Читать книгу Küsse in luftiger Höhe - Mila Summers - Страница 7

Kapitel 2

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»Nimm deine Hand da weg!«

»Wieso denn?«

»Na, wegen dem ganzen Dings … Zeugs … Ach, weil man das einfach in einem Krankenhaus nicht macht. Muss doch alles steril bleiben.«

»Ich soll die Fernbedienung wieder hinlegen – wegen der Gefahr, Keime zu übertragen? Und das in einem Krankenhaus – der Keimproduktionsstätte schlechthin. Das ist, als wenn du mich bitten würdest, die Schuhe auszuziehen, während alle anderen ihre noch tragen. Es macht keinen Sinn.«

»Kommt schon, ihr beiden! Seid nett zueinander! Mit eurem Gezanke weckt ihr noch Miranda auf.«

»Was gar nicht mal so schlimm wäre. Schließlich hoffen wir seit dem Unfall darauf, dass sie wieder zu sich kommt.«

Ich vernahm die mir bekannten Stimmen wie aus weiter Ferne. Meine Freundinnen Stacy, Drew und Emily waren bei mir. Doch wo war ich? Was war geschehen? Hatten sie soeben von einem Krankenhaus gesprochen? Nein, das konnte nicht sein. Das ergab alles keinen Sinn. Sicher hatte ich mich verhört.

Mein Kopf dröhnte. Wo kamen diese unsagbaren Schmerzen nur her? Hatte ich einen Verkehrsunfall oder war ich gestürzt? Fieberhaft versuchte ich die Augen zu öffnen, doch etwas hinderte mich daran.

Ich spürte wieder diese Schwere über mich kommen und sank zurück in das Land der Träume. Dort war alles so leicht und ich verspürte nicht mehr dieses Hämmern in meinem Schädel. Hier würde ich bleiben. Zumindest noch für eine gewisse Zeit.

Einige Stunden später – oder waren es Tage? – erwachte mein Bewusstsein erneut, als ich jemanden sprechen hörte. Dieses Mal kannte ich die Person allerdings nicht.

»Was meinen Sie? Wird sie wieder zu sich kommen?«, fragte eine männliche Stimme leise, wie um mich nicht aufzuwecken.

»Da bin ich mir ganz sicher. Aufgrund der Schwere ihrer inneren Verletzungen war es zwingend notwendig, sie in ein künstliches Koma zu versetzen. Offensichtlich blockiert ihr Unterbewusstsein den Weg zu uns noch. Anatomisch betrachtet, kann ich nichts feststellen, was sie daran hindern könnte, in unsere Welt zurückzukehren.« Das war wohl mein behandelnder Arzt.

»Ich hab mir Vorwürfe gemacht, weil ich sie nicht gleich gefunden habe. Wenn ich nur einige Minuten früher da gewesen wäre, dann hätte ich sie schneller rausbringen können und sie hätte nicht so viel von diesem giftigen Qualm eingeatmet. Aber der Rauch war so dicht. Ich konnte kaum die eigene Hand vor Augen erkennen.«

»Ihnen macht sicher keiner einen Vorwurf. Es grenzt schier an ein Wunder, dass Sie sie überhaupt noch gefunden haben. Das Feuer hat in einer unglaublichen Geschwindigkeit um sich gegriffen. Weiß man denn schon Näheres darüber, wie es dazu kommen konnte? In einem Museum hätte ich am allerwenigsten mit solch einer Katastrophe gerechnet.«

»Nein, wir tappen noch vollkommen im Dunkeln. Es könnte vielleicht ein Kabelbrand gewesen sein. Allerdings sind wir auch darüber verwundert, wie schnell das Ganze ausgeartet ist. Wir waren wenige Minuten nach der Meldung vor Ort und da brannte der Kasten schon lichterloh. Ich bin seit einigen Jahren bei der Feuerwehr und habe schon so einiges miterlebt. Aber die Sache im Museum übersteigt alles bisher Dagewesene.«

»Nur gut, dass sich alle so schnell in Sicherheit bringen konnten. Miss Honeychurch ist soweit über den Berg und wird ohne Folgeschäden ihr weiteres – Dank Ihnen sicher langes – Leben genießen können. Mr. Bricks, aber was ist mit Ihnen? Sie sehen so erschöpft aus. Ist Ihnen nicht gut? Sie sollten mal Urlaub machen. Sie sind ja völlig überarbeitet. Damit ist wirklich nicht zu spaßen. Ich hatte schon Fälle, bei denen ...«

