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1. Teil Einleitung › D. Verfahrensgrundsätze

D. Verfahrensgrundsätze

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Das Verfahren, in dem namentlich die VGe ihre Entscheidungen finden, unterliegt bestimmten Grundsätzen, welche ihrerseits zum größten Teil durch das Verfassungsrecht (v.a. das Rechtsstaatsprinzip) vorgegeben sind.[1] Bei diesen Verfahrensgrundsätzen[2] handelt es sich im Einzelnen um den

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Dispositionsgrundsatz/-maxime bzw. Verfügungsgrundsatz. Abweichend vom Strafprozess, wo das Gericht bzw. ein anderes staatliches Organ (Staatsanwaltschaft) das (Straf-)Verfahren von Amts wegen einleitet, fortführt und über dessen Gegenstand bestimmt (Offizialprinzip, -maxime), liegt im Verwaltungsprozess – ebenso wie im Zivilprozess – die Verfahrensherrschaft bei den Beteiligten (§ 63 VwGO; Rn. 225 ff.) des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. D.h. diese – und nicht etwa das Gericht – entscheiden über den Beginn, den Umfang (Streitgegenstand) und das Ende des Rechtsstreits. Das Gericht wird allein auf Initiative des Klägers bzw. Antragstellers hin tätig (siehe z.B. §§ 42 Abs. 1, 80 Abs. 5 S. 1 VwGO) und darf gem. § 88 VwGO in seiner Entscheidung nicht über das Klagebegehren hinausgehen (ne ultra petita; Rn. 37). Der Kläger kann, nachdem er sich zunächst autonom für die prozessuale Durchsetzung seines subjektiven Rechts entschieden hat, die Klage ändern (§ 91 VwGO), wieder zurücknehmen (§ 92 VwGO), auf den mit ihr geltend gemachten Anspruch verzichten (§ 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 306 ZPO; vgl. auch § 87a Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder sich mit dem Beklagten vergleichen (§ 106 VwGO) bzw. einseitig oder zusammen mit diesem den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, vgl. § 161 Abs. 2 VwGO (Rn. 166). Der Beklagte kann den mit der Klage geltend gemachten Anspruch anerkennen, § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 307 ZPO und vgl. §§ 87a Abs. 1 Nr. 2, 156 VwGO;

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Amtsermittlungs-/Untersuchungsgrundsatz bzw. Inquisitionsmaxime. Im Gegensatz zum Zivilprozess, wo der Sachverhalt nach dem Beibringungs-/Verhandlungsgrundsatz durch die Parteien beigebracht werden muss,[3] erforscht das Gericht im Verwaltungsprozess – ebenso wie im Straf-, Finanz- und Sozialgerichtsprozess – den Sachverhalt von Amts wegen, soweit dies für die Entscheidung des Gerichts über das klägerische Begehren erforderlich ist (§ 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO), bis zu seiner vollen „Überzeugung“, § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO.[4] Eingeschränkt wird die grundsätzliche Verantwortung des Gerichts zur Aufklärung sämtlicher entscheidungsrelevanter Tatsachen durch die aus § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwGO resultierende (Prozessförderungs-)Pflicht der Beteiligten zur Mitwirkung an der Erforschung des Sachverhalts (z.B. muss ein Asylbewerber die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vortragen). Erfüllt ein Beteiligter seine Mitwirkungspflicht trotz Möglichkeit und Zumutbarkeit nicht, so hat dies grundsätzlich eine Verringerung des Umfangs der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärungspflicht sowie eine Reduzierung des Beweismaßes zur Folge. Auch kann das Gericht hieraus in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des Einzelfalls für den betreffenden Beteiligten ungünstige Schlussfolgerungen ziehen (z.B. auf die Nichteignung zum Führen eines Kfz bei Weigerung des Betroffenen, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, § 11 Abs. 8 S. 1 FeV); vgl. ferner § 155 Abs. 4 VwGO zu möglichen kostenrechtlichen Folgen. Können die tatsächlichen Voraussetzungen einer Norm nicht geklärt werden, so geht dies zu Lasten desjenigen Beteiligten, der sich auf diese beruft. „Dies gilt auch, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen sich nicht klären lassen, von denen die Zulässigkeit der erhobenen Klage abhängt“[5];

JURIQ-Klausurentipp

Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes haben Formulierungen wie „schlüssiger Klagevortrag“ oder „erhebliche Verteidigung des Beklagten“ in einer öffentlich-rechtlichen Klausur nichts zu suchen. Vielmehr kann sich „eine nach dem Klagevortrag nicht begründete Klage […] nach gerichtlicher Aufklärung und Rechtsprüfung […] durchaus im Ergebnis als begründet erweisen.“[6]

