Читать книгу Ein Anwalt zum Verlieben / Süße Lügen - Millie Criswell - Страница 11
5 Warum sind Anwälte wie eine Darmspülung? Weil man sie hasst, bis man eine braucht. Und dann hasst man sie immer noch.
Оглавление»Sag die Wahrheit, Johnny. Nimm kein Blatt vor den Mund. Hab ich in dieser Hose einen dicken Hintern? Ich hab sie erst gestern gekauft, und sie fühlt sich absolut himmlisch an – feinste Kammwolle, weißt du, aber ...«
Peter, der zwei Jahre jünger war als John und seinem älteren Bruder, obwohl ein wenig kleiner und zierlicher, mit eher braunen als schwarzen Haaren, verblüffend ähnlich sah, spazierte im Wohnzimmer seiner trendigen Wohnung auf und ab wie ein von Ameisen befallenes Laufstegmodel.
John konnte nur den Kopf schütteln. »Woher zum Teufel soll ich das wissen, Peter? Dein Hintern sieht aus wie üblich: mager und knochig. Also hör schon auf, wie ein verdammter Transvestit vor mir rumzuwackeln.«
Doch offenbar war bei Peter kein Wort angekommen. Er verdrehte den Hals, um einen Blick auf seine Kehrseite zu erhaschen. »Wolle trägt furchtbar auf, weißt du? Besonders, wenn man einen dicken Hintern hat. Findest du nicht auch?«
»Willst du damit etwa andeuten, dass ich einen dicken Hintern hab?« John fragte sich, was zum Teufel in seinen sonst so reservierten kleinen Bruder gefahren war. Er war stets ein stilles, höfliches Kind gewesen – ein Mensch, der lieber vorm Computer saß, als auf einem Spielfeld rumzuhecheln. Mit anderen Worten, er war der unsportliche intellektuelle Typ. Wozu sein Job in der Personalabteilung einer großen Computersoftwarefirma perfekt passte.
Vielleicht kam dieser plötzliche Persönlichkeitswandel ja daher, dass er sich zu seiner wahren Neigung bekannt hatte. John hatte seinen Bruder sehr gern und konnte seinen Lebensstil ehrlich akzeptieren. Doch wenn die Dinge zu ... na ja, zu schwul wurden, ging ihm das gewaltig auf den Geist.
»Ich brauch ein Bier. Hast du eins?«
»Nein, aber ich habe einen herrlichen Chablis im Kühlschrank. Wie wär’s damit?« Peter machte ein hoffnungsvolles Gesicht.
Johns Gesichtszüge entgleisten beim Gedanken, dieses angesagte Edelgetränk schlucken zu müssen. Er fixierte seinen Bruder einen Moment lang und bemerkte dann das freche Funkeln in dessen Augen. Da warf er den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Himmel, Peter, da hast du mich aber gründlich erschreckt! Hab ich mich doch tatsächlich für ein paar Minuten von deinem warmen ›In-Getue‹ täuschen lassen.«
Peter konnte nun sein Grinsen nicht länger unterdrücken und stimmte in das Gelächter seines Bruders ein. »Erwischt.« Dann verschwand er und kam mit zwei eiskalten Dosen Bud Light zurück, von denen er eine John reichte. »Die Erwartungen der Leute zu übertreffen ist nun mal mein Lebensziel, Bruderherz.«
»Warst wohl wieder bei unseren Eltern, wie? Wie haben sie’s diesmal angestellt?« Robert und Adele Franco waren Meister darin, Peter bei jeder Gelegenheit in ein emotionales Wrack zu verwandeln.
Bis zu dem Moment, da sein Bruder beschloss, sich zu outen, war John die größte Enttäuschung seiner Eltern gewesen. Jetzt war es Peter. Und die alten Leute hielten mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg.
Adele war der Ansicht, dass man den Teufel, der von Peter Besitz ergriffen hatte, mit Gebeten, einem Psychiater oder zur Not auch mit Voodoo austreiben könnte. Robert gab sich noch viel weniger Mühe, seinen Widerwillen zu verbergen. Einer seiner Söhne homosexuell? Undenkbar. Womöglich begannen die Leute, seine eigene Männlichkeit in Frage zu stellen.
Peter war von klein auf sehr sensibel gewesen, und es war ihm unmöglich, die Sticheleien und grausamen Bemerkungen seiner Eltern an sich abgleiten zu lassen – so wie John es zumindest versuchte, wenn es ihm auch nicht immer gelang.
