

»Wie lange sind die Cairaner auf Zarut?«, fragte ich die Anzugpositronik, die mit dem Optikum vernetzt war.

»Der genaue Zeitpunkt ihrer Ankunft ist unbekannt«, teilte die Positronik mit. »Ihre Stadt, Taymen, haben sie offiziell vor dreihundertzehn Jahren gegründet.«

»Die Spiegelstadt ...« So nannten die Nuru die cairanische Siedlung. Mir waren Bilder davon aus dem entsprechenden USO-Dossier bekannt, das uns erst kürzlich zugegangen war. Dorthin würde ich mit Zemina Paath zuerst gehen, um einen Eindruck vor Ort zu gewinnen.

»Fertig mit dem Selbstgespräch?«, fragte Gudati. Es sollte wohl ein Scherz sein, schließlich hatte ich kein Selbstgespräch geführt, sondern die Audiofunktion der Positronik genutzt. Ich begriff nicht, warum selbst er in meiner Gegenwart Scherze machte. Er musste doch wissen, dass er damit auf Arkonstahl biss.

»Falls Sie die Positronikabfrage meinen, sie ist beendet. Es besteht derzeit kein Bedarf an weiteren Daten.«

»Aber an weiterem Einsatzpersonal!«

»Negativ. Zemina Paath und ich werden uns einen ersten Eindruck verschaffen.«

Gudati machte ein langes Gesicht. »Ich will mitgehen! Lassen Sie mich in den Einsatz.«

Im Hintergrund führte die Kommunikation ein Gespräch mit dem Raumhafen. Natürlich waren wir nicht zu hören, dennoch hätte man uns auch hören können: Wir waren offiziell als USO vor Ort.

»Nein. Sie bleiben und passen auf das Nervenbündel auf. Wir müssen diesen Einsatz gut zu Ende bringen, damit wir bei den Cairanern weiterhin in der Gunst stehen.«

Gudati winkte mich zur Seite, fort von Zemina Paath. Sie bemerkte die Geste, hob eine dünne Augenbraue, doch sie ließ uns gehen. Sie entfernte sich sogar selbsttätig um weitere Schritte.

Der Kommandant senkte die Stimme. »Allein mit Paath? Warum?«

»Weil es eine Chance ist, mehr über sie herauszufinden. Sie vielleicht unter Druck zu setzen, damit sie Erinnerungen ausspuckt.«

Gudati kniff die grünen Augen zusammen. »Seien Sie vorsichtig. Sie wirkt harmlos und schwach, besonders Ihnen gegenüber, aber wir wissen immer noch nicht, was genau es mit der Halskrause und dem Anzug auf sich hat. Auch ihr Körper ist ungewöhnlich. Allein mit ihr unterwegs zu sein, auf einem fremden Planeten, könnte gefährlich werden.«

»Rhodan war bereits mit ihr im Außeneinsatz. Mehr als einmal. Ich bin sicher, ich komme klar.«

»Natürlich. Ich sage nur, dass Sie wachsam sein sollten.«

»Das bin ich immer.«

»Und Sie wollen das wirklich allein tun?« Dem Kommandanten war anzusehen, dass ihn die Welt Zarut brennend interessierte. »Vielleicht brauchen Sie ja jemanden, der Ihnen das eine oder andere Stück für Stück auf den Planeten schmuggelt. Darf ich vielleicht für einige Tage Urlaub machen? Schließlich haben Sie auch Hogam und Tashtelu-Tempu zwei Tage freigegeben.«

»Wenn Ihr Urlaubsaufenthalt in der Nähe des Nervenbündels liegt ...«

»Das lässt sich einrichten.«

Wno Traekknors Miene wurde schlagartig glatter. Die Kugelaugen kamen zur Ruhe, dafür schnellte die Zunge kurz hervor. Der Topsider wirkte schier begeistert, wenn ich es richtig einordnete. Es war bekannt, dass er das Schiff mehr liebte als jeder andere an Bord und sich über jede Gelegenheit freute, in der er die Verantwortung für die TOSTAN trug.

»Das wird er«, versprach Gudati. Er drehte sich zu seinem Stellvertreter um. »Wie es aussieht, halten Sie Ihr Lieblings-Ei bald wieder in Ihren zwölf Klauen.«

Wno Traekknor züngelte erneut. »Ich kann es kaum erwarten!«

*

Der Raumhafen war bestens gekühlt. Noch war nichts von der glühenden Hitze zu spüren, die der Planet für Besucher bereithielt. Draußen herrschten über fünfzig Grad im Schatten. Ich hoffte, dass Paath mit den Verhältnissen zurechtkommen würde. Um mich machte ich mir keine Sorgen. Als Oxtorner hielt ich einiges aus.

