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Außenbezirk von Rheinbach

Gut Tomberg

Freitag, 18. November, 17:50 Uhr

»Till, hol bitte noch rasch zwei Flaschen Apfelsaft aus dem Keller.«

»Warum denn schon wieder ich? Susanna kann genauso gut gehen.« An der Stimme des blonden Neunjährigen war deutlich sein Missfallen über den Auftrag zu erkennen.

»Nein, kann sie nicht.« Janna drehte sich zu ihrem Pflegesohn um und bedachte ihn mit einem schmalen Lächeln. »Sie hat nämlich schon die Paprika und die Möhren für den Rohkostteller klein geschnitten, und jetzt deckt sie auch noch den Tisch. Und du, mein Freund, wirst den Saft heraufholen und danach Frank Bescheid sagen, dass es gleich Abendbrot gibt.«

»Naaa guuut.« Mit übertrieben schleppenden Schritten verließ der Junge die Küche.

Seine Zwillingsschwester Susanna, die gerade dabei war, die Teller auf dem Tisch zu verteilen, kicherte. »Der ist ja nur beleidigt, weil die Mädchenfußballmannschaft gegen die Jungs zwei zu eins gewonnen hat.«

»Kann sein.« Janna lächelte dem Mädchen zu. »Aber zieh ihn nicht damit auf. Du weißt selbst, wie blöd es ist, wenn man wegen so etwas gehänselt wird.«

»Hey, ich bin schließlich nicht in der Mädchenmannschaft. Fußball ist sowieso doof. Janna?«

»Mhm?«

»Kann ich bei den gelben Funken mitmachen?«

Janna, die gerade ein frisches Brot zum Schneiden auf die Brotmaschine gelegt hatte, hielt inne und drehte sich überrascht um. »Du willst Funkenmariechen werden?«

»Ja. Warst du doch auch mal. Ich hab Fotos von dir gesehen. Du warst richtig lange dabei.«

»Stimmt. Ich habe erst mit achtzehn aufgehört, bei den gelben Funken zu tanzen.« Bei der Erinnerung an jene Zeit erschien ein Lächeln auf Jannas Lippen. Sie hatte die Karnevalstanzgruppe in ihrer Jugend heiß geliebt. »Ich dachte, der Ballettunterricht gefällt dir nicht mehr.«

»Tut er auch nicht. Ballett ist langweilig. Aber bei den Funken ist es bestimmt lustig. Und Elli ist auch ab nächste Woche dabei. Sie sagt, wenn ich mich bis Dienstag anmelde, kann ich noch in ihre Gruppe, und dann können wir schon im Januar die ersten Auftritte mitmachen.«

»Und vom Ballett soll ich dich abmelden?«

»Ja.« Das Mädchen nickte entschlossen.

»Also gut, wie du meinst. Versuchen wir es. Aber das Funkentraining kann ganz schön anstrengend sein.«

»Echt?« Nachdenklich zog das Mädchen die Stirn in Falten. »Egal. Wenn Elli mitmacht, schaff ich das auch. Sie ist nämlich meine beste Freundin, weißt du?«

»Ja, ich weiß.«

»Hattest du früher eigentlich auch eine beste Freundin?«

Nachdem sie die geschnittenen Scheiben in den Brotkorb gelegt hatte, verstaute Janna den angeschnittenen Laib in der großen Schublade, in der sie ihre Backwaren aufbewahrte. »Ja, hatte ich.«

»Wie hieß sie denn?«

»Betty.«

»Und wo ist Betty jetzt? Seid ihr noch immer Freundinnen?«

Janna zögerte. »Nein, sind wir nicht.«

»Warum denn nicht?«

»Weil ... Wir haben uns gestritten.«

»Wenn man sich streitet, muss man sich auch wieder vertragen.«

Beinahe hätte Janna über Susannas altkluge Feststellung gelacht. Doch die Angelegenheit mit Betty war alles andere als lustig. »Na ja, vielleicht nicht richtig gestritten«, korrigierte sie sich. »Wir verstehen uns einfach nicht mehr.«

»Hat sie dich geärgert?«

Janna seufzte. »Gewissermaßen. Aber weißt du was? Das ist kein Thema fürs Abendbrot. Lass uns über etwas anderes sprechen.«