»Ich war heute Vormittag dort und habe Dad beim Wegräumen des Grills und der Gartenmöbel geholfen, so wie jedes Jahr.« Peter ließ sich bekümmert auf das goldene Veloursledersofa fallen und nippte nachdenklich an seinem Bier. »Gesagt haben sie diesmal nichts Besonderes. Aber dieser enttäuschte Ausdruck auf ihren Gesichtern und diese abgrundtiefen Seufzer, die sie von sich geben, nur damit ich mich schuldig fühle.«
»Lass sie doch, was scherst du dich darum? Sie sind alt und engstirnig, das solltest du inzwischen kapiert haben. Wieso nimmst du dir das so zu Herzen?«
»Sie benehmen sich, als wäre ich auf einmal ein völlig anderer Mensch geworden, aber das bin ich nicht, John. Ich bin derselbe wie vorher. Außer, dass ich halt einen Mann liebe.«
Der Schmerz in Peters Stimme erfüllte John mit Traurigkeit. Er wünschte, er könnte etwas tun, um ihm die Situation zu erleichtern. Er hatte versucht, mit seinen Eltern zu reden, hatte versucht, ihnen begreiflich zu machen, was sie ihrem jüngsten Sohn mit ihrem Verhalten antaten, aber sie wollten nicht hören.
Wann hatten sie je auf irgendwas gehört?
Sie waren viel zu beschäftigt damit, sich pausenlos zu streiten. Die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder blieben dabei auf der Strecke. Robert und Adele waren keine schlechten Eltern, aber fehlgeleitet und selbstsüchtig. Sie suhlten sich in ihrem Unglück, und es gefiel ihnen, ihre Umgebung genauso unglücklich zu machen wie sich selbst.
Peter hatte keinen leichten Weg eingeschlagen, und John hoffte nur, dass er mit all den Vorurteilen, Hindernissen und Grausamkeiten fertig wurde, mit denen er von nun an konfrontiert werden würde. Sein Bruder musste sich auf jeden Fall eine dickere Haut zulegen.
»Apropos Männer, wie geht’s Eric? Ich dachte, er würde heute Abend für uns kochen.« Entsetzen überkam John bei dem Gedanken, dass dies möglicherweise nicht der Fall war. »O nein, bitte nicht! Du kochst doch nicht etwa selbst? Dann müsste ich mich schleunigst verabschieden.«
Eric Loudon war Chefkoch in einem der besten Restaurants im Inner Harbor. John, der schon oft dort gespeist hatte, gab ohne Hemmungen zu, dass er vorhatte, so viele Abendessenseinladungen wie möglich rauszuschinden.
»Sei nicht fies, John. Eric ist noch auf dem Markt, frischen Fisch und Gemüse kaufen. Er wird bald hier sein. Außerdem ist es spießig, vor zwanzig Uhr zu essen. Keinen Europäer, Italiener eingeschlossen, wirst du vor dieser Zeit am Esstisch erwischen. Und wieso die Eile? Es ist Samstagabend, und du hast sowieso keine Verabredung.«
»Ich habe Hungerödeme. Und es ist mir schnurzpiepe, wann man sonst wo auf der Welt isst. Ich esse, wenn mir der Magen knurrt. Und nur zu deiner Information, ich hätte durchaus eine Verabredung haben können, mit der kurvenreichen Danielle nämlich, hab mich aber stattdessen entschieden, euch zu beehren. Allmählich kriege ich Bedenken.«
»Du meinst diese Empfangsdame mit den Riesentitten und dem Spatzenhirn?«
Grinsend erwiderte John: »Genau die«, und blickte sich nun genauer im Wohnzimmer um. Er war angenehm überrascht, wie kultiviert und gemütlich es wirkte. Die Möbel waren andere als bei seinem letzten Besuch. Auf den dicken Eichendielen lag ein großer, rotgoldener Orientteppich, und an dem großen Panoramafenster waren hölzerne Jalousien angebracht.
Peter und Eric wohnten seit fast zwei Monaten zusammen, doch dies war das erste Mal, dass John zum Abendessen eingeladen worden war. Sie hatten es wohnlich haben wollen, bevor sie Gäste empfingen. »Habt ihr euch für die Einrichtung einen Innendekorateur geholt? Sieht echt gut aus.« Er strich mit der Hand über den weichen Stoff der Sofakissen. »Toll, wie sich das anfühlt.«
Peter schüttelte mit einem stolzen Lächeln den Kopf. »Eric und ich haben alles selbst ausgesucht. Der schlichte Couchtisch und das Beistelltischchen aus Kiefer waren seine Idee. Er hat einen tollen Geschmack. Ich habe die Couch dazugesteuert und die braunen Ledersessel. Wir wollen die Wände einen Ton heller als die Couch streichen und mit Dunkelrot und Grün akzentuieren.«
»Du solltest mal was Ähnliches mit meiner Wohnung machen. Da sieht’s dagegen wie in einer Absteige aus.« John hatte weder das Talent noch die Geduld, sich gut einzurichten und ein behagliches Ambiente zu schaffen. Seine Behausung war groß, mit etlichen Zimmern, praktisch, gelegentlich sauber, und damit hatte es sich. Bei den Gelegenheiten, an denen er Damenbesuch empfing, raffte er rasch alle herumliegenden Zeitungen, Zeitschriften und die Haufen von Schmutzwäsche zusammen, die überall herumlagen, und stopfte alles in den nächstbesten Schrank.