Wir trugen beide leichte Einsatzanzüge, schlichte Varianten eines SERUN-Slender, die normale Kleidung vortäuschten, und überstanden die Kontrollen samt der Ankunftsformalien einfacher als erwartet. Es kam uns zugute, in einer friedlichen Sternregion zu sein. Die Nuru wirkten eher neugierig als misstrauisch. Allgemein hieß es, sie kämen mit Gewalt schwer zurecht.

Einige Kosmopsychologen waren der Ansicht, die Nuru hätten einen überaus gesunden Umgang untereinander, wenn man sie mit anderen Sternenvölkern verglich. Dazu kam, dass sie uns anstarrten, als wären wir mit ihrem Gott, diesem Schattengeist, verwandt oder zumindest seine direkten Abgesandten. Sie überschlugen sich nahezu vor Aufmerksamkeit, winkten uns an Warteschlangen vorbei, boten uns Erfrischungsgetränke und schauten kaum hin, als ich die Hologenehmigung für unsere SERUNS sowie für die beiden Strahler vorlegte.

»Was haben wir an uns, dass sie uns so viel freundlicher behandeln als andere Einreisende?«

Paath deutete auf einige Terraner in der Nähe, unter ihnen Bela Hogam, die von einer Gruppe Nuru umlagert wurde. »Die Ohren. Schau, wie sie auf die Ohren deuten!«

Es stimmte. Hogam erlaubte gerade einem klein gewachsenen Nuru ihr Ohr sogar anzufassen. Der Nuru klackte aufgeregt mit dem schildkrötenähnlichen Schnabel. In dem Moment fiel mir auf, wie unregelmäßig die Wände geformt waren und was an eierkartonartigen Elementen von der Decke baumelte, als hingen da oben Riesenkokons.

Dieser Raum hatte eine erstaunlich gute Akustik, die in keiner Weise mit der vieler terranischer Raumhäfen zu vergleichen war. Trotz der Menge an Einreisenden war es wohltuend ruhig. Nirgendwo gab es glatte, metallene Flächen, an denen sich die Schallwellen hätten brechen können. Stattdessen erkannte ich grobporigen Schaumstoff und dank der Infrarotsicht des Optikums sogar die Wärme, die an der Oberfläche entstand.

»Sie lieben angeblich Klänge und Töne«, erinnerte ich mich.

»Und Musik«, ergänzte Paath. »Dabei haben sie winzig kleine Ohren. Die Ohren von Terranern dagegen sind deutlich stärker ausgeprägt. Das fasziniert sie.«

»Verstehe. Berührungsängste haben sie jedenfalls keine.«

Durch die Fenster sah ich eine ganze Reihe weiterer Schiffe. Der Großteil waren Nururaumer: flache Quader aus grauschwarzem Metall. Die größten maßen 800 Meter in der Länge und 400 in der Breite. Sie hatte eine Höhe von gut 100 Metern und damit beeindruckende Maße für ein derart junges Sternenvolk. Dies war die Schiffsklasse, die die Nuru »die Gewaltigen« nannten.

Mein Optikum teilte mir nach einer ersten Analyse in Daten-Bildform mit, dass die Schiffe starke Schutzschirme aufwiesen, aber keine im eigentlichen Sinn offensive Bewaffnung; lediglich mehrere Desintegratorstrahler, die wohl dazu dienten, entgegenfliegende Objekte aus dem Weg zu räumen. Eine weitere Vorrichtung am unteren Rumpf der Schiffe deutete auf die Möglichkeit hin, einen leistungsstarken Traktorstrahl einzusetzen.

Ich las die Namen der Raumer: JAHR 289, JAHR 346 und JAHR 354. Die JAHR 354 wirkte deutlich neuer und moderner als die JAHR 289. Demzufolge waren die Namen tatsächlich an der Chronologie orientiert.

Das Jahr 1 wurde, wie eine kurze Datenabfrage ergab, als Jahr der Weite bezeichnet und datierte auf den ersten überlichtschnellen Raumflug der Nuru im Jahr 1690 NGZ.

Auch an der abschließenden Kontrolle genossen wir freundlichsten Service und bevorzugte Behandlung. Ein Nuru gab uns einen Datenkristall, der Informationen über Hotels, öffentliche Transportmittel und kostenlos zur Verfügung stehende Gleiter enthielt. Wir nahmen einen der Gleiter, wofür ich mich unter einer Tarnidentität als Halbterraner anmeldete. Das Gerät war nicht weltraumtauglich, bot jedoch besten Schutz vor Sonne und Loppresangriffen.

