Читать книгу Sport und Mord gesellt sich gern - Mila Roth - Страница 9

Оглавление

4

Bonn, Kaiserstraße

Institut für Europäische Meinungsforschung

Freitag, 18. November, 19:58 Uhr

Janna hielt an der Zufahrt zur Tiefgarage des Instituts, gab den vierstelligen Code auf dem Touchscreen des kleinen Computers ein und wartete, bis sich die Schranke gehoben hatte. Dann lenkte sie ihren dunkelblauen Golf V in eine der Parklücken und stieg aus. Markus’ nachtschwarzer Z3 war nirgends zu sehen. Sie nahm ihre kleine Abendhandtasche vom Beifahrersitz und warf sich den silbernen Kurzmantel über, den sie vor zwei Jahren im Winter-Sale erstanden hatte und der perfekt zu ihrem kurzen, dunkelblauen Kleid mit dem U-Boot-Ausschnitt passte. Erst hatte sie überlegt, ob sie das perlenbestickte hellgelbe Kleid anziehen sollte, das sie bei ihrem letzten Einsatz mit Markus gekauft hatte. Doch er hatte gesagt, sie solle sich nicht zu auffällig kleiden. Also hatte sie sich für das kleine Blaue entschieden, in dem ihre langen Beine sehr schön zur Geltung kamen – vor allem zusammen mit den hübschen halbhohen Riemchenpumps.

Die Haare hatte sie hochgesteckt, an ihren Ohren glitzerten die daumenlangen silbernen Ohrgehänge im keltischen Stil, die Feli ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Prüfend warf sie einen Blick in die Fensterscheibe der Fahrertür, um sich zu vergewissern, dass ihre Frisur richtig saß. Dann strich sie ihr Kleid glatt und ging ein paar Schritte auf und ab.

Es war nicht ganz einfach gewesen, ihrer Familie zu erklären, wohin sie heute Abend gehen würde, nicht zuletzt, weil sie natürlich ihre Eltern hatte bitten müssen, sich am Abend um die Zwillinge zu kümmern. Die Erwähnung des Herbstempfangs hatte große Neugier hervorgerufen. Wie zuvor schon einmal, hatte sie sich darauf herausgeredet, eine Mitarbeiterin des Meinungsforschungsinstituts bei einer Umfrage zu vertreten. Wie oft sie diese Erklärung wohl noch vorbringen konnte, ohne Argwohn zu erwecken? Ihre Mutter hatte bereits zum zweiten Mal gefragt, ob aus dieser Springertätigkeit nicht eine Vollzeitstelle werden könnte.

Janna kam mit ihrem privaten Büroservice recht gut über die Runden, wusste aber, dass ihre Eltern es gerne sähen, wenn sie eine feste Arbeitsstelle mit regelmäßigem Gehalt und sozialer Absicherung annehmen würde. Ihr Studium der Germanistik, Literatur und Sozialpädagogik hatte sie ein Semester vor der Abschlussprüfung abgebrochen, um sich um die Kinder kümmern zu können. Dann hatte sie den Büroservice gegründet, weil sie so von zu Hause aus arbeiten konnte. Als Schreibkraft oder Sekretärin würde sie sicher irgendwo unterkommen, doch der fehlende Uniabschluss würde ihr vermutlich eine anderweitige Karriere stark erschweren. An eine Wiederaufnahme ihres Studiums war derzeit nicht zu denken, wenn sie ihren Eltern nicht auf der Tasche liegen wollte – und das kam für sie überhaupt nicht infrage. Vielleicht würde sie den Abschluss in Abendseminaren nachholen, wenn die Zwillinge auf die weiterführende Schule – möglicherweise eine Ganztagsschule – gingen.

Nach einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr überlegte sie, ob sie Markus auf dem Handy anrufen sollte. Sie wunderte sich, dass er noch nicht da war. Wenn er auch am Telefon hin und wieder seine Manieren vergaß – Unpünktlichkeit konnte man ihm normalerweise nicht vorwerfen.

Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, als ein weiteres Auto die Schranke passierte und schwungvoll in die Parklücke neben ihr einbog. Es war jedoch kein schwarzer Sportwagen, sondern ein silberner Audi A3, aus dem Augenblicke später eine attraktive Blondine in einem knappen und äußerst sexy lachsfarbenen Businesskostüm ausstieg. Janna brauchte nur einen kurzen Moment, um sie einzuordnen. Sie hatte Alexa Baumgartz, Markus’ Kollegin, bislang zwar selten gesehen und auch nur kurz kennengelernt, doch die Agentin gehörte eindeutig zu den Frauen, die man so schnell nicht wieder vergaß.

Als Alexa sie erblickte, erschien ein überraschtes Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie schnappte sich eine Aktentasche vom Rücksitz ihres Wagens und trat ein paar Schritte auf Janna zu. »Guten Abend, Frau Berg. Was treiben Sie denn hier so allein in unserer Tiefgarage?«

»Ich, ähm ...« Als Jannas Blick auf die himmelhohen Absätze von Alexas Pumps fiel, schluckte sie. »Ich treffe mich mit Markus. Herrn Neumann.«

»Ach?« Die Agentin kam noch ein wenig näher. »Das ist ja interessant. Ich wusste gar nicht, dass Sie beide ...« Sie wedelte mit der linken Hand.