»Ja, da haben Sie sicher recht. Ich könnte mal wieder angeln gehen oben im Huron-Manistee Nationalpark.« Dann stockte er für einen Moment. »Honeychurch, sagten Sie? Die Honeychurches?«

»Ja, genau.«

»Ich muss jetzt gehen. Vielen Dank für Ihre Zeit, Doktor Hepburn.«

Eiligen Schrittes verließ jemand das Zimmer. Dann kratzte ein Füllfederhalter über Papier, ehe ich quietschende Clogs über den Boden wischen hörte. Ich schwebte zurück in mein ganz persönliches Nirwana. In die Welt, die ich mir selbst erschaffen hatte. Komisch, wieso sah ich denn jetzt einen Waschbären vor mir? Oder war es ein Biber? Ich näherte mich dem glitzernden Fluss und tauchte ein in das Rauschen des gleichförmig dahinströmenden Wassers. Ein wenig würde ich noch bleiben. Nur ein ganz kleines bisschen.

***

Im Krankenhausflur atmete er einmal tief durch. Zu schmerzvoll war die Erkenntnis, dass die Frau, die er gerettet hatte, ausgerechnet eine Honeychurch war. Nie wieder wollte er etwas mit dieser Familie zu tun haben. Nie wieder!

Dabei verkrampften sich seine Hände zu Fäusten. Seine Zähne pressten sich fest aufeinander und sein Kiefer begann zu mahlen. Er konnte es nicht verhindern, dass die Bilder unweigerlich in ihm aufstiegen.

Szenen, die er nie selbst gesehen hatte, von denen ihm seine Mutter aber auf ihrem Sterbebett berichtet hatte. Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie sie ihm die Geschichte seines Lebens erzählt hatte:

»Mein Junge, es ist für mich die Zeit gekommen, von dir Abschied zu nehmen. Der Tumor hat gestreut. Es gibt wenig Hoffnung auf Heilung und ich kann einfach nicht mehr. Ich werde mich meinem Schicksal ergeben, sobald ich dir erzählt habe, was mir schon lange auf der Seele brennt. Verzeih mir, mein Sohn, aber ich konnte nicht früher darüber sprechen. Allein der Gedanke daran hat mich all die Jahre unglaublich geschmerzt.«

Kurz darauf war seine Mutter für immer von ihm gegangen. Die Frau, der er alles verdankte, war gestorben und hatte ihn auf dieser Welt alleine zurückgelassen. Er schloss die Lider und erinnerte sich an die guten Zeiten. An die wenigen Nachmittage, an denen sie nicht arbeiten musste und sie in den Zoo gegangen waren.

Die Einsamkeit, die er nach dem Tod seiner alleinerziehenden Mutter als Einzelkind verspürt hatte, machte sich erneut in ihm breit. Genauso wie die Wut, die er bei dem Gedanken an das Unrecht verspürte, das seiner Mom widerfahren war.

Mit seinen achtzehn Jahren hatte er schnell lernen müssen, für sich selbst zu sorgen. An ein kostspieliges Studium war dabei nicht zu denken. Also ging er zur Feuerwehr und erfreute sich tagtäglich daran, anderen Menschen helfen zu können.

Eigentlich hatte er Arzt werden wollen, aber der Weg, den ihm das Schicksal vorgezeichnet hatte, war auch nicht schlecht. Manchmal fügte sich eins ins andere und ehe man sich’s versah, war man angekommen.

Etwas ruhiger atmete er erneut tief durch und setzte sich wieder in Bewegung. Seit dem Tag, an dem seine Mom nahezu mittellos gestorben war, hatte er bittere Rache geschworen.

Wenn sie das Geld gehabt hätten, dann – davon war er überzeugt – hätte seine Mutter diese teuflische Krankheit besiegt und er wäre nicht zur Vollwaise geworden. An diesem ungewöhnlich kalten Tag im Mai vor fünfzehn Jahren war ihm ohne Vorwarnung der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Und er wusste ganz genau, wer dafür die Verantwortung trug.

Der Hass auf den Menschen schnürte ihm die Kehle zu. Er musste hier raus. Brauchte dringend frische Luft. Nichts wie weg von hier. Nichts wie weg von ihr.

***

Küsse in luftiger Höhe

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