Peter lächelte seinen Bruder liebevoll an. »Deine Wohnung ähnelt dir, John, wirkt also leicht ramponiert. Um es nett auszudrücken. Du würdest dich nicht wohl fühlen, wenn deine Wohnung nicht wie nach einem Bombenangriff aussähe. Ich glaube kaum, dass die von InStyle ein Sonderheft darüber herausbringen. Aber ich komme gern mal vorbei und sehe, was sich machen lässt. Es müsste allerdings schon allerhand Neues sein, denn das Zeug, das du jetzt hast, kannst du auf den Müll schmeißen.«
John versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass ihn die Bemerkung seines Bruders verletzte. Doch das wollte ihm nicht so recht gelingen, noch dazu, wo er schon die Stichelei mit dem großen Hintern hatte wegstecken müssen. »Willst du damit andeuten, dass ich ein Penner bin? Mann, also heute bist du aber großzügig mit Beleidigungen, Bruderherz.«
Peter nahm einen Schluck Bier. »Nicht direkt ein Penner. Du bist eben nicht gerade der Fleisch gewordene GQ-Traummann. Ich würde sagen, du siehst eher aus, als hättest du für das neue Hell’s-Angels-Poster Modell gestanden.«
»Auf dem Gericht trage ich einen Anzug.«
»Mag sein, aber du siehst immer irgendwie zerknittert und unordentlich aus. Diese Lederjacke, die du da anhast, hat zum Beispiel schon mal bessere Tage gesehen. Und im Übrigen ist sie total aus der Mode.«
John starrte seinen Bruder an, als wären dem plötzlich zwei Köpfe gewachsen. »Ich liebe meine Jacke! Was soll damit sein?«
»Na, nichts, wenn man gern einen auf Indiana Jones macht, schätze ich. Wieso schaust du nicht mal bei Goldman’s vorbei und lässt dir von Annie ein paar neue Anzüge raussuchen. Sie hat einen ausgezeichneten Geschmack.«
John ließ sich Peters Vorschlag durch den Kopf gehen. Da war was dran. Er besaß zwar zwei anständige Anzüge, aber die wirkten tatsächlich allmählich ein bisschen abgetragen. Seine Bomberjacke jedoch würde er nie aufgeben. »Ich werd’s mir überlegen. Hab Annie seit ihrer Hochzeit nicht mehr gesehen.«
Peter, der pure Romantiker, seufzte nostalgisch. »Sie war eine wunderschöne Braut, findest du nicht? Und Tante Sophias Gesicht, als Annie in diesem Hauch von Nichts zum Altar schritt, war allein schon das Kommen wert. Ich dachte, sie kriegt gleich einen Herzanfall. Annie hat mehr Mumm als die meisten Männer, die ich kenne.«
»Was nicht viel heißen will«, meinte John mit hochgezogener Braue. »Die meisten Männer, die du kennst, könnten etwas mehr Testosteron vertragen.«
»Und du bist bis zum Halskragen voll davon, und was hat’s dir gebracht? Nichts. Bist nach wie vor ledig und hast kaum Verabredungen, wenn’s stimmt, was Mom sagt. Und das Spatzenhirn zählt nicht, falls du das meinst.«
John verzog das Gesicht. »Entzückend! Erst Sophia, dann Mary und jetzt du. Ich bin von Möchtegern-Wohltätern umgeben, die mich auf dem Altar der Ehe opfern wollen. Was ist bloß in euch gefahren? Hab ich irgendwas verpasst?«
»Es ist einfach schön, jemanden zu haben, mit dem man alles teilen kann, Johnny. Mein Leben ist jetzt, nachdem ich Eric habe, um so vieles erfüllter. Wir verstehen uns blind, wir sind verwandte Seelen. Das ist es, was du brauchst, kein Busenwunder, das nicht mal einen anständigen Satz rauskriegt.«
»Noch ’ne Ehefrau ist das Letzte, was ich brauche. Ich bin nicht mal sicher, ob ich so bald wieder eine ernste Beziehung haben will. Vielleicht nie mehr.« John schüttelte den Kopf. »Du vergisst wohl, was aus meiner ersten Ehe geworden ist.«
»Du und Grace, ihr habt einfach nicht zueinander gepasst. Du warst viel zu vernarrt in sie, um das zu sehen. Menschenskind, sie war ja nicht mal Italienerin!«
»Falls – und ich sage ausdrücklich falls – ich mich irgendwann einmal wieder ernsthaft auf jemanden einlassen sollte, dann bestimmt nicht auf irgendein karrieregeiles Luder, das buchstäblich über Leichen geht, um nach oben zu kommen.«