»Oh.« Janna spürte, wie sich eine leichte Wärme auf ihren Wangen ausbreitete. »Nein, so etwas ist es nicht. Ich bin nur ... Wir ... Er hat mich gebeten, ihn zu einem Empfang zu begleiten. Als seine Tarnung«, fügte sie rasch hinzu.

»Tatsächlich?« Alexas rechte Augenbraue wölbte sich leicht nach oben.

»Er scheint sich ein bisschen zu verspäten.« Janna lächelte befangen. In Gegenwart dieser Agentin fühlte sie sich irgendwie unbeholfen. Alexa, wie ebenso die schwarzhaarige Schönheit Melanie Teubner, gehörte zu der Sorte ehrgeiziger Karrierefrauen, die schon allein aufgrund ihrer physischen Präsenz beeindruckten. Auf Janna wirkten sie einschüchternd. Außerdem vermutete sie, dass die beiden sich über sie lustig machten, weil sie sich in der Welt des Geheimdienstes, in die sie ja nur durch puren Zufall hineingeschlittert war, eher unbedarft anstellte. Wahrscheinlich entsprach Jannas Leben auf dem Land, mit den Kindern und der halbwegs heilen Welt, die sie versuchte für sich und ihre Familie zu gestalten, nicht Alexas oder Melanies Vorstellungen. Vermutlich wähnten die beiden sich ihr weit überlegen – und in vielerlei Hinsicht waren sie das wohl auch.

»Markus und sich verspäten?« Alexa stieß ein kehliges Lachen aus. »Das ist schon mal kein gutes Zeichen. Es bedeutet nämlich entweder, dass er das Interesse an Ihnen verloren hat ...«

»Aber ich sagte doch, wir sind nicht ... Das ist ein rein berufliches Treffen.«

»Oder«, fuhr die Agentin fort, ohne auf Jannas Einwand zu achten, »es ist ihm etwas dazwischengekommen. Etwas Unangenehmes. Hat er sich noch nicht bei Ihnen gemeldet?«

»Nein.« Besorgt zog Janna ihr Handy aus der Handtasche, doch es zeigte keinerlei Nachrichten oder verpasste Anrufe an. »Glauben Sie, ihm könnte etwas zugestoßen sein?«

»Das kann man in unserem Job nie wissen.« Schwungvoll warf Alexa ihr langes blondes Haar in den Nacken. »Ich muss noch in die Zentrale und meinen Bericht schreiben.« Sie lächelte Janna zu. »Auslandseinsatz, Sie wissen schon. Ich kann mich aber gerne nach Markus’ Verbleib erkundigen.«

»Danke.« Janna erwiderte das Lächeln etwas gezwungen.

In diesem Moment wurde das dunkle Brummen eines Motors laut, das sich einen Konkurrenzkampf mit der lärmenden Rockmusik aus den Lautsprechern des Wagens lieferte.

»Oh, oh.« Alexas Miene wurde ernst. »Es ist schlimmer, als ich dachte.«

»Was meinen Sie?« Verwundert hob Janna den Kopf.

»Numb.«

»Wie bitte?« Janna verstand nur Bahnhof.

Alexa deutete auf den Z3, der in diesem Augenblick in die Einfahrt schoss und dicht vor der Schranke zum Stehen kam. »Hören Sie das nicht? Das ist Musik von Linkin Park. Wenn er die hört, ist Alarmstufe Rot angesagt.«

»Was bedeutet das?« Mit einer Mischung aus Neugier und Verunsicherung beobachtete Janna, wie sich die Schranke hob und der Motor des Sportwagens erneut aufheulte. Mit viel zu hoher Geschwindigkeit kam das Auto auf die beiden Frauen zu und bog mit quietschenden Reifen in eine Parklücke ein.

Alexa kräuselte die Lippen. »Das heißt, Markus ist bis zum Anschlag geladen. In dieser Stimmung macht man besser einen weiten Bogen um ihn.« Das Lächeln, das auf ihren Lippen erschien, wirkte auf Janna ein klein wenig boshaft. »Dann wünsche ich Ihnen mal viel Vergnügen heute Abend. Man sieht sich.« Bevor Janna etwas darauf erwidern konnte, hatte Alexa sich bereits abgewandt und stolzierte mit schwingenden Hüften in Richtung Aufzug.

Im gleichen Augenblick verstummte das Wummern aus dem Inneren des Z3. Markus stieg aus, zog eine dunkelblaue Anzugjacke über sein weißes Hemd und richtete seine dezent blaugrau gemusterte Krawatte, während er auf Janna zuging. Alexa warf er nur einen kurzen Blick zu, die noch einmal ihre üppige Mähne schüttelte.

Einige Meter vor Janna blieb Markus stehen. Seine Miene wirkte auf den ersten Blick gleichmütig, und Janna vermutete bereits, dass Alexa absichtlich übertrieben hatte. »Können wir?«, fragte er und schob seine Hände in die Hosentaschen.