»Oh, oh, Erwachsenensachen.« Susanna setzte eine wissende Miene auf. »Du willst bloß nicht erzählen, was mit euch war. Bestimmt, weil du findest, dass ich noch zu klein bin.« Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht irgendwann mal?«

Janna lächelte ihr zu. »Ja, mein Schatz, vielleicht irgendwann mal.«

»Was passiert irgendwann mal?«, erklang in diesem Moment eine dunkle Männerstimme von der Küchentür her. Frank Berg, Jannas um drei Jahre älterer Bruder, betrat den Raum und blickte Janna neugierig über die Schulter. »Hm, selbst gemachter Nudelsalat? Ich komme öfters zum Essen her.« Spielerisch zog er an Jannas locker geflochtenem Zopf, der ihr knapp bis an die Schulter reichte. Etliche ihrer kupferroten Locken hatten sich der Züchtigung durch das Haarband längst wieder entwunden und umspielten ihr Gesicht.

»Hey, lass das!« Lachend drückte sie ihm die Salatschüssel in die Hände. »Mach dich lieber nützlich und stell die auf den Tisch.«

»Und ich dachte, ich hätte mich bis eben nützlich gemacht. Dein neuer Crosstrainer ist jetzt übrigens fertig aufgebaut. Den alten kannst du beim nächsten Sperrmüll entsorgen.«

»Danke, Frank. Das war sehr lieb von dir.«

»Janna richtet uns einen tollen Fitnessraum ein, wenn wir nach nebenan umziehen«, erzählte Susanna eifrig. »Das wird cool. Da können wir sogar richtig tanzen und alles, weil der Keller so groß ist.«

»Mhm, und ich darf vermutlich mit Papa zusammen die Geräte runterschleppen, wenn es so weit ist, wie?« Frank stöhnte übertrieben auf.

»Ist doch nur der Crosstrainer und das Ergometer-Fahrrad«, beschwichtigte Janna ihn. »Alles andere können wir selbst tragen. Es sind ja nur ein paar Hanteln und Elastikbänder und so. Feli hat schon gemeint, dass sie sich dann das Geld fürs Sportstudio sparen wird und zum Trainieren zu uns kommt.«

Frank lachte auf. »Als ob sie das durchhalten würde. Sie braucht doch immer Menschen um sich herum. Und im Keller eines alten Gutshauses wird sie wohl auch kaum viele Gelegenheiten finden, ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen – dem Flirten.«

»Stimmt, das könnte ein Problem werden.« Janna trat grinsend neben ihren Bruder und hob die Hand, um ihm ein paar Sägespäne aus dem kurzen rotblonden Haar zu zupfen. »Woher ist das denn?«

»Woher schon? Papa musste mir unbedingt noch zeigen, wie weit die neuen Regale in deiner zukünftigen Waschküche sind. Der Handwerker war gerade dabei, ein Brett zu sägen, und ich habe die volle Ladung abbekommen.«

»Du Ärmster.«

»Das kann man wohl sagen!« Frank grinste ebenfalls breit, wurde aber gleich wieder ernst. »Ihr bekommt eine feudale Bleibe, wenn die Renovierung abgeschlossen ist.«

»Dabei wäre das überhaupt nicht nötig gewesen. Allein das Angebot, die Häuser zu tauschen, ist schon unbezahlbar. Dieses ganzen Aufwandes hätte es doch nicht bedurft.«

»Da bin ich aber anderer Meinung«, widersprach Frank mit Nachdruck. »Das alte Gutshaus hätte so oder so renoviert werden müssen, und du sollst mit den Kindern ja angenehmer wohnen als bisher.«

»Also, so schlimm ist es hier ja nun auch nicht. Nur ein bisschen eng.«

»Hier ist der blöde Saft, Janna.« Till betrat schlurfend und leicht vornübergebeugt die Küche und stellte zwei Flaschen Apfelsaft auf den Tisch. Dabei tat er, als seien sie furchtbar schwer und er selbst vollkommen groggy von seinem Auftrag.

