Читать книгу Perry Rhodan Neo 222: Welt der Mehandor - Michelle Stern - Страница 8
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Gute Geschäfte
»Sie antworten immer noch nicht.« Sarah Maas wirkte verzweifelt, als sei es ihre Schuld, dass die Mehandor auf die mehrfachen Kontaktversuche der CREST II nicht reagiert hatten.
Thora konnte es selbst nachvollziehen – sie war nahe dran, nachzuschauen, ob die Funk- und Ortungsoffizierin wirklich einen offenen Kanal für ihren Ruf gewählt hatte. Sie wusste aber, dass dies nur an ihrer Nervosität lag. Die ungewöhnlichen Gravitationsverhältnisse im Sternenriff mochten die Kommunikation beeinflussen, so wie vieles andere. Der Hyperfunk funktionierte unzuverlässig. Trotzdem hatte Thora das seltsame Gefühl, dass es nicht allein daran lag, dass keine Kommunikation zustande kam.
Das gibt es doch nicht: Erst retten sie die MAGELLAN, dann wollen sie aber nicht mit uns reden? Dieses Verhalten untermauerte Thoras Misstrauen gegenüber den Mehandor. Das plötzliche Auftauchen der ISBIKK war garantiert mehr als Zufall.
»Vielleicht haben sie mit Schäden am eigenen Schiff zu kämpfen«, sinnierte Perry Rhodan leise neben ihr. »Wir wissen nicht, was hinter ihnen liegt auf dem Weg durch das Sternenriff.«
Natürlich glaubt er wieder an das Gute im Menschen – oder im Mehandor. Typisch.
»Die Walze sieht nicht beschädigt aus«, versetzte sie. »Und es würde mich sehr wundern, wenn ein Mehandorschiff nicht über das nötige Kartenmaterial verfügte, um zur Zentralwelt ihres Volkes vorzudringen.«
»Nicht jeder Schaden ist von außen offensichtlich.« Rhodan deutete auf das Holo der MAGELLAN. »Conrad hat gemeldet, dass sie dort drüben mit den überhitzten Triebwerken kämpfen, und das ist von außen ebenfalls nicht zu sehen.«
»Ich hoffe, sie bekommen das bald in den Griff.« Thora musterte die dreidimensionale Darstellung sorgenvoll. Die MAGELLAN sah tatsächlich unbeschädigt aus, war derzeit aber manövrierunfähig. Laut den Experten sollte das Problem bald behoben sein. »Ich möchte nicht länger als nötig bleiben.«
»Das will keiner von uns.« Rhodan schnippte mit einer Handbewegung das Holo zur Seite, sodass die Mehandorwalze in den Fokus kam. »Ohne die ISBIKK wären wir nicht so glimpflich aus der Sache herausgekommen.«
»Schon ... Aber denkst du, wir können den Mehandor trauen?« Thora senkte die Stimme. Sie hätte auch ein Dämpfungsfeld aufbauen können, aber was sie mit ihrem Mann besprechen wollte, war nicht unbedingt geheim. Sie legte lediglich keinen Wert darauf, dass sich irgendwer in den Gedankenaustausch einmischte. »Du weißt, dass Archetz als unerreichbar gilt. Die Mehandor pflegen diesen Ruf intensiv. Wäre ich an ihrer Stelle, würde ich einen solchen Status mit allen Mitteln schützen.«
»Und dazu gehört eigentlich nicht, Eindringlinge aus einer Gravitationsstromschnelle zu retten. Ich verstehe, was du meinst.«
»Eben. Die Mehandor können eine direkte militärische Konfrontation mit Arkons Großen Imperium niemals riskieren; das würden sie nicht überstehen. Sie können also nicht zulassen, dass der Weg durch das Sternenriff bekannt wird.«
»Wir sind aber nicht das Große Imperium«, erinnerte Rhodan sie. »Vielleicht haben die Mehandor den Menschen gegenüber weniger Bedenken. Außerdem: Wir wissen bereits, dass auf Archetz ein gewaltiges Geschäft abgewickelt wird. Vielleicht versprechen sich die Händler von uns etwas. Mehr Profit, bessere Konditionen, wer weiß?«
Thora biss sich auf die Unterlippe. »Das kann sein. Was in den Köpfen der Mehandor vorgeht, ist oft nicht nachvollziehbar. Aber es dreht sich immer alles um das beste Geschäft. Vielleicht kommt uns diese Hilfe noch teuer zu stehen.«
»Für die Rettung der MAGELLAN können die Mehandor tatsächlich einen stolzen Preis aufrufen. Sie haben viele Leben gerettet.«
»Umso seltsamer, dass sie bislang überhaupt nicht kommunizieren.« Thora runzelte die Stirn und wollte noch etwas hinzufügen, als neben ihr die Luft flimmerte.