Sogleich revidierte Janna ihre Meinung. Markus schien tatsächlich nicht in der besten Stimmung zu sein. Als sie auf ihn zutrat, nahm sie den leicht verkniffenen Zug um seinen Mund wahr, der jedoch rasch einer gleichgültigen Miene wich, als er ihren forschenden Blick bemerkte.

»Guten Abend, Markus«, grüßte sie und verzichtete darauf, etwas über seine Verspätung zu sagen. Schließlich konnte sie nicht wissen, ob ihn das womöglich noch mehr reizte. In Rage bringen wollte sie ihn nicht. Für den Fall, dass Alexa die Situation richtig eingeschätzt hatte, blieb sie lieber erst einmal auf der Hut. »Meinetwegen kann es losgehen.«

»Gut, dann komm.« Er wandte sich um und ging zu seinem Wagen zurück. Immerhin hielt er ihr die Beifahrertür auf und wartete, bis sie eingestiegen war, bevor er sich hinters Steuer setzte.

Während Markus den Z3 aus der Garage hinauslenkte, schwieg Janna und warf ihm nur hin und wieder einen Seitenblick zu. Er sah gut aus – wie immer. Sein Kinn war leicht vorgeschoben, und sie sah einen Muskel in seiner Wange zucken. Etwas schien ihn zu beschäftigen, doch sie wagte nicht, ihn darauf anzusprechen.

Da sie sich aber nicht den gesamten Abend anschweigen konnten, entschied sich Janna für ein, wie sie hoffte, unverfängliches Thema. »Was genau tun wir denn nun auf diesem Empfang?«

Sie hörte, wie er leise die Luft ausstieß, bevor er antwortete: »Ich treffe mich mit einem Informanten, wie ich schon sagte. Mein Name ist heute übrigens Markus Baumann.«

»Und ich?«

»Du heißt heute Janna Berger und amüsierst dich.« Auf seinen Lippen erschien ein Lächeln, das seine Augen jedoch nicht erreichte.

»Berger?«

»Walter hielt es für angebracht, dass wir beide Decknamen benutzen. Ich dachte, es sei einfacher für dich, dir einen Namen zu merken, der deinem echten möglichst ähnlich ist. Übrigens ein Trick, den wir häufig anwenden, wenn Anfänger in eine Operation involviert sind.«

»Anfänger, aha.« Janna zog leicht die Stirn kraus.

»Ja sicher, das bist du doch wohl, oder?«

»Ja, ja, schon gut.«

»Schön, also es werden viele prominente Leute auf dem Empfang sein. Wir mischen uns ein Weilchen unter die Menge, und während ich zum vereinbarten Treffpunkt gehe, hältst du einfach die Stellung.«

Einen Moment lang dachte sie nach, dann sah sie ihn erneut von der Seite an. »Wenn ich doch nur nett in der Gegend herumstehen soll – warum gehst du nicht einfach alleine zu diesem Empfang?«

Kurz erwiderte er ihren Blick, richtete ihn jedoch gleich wieder auf die Fahrbahn. »Alleine zu so einem Empfang? Das ist ja deprimierend! Abgesehen davon wirkt es natürlicher, wenn wir zu zweit dort aufschlagen.«

»Aha. Warum bist du dann nicht mit einer deiner Kolleginnen hingefahren oder hast eine von deinen Freundinnen eingeladen?«

»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass man in meinem Job Berufliches und Privates besser strikt trennt.«

»Du hättest ja nicht verraten müssen, weshalb du wirklich dorthin musst.«

Erneut traf sie kurz sein Blick. »So ist es aber sicherer.« Er zuckte die Achseln. »Außerdem war heute niemand ... verfügbar.«

»Ach.«

»Und Walter wollte nicht zwei Agenten für diese Sache abstellen. – Sparmaßnahmen«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.

»Soso.« Janna runzelte die Stirn. Sie fühlte sich, zurecht, wie sie fand, ein wenig vor den Kopf gestoßen. »Wie praktisch, dass ich unter diesen Umständen als Lückenbüßer eingesprungen bin.«

»Ja.«

Ihr Kopf flog zu ihm herum.

Offenbar bemerkte er erst jetzt, was er gesagt hatte, denn er stieß ein leicht entnervtes Seufzen aus. »Hör zu, Janna, so war das nicht gemeint. Mit dir dorthin zu gehen, erschien mir als die einfachste und sicherste Lösung.«

»Mhm, ich hab dich schon verstanden.« Sie verdrehte die Augen.

»Wenn dich jemand fragt, sind wir Mitarbeiter des Meinungsforschungsinstituts und haben die Karten von unserem Abteilungsleiter geschenkt bekommen. Das Institut erhält solche Einladungen massenweise.«

»O-kay.«

»Hast du ein Problem damit?«

Da seine Stimme unterschwellig gereizt klang, zuckte sie nur die Achseln. »Nicht im Geringsten.«

Sport und Mord gesellt sich gern

Подняться наверх