Читать книгу Codename E.L.I.A.S. - Doppelschlag - Mila Roth - Страница 7
Оглавление1. Kapitel
»Helft mir, ihn auf die Couch zu legen.« Michael drehte sich so, dass er seinen Bruder unter den Armen zu packen bekam.
Luke fasste an den Beinen an.
»Die ist zu kurz.« Brianna war zur Couch geeilt und warf die Kissen bis auf eines herunter.
»Das ist egal.« Michael fluchte unterdrückt. »Komm schon, Daniel, mach dich nicht so schwer.«
»Hast du hier irgendwo Verbandszeug?« Prüfend sah Brianna sich um.
»Im Bad steht ein Erste-Hilfe-Kasten.«
»Draußen ist niemand.« Matt hatte den Bereich vor der Eingangstür überprüft. Nun trat er näher. »Was ist mit ihm passiert?«
»Jemand hat dem armen Kerl die Prügel seines Lebens verpasst, das sieht man doch.« Brianna kam mit dem Verbandskasten zurück und stellte ihn auf den Couchtisch.
»Scheiße.« Michael hatte Daniel untersucht und fluchte erneut. »Ich bring ihn um!«
»Wen, Daniel?« Verblüfft sah Brianna ihn von der Seite an.
Er drehte vorsichtig Daniels Kopf und strich mit der Fingerkuppe dicht bei einer aufgerissenen Stelle schräg unterhalb von Daniels linkem Augenwinkel entlang. »Siehst du das?« Sein Magen rebellierte. »Das kenne ich.«
»Was kennst du?« Sie beugte sich ebenfalls über Daniel und musterte die kleine Wunde.
»Das stammt von seinem verdammten Ring.«
Brianna begriff noch immer nicht. »Von wessen Ring? Daniels?«
»Nein, verflucht.« Michael richtete sich auf und deutete zornig auf die gleiche Stelle an seinem eigenen linken Auge. Dort befand sich eine winzige verblasste, leicht sichelförmige Narbe.
Daniel stöhnte und schlug das rechte Auge auf. »Mike.«
»Daniel.« Sofort war Michael wieder bei ihm. »Was hast du getan?«
»Mike, ich …« Ein verzweifelter Ausdruck trat in den Blick seines jüngeren Bruders. »Es tut mir leid. Dad …«
Reflexartig griff Michael nach Daniels Hand und drückte sie. »Verfluchte Scheiße, Daniel. Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst ihn nicht reizen?« Kurz schloss er die Augen, um sich zu sammeln, doch ein entsetzlicher Gedanke durchschoss ihn. »Was ist mit Mom? Geht es ihr gut?«
Daniels Auge weitete sich. Er versuchte, sich aufzurichten, sank aber gleich wieder keuchend in das Kissen zurück. »Sie hat ihm, glaube ich, eins mit deinem Hockeyschläger übergebraten.« Er schluckte. »Mike, ich wollte nur …«
»Was, mal wieder meinen Ruf verteidigen? Du weißt genau, dass das sinnlos ist. Halt dich zukünftig …«
»Nein.« Daniel erwiderte den Druck seiner Hand so nachdrücklich, dass Michael innehielt. Etwas zittrig atmete Daniel ein und wieder aus und stöhnte auf, als Brianna mit einem in Antiseptikum getauchten Tupfer sein Gesicht zu reinigen begann.
»Sorry.« Sie zuckte mit den Achseln.
Daniel räusperte sich, dennoch schwankte seine Stimme weiterhin. »Es ging nicht um dich. Oder … nicht direkt. Ich wollte bloß … Scheiße, Mike, ich bin nicht so wie du. Nicht so mutig. Aber ich dachte, jetzt, wo du wieder da bist … Ich wollte …« Seine Stimme brach und er starrte verzweifelt zur Decke hinauf.
Michael starrte seinen Bruder für einen Moment schweigend an, dann begriff er. »Idiot!« Sein Magen hob sich erneut. »Du hast es ihm gesagt? Bist du noch bei Trost?«
»Das hat also euer Vater getan?« Stirnrunzelnd reichte Luke Brianna die notwendigen Erste-Hilfe-Artikel.
Brianna reinigte Daniels Gesicht langsam und gründlich mit einem frischen Tupfer. »Schweinehund« war der einzige Kommentar, der ihr über die Lippen kam.
