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2. Kapitel

Sein gut und gerne zweihundert Quadratmeter großes Loft war eindeutig überbevölkert. Helen und Brianna hatten zusammen in dem großen Bett oben auf der mit einem hüfthohen Gitter umgebenen Plattform geschlafen, die sich in ungefähr drei Meter Höhe über einem Teil der Wohnung erstreckte. Luke und Matt hatten es sich jeweils in einem der beiden dunkelbraunen Sessel bequem gemacht und Michael hatte einen Schlafsack auf dem Fußboden neben der Couch ausgebreitet, auf der Daniel noch immer lag. Geschlafen hatte Michael kaum und entsprechend war seine Laune. Inzwischen war der Neujahrsmorgen angebrochen. Die Uhr zeigte kurz nach sieben und Helen und Brianna werkelten in der Küche, als er sich nach einer kurzen Dusche zu ihnen gesellte.

»Da bist du ja, mein Schatz.« Helen schien sich von den Ereignissen der vergangenen Nacht weitgehend erholt zu haben und brachte sogar ein Lächeln zustande. »Du wohnst ganz schön großzügig. Es gibt Leute, deren gesamte Wohnung kleiner ist als dein Schlafzimmer. Aber ganz ehrlich, findest du es nicht ein bisschen kahl und unpersönlich? Du hast viel zu wenig Möbel und …«

»Mom.« Energisch schob er sich an ihr vorbei, öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Orangensaft heraus. »Ich wohne hier nur vorübergehend. Es besteht kein Grund, mich häuslich einzurichten.«

»Aber es ist so eine schöne Wohnung!« Helen sah sich eingehend im Loft um. »Und günstig noch dazu, wie Brianna mir erzählt hat. So etwas findet man nicht oft. Na ja, die Nachbarschaft ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber andererseits habe ich gelesen, dass die Stadtverwaltung von Boyle Heights viel tut, um die Lebensqualität zu steigern. Die Kriminalitätsrate soll in den vergangenen fünf Jahren deutlich gesunken sein und …«

»Schon gut, Mom.« Er hatte keine Lust auf eine Diskussion. »Wie geht es Daniel?« Er hatte nach dem Aufstehen nur einen kurzen Blick auf seinen Bruder geworfen und ihn noch schlafend vorgefunden.

»Besser, Mike.« Die Stimme seines Bruders klang noch ein wenig schwach, aber Daniel hatte sich aufgerappelt und tappte langsam auf die Kücheninsel zu. Sofort ließ Helen von der Pfanne ab, in der sie Rührei brutzelte, und stützte ihren Sohn. »Daniel, Schatz, du solltest noch nicht aufstehen. Du bist ganz blass.«

»Mir geht es gut, Mom. Wenn du erlaubst, suche ich mal das Bad auf.«

»Aber ja, selbstverständlich. Wenn du Hilfe brauchst …«

»Mom, Daniel ist erwachsen.« Seufzend schüttelte Michael den Kopf.

»Aber er sieht noch immer so elend aus. Mein armer Junge.« Ihr Blick ging in eine unbestimmte Ferne, dann richtete er sich wieder auf Michael. »Ihr seid beide meine Helden, weißt du das?«

Ehe ihm darauf eine Antwort einfallen konnte, hatte sie sich zurück an den Herd begeben. Sie drehte die Hitze herunter und begann, Tomaten in Scheiben zu schneiden.« Du hast so viele gesunde Lebensmittel im Haus, Michael. Ich bin wirklich stolz auf dich. Brianna, sind Sie so gut und decken schon mal den Tisch? Ich hoffe, das Frühstück reicht für uns alle.«

Michael betrachtete den Berg Rührei in der Pfanne, das aufgeschnittene Brot und die diversen Lebensmittel, die bereits dicht an dicht auf der Anrichte standen. »Es ist ausreichend für eine Armee, Mom.«

»Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Deinem Vater war das noch nie beizubringen. Er trinkt immer bloß diesen grässlichen schwarzen Kaffee und sonst nichts.« Helens Blick verschleierte sich. »Was mache ich denn jetzt? Ich muss Kaution für ihn hinterlegen, aber dazu muss ich erst zur Bank und ich weiß nicht, wie viel Geld noch auf unserem Konto ist. Aber ich kann ihn doch nicht auf dem Polizeirevier alleinlassen.«