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Amtsbetriebs- und Konzentrationsgrundsatz. Nach Ersterem, der den Untersuchungsgrundsatz ergänzt, erfolgt die Zustellung der Klage (§ 85 VwGO) sowie von Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, von Terminbestimmungen, Ladungen (§§ 56 Abs. 1, 2, 102 VwGO) und des Urteils (§ 116 Abs. 1 S. 2 VwGO) von Amts wegen, d.h. durch das Gericht – und nicht etwa durch die Beteiligten im Parteibetrieb. In engem Zusammenhang hiermit steht der Konzentrationsgrundsatz (bzw. -maxime), dem zufolge das Gericht den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung erledigen soll, § 87 Abs. 1 S. 1 VwGO. Vgl. auch §§ 87–87b, 92 VwGO;

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Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor Gericht. Als einfach-gesetzliche Konkretisierung dieses aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden grundrechtsgleichen Rechts bestimmt § 108 Abs. 2 VwGO, dass das Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Zudem hat das Gericht die Beteiligten auf solche Gesichtspunkte hinzuweisen, welche bisher zwar nicht Gegenstand der Verhandlung waren, die nach Ansicht des Gerichts aber gleichwohl entscheidungsrelevant sind, vgl. § 86 Abs. 3 VwGO. Unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt, dass wesentliche, der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dienende Tatsachenbehauptungen der Beteiligten vom Gericht in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten sind;

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Mündlichkeits- und Unmittelbarkeitsgrundsatz. Der Verwirklichung des Rechts auf rechtliches Gehör dient der Mündlichkeitsgrundsatz[7] des § 101 Abs. 1 VwGO. Diesem zufolge entscheidet das Gericht auf Grund mündlicher Verhandlung, soweit nichts anderes bestimmt ist (so aber z.B. in §§ 84 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 2, 3 VwGO). In engem Zusammenhang hiermit steht das Unmittelbarkeitsprinzip. Danach erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung (§ 96 Abs. 1 S. 1 VwGO),[8] so dass alle Mitglieder des Gerichts aufgrund ihres unmittelbaren („unvermittelten“) persönlichen Eindrucks sowohl vom Sach- und Rechtsvortrag der Beteiligten als auch von der Beweisaufnahme entscheiden können. Vgl. ferner §§ 108 Abs. 2, 112 VwGO;

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Öffentlichkeitsgrundsatz. Dieser ist in § 55 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 1 S. 1 GVG verankert und verlangt, dass die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich erfolgt, vgl. auch Art. 6 Abs. 1 EMRK. Jedermann, also auch die am konkreten Verfahren nicht beteiligten Personen, muss daher im Rahmen der örtlichen und räumlichen Verhältnisse Zutritt zum Gerichtssaal haben. Hierdurch soll insbesondere die Objektivität der Rechtsprechung und ihre Kontrolle durch die Allgemeinheit sichergestellt werden (keine „Geheimjustiz“). Das in § 169 S. 2 GVG a.F. vormals enthaltene strikte Verbot von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie von Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts ist mit Wirkung vom 18.4.2018 durch das Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren (EMöGG) aufgelockert worden, siehe § 169 Abs. 1 Sätze 3 bis 5, Abs. 2 bis 4 GVG n.F. Mit dieser Neuregelung sucht der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundrecht auf freie Information aus allgemein zugänglichen Quellen (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und auf Rundfunk- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) einerseits sowie dem allgemeinen Persönlichkeits(grund-)recht namentlich des Klägers bzw. Antragstellers (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG), deren Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (vgl. Art. 92, 97 f. GG) andererseits zum Ausgleich zu bringen; dies unter Berücksichtigung der sich aus dem „Pressekodex“ des Deutschen Presserats und den „Richtlinien für die publizistische Arbeit“ ergebenden Selbstverpflichtungen der journalistischen Berichterstattung.[9] Der Ausschluss der Öffentlichkeit für bestimmte Verfahren oder aus sitzungspolizeilichen Gründen bemisst sich nach § 55 VwGO i.V.m. §§ 171a ff. GVG. Erhebt das Gericht gem. § 96 Abs. 2 VwGO schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis oder ersucht es durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme, so gilt der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit. Danach werden (nur) die Beteiligten von allen Beweisterminen benachrichtigt und können der Beweisaufnahme beiwohnen, § 97 S. 1 VwGO.

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Verstöße gegen die vorgenannten Verfahrensgrundsätze können von den Verfahrensbeteiligten im Wege der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bzw. der Anhörungsrüge (§ 152a VwGO)[10] geltend gemacht werden.

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