Daniel zuckte zusammen und atmete heftig, als sie mit einem Wattestäbchen Jodtinktur auf seinen Mundwinkel auftrug. »Ich musste es ihm sagen, Mike. Ich bin zweiunddreißig. Wie lange sollte ich noch mit der Lüge leben?«
»Bis zur Rente, verdammt noch mal. Du weißt genau, wie Dad ist. Hast du wirklich geglaubt, er schluckt das so einfach?«
»Schluckt was?« Interessiert trat Matt näher.
Daniel seufzte. »Ich hatte keine andere Wahl, Mike.«
»Und ob du die hattest.«
»Es ist mein Leben!«
»Das er erfolgreich zu zwei Dritteln aus dir herausgeprügelt hat. Was hast du denn gedacht, wie er die frohe Botschaft aufnimmt?« In Michael kochte hilfloser Zorn hoch. »Du bist ein elender Idiot.«
»Ich musste es tun, Mike. Versteh mich doch.« Diesmal schaffte es Daniel, sich halb aufzurichten. Luke griff nach einem am Boden liegenden Kissen und schob es ihm in den Rücken.
»Er wird es niemals akzeptieren, Daniel. Sieh mich an. Mich hasst er schon wegen meiner bloßen Existenz. Dieses Vergnügen wirst du in Zukunft ebenfalls haben. War es das wirklich wert?«
»Vielleicht verteilt sich sein Zorn jetzt etwas gleichmäßiger.« Was wohl als Scherz gemeint war, klang einigermaßen verzweifelt. Daniel hob die Schultern. »Mike, es musste sein. Du hast es auch geschafft, dich von ihm zu befreien.«
»Habe ich das?« Der Meinung war Michael ganz und gar nicht. Der elende Anblick seines kleinen Bruders machte ihm mehr zu schaffen, als ihm lieb war. Kopfschüttelnd zog er seine Hand aus Daniels und erhob sich langsam. »Du hättest es für dich behalten sollen.«
»Was hätte er für sich behalten sollen?« Brianna warf den Tupfer auf den Tisch und erhob sich ebenfalls. »Michael?« Eindringlich sah sie ihn an.
Er fuhr sich mit einer unwilligen Bewegung durchs Haar. »Schöne Scheiße.«
»Ich hab Dad gesagt, dass ich schwul bin.« Mit einem dankbaren Nicken nahm er den Eisbeutel entgegen, den Matt ihm reichte, und hielt ihn sich vorsichtig ans Auge.
Brianna sah überrascht von Daniel zu Michael und wieder zurück. »Das ist alles?«
Michael lachte höhnisch auf. »Wie du siehst, hat es gereicht, um Dad zur Höchstform auflaufen zu lassen.«
»Aber …«
»Ist dir der Ausdruck Homophobie ein Begriff?« Verärgert musterte er sie. »Dad hat ihn erfunden.« Er ballte die Hände zu Fäusten. »Damit hat er jetzt einen weiteren Grund, sinnlos um sich zu schlagen. Ich fahre zu Mom.« Ohne noch weiter auf Daniel oder seine Freunde zu achten, schnappte er sich seinen Autoschlüssel und verließ das Loft.
Ж Ж Ж
Brianna und Luke sahen einander für einen kurzen Moment reglos an.
»Wir müssen ihm nach.« Brianna eilte zur Tür.
»Ja, verdammt.« Luke folgte ihr.
»Ich kümmere mich um Daniel«, hörten sie Matt rufen, doch da fiel die Stahltür schon hinter Luke ins Schloss.
Brianna hatte sich bereits ans Steuer ihres dunkelroten Kias gesetzt und den Motor angelassen.