Janna verkniff sich ein Schmunzeln. »Danke, Till. Möchtest du dich vielleicht ein bisschen hinlegen, um dich von der fürchterlichen Anstrengung auszuruhen?«

Der Kopf des Jungen fuhr hoch. Er schien bereits eine patzige Antwort auf den Lippen zu haben, verkniff sie sich jedoch, als er Jannas warnenden Blick auffing. »Nö, schon gut. Bin ja kein Baby.«

»Schön.«

»Eine Familie hat es drüben wesentlich bequemer“, nahm Frank den Faden wieder auf und setzte sich auf einen der freien Stühle; die Kinder taten es ihm gleich, und auch Janna ließ sich auf ihrem Platz nieder. »Abgesehen davon hast du alle Unterstützung und allen Komfort verdient, Janna. Du weißt, wie stolz wir alle darauf sind, dass du Till und Susanna damals aufgenommen hast.«

»Na ja, ich bin immerhin ihre Patentante.« Etwas verlegen rückte Janna den Brotkorb auf dem Tisch zurecht.

Frank griff quer über den Tisch mit der rechten Hand nach ihrer linken und brachte sie so dazu, ihn anzusehen. »Das mag sein, aber mit knapp siebenundzwanzig eine solche Verantwortung zu übernehmen, ist nicht selbstverständlich.«

»Du weißt selbst, dass Mama und Papa die beiden aufgenommen hätten, wenn nicht ...«

»... wenn Papa bei dem Unfall nicht so schwer verletzt worden wäre.« Ihr Bruder drückte kurz ihre Hand und ließ sie dann wieder los. »Du hast dein Leben auf den Kopf gestellt für die beiden Rabauken.« Absichtlich änderte er seinen Tonfall und zwinkerte den Zwillingen zu.

»Hey«, rief Susanna prompt. »Ich bin aber kein Rabauke!«

»Ich auch nicht«, pflichtete Till ihr sogleich bei. »Aber ich bin gerne bei Janna.«

»Ich auch.« Susanna nickte, nun mit ernster Miene. »Du bist doch eigentlich wie eine Mama. An unsere echte Mama kann ich mich gar nicht mehr erinnern.«

»Ich auch nicht.« Till griff in den Brotkorb.

»Ihr wart ja auch noch sehr klein, als sie gestorben ist. Noch keine vier Jahre alt.« Auch Frank nahm sich eine Scheibe Brot und zog dann die Schüssel mit dem Nudelsalat näher zu sich heran. »Aber sie wäre bestimmt sehr glücklich, dass Janna für euch eine Ersatzmama geworden ist.«

»Ich bin‘s auch.« Susanna goss Apfelsaft in ihr Glas. »Ich hab dich lieb, Janna.«

»Ich auch.« Till nahm seiner Schwester die Saftflasche aus der Hand, um sich ebenfalls einzuschenken.

Janna lächelte die Kinder gerührt an. »Ich habe euch auch sehr lieb.«

Frank räusperte sich betont laut. »Und jetzt genug mit der Gefühlsduselei. Lasst uns essen!«

»Fährst du gleich nach dem Abendbrot nach Hause?«, wechselte Janna das Thema.

»Das hatte ich vor. Ich muss noch einen Gerichtstermin vorbereiten.«

»Kein Date heute?« Verwundert hob Janna den Kopf. Ihr Bruder war nicht verheiratet und besaß einen recht großen Kreis an weiblichen Bekannten. »Ich dachte, du hättest eine neue Flamme.«

»Wer behauptet das denn schon wieder? Mama oder Feli?« Er schüttelte den Kopf. »Ihr tut immer so, als hätte ich einen Harem. Ich habe mich neulich mit einer befreundeten Anwältin zum Mittagessen getroffen, mehr nicht.«

»Aha.«

»Sie ist verlobt! Und nicht mit mir, wenn ich das anfügen darf.« Er schob sich eine Gabel voll Salat in den Mund und kaute genüsslich. »Lecker!«

»Also bist du solo?«

»Exakt. Was ist schlimm daran?«

»Gar nichts.« Janna gluckste.