Gucky tauchte wieder auf – und er hatte einen unerwarteten Passagier dabei.
Reflexartig machte Thora einen Schritt zur Seite, als sie den zylinderförmigen, geschuppten Körper erkannte. Ein Fantan! Wie kommt er an Bord meines Schiffs?
»Entschuldigt, dass ich störe, ihr Turteltäubchen, aber ich habe jemanden im unteren Hangar gefunden«, sagte Gucky. »Erinnert ihr euch an Lawwassatt?«
»Lawwassatt? Ich dachte, Sie wären nach unserem Gespräch im Gespinst in die Fannon-Karawane zurückgekehrt!«, rief Thora verblüfft.
»Das bin ich auch.« Der Fantan deutete eine Verbeugung an; der Zylinderkörper knickte in der Hälfte ein. »Aber ich musste zurückkehren, weil ich mit Ihnen reisen wollte.«
»Bei uns ist es üblich, vorher um einen Platz für einen Transfer zu bitten – ich denke, Sie wissen das.« Rhodan war höflich, aber Thora spürte seine Missbilligung. Sie selbst hätte noch deutlichere Worte gefunden, wenn der Fantan ihr nicht zuvorgekommen wäre.
»Das weiß ich, und ich entschuldige mich ausdrücklich für mein Fehlverhalten. Ich habe von diesem Ilt erfahren, dass Ihre Schiffe sich in Schwierigkeiten befinden, und möchte nachträglich für meinen Transfer bezahlen. Sie werden mein Angebot sicher nicht abschlagen.«
Für einen Augenblick war Thora zu verblüfft, um zu antworten. »Wie kommen Sie darauf?«, fragte sie dann.
»Nun, weil das Objekt meines Tauschhandels alle Ihre Probleme lösen wird – zumindest diejenigen, die sich auf die Passage durch das Sternenriff beziehen.« Der Fantan zog einen winzigen Datenträger zwischen seinen Schuppen hervor und sprach eilig, sogar hastig weiter. »Ich verfüge über detaillierte Modelle des Sternenriffs, geheimes Kartenmaterial, wie es sonst nur dem Führungspersonal ausgewählter Mehandorsippen zur Verfügung steht. Es wird auch Ihren Piloten die Navigation durch dieses Gebiet erleichtern.«
Thoras Blick wanderte von dem Datenträger, der nicht größer als die Spitze eines Fingernagels war, zu dem Hologramm, das noch immer die Mehandorwalze zeigte. Dem Führungspersonal von Mehandorsippen vorbehaltene Daten? Also dürften auch unsere Raumnotretter darüber verfügen. Deswegen ist der Fantan so hektisch. Er hat Angst, dass die Mehandor ein Gegenangebot machen und seine Verhandlungsmasse sich in Luft auflöst.
»Ich muss mich beraten«, sagte sie, rief Rhodan und die Erste Offizierin Akilah bin Raschid zu sich, baute ein Akustikdämmfeld um sie herum auf. »Was haltet ihr davon?«
»Vielleicht brauchen wir den Handel mit dem Fantan nicht«, sagte bin Raschid prompt. »Die Mehandor könnten diese Karten ebenfalls haben.«
»Ich bin mir sogar sicher, dass sie darüber oder über etwas Ähnliches verfügen; sonst wären sie uns garantiert nicht ins Sternenriff gefolgt«, äußerte Rhodan.
»Aber was, wenn nicht?«, gab Thora zu bedenken. »Ich neige dazu, mich auf den Handel einzulassen. Was können wir verlieren? Den Fantan haben wir ohnehin bis Archetz am Hals, es sei denn, ich werfe ihn aus der Luftschleuse ...«
»Was du sicher nicht tun wirst, obwohl Lawwassatt langsam Übung darin bekommt.« Rhodan nickte. »Du hast recht. Es kann nicht schaden, diese Karten in unserer Datenbank zu haben. Schließlich wollen wir irgendwann auch wieder zurück. Außerdem: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Von den Mehandor werden wir diese Daten garantiert nicht umsonst bekommen.«
Thora desaktivierte das Akustikdämmfeld. »Abgemacht«, sagte sie zu dem Fantan. »Wir bekommen das Material, und Sie dürfen uns nach Archetz begleiten. Ich übernehme allerdings nicht die Verantwortung, wenn man Sie dort nicht auf den Planeten lässt.«
»Das soll meine Sorge sein.« Der Fantan übergab den Datenspeicher an die Ortungsoffizierin.