Die Loppres waren gigantische Raubschmetterlinge, die sich überwiegend von Blut ernährten und im Rudel jagten. Durch den hohen Sauerstoffanteil in der Atmosphäre brachten die Tiere es auf Flügelspannweiten von bis zu anderthalb Metern. Loppresanhänger, Statuen und selbstfliegende Miniaturausgaben aus Papier, Pappe und allen erdenklichen Kunststofffolien gab es zuhauf käuflich zu erstehen.

Wer keine der hiesigen akzeptierten Währungen hatte, konnte in einem speziell ausgewiesenen Bereich Waren oder Informationen tauschen. Dafür stand ein ganzes Heer anderer Tauschwütiger bereit, die ihre Angebote bereits ins Resa-Netz gestellt hatten. Kontakte konnten leicht geknüpft werden, doch wir brauchten keine langwierigen Vorarbeiten zu leisten. Ich hatte mich auf den Besuch vorbereitet und war bestens mit Zahlungsmitteln ausgestattet.

»Was machen wir als Erstes?«, fragte Paath, als ich den Gleiter startete und ein leises Sirren erklang.

»Was würdest du tun?«, fragte ich zurück.

»Ich will nach Taymen. Meine Intuition zieht mich dorthin.«

Ich lachte kurz und humorlos auf. Dabei zog ich den Gleiter höher, auf die vorgeschriebene Route. »Intuition? Logik würde auch funktionieren! Taymen ist eine Cairanerstadt, und wir wollen die Cairaner ausspionieren. Nirgendwo sonst werden wir so viele auf einem Haufen finden.«

»Logik ist nicht alles«, beharrte Paath. »Ich ahne ein Geheimnis.«

»Die Cairaner haben tausend Geheimnisse.« Ich drehte mich im Sitz zu ihr um, betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Ihre schwarzen Haare hatten den blauen Glanz verloren, die Augen wirkten gemäßigt. Der Grünton war weit weniger auffällig als das ursprüngliche Blau. »Hast du dich überhaupt ausreichend auf diese Mission vorbereitet, oder hast du die letzten Tage an Bord damit verbracht, dich mit Mythen zu beschäftigen?«

»Ich weiß von der USO, dass die Cairaner in Nuruvrao seit einigen Monaten besonders aktiv sind, auch wenn ihr mir gegenüber mit Informationen geizt. Die Aktivitäten stehen in Beziehung zum Sternsüdlichen Konsulat, für das es momentan keinen Konsul gibt. Angeblich war bereits einmal ein Cairaner für dieses besondere und sehr langlebige Amt vorgesehen. Doch er hat es aus unbekannten Gründen nicht angetreten. Der Posten ist seit einer Weile neu zu besetzen. Als wir auf dem Zweiten Terra waren, ich und Perry Rhodan, trafen wir einen Cairaner namens Paiahudse Spepher. Er soll einer der möglichen Kandidaten sein. Der Name des mysteriösen Konsuls, der sein Amt nicht antrat, lautet übrigens Orpard Surrutaio.«

»Beeindruckend.«

»Ein Kompliment aus deinem Mund? Dafür würde sich so mancher USO-Spezialist ein Bein ausreißen.«

»Dann ist es gut, dass ich keine verteile. Ich stelle lediglich fest. – Weißt du auch etwas über die politische Situation vor Ort?«

»Die Lage in Nuruvrao ist angespannt, aber es gibt keine offenen Konflikte. Auf vielen Welten der Nuru gilt das Ausleben von Gewalt als krankhaft. Die Nuru sind friedliebend und offen gegenüber dem Neuen. Viele leben etwas, das sie den Schattenweg nennen – eine besondere Verbundenheit mit dem, was ist.«

»Das stimmt. Wenn es ihnen gefällt, ist es eben so«, sagte ich.

»Kommen wir zurück zur Frage, was wir nun tun«, sagte Paath.

»Wir gehen zur Cairanerstadt. Genau wie geplant.«

Sie legte den Kopf schief. »Wenn du es vorher schon geplant hast, weshalb hast du dann mich nach meinen Vorstellungen gefragt?«

»Weil mich deine Antworten interessierten. Daraus lerne ich dich besser kennen.«

»Du durch Antworten, ich durch deine Fragen.« Sie hob den Blick, sah mir direkt in die künstlichen Augen. Es war, als würde die Sonnenbrille gar nicht existieren, als könnte sie das Innerste des Optikums erkennen. »Ihr Galaktiker verlangt viel, weißt du das? Ich habe Perry Rhodan bereits meinen Paau gegeben. Wie viel Vertrauensbeweise braucht ihr noch?« Sie hob die unversehrte Rechte. »Muss ich mir dafür ein paar Finger abhacken?«

Ich dachte daran, wie ich die Cairaner getäuscht hatte. Ich hatte sie von Posbis angreifen lassen, die mit uns verbündet waren, um sie anschließend zu retten. Doch der Fall Zemina Paath lag völlig anders. Sie hatte Perry Rhodans Vertrauen errungen – und ihn nicht hintergangen. Jedenfalls noch nicht.

