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Disneyland Paris

Walt Disney Studios Park Back Lot

Café des Cascadeurs

Sonntag, 13. November, 10:20 Uhr

Der junge, sehr muskulöse Mann betrat zögernd das im amerikanischen Stil der 50er Jahre gestaltete Café, das mit seinen Aluminiumoberflächen und der nostalgischen Einrichtung ganz den urigen Wohnwagen nachempfunden war, in denen einst die Stuntmen Hollywoods ihre Pausen verbrachten. Obwohl das Restaurant erst seit einigen Minuten geöffnet hatte, waren bereits fast alle verfügbaren Tische und die Sitzplätze an der Theke besetzt. Aus der Jukebox ertönte Elvis Presleys Love me tender und mischte sich mit dem lebhaften Stimmengewirr der Gäste.

Unsicher sah sich der junge Sportler um und erblickte schließlich an einem der Tische am Fenster den grauhaarigen Mann, dessen Foto man ihm am Vorabend zugesteckt hatte. Nervös fuhr er sich durch sein kurzes blondes Haar und steuerte auf seine Kontaktperson zu.

Dicht vor dem Tisch blieb er stehen. »Sind Sie Peckert?«

Anstelle einer Antwort machte der Grauhaarige lediglich eine einladende Geste in Richtung der Sitzbank ihm gegenüber. »Ich war so frei, Ihnen eine Cola zu bestellen, Marco«, brach er das Schweigen, nachdem der Jüngere Platz genommen hatte. Seine Stimme klang dunkel und freundlich; seine Erscheinung war die eines selbstsicheren, erfolgreichen Geschäftsmannes.

Marco lächelte und griff nach dem Getränk. »Danke. Eigentlich soll ich so kurz vor dem Wettkampf keine zuckerhaltigen Getränke zu mir nehmen. Irgendwas mit Eiweiß wäre besser. Mein Coach wird mir die Ohren langziehen, aber ...«

»Es ist Cola light.«

»Oh, gut.« Marco trank das Glas in einem Zug bis zur Hälfte leer.

»Haben Sie die Ware?« Peckerts Stimme nahm unvermittelt einen geschäftsmäßigen Ton an; seine Augen musterten Marco scharf.

»Oh, ja klar. Hier.« Von einer neuen Welle der Nervosität erfasst, nestelte der junge Mann einen quadratischen Umschlag aus der Innentasche seiner blauen Cordjacke hervor und legte ihn auf den Tisch.

Peckert griff danach, öffnete den Umschlag, blickte kurz hinein und nickte sichtlich zufrieden. »Gut.«

»Kann ... ich jetzt wieder gehen? Das war doch alles, was ich tun musste, oder?« Um seine Aufregung zu überspielen, hob Marco das Glas erneut an die Lippen und trank auch noch den Rest des Softdrinks aus. Dann beugte er sich ein wenig vor. »Mein Manager hat mir gesagt, dass ich nur den Umschlag übergeben muss und im Gegenzug«, seine Stimme verwandelte sich in ein Raunen, »sorgen Sie dafür, dass meine Blutproben von vor zwei Jahren verschwinden.«

Peckert neigte leicht den Kopf und lächelte begütigend. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr kleiner Fehltritt in Sachen Doping wird Ihnen keine Schwierigkeiten mehr bereiten.«

Erleichtert stieß Marco den Atem aus. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er ihn angehalten hatte. »Danke. Vielen Dank. Ich werde auch nie wieder ... Es war ein Einzelfall. Ein Ausrutscher. Ich wollte damals so unbedingt ins Team. Und jetzt habe ich es bis zu den Weltmeisterschaften im Gewichtheben geschafft! Ich kann mich für Olympia qualifizieren. Aber ganz ohne ... na ja, Sie wissen schon. So was mache ich nicht mehr.«

»Das freut mich zu hören.« Peckert schob den Umschlag in eine Innentasche seines anthrazitfarbenen Jacketts und erhob sich. »Entschuldigen Sie mich, ich muss los.«

»Danke für die Cola.«

Peckert hatte sich bereits abgewandt, drehte sich aber noch einmal um. »Keine Ursache.« Mit einem kurzen Nicken in Marcos Richtung begab er sich zur Theke, zahlte und war kurz darauf verschwunden.

Der junge Mann blieb noch einen Moment sitzen und atmete tief durch. Seit er das Café betreten hatte, klopfte sein Herz unnatürlich schnell. Das war die Aufregung. Er hatte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde, seine kleine Jugendsünde aus der Welt zu schaffen. Am besten ging er gleich zurück ins Hotel und rief seinen Manager an, um ihm für diese Gelegenheit zu danken. Zwar hatte er keine Ahnung, was genau sich in dem Umschlag befand, doch er argwöhnte, dass es nichts Legales sein konnte. Aber er hatte ja niemandem einen Schaden zugefügt, oder? Und seine Karriere als Gewichtheber war gerettet.

Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass es Zeit wurde, sich auf das Treffen mit seinem Coach vorzubereiten. Am Nachmittag fanden die Wettkämpfe seiner Gewichtsklasse statt, und zuvor würde das gesamte Team noch einmal ins Gebet genommen. Doch jetzt war auf jeden Fall noch Zeit für ein kurzes Telefonat.

Entschlossen erhob sich Marco und atmete tief durch. So allmählich könnte sich sein Blutdruck normalisieren, fand er. Schließlich war sein Botengang ja nun erledigt und nichts Schlimmes passiert. Als er das Café verließ, strich angenehm kühle Herbstluft über seine Haut. Erst jetzt bemerkte er, dass ihm heiß war. Er schwitzte richtig, und sein Herzschlag nahm noch an Geschwindigkeit zu. Gierig sog Marco die frische Luft in die Lungen. Seine Kehle schien sich bei jedem Atemzug zu verengen. Irritiert griff er an seinen Hals. Um ihn herum verschwammen die Gesichter der Menschen und die Gebäude zu einem merkwürdigen Kaleidoskop an Formen und Farben. Er taumelte, versuchte jemanden anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Einige vorbeiflanierende Parkbesucher wichen ihm aus, starrten ihn neugierig an.

Der entsetzte Schrei einer Frau, als er zusammenbrach, war das Letzte, was er hörte.

Sport und Mord gesellt sich gern

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