»Du darfst die Frauen nicht alle nach Grace Wilkinson beurteilen. Was sie dir angetan hat, war absolut abscheulich, ich weiß, John. Und ich weiß, dass du sehr darunter gelitten hast, aber du darfst dich nicht vor der Liebe verschließen, bloß weil du dir einmal die Finger verbrannt hast.«
John seufzte tief auf. »Also gut, wenn wirklich nicht alle Frauen wie meine eiskalte, berechnende Ex sind, wie kommt es dann, dass Gott jemanden wie Tante Sophia und Mom erschaffen hat? Das erklär mir mal. Diese Frauen wurden geschaffen, um jedem Mann auf Erden das Leben zur Hölle zu machen, einschließlich meiner Wenigkeit.«
»Du verurteilst das ganze Geschlecht wegen der Sünden einiger weniger. Sicher hat Gott leicht über die Stränge geschlagen, als er Tante Sophia und Mom erschuf. Aber bloß weil sie einen starken Willen haben und unerträglich dogmatisch sind, heißt das noch lange nicht, dass sie schlechte Menschen sind. Beide haben auch ihre guten Seiten.« Johns Braue zuckte in die Höhe, und Peter grinste. »Frag mich bloß nicht, welche.«
»Versteh mich nicht falsch, Peter. Ich liebe Mom. Aber bei dem Gedanken, mit jemandem wie ihr verheiratet zu sein, schüttelt mich das kalte Grausen. Schau dir nur an, was sie mit Dad macht. Dauernd hackt sie auf ihm rum, dauernd belehrt sie ihn, was er zu tun und zu lassen hat, was er denken, wie er sich anziehen, wie viel er essen soll. Er muss sich ständig wehren, oder sie verschlingt ihn mit Haut und Haar. Und nicht mal das scheint ihm in letzter Zeit viel auszumachen.«
»Er und Mom liegen sich ununterbrochen in den Haaren, aber am Ende gibt er meist klein bei. Er ist halt nicht stark genug, um’s mit ihr aufzunehmen«, fasste sein Bruder zusammen.
»Ja, wer ist das schon? Conan der Barbar?«
»Du. Und genau deshalb hackt sie unentwegt auf dir rum, deshalb rennt ihr beiden euch die Köpfe ein. Michael macht’s da schon geschickter. Er gibt Moms Nörgeleien nach und lässt ihr ihren Willen. Zumindest lässt er sie in diesem Glauben.«
»Mike war von klein auf ein Arschlecker und Arschkriecher.«
Peter grinste anzüglich. »Und da ist er nicht der Einzige, Bruderherz, obwohl wir damit wahrscheinlich nicht dasselbe meinen.«
»Igitt, Peter!« John warf mit einem Kissen nach seinem Bruder und brach dabei in Lachen aus. »Du bist ein richtig perverser kleiner Mistkerl, weißt du das?«
»Ja, das sagen alle.«
Angela, den Telefonhörer in der einen, die Kaffeetasse in der anderen Hand, hörte Mrs. Matuci zu, einer neuen Klientin, die ihr gerade von den schlimmen Dingen erzählte, die man der Liebe ihres Lebens, bei der es sich zufällig nicht um Mr. Matuci handelte, angetan hatte.
»Ich will sie verklagen, diese Mistkerle, Miss DeNero. Sie sollten sich mal anschauen, wie mein Hector aussieht. Die haben ihm eine Glatze geschoren! Wie soll er sich jetzt noch in der Nachbarschaft blicken lassen? Er ist zutiefst gedemütigt, sobald wir einen Fuß auf die Straße setzen. Französische Pudel sind sehr empfindlich, was ihr Äußeres betrifft. Und die Nachbarn starren mich an, als war ich ’ne Rabenmutter. Ich kann nicht mehr. Ich sag’s Ihnen, ich will die von Doggie Delight verklagen, dass es sich gewaschen hat. Die sollen bezahlen für das, was sie meinem Hector angetan haben.«
»Hat man Ihnen einen Grund genannt, warum man Hector ohne Ihre vorherige Zustimmung kahl geschoren hat? Vielleicht hatte er ja eine Hautkrankheit.« Angela nahm sich insgeheim vor, mit Winston nie zu Doggie Delight zu gehen, nicht dass Win viele Haare hätte, aber ...
»Ich hab ihn zum Waschen und Scheren hingebracht, so wie immer. Hector ist halt ein sehr gepflegter Pudel und muss mindestens einmal im Monat zum Nachschneiden. Aber als ich ihn abholte, war er ganz kahl! Überall war seine rosa Haut zu sehen. Ich bin in Tränen ausgebrochen, sag ich Ihnen. Er sah so ... so gedemütigt aus.