»Selbst in diesem Moment«, sagte sie. »Ich weiß es, auch wenn du keine Augen hast, in die ich blicken kann. Du misstraust mir. Ich habe euch sehr viel gegeben – und kaum etwas zurückbekommen.« Sie sprach neutral. Es war kein Vorwurf, ebenso wenig wie der Kommentar über ihre Finger einer gewesen war. Das rechnete ich ihr an.

»Man schließt gerne von sich auf andere«, räumte ich ein. »Mir solltest du misstrauen.«

Sie lächelte zaghaft, formte die Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis. »Das tue ich.« Ihr Lächeln wirkte beinahe terranisch. Fast hätte ich vergessen, dass sie eine durch und durch Fremde war.

Ich stieg ein Stück höher, tauchte aus der Fahrschlucht zwischen braunem Gestein auf, sodass wir einen ersten Überblick über die Stadt bekamen. Es war ein Häusermeer, das sich erstreckte, so weit das Optikum reichte. Bunte Dächer lagen wie ein Muster aneinander. Teilweise entstanden abstrakte, harmonische Bilder, die bewusst geplant worden waren, sodass man aus der Luft einen beruhigenden Anblick hatte.

»Hou«, machte Paath – es war ein Laut, mit dem sie ihr Erstaunen ausdrückte. »Wundervoll.«

»Unübersichtlich«, urteilte ich. »Ich schlage vor, wir nehmen uns ein Hotelzimmer in der Nurustadt. Danach suchen wir uns einen Führer. Direkt nach Taymen zu fliegen wäre zu auffällig. Kein Besucher tut das, der nicht Geschäfte mit den Cairanern macht oder aus einem anderen Grund nach Zarut eingeladen wird.«

»Du musst es wissen, Lordadmiral.«

»So ist es. Es gibt ein USO-Dossier über diesen Planeten. Hast du irgendwelche neuen Erinnerungen oder Gefühle?«

Paath schwieg. Ihr Blick ging voraus, auf die unzähligen Häuser, Schattenschluchten und sandsteinfarbenen Paläste. Vor uns lag eine ganz und gar fremde Welt, die mich in ihrer Vielfalt an Lepso erinnerte. Dabei ragten die meisten Gebäude nicht in die Höhe, sondern lagen flach und breit da, oft in Gruben, die viele Meter in die Tiefe reichten. Unterirdische Geschosse waren in diesem Klima normal. Goldene Pyramiden, braune Giebel- und bunte Flachdächer wechselten einander ab. Über allem thronte ein schlüsselförmiges Gebilde, das erhöht auf einem Hügel lag: die Kloknu-Arena.

Nach einer Weile wandte Paath den Blick ab. »Nein. Aber ich würde gerne mit einem Nuru reden.«

»Das lässt sich einrichten. Da unten gibt es zehn Millionen davon.« Wir flogen auf die Arena zu, und dann an dem gut 200 Meter langen, schlüsselförmigen Gelände entlang, in dem mehrere Hindernisse aufgebaut waren. Dort unten war einiges los. Irgendwo schlugen Trommeln.

Nicht weit entfernt lag ein typisches Touristenviertel, in das mehrere Blues und Terraner aus der TOSTAN gehen würden. Ich hielt es für besser, mich vermeintlich mit dieser Gruppe zu bewegen.

Wir fanden ein preiswertes, akzeptables Grubenhotel, das der Datenspeicher empfahl, brachten unsere persönlichen Dinge dorthin und aßen eine Kleinigkeit – wobei meine Kleinigkeit ein wenig proteinreicher und größer ausfiel als das zu vernachlässigende, nicht zu identifizierende Grünzeug, mit dem sich Paath begnügte.

Die Thesan blieb schweigsam. Das war mir recht. Mythen und Ungewissheiten hatte ich für die nächsten zwei Wochen genug gehört.

Nachdem wir uns gestärkt hatten, erstanden wir zwei touristenübliche Schattenschirme, die über unseren Köpfen mitflogen, und machten uns auf den Weg.

Perry Rhodan 3060: Die Thesan und der Lordadmiral

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