In diesem Moment ging ein Ruf der ISBIKK ein. Thora wies Maas mit einer Handbewegung an, das Gespräch anzunehmen. Im Kommunikationsholo erschien ein hünenhafter Mehandor mit langen, roten Zöpfen. Ein Lächeln glitt über sein bartloses Gesicht, als er Perry Rhodan und Gucky erkannte.
»Der Berater – und unser kleiner, pelziger Freund. Geht es Ihnen gut?« Er bemerkte den Fantan und schien irritiert, fing sich aber schnell. »Wir haben sofort eingegriffen, als wir die Schwierigkeiten der MAGELLAN bemerkt haben. Leider konnten wir bislang keinen Kontakt aufnehmen, eine Gaswolke hat unsere Frequenzen gestört und schränkt sie noch immer in ihrer Reichweite ein – ich hoffe, dort ist alles in Ordnung?«
»Mein Name ist Thora Rhodan da Zoltral, ich bin Kommandantin der CREST II«, sagte Thora. »Und Sie sind Heskett, wenn ich richtig vermute? Der Sohn von Matriarchin Karika?«
»Der bin ich. Meine Mutter sendet Grüße.«
Interessant. Perry hat erzählt, dass bei ihrem letzten Kontakt die Matriarchin nicht selbst in Erscheinung getreten ist – und jetzt schon wieder. Ob es dafür einen Grund gibt?
»Wir danken Ihnen für die Hilfe. Wenn die ISBIKK nicht gekommen wäre, hätten wir die MAGELLAN nicht so einfach aus der K'Urgah befreien können.« Thora wollte sich nicht allzu überschwänglich in ihrer Dankbarkeit zeigen. »Wir fragen uns allerdings, ob es ein Zufall war, dass Sie bei uns aufgetaucht sind.«
»Vielmehr eine glückliche Fügung. Meine Mutter hat Anweisung gegeben, Ihren Schiffen zu folgen, weil sie sich große Geschäfte erhofft.«
»Wir waren skeptisch, als Sie in das Sternenriff geflogen sind«, mischte sich eine junge Mehandorfrau mit gelb gefärbten Haaren ein, die sich von links ins Bild schob. Heskett schien mit der Einmischung keine Probleme zu haben.
»Wir wissen schließlich, was für Gefahren hier drohen«, fügte ein untersetzter junger Mann mit auffällig großer Nase hinzu, der sich von der anderen Seite ins Bild drängte. »Aber da es für uns kein Problem darstellt, im Sternenriff zu navigieren, folgten wir Ihnen.«
»Deswegen war unser Schiff zur richtigen Zeit am richtigen Ort«, schloss Heskett ab.
Thora bemühte sich um einen gefassten Gesichtsausdruck. Das Trio war genau so, wie Gucky, Rhodan und Kosum es in einer Lagebesprechung beschrieben hatten. »Brunila und Polkast, nehme ich an.«
»Meine beiden Berater und engsten Freunde.« Heskett nickte, warf Gucky einen nervösen Blick zu, als fürchte er, der Ilt könne etwas Unbedachtes ausplaudern. Gucky hatte von der seltsamen Dreierbeziehung berichtet, aber keine Details genannt.
»Und Sie kennen einen ungefährlichen Weg nach Archetz?«
»Aber natürlich«, plusterte sich Heskett auf. »Wir können Ihnen eine gefahrlose Passage garantieren.«
Thora runzelte misstrauisch die Stirn. »Zu welchem Preis?«
»Aber, aber – eine Hand wäscht die andere, oder?« Heskett lächelte verbindlich. »Sie haben uns schließlich auch bei der Reise nach Arkon geholfen. Wir revanchieren uns nur. Und wer weiß, vielleicht können Sie uns bald wieder einen Gefallen tun.«
»Haben Sie gute Verbindungen nach Archetz?«, lenkte Rhodan vom Thema ab.