Luke konnte sich gerade noch auf den Beifahrersitz schwingen, bevor sie aufs Gaspedal trat. Hastig zog er die Tür ins Schloss. »Feine Familie, was? Schlimmer, als ich dachte.«
»Dieses Schwein hat so etwas seinem Sohn angetan, bloß weil der auf Männer anstatt auf Frauen steht?« Sie spürte eine unbändige Wut in sich kochen. »Hast du davon gewusst?«
»Woher sollte ich? Mike redet nicht viel über seine Familie, das müsstest du doch am besten wissen.«
Sie warf Luke einen kurzen Blick zu. »Nicht, dass Daniel schwul ist. Dass sein Dad so ein mieses Dreckschwein ist.«
»Du etwa nicht?«
Sie schluckte unbehaglich. »Dass es solche Ausmaße annimmt, habe ich nicht erwartet. Wie kann jemand seinen eigenen Sohn so grausam behandeln?«
»Mike hatte gute Gründe, sich von seiner Familie fernzuhalten, Brianna. Für eine Frau, die jahrelang in einer der übelsten Ecken der Bronx gelebt hat, bist du erstaunlich naiv.«
»Das ist krank, Luke!«
»Natürlich ist es das.«
»Der Mann gehört in eine Therapie.«
»Und da ist sie schon wieder, diese entzückende Naivität.« Spöttisch sah Luke sie von der Seite an. »Männer wie Joseph Cavenaugh machen keine Therapie. Die prügeln so lange weiter, bis sie im Jenseits landen. Entweder trifft ihn irgendwann der Schlag oder er säuft sich zugrunde.«
»Wenn Mike ihn nicht vorher umbringt.« Brianna umfasste das Lenkrad fester und gab Gas. »Was denkst du, hat er vor?«
»Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, er wird Kleinholz aus seinem Dad machen.«
»Glaubst du, er wird ihn …?«
»Verdient hätte er es.«
Brianna nickte grimmig. »Ja, aber Michael nicht.«
Ж Ж Ж
Mit quietschenden Reifen brachte Michael die silberne Corvette einen halben Block von seinem Elternhaus entfernt zum Stehen. Vor dem Haus parkte ein Polizeiwagen, und eine Traube von Nachbarn hatte sich um den Eingang versammelt.
Als er aus dem Auto stieg, hörte er Briannas Wagen, der dicht hinter ihm hielt. Türen klappten, Schritte kamen näher.
Im ersten Impuls wollte er blindlings auf das Haus zusteuern, doch noch ehe er einen Schritt tun konnte, hatte Brianna ihn am Arm gefasst. Unwirsch versuchte er, sie abzuschütteln, doch sie hielt ihn hartnäckig fest.
»Bri!« Verärgert starrte er auf ihre kleine, grazile Gestalt hinab. Für ihre eins zweiundsechzig besaß sie enorme Kraft.
Sie schüttelte entschlossen den Kopf, sodass ihr gerade schulterlanges, glattes hellbraunes Haar hin und her flog. »Bleib hier. Michael. Du siehst doch, was da los ist. Willst du am Ende noch der Polizei in die Arme laufen?«
»Ich muss zu Mom. Der Himmel weiß, was Dad mit ihr angestellt hat.«
»Und wie willst du dich ausweisen, wenn einer der Cops dich danach fragt?« Luke tauchte auf der anderen Seite auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich sehe nach deiner Mom.«
»Nein, lass mich gehen. Mich kennt sie bereits.« Brianna ließ Michael los, warf aber Luke einen eindeutigen Blick zu. »Halt ihn hier fest.«
Während Brianna mit entschlossenen Schritten auf Michaels Elternhaus zuging, beobachteten er und Luke, wie zwei Polizisten Joseph Cavenaugh aus dem Haus zum Polizeifahrzeug führten. Seine Miene war düster, aber einigermaßen beherrscht. Für einen kurzen Moment, bevor er in den Wagen einstieg, wanderte sein Blick über das Autodach hinweg zu Michael, der instinktiv erstarrte.
»Gut, sie nehmen ihn mit.« Luke lächelte grimmig. »In einer Zelle kann er sich gebührend von seinem Tobsuchtsanfall erholen.«
Michael schnaubte nur. »Was glaubst du, wie oft das in den vergangenen dreißig Jahren vorgekommen ist? Ich habe zu zählen aufgehört.« In ihm drängte alles, zum Haus zu gehen, doch Lukes Hand auf seiner Schulter wurde immer schwerer.
»Bleib hier. Du kannst im Augenblick nichts tun außer dich selbst in Teufels Küche bringen.«
Brianna war inzwischen an einen Officer herangetreten und sprach lächelnd mit ihm, dann begab sie sich auf sein Nicken hin ins Haus. Die Tür schloss sich hinter ihr, die Polizei rückte ab, der Großteil der gaffenden Nachbarn zerstreute sich wieder.
Als das Polizeiauto an Michael und Luke vorbeifuhr, trafen sich Michaels und Josephs Blicke erneut. Bittere Galle stieg in Michaels Kehle hoch, als er den kalten, von tiefsitzendem Zorn erfüllten Ausdruck in den Augen seines Vaters sah.
»Komm, ich schätze, die Luft ist jetzt rein.« Auffordernd gab Luke ihm einen leichten Stoß in den Rücken und ging voran zum Haus.