»Eben.« Nach einem weiteren Bissen Salat musterte Frank sie neugierig. »Was ist denn eigentlich mit dir? Begehst du den Freitagabend auch alleine?«

»Das hatte ich vor. Vielleicht ein schöner Film auf DVD ...«

»Wir sollten uns zusammentun.«

Janna lachte auf. »Vergiss es. Unsere Geschmäcker, was Filme angeht, sind viel zu verschieden. Ich habe keine Lust auf einen Horrorfilm, nach dem mir dann die ganze Nacht die Haare zu Berge stehen.«

»Kulturbanause!«

»Von mir aus.«

»Janna?« Susanna deutete mit dem Daumen hinter sich. »Dein Handy klingelt, ich glaube in deiner Handtasche.«

»Oh. Tatsächlich.« Rasch erhob Janna sich und eilte zur Garderobe im Flur. »Wahrscheinlich ist es Tina wegen der Kochvorführung der Landfrauen. Ich hatte ihr versprochen, ihr noch eine ...« Als Janna den Namen des Anrufers auf dem Display sah, verstummte sie. Ihr Herzschlag kam unvermittelt aus dem Takt, und sofort schalt sie sich innerlich eine dumme Gans dafür. »Bin gleich wieder da«, rief sie über die Schulter und ging weiter in den Flur. »Janna Berg«, meldete sie sich und war froh, dass ihre Stimme so klar und kühl klang.

»Schön, diesmal ist der Akku nicht leer«, drang Markus’ Stimme an ihr Ohr.

Sie verdrehte die Augen. »Guten Abend«, antwortete sie so leise, dass ihre Familie es nicht so deutlich mitbekam. »Das ist mal wieder typisch.«

»Was ist typisch?« Er klang verwundert.

»Wie immer verzichtest du auf eine Begrüßung, das Nennen deines Namens oder wenigstens das Wünschen der Tageszeit ... Hast du vielleicht etwas gegen Höflichkeit?«

»Nicht im Geringsten. Aber dein Handy sollte dir meinen Namen bereits angezeigt haben.«

»Mhm. Und die Uhrzeit auch. Vielen Dank.« Sie seufzte, weil sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie amüsiert oder verärgert sein sollte. »Warum rufst du an?«

»Hast du heute Abend schon was vor?«

»Heute Abend?« Verblüfft hob sie den Kopf, blickte kurz über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand dem Telefonat lauschte. Frank und die Kinder waren in ein Gespräch über Fußball und Funkenmariechen verwickelt. »Eigentlich wollte ich mir einen schönen Abend vor dem Fernseher machen.«

»Gut, das lässt sich ja leicht canceln.«

Sie hob die Augenbrauen, auch wenn Markus das durchs Telefon nicht sehen konnte. »Weshalb sollte ich meine Pläne canceln?«

»Weil du bestimmt viel lieber zu einem eleganten Empfang im Intersportzentrum in Bonn gehen willst.«

»Ach ja?« Ihr Herz machte erneut einen unangemessenen Satz.

»Ich hole dich um acht Uhr in der Tiefgarage des Instituts ab.«

Sie sog hörbar die Luft ein. »Moment mal ...«

»Gib an der Schranke den Code vier-drei-fünf-vier ein, dann kommst du rein.«

»Aber ich habe doch noch gar nicht zugesagt.«

»Wie gesagt, es ist ein Empfang. Abendgarderobe, aber nicht zu auffällig. Hast du ein passendes Kleid für solche Anlässe?«

»Ich denke schon. Was ist das denn überhaupt für ein Empfang und warum willst du mit mir da hingehen?«

»Ich will nicht, ich muss. Es handelt sich um den offiziellen Herbstempfang des Sportzentrums, und ich treffe mich dort mit einem Informanten.«

»Oh.« Janna begriff.

»Du bist Teil meiner Tarnung.« Er hielt kurz inne, um seinen nächsten Worten mehr Bedeutung zu verleihen. »Es ist ausgesprochen wichtig. Die nationale Sicherheit könnte betroffen sein.«

»Oh«, wiederholte Janna und biss sich auf die Unterlippe. »Also, wenn das so ist ... Um acht Uhr?«

»In der Tiefgarage«, bestätigte Markus. »Sei pünktlich.«

Janna starrte ihr Smartphone an, denn er hatte die Verbindung einfach unterbrochen. Kopfschüttelnd schob sie das Telefon zurück in ihre Handtasche. Als sie in die Küche zurückkehrte, blickten ihr drei Paar neugierige Augen entgegen.

Verlegen lächelte sie. »Äh, tja, es scheint, als hätten sich meine Pläne für heute Abend soeben geändert.«

Sport und Mord gesellt sich gern

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