»Warum nicht?« Michael verschränkte die Arme vor der Brust. »Verdient hat er es.«

»Aber das geht doch nicht …«

»Wir kümmern uns später darum, Helen.« Brianna legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm. »Lassen Sie uns erst einmal frühstücken. Sehen Sie, da kommt Daniel schon wieder aus dem Bad.«

»O ja, Daniel.« Sofort war Helen abgelenkt. »Komm, Junge, setz dich an den Tisch.« Wie eine Glucke umsorgte sie ihren jüngeren Sohn, der sich stöhnend auf einem Stuhl am Esstisch niederließ.

»Ich hoffe, du kannst mit dieser aufgeplatzten Lippe überhaupt etwas essen. Ich kann dir Haferbrei machen, wenn du möchtest. Michael, du hast doch Haferflocken im Haus, oder?« Sie drehte sich zu Michael um, doch ehe er antworten konnte, klopfte es laut an der Eingangstür.

Innerhalb von Sekunden gingen Michael, Brianna, Luke und Matt in Habachtstellung.

»Ich nehme nicht an, dass du noch mehr Gäste eingeladen hast?« Luke nahm seine Pistole vom Sessel, auf dem er die Nacht verbracht hatte. Auch Matt zückte seine Waffe.

Michael war mit schnellen Schritten bei seinem Schlafsack und hob seine Para Ordnance vom Boden auf. Hinter sich hörte er Briannas Schritte auf der Treppe zur Plattform. Vermutlich hatte sie ihre Pistole oben liegen gelassen.

»Michael, was soll denn das bedeuten?« Helens Stimme klang schrill.

Luke ging rasch zu ihr und drängte sie hinter die Mauer, auf der die Plattform ruhte und hinter der sich das Bad und ein Abstellraum verbargen. »Ganz ruhig, Mrs. Cavenaugh. Bleiben Sie hier in Deckung.« Er winkte Daniel zu sich. »Du auch.«

Ächzend erhob Daniel sich und wankte zu seiner Mutter.

Luke stellte sich vor die beiden, die Waffe auf die Eingangstür gerichtet.

Michael war inzwischen langsam auf die Tür zugegangen und öffnete sie vorsichtig. Als er den freundlich lächelnden dunkelblonden Mittfünfziger erkannte, runzelte er die Stirn, ließ die Waffe sinken und zog die Tür ein wenig weiter auf. »Harvey.«

»Guten Morgen, Michael, und ein frohes neues Jahr.« Leutselig grinsend betrat Michaels ehemaliger CIA-Partner das Loft. »Nanu, was ist das? Eine Familienfeier?« Sein Blick war schnell und routiniert über die Anwesenden geglitten. Bestimmt hatte er jedes Detail in Sekundenschnelle erfasst.

»Was willst du hier?« Michael stellte sich ihm in den Weg.

Harveys gut gelaunte Miene blieb wie festgetackert auf seinem Gesicht. »Keine Sorge, Michael, ich habe nicht vor, die Party zu stören oder mich selbst dazu einzuladen. Ist das etwa deine Mom? Guten Morgen, Mrs. Cavenaugh. Nett, Sie mal kennenzulernen.« Er nickte in Helens Richtung. »Rührei mit Speck? Vielleicht ändere ich meine Meinung.« Er lachte gönnerhaft. »Nein, nur ein Scherz. Michael, ich muss mit dir reden. Unter vier Augen.« Er warf Luke und Matt und schließlich Brianna, die auf dem oberen Drittel der Treppe stand, vielsagende Blicke zu. »Ihr könnt die Kanonen wieder wegstecken. Ich komme in Frieden.«

»Dass ich nicht lache.« Brianna hob ihre Waffe sogar noch ein Stückchen an.

Auch Luke und Matt machten keine Anstalten, ihre wachsame Haltung aufzugeben. Helen, die sich ein paar Schritte vorgewagt hatte, blieb sicherheitshalber schräg hinter Luke stehen.