Thora ahnte, dass er ihre Antwort hinauszögern wollte. Sicher ging es ihm wie ihr: Einen Blankoscheck für einen ominösen zukünftigen Gefallen auszustellen, hielt Thora für mehr als leichtsinnig. Vielleicht war es besser, nicht darauf einzugehen.
»Zur Sippe der Mharl haben wir ein solides Verhältnis«, lautete Hesketts Antwort, die genauso ausweichend klang.
Thora hob fragend die Augenbrauen. »Die Mharl?« Von dieser Mehandorsippe hatte sie noch nie gehört.
»Die Mharl leben ausschließlich auf Archetz. Auf dem Planeten sind mehrere Sippen zu einer sesshaften Gemeinschaft zusammengewachsen.«
»Man könnte die Mharl auch als Polysippe bezeichnen«, ergänzte Brunila. »Und nicht alle Mehandor sind mit der Art der Mharl, Handel zu treiben und zu politischen Zwecken zu gebrauchen, vorbehaltlos einverstanden.«
Polkast hob seine große Nase, als wollte er schnüffeln. »Wir nehmen uns da nicht aus.«
»Denn uns sind offene Geschäfte lieber.« Heskett breitete die Arme in einer im arkonidischen Imperium geläufigen Geste aus, die »Wir sind ehrliche Händler« signalisieren sollte.
Thora war von dieser Art der Konversation genervt. An den Mehandor wusste sie eigentlich zu schätzen, dass man es für gewöhnlich nur mit einer Matriarchin oder einem Patriarchen – also einem einzigen Gesprächspartner – zu tun hatte. Dieses geschwätzige Trio indes verursachte ihr Kopfschmerzen.
Sarah Maas meldete sich zu Wort. »Ich möchte nicht stören, Kommandantin, aber wir haben eine Nachricht von Nykyta Lomatschenko.« Das war der Funkchef der MAGELLAN. »Die Triebwerke sind instand gesetzt und abgekühlt. Die MAGELLAN ist wieder voll manövrierfähig.«
»Sehr gut. Heskett, wie lautet Ihr Vorschlag? Überspielen Sie uns das benötigte Kartenmaterial?«
Der Mehandor wiegte bedauernd den Kopf. »Das kann ich leider nicht tun. Diese sensiblen Informationen sind ausschließlich den Mehandor vorbehalten. Aber wir fliegen Ihnen gern voraus und führen Sie sicher durch das Sternenriff nach Archetz.«
»In Ordnung. Dann setzen Sie sich an die Spitze.«
»Sobald wir den Nahbereich von Archetz erreicht haben, würden wir gern an Bord kommen und Sie persönlich kennenlernen«, setzte Brunila hinzu.
Wenn es sein muss ... Thora seufzte lautlos und sagte diplomatisch: »Sie sind herzlich willkommen.« Dann beendete sie die Holoverbindung mit der ISBIKK und wandte sich der Zentralebesatzung zu. »Sagen Sie Kommandant Deringhouse Bescheid, dass die MAGELLAN sich hinter uns halten soll, Miss Maas. Und Sie, Mister Azikiwe, bleiben an der Walze dran. Aber gleichen Sie den Kurs mit den Daten ab, die wir von Lawwassatt erhalten haben. Nicht, dass uns die Mehandor aus Versehen auf einen gefährlichen Pfad führen.«
Perry Rhodan nahm Thora beiseite. »Du traust den Mehandor noch immer nicht?«
»Keinen Schritt weit. Die drei können gern versuchen, mir weiszumachen, dass sie der Mharlsippe kritisch gegenüberstehen. Aber Mehandor sind und bleiben Mehandor: Wenn es darauf ankommt, halten sie zusammen. Und ich sehe weiterhin keinen Grund, aus dem sie Fremde nach Archetz führen sollten.«
»Denkst du ernsthaft, sie wollen uns in eine Falle locken? Dann hätten sie die MAGELLAN auch ihrem Schicksal in der Stromschnelle überlassen können.«
»Ich denke gar nichts, ich bin nur vorsichtig, Perry.« Thora Rhodan da Zoltral verschränkte die Arme vor der Brust. »Und in einer Sache bin ich mir absolut sicher: Diese drei – Heskett, Brunila und Polkast – sind nicht das, was sie vorgeben. Wir sollten sie sorgsam im Auge behalten.«