Die von Doggie Delight behaupten, sein Fell war ganz verfilzt gewesen, man hätte es unmöglich durchkämmen können. Aber ich sag Ihnen, das ist nicht wahr. Mein Hector ist ... war ...«, sie schniefte mehrmals laut in den Hörer, »... ein schöner Hund. Er hat apricotfarbenes Fell, wissen Sie.«
In diesem Moment tauchte Wanda in ihrer Gemeinschaftspraxis auf, blieb kurz in der Tür von Angelas Büro stehen und flüsterte laut: »Ich dachte, ich wäre die Einzige, die auch samstags arbeitet.« Angela lächelte schulterzuckend und widmete sich dann wieder ihrer verzweifelten Klientin.
»Warum bringen Sie Hector nicht mal mit in mein Büro, Mrs. Matuci? Ich möchte mich mit eigenen Augen von seinem Zustand überzeugen, erst dann kann ich entscheiden, ob sich eine Klage lohnt oder nicht.«
»Natürlich lohnt sich eine Klage. Das ist Tierquälerei! Es gibt doch heutzutage diese Hundepsychiater. Wir könnten einen davon bitten zu bezeugen, dass mein Hector physisch und psychisch misshandelt wurde. Er lässt jetzt dauernd sein Köpfchen hängen und trabt nicht mehr stolz wie ein König herum, wenn ich ihn Gassi führe. Es bricht mir das Herz, sag ich Ihnen. Diese Leute sollten sich schämen – und so was nennt sich Hundesalon.«
Angela hörte den Pudel im Hintergrund jämmerlich winseln und Mrs. Matuci, die ihn zu beruhigen versuchte. Da sie selbst Hunde über alles liebte, konnte sie den Schmerz dieser Frau nachfühlen. Sie würde auf jeden losgehen, der versuchte, Winston auch nur ein Haar zu krümmen.
Hunde waren absolut treu, ganz im Gegensatz zu einem gewissen Rechtsanwalt, den sie nennen könnte. Sie hatten keine Vorurteile und liebten bedingungslos.
Sie kannte eine Menge Männer, die sich an Winston Aloysius DeNero ein Beispiel nehmen könnten.
»Könnten Sie gleich mit dem Hund vorbeikommen, Mrs. Matuci?«, bat sie. »Ich bin ungefähr noch eine Stunde im Büro.«
»Wir sind gleich da. Fünf Minuten, höchstens zehn!«
Nachdem Angela der Frau versichert hatte, dass sie auf sie warten würde, legte sie auf, lehnte sich in ihrem schwarzen Ledersessel zurück und starrte abwesend aus dem Fenster. Dunkle Wolken ballten sich am schiefergrauen Himmel zusammen; es sah nach Regen aus. Der Tag war ebenso trübe und düster wie ihre Stimmung.
Angela hatte viel nachgedacht seit jener gestrigen schockierenden Entdeckung, aber die einzige feste Entscheidung, die sie getroffen hatte, war, das Kind zu behalten. Es war eine reine Herzensentscheidung und hatte nichts mit dem Verstand zu tun.
Angela wollte Kinder, hatte sich immer welche gewünscht, halt nur nicht so bald und nicht ohne einen Ehemann. Aber irgendwie würde sie schon damit fertig werden, irgendwie würde sie es schaffen.
Wie, das war ihr allerdings momentan ein Rätsel.
Aber sie war es gewöhnt, die Erwartungen der anderen zu erfüllen, ja zu übertreffen, zuerst auf dem College, dann auf der Uni. Wieso also nicht auch auf der Universität des Lebens, der Schule der Nackenschläge? Ihr Vater hatte ihr schon früh beigebracht, dass man mit Fleiß und harter Arbeit alles erreicht, alles, was man will, solange man hart genug dafür arbeitet. Für eine fest entschlossene Frau gibt es kein Hindernis, hatte Sam DeNero seiner Tochter eingeschärft.
Und das genau war ihr Lebensmotto.
Angela hatte nicht vor, sich von dieser Entwicklung aus der Bahn werfen zu lassen. Sie würde einfach noch härter arbeiten, noch fleißiger sein. Sie war genügsam, tüchtig und beruflich erfolgreich. Sie brauchte keinen Mann, ganz besonders keinen untreuen. Sie und das Baby würden es prima allein schaffen.
Im Übrigen gab es in ihrem Leben keinen Platz mehr für weitere Komplikationen. Bei diesem Gedanken tauchte unvermittelt John Francos Gesicht vor ihr auf, doch sie verdrängte es sofort wieder. Er hatte ihr seine Freundschaft angeboten; und sie brauchte einen Freund, nicht mehr und nicht weniger. Das Leben hatte die deprimierende Angewohnheit, Highschoolträume dahinschwinden zu lassen wie Schnee in der Sonne.