Michael fasste Harvey an der Schulter, drängte ihn zur Tür hinaus und lehnte sie nur an. »Also gut, rede.«

»Meine Güte, seid ihr allesamt Morgenmuffel.« Harvey lachte erneut. »Vielleicht war es unhöflich, meinen Besuch auf eine derart frühe Stunde zu verlegen, aber du musst mir meine Neugier schon verzeihen. Als unsere Leute mir von eurer kleinen Silvesterparty erzählt haben, musste ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen. Deinen Bruder hat es ja ganz schön erwischt. Schon mal darüber nachgedacht, dem Spuk ein Ende zu setzen? Dein Dad hätte es nicht besser verdient.«

»Halt dich aus meinen Familienangelegenheiten heraus.«

Harvey hob halbherzig die Hände. »Schon gut, schon gut. Ich meine ja nur.«

Michael musterte ihn weniger überrascht denn voller Abscheu. »Du lässt mich beobachten?«

»Ach, nur routinemäßig. Aber keine Sorge, wir haben das Loft nicht verwanzt. Ganz gleich, was du vorhaben magst, wir sehen es sowieso voraus.«

»Ach ja?« Michael verzog keine Miene. »Nun sag schon, weswegen du hier bist.«

»Wegen eines Auftrags selbstverständlich. Ich dachte, es würde vielleicht noch ein paar Tage dauern, aber die Chefetage scheint es eilig zu haben. Ich hole dich heute Nachmittag gegen vier Uhr ab.«

»Um was zu tun?«

»Kleinkram, wirklich. Es wird nett. Ganz wie in alten Zeiten.«

»Wann waren die alten Zeiten jemals nett?«

Harvey lachte. »Ach, komm schon, Michael! Sei nicht so ein Miesepeter. Der Job wird gut bezahlt.«

»Das interessiert mich nicht.« Michael maß Harvey mit skeptischem Blick. »Vielmehr würde ich gerne wissen, was für ein Job das sein wird.«

»Nichts, worüber du dir jetzt schon Gedanken machen müsstest. Vertrau mir, es ist wirklich nur Kinderkram. Fast schon zu schade für zwei Profis wie uns beide. Und nun geh wieder rein und genieß das Frühstück im Kreise deiner Lieben.« Mit einem herablassenden Nicken stieg Harvey die Stufen hinab. Unten angekommen drehte er sich noch einmal um. »Wenn du kooperierst und uns unterstützt, wirst du noch viele solcher Feiern im Freundes- und Familienkreis erleben dürfen. Bis später dann. Halt dich bereit.« Winkend verschwand er um die Hausecke und damit aus Michaels Blickfeld. Kurz darauf sprang der Motor eines Wagens an.

Mit gemischten Gefühlen kehrte Michael ins Loft zurück, wo sich inzwischen alle um den Esstisch versammelt hatten.

»Wer war denn dieser unhöfliche Mensch, Michael?« Helen reichte ihm einen Teller mit reichlich Rührei, als er sich setzte.

»Niemand, Mom.« Er schob mit der Gabel die Speckstreifen von seinem auf Briannas Teller, woraufhin sie sie mit spitzen Fingern auf den Teller ihres Bruders hievte. Dabei musterte sie ihn fragend. »Was wollte Harvey von dir?«

»Harvey heißt der Mann?« Helen beugte sich ein wenig vor. »Du solltest deinen Freunden klarmachen, dass es unpassend ist, so früh, noch dazu am Neujahrstag, Besuche zu machen.«

»Er ist kein Freund, Mom.«

»Noch schlimmer.«

Ehe Brianna etwas sagen konnte, warf Michael ihr einen warnenden Blick zu. Statt weiter nachzuhaken, reichte sie ihm die Platte mit den Tomatenscheiben und wandte sich gleichzeitig an Helen. »Sagen Sie, was ist das denn eigentlich für eine entzückende Porzellanpuppe, die ich auf Ihrem Kaminsims gesehen habe?«

Sofort war Helen abgelenkt. »Oh, die alte Lizzy meinen Sie? Gefällt sie Ihnen? Das ist ein Erbstück. Meine Großtante Monica hat Porzellanpuppen gesammelt. Mit Lizzy durfte ich als kleines Mädchen immer spielen, ganz vorsichtig natürlich, damit sie nicht zerbricht. Tante Monica hat sie mir nach ihrem Tod vermacht, zusammen mit einigen anderen Puppen, aber die sind allesamt in einer Kiste auf dem Dachboden. Joe mag sie nicht. Lizzy ist die Einzige, die er in unserem Wohnzimmer duldet.« Helens Miene wurde wehmütig. »Vielleicht, weil sie ihn an Amber erinnert.«

»Amber?«

»Mom.« Michael spürte einen harten Knoten in seiner Magengrube. »Lass gut sein.«

»Amber war auch immer ganz blass und zart, ganz wie eine Porzellanpuppe.«

»Wer ist Amber?« Aufmerksam sah Brianna von Helen zu Michael und wieder zurück.

»Michaels und Daniels Schwester.« Helen lächelte traurig. »Sie starb, als sie vier war. Michael war gerade sieben und Daniel«, sie griff über den Tisch hinweg nach der Hand ihres jüngeren Sohnes und tätschelte sie leicht, »gerade drei geworden.«

»Oh, das tut mir leid.« Betroffen senkte Brianna den Kopf.

»Ihr Verlust hat uns alle schwer getroffen, nicht wahr, Michael? Vor allem Joe.« Helen seufzte, dann griff sie betont forsch nach dem Korb mit dem Toastbrot und reichte ihn herum. »Aber das ist lange Vergangenheit und immerhin habe ich die beiden tapfersten Söhne, die man sich vorstellen kann.«

Niemandem schien darauf eine passende Antwort einzufallen. Brianna räusperte sich unterdrückt. »Noch einmal zu diesen Porzellanpuppen. Sie haben also noch weitere auf dem Dachboden? Würden Sie mir erlauben, sie mir bei Gelegenheit einmal anzusehen?«

»O ja, selbstverständlich, wenn es Sie interessiert.«

Brianna lächelte leicht. »Ich sammele Porzellanpuppen, seit ich denken kann.«

»Tatsächlich?«

»Ihr Zimmer war voll davon, als sie noch ein kleines Mädchen war.« Matt goss Kaffee in seine Tasse und gab einen Schuss Sahne dazu. »Wie viele hattest du, Bri? Zehn, zwölf?«

»Nur sieben. Wir hatten doch gar nicht so viel Geld. Damals zumindest nicht.«

»Mir kam es vor, als seien es mindestens zwanzig. Überall hockten sie herum in diesen altmodischen Kleidchen. Schauderhaft.«

Brianna lachte. »Schauderhaft war nur diese eine. Cilly. Ein Erbstück von meiner deutschen Großmutter«, erklärte sie Helen. »Sie schaut ein bisschen verkniffen und trägt so eine seltsame Schwarzwald-Tracht. Aber ich will mich nicht von ihr trennen, denn viele Sachen haben wir nicht mehr von unserer Grandma.«

»Das verstehe ich gut.« Helen erwiderte ihr Lächeln. »Wenn Sie Sammlerin sind, werden Sie vielleicht enttäuscht sein. Ich fürchte, die Puppen in meiner Kiste sind ziemlich verwahrlost.«

»Vielleicht lassen sie sich wieder herrichten.«

Schweigend lauschte Michael dem nichtssagenden Geplauder und fragte sich, wie zum Teufel er die Sorge um seine Familie und seine derzeitige Situation unter einen Hut bringen sollte. Genau davor war er immer zurückgeschreckt. Die beiden Welten passten nicht zueinander, und sie zu vermischen, würde ihn vor nicht absehbare Probleme stellen. Dummerweise steckte er bereits mitten im Chaos, das seinen Lauf nehmen würde, je länger er seine Mom und Daniel hier beherbergte. Dabei wäre es dringend angeraten, sich über die angekündigte Mission Gedanken zu machen und eigene Pläne zu schmieden.

Codename E.L.I.A.S. - Doppelschlag

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