Michael hatte ihn mit wenigen Schritten überholt und riss im nächsten Moment die Haustür auf.
»Danke, Brianna, aber das geht schon«, hörte er seine Mutter aus dem Wohnzimmer. »Ich muss nur eben … Hier ist so eine Unordnung. Ich räume rasch ein bisschen auf.«
Als er den Raum betrat, war Helen Cavenaugh gerade dabei, eine umgestürzte Lampe zurück auf ihren Platz neben dem Couchtisch zu stellen. Brianna sammelte die Scherben einer zu Bruch gegangenen Vase vom Boden auf.
»Michael!« Als Helen ihn sah, hellte sich ihre gequälte Miene schlagartig auf. Sie ließ Lampe Lampe sein und eilte auf ihn zu. »Es ist alles in Ordnung, wirklich. Ich … Wie geht es Daniel? Ist er bei dir?« Nervös zupfte sie an ihrem blonden Haar herum, das ihr irgendwann an diesem Abend wohl einmal ordentlich frisiert bis auf die Schultern gefallen war. Jetzt war es zerzaust und auf ihrer Wange prangte ein hässlicher Bluterguss.
Wortlos zog Michael seine Mutter an sich und prompt klammerte sie sich an ihm fest und drückte ihr Gesicht fest gegen seine Brust.
»Ich habe ihn geschlagen, Michael. Mit deinem Hockeyschläger. Du weißt schon, der steht nämlich immer noch drüben im Wandschrank. Ich wusste nicht, was ich sonst tun soll. Er war so schrecklich wütend. Silvester ist immer eine schwierige Zeit …«
»Und Weihnachten und alle anderen verdammten Feiertage.« Er unterdrückte die erneut aufwallende Wut. »Und jeder Scheißtag dazwischen.«
»Ist Daniel bei dir? Ich hab ihm gesagt, er soll zu dir fahren. Und dann hat jemand von den Nachbarn die Polizei gerufen …«
»Du hast ihn mit dem Auto zu mir geschickt?« Michael erinnerte sich dunkel, Daniels Wagen in der Nähe seines Lofts parken gesehen zu haben. »Es ist ein Wunder, dass er einen Schritt vor den anderen setzen konnte.«
»O mein Gott …«
Er verfluchte sich innerlich. »Es geht ihm gut, Mom. Matt kümmert sich um ihn.«
»Wer ist Matt?« Halb erleichtert, halb misstrauisch hob Helen den Kopf.
»Mein Bruder.« Brianna trat neben Helen und tätschelte ihr etwas unbeholfen den Rücken. »Keine Sorge, er kennt sich mit solchen Verletzungen aus.« An ihrem Tonfall war zu erkennen, dass sie nicht nur die körperlichen Blessuren meinte.
Helen sah sie mit einem dankbaren Lächeln an. »Ich will zu ihm. Geht das?« Fragend hob sie den Kopf.
»Nein.« Michael schüttelte den Kopf.
»Bitte!«
»Mom …«
»Michael!« Brianna ließ von Helen ab und zog ihn ein Stück beiseite. »Natürlich kommt sie mit uns. Du willst sie doch wohl nicht heute Nacht in diesem Chaos alleine lassen?«
»Bri, mal abgesehen davon, dass es bei mir alles andere als sicher ist, habe ich nicht einmal einen Platz, wo ich sie unterbringen kann.«
»Ganz klar, du brauchst ein Gästezimmer.«
»Was?« Irritiert runzelte er die Stirn.
Brianna winkte ab. »Komm schon, so hartherzig bist du nicht. Sie kann in deinem Bett schlafen und du auf dem Sessel oder auf dem Boden oder wo auch immer. Stell dich nicht so an.«
»Ich stelle mich nicht an, Bri.« Genervt verdrehte er die Augen. »Wir machen alles nur noch schlimmer.«
»Sie will Daniel sehen, und das darf sie doch wohl, oder etwa nicht?«
Ergeben seufzend legte er den Kopf in den Nacken.
»Gut.« Brianna ging zu Helen und nahm sie bei der Hand. »Kommen Sie, wir packen ein paar Sachen und dann fahren wir zusammen zu Daniel. Haben Sie einen Koffer griffbereit?«
»Oben im Schrank, glaube ich. Danke, Brianna, Sie sind sehr nett.«
»Einen Koffer?« Ruckartig drehte er Brianna wieder den Kopf zu, doch die war bereits mit seiner Mutter auf dem Weg ins Schlafzimmer.