Die bevorstehende Ankunft ihrer Eltern brachte schon genug Komplikationen mit sich. Sie musste Sam und Rosalie anrufen, musste sie fragen, wann sie kämen. Aber nicht jetzt. Im Moment hatte sie genug am Hals.
»Klopf, klopf«, sagte Wanda, im Türrahmen stehend, und strahlte sie mit ihrem 100-Watt-Lächeln an. »Darf ich reinkommen, oder bist du gerade an einem wichtigen Fall dran? Du scheinst mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Ist alles in Ordnung? Kann ich irgendwas für dich tun?«
Angela winkte ihre Freundin herein. Diese trug, wie sie selbst auch, Freizeitkleidung, Jeans und ein Sweatshirt. Sie hatte zwar die Absicht, sich ihrer Freundin anzuvertrauen, aber noch nicht jetzt. Wanda würde ihr helfen wollen und ihr deshalb jede Menge gute Ratschläge geben, und Angela war sich nicht sicher, ob sie die zurzeit hören wollte.
»Mrs. Matuci kommt gleich mit ihrem kahl geschorenen Pudel vorbei«, erklärte sie, was Wanda prompt ein Grinsen entlockte.
»Jetzt ist mir klar, warum du alles stehen und liegen lassen musstest, um an einem Samstag ins Büro zu kommen.«
»Ich wollte an dem Gallagher-Fall weiterarbeiten.«
»Charles Rothburg ist ein Halunke«, erklärte Wanda, wobei ihr Lächeln einem besorgten Ausdruck wich. »Sei vorsichtig, Angela. Man erzählt sich alles Mögliche über seine Methoden. Rothburg hasst es zu verlieren und spielt oft mit gezinkten Karten. Der macht vor nichts Halt, um zu gewinnen.«
»Danke für die Ermutigung, aber ich glaube nicht, dass es Grund zur Sorge gibt. Rothburg wird von Tony Stefano und John Franco vertreten; die haben den Ruf, ehrlich und integer zu sein. Ich bezweifle, dass er mit irgendwelchen zwielichtigen Manövern durchkommt. Als Anwalt muss er sich an dieselben Regeln halten wie wir.«
Bei der Erwähnung von John Franco leuchteten Wandas Augen auf. »Haaach, dieser John Franco, das ist ein Mann! Den würde ich nicht von der Bettkante schubsen. Der ist erste Sahne, das Beste vom Besten, Mädel.«
»Ist mir noch nie aufgefallen.«
»Du lügst! Man muss schon mausetot sein, um seine blauen Augen und die breiten Schultern nicht zu bemerken. Der Mann könnte sich als lineman bewerben. Und von seinem Brustkasten will ich erst gar nicht anfangen. Schweig stille, mein Herz!« Wanda fächelte sich mit der Hand Luft zu. »Mann, mir wird’s schon heiß, wenn ich nur an ihn denke.«
Angela unterdrückte ein Lächeln. »Na gut, dann ist es mir auch aufgefallen. Aber nur widerwillig. Wir waren sogar zusammen auf der Highschool, aber er hat mich nie beachtet.« Zumindest hatte sie das geglaubt. Und jetzt, wo’s zu spät war, gab er zu, in sie verknallt gewesen zu sein.
Warum kamen die besten Sachen immer zur ungünstigsten Zeit?
»Wahrscheinlich wird John Franco Vertreter der anderen Partei – Tony Stefano liegt im Krankenhaus und erholt sich von einem Herzanfall –, also ist es wichtiger denn je, dass ich meinen Verstand beisammenhalte. Ich habe gehört, er soll gut sein ... als Anwalt«, fügte sie bei Wandas dreckigem Grinsen hinzu.
»Im Bett auch, wie man so hört. Diese Rezeptionistin, Danielle Johnson, die für McKinley/Peters arbeitet, sagt, er wäre unglaublich, der Beste, den sie je hatte. Und lass dir eins sagen, Schätzchen, Danielle hat mehr Männer gebumst als ein Karnickel auf Viagra.«
Kein Wunder, dass er zwei Dutzend Kondome braucht, dachte Angela und merkte, wie ihr Herz zu hämmern begann.
»Was ist mit Kyle?«, erkundigte sich Angela. »Ich dachte, du wärst bis über beide Ohren in den attraktiven Doktor verliebt. Einen Mann, der aussieht wie Denzel Washington, darf man sich nicht durch die Lappen gehen lassen. Finde ich jedenfalls.«
»Ich bin noch mit Kyle zusammen. Ich weiß bloß nicht, wie weit ich gehen soll. Ihm ist alles so ernst.«
Angela zog verwirrt die Brauen zusammen. »Aber ich dachte, ihr schlaft miteinander.«
»Tun wir auch. Ich meine damit, wie weit wir gefühlsmäßig gehen sollen. Sex ist ... na ja, bloß Sex. Und obwohl er gut im Bett ist, weiß ich nicht, ob ich noch weiter gehen will.«
Sie schliefen miteinander. Wie weit konnte man noch miteinander gehen?
In diesem Moment klopfte es an der Tür, und Angela blieb eine Antwort erspart. Eine weibliche Stimme rief: »Huuhuu, Miss DeNero, ich bin’s ... Carmen Matuci. Ich habe Ihnen meinen Hector mitgebracht.« Wie versprochen war die Gute innerhalb von zehn Minuten da.
»Kommen Sie rein.« Angela winkte die ganz in pink Polyester gekleidete Frau herein. Sie verkniff sich ein Aufkeuchen, als sie den Hund sah. Die arme Kreatur war tatsächlich total kahl. Sein Fleisch war deutlich zu sehen, ebenso Schnitte und Abschürfungen auf der Haut. Nicht einmal das mit Kunststeinen besetzte Hundehalsband konnte etwas an seinem erbärmlichen Aussehen ändern.
Zorn rötete ihre Wangen. »Mrs. Matuci ... Hector.« Der Hund wandte den Kopf ab, als würde er sich schämen.
Wanda, die vor den meisten Tieren eine Heidenangst hatte, suchte eilig das Weite. Angela bat derweil ihre bekümmerte Klientin, ihr gegenüber am Schreibtisch Platz zu nehmen.
»Da sehen Sie’s«, sagte Mrs. Matuci, die Wandas hektischen Abgang verfolgt hatte. »Diese Frau hat Angst vor meinem Hector. Sie hält ihn für eine Art Monster.«
»Wanda fürchtet sich vor jedem Hund. Das hat nichts mit Hector zu tun. Und jetzt erzählen Sie mir alles, Mrs. Matuci, und lassen Sie nichts aus.« Wenn es etwas gab, was Angela beim besten Willen nicht ertragen konnte, dann war es Tierquälerei. Und Hector war offenbar gequält worden, daran bestand kein Zweifel. Jetzt galt es nur noch herauszufinden, ob es vorsätzlich oder versehentlich geschehen war.
»Ich muss Ihnen wohl nicht erst sagen, wie wichtig diese Anhörung für uns ist«, sagte Charles Rothburg zu John und tätschelte dabei tröstend die Hand seiner Frau. Dann rückte er seine rote Seidenkrawatte zurecht, die ebenso schief saß wie seine Moralbegriffe.
»Es stimmt, Sharon hat einen Fehler gemacht, als sie Matthew ihrem Exmann überließ. Aber wie ich bereits Tony erklärt habe, hatte sie von Anfang an vor, ihn wieder zu sich zu holen. Das Kind bei Dan Gallagher zu lassen sollte nie etwas anderes als eine vorübergehende Lösung sein.«
John, der über seinen Schreibtisch gebeugt dasaß und sich die Ausreden anhörte, die Rothburg für das unentschuldbare Verhalten seiner Frau vorbrachte, hätte am liebsten die Augen verdreht. Was für ein Mist. Er glaubte dem Kerl kein Wort. Diese beiden hatten einander verdient, so viel stand fest.
Charles Rothburg wusste sein Geld zu zeigen. Sein anthrazitgrauer Armanianzug hatte bestimmt mehr gekostet, als die Nationalschulden bestimmter Drittweltländer betrugen. Seine Frau trug ein konservatives marineblaues Schurwollkostüm mit Goldknöpfen. Ihr blondes Haar war ebenso konservativ frisiert, und an ihrer linken Hand prangte ein funkelnder Diamantring. Sharon Rothburg war eine attraktive Frau, wenn auch kühl und distanziert, als würde sie ihrem Mann zuliebe nur so tun als ob. Sie war das glatte Gegenteil von seiner Kusine Mary, einer warmen, lustigen und gutherzigen Person.
Wieso übernehme ich diesen Fall?, fragte sich John wohl zum hundertsten Male.
Weil Tony dich braucht, lautete wie ein Mantra die Antwort.
Man brauchte kein Genie zu sein, um zu wissen, wieso Charles Sharon Gallagher geheiratet hatte. Sie war mindestens fünfundzwanzig Jahre jünger als er und erfüllte alle Anforderungen an eine Trophäengattin. Und warum sie ihn geheiratet hatte, lag ebenso auf der Hand. Rothburg war einer der reichsten Anwälte von Baltimore ... nein, besser von ganz Maryland.
»Ich will Ihnen nichts vormachen, Mr. und Mrs. Rothburg. Ich bin nicht gerade glücklich über diesen Fall. Ich habe das Gefühl, in einem Interessenkonflikt zu stehen, weil Mary Gallagher meine Kusine ist. Aber Richter Baldridge hat eine Terminverschiebung leider abgelehnt. Und nachdem mein Partner nach einer Herzoperation im Krankenhaus liegt, bleibt mir wohl keine andere Wahl. Falls Sie sich jedoch nach einem anderen Rechtsbeistand umsehen möchten, würde ich das verstehen ...«
Rothburg schüttelte den Kopf. »Ihnen geht der Ruf eines Gewinners voraus, Mr. Franco. Und ich will gewinnen. Wir wollen uns in diesem Fall von keinem anderen vertreten lassen, und ich weiß, dass Sie sich nicht von persönlichen Gefühlen beeinflussen lassen werden. Meine Frau und ich haben vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten. Ihre Offenheit schätzen wir.«
Nicht die Antwort, die er sich erhofft hatte. John seufzte. »Stimmt das, Mrs. Rothburg? Sind Sie derselben Meinung wie Ihr Mann?«
Sharon Rothburgs Lächeln wirkte ein wenig leer. »Was immer Charles für richtig hält, soll auch mir recht sein. Er kennt sich in diesen Dingen bestens aus. Er wird genau die erforderlichen Entscheidungen treffen, das weiß ich. Und wenn er Sie haben will, Mr. Franco, bin ich damit einverstanden. Ich habe nichts gegen Mary Gallagher. Ich bin ihr dankbar, dass sie meinem Sohn ein gutes Zuhause gegeben hat. Ich will Matthew nur wiederhaben. Ein Kind gehört zu seiner Mutter.«
»Ich sollte Sie warnen, Mrs. Rothburg, die Anwältin der Gallaghers wird alles tun, um Sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Sie haben Ihren Sohn verlassen und sind mit einem zehn Jahre jüngeren Mann durchgebrannt. Und Sie haben nie auch nur ein einziges Mal versucht, mit Ihrem Sohn Verbindung aufzunehmen. Das spricht nicht gerade für Sie.«
»Ich war in dieser Zeit einfach nicht ich selber, Mr. Franco. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch, hatte das Gefühl, mein Leben wäre mir völlig entglitten. Mein Beruf als Lobbyistin ist sehr stressig, und das Scheitern meiner Ehe hat mich hart getroffen.«
Nicht hart genug, um dich davon abzuhalten, dir einen jungen Hengst zu nehmen, dachte er, einen Blick in seine Notizen werfend. »Soweit ich weiß, waren Sie und Mr. Gallagher zu dem Zeitpunkt, als Sie Ihren Sohn verlassen haben, bereits vier Jahre geschieden.«
»Verlassen ist ein ziemlich starkes Wort, Mr. Franco, oder nicht?« Der Ältere funkelte den jüngeren Anwalt hinter seinem Schreibtisch zornig an.
John zuckte mit keiner Wimper. »Sie haben genug Erfahrung in Fällen wie diesen, um den Jargon zu kennen und auch die Vorwürfe und Anklagen, die sich Ihre Frau wird anhören müssen. Wenn Sie diesen Fall durchziehen wollen, dann gewöhnen Sie sich besser gleich an die nüchternen Realitäten.
Ich bin nicht für die Umstände verantwortlich, Mr. Rothburg, aber Sie können sicher sein, dass Miss DeNero diese Tatsachen vor Gericht weidlich ausschlachten wird.«
»Was wissen Sie über Angela DeNero?«, erkundigte sich der ältere Anwalt mit kalter Verachtung im Blick.
John zuckte die Schultern. »Ich bin vor Gericht noch nie gegen sie angetreten, falls Sie das wissen wollen. Aber Miss DeNero steht in dem Ruf, eine ziemlich harte Gegnerin zu sein. Der entgeht so schnell nichts. Offen gesagt, ich bin beeindruckt.« Und nicht bloß von ihrem Verstand.
Angela besaß trotz ihrer Intelligenz, ihres scharfen Verstands und ihrer Kompetenz als Anwältin eine weiche, verletzliche Seite, der er sich nicht entziehen konnte. Das war auch der Grund dafür, warum er ihr seine Freundschaft angeboten hatte. Zweifellos wurde sie mit diesem Schicksalsschlag irgendwie fertig, aber dass sie so etwas ganz allein bewältigen sollte, fand er unfair.
»Das Gleiche sagt man über Sie, Mr. Franco.« Rothburg lehnte sich etwas zurück und verwob die Finger über seiner Brust. »Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«
John konzentrierte sich wieder auf die derzeitigen Notwendigkeiten. »Ich werde mein Bestes tun, das ist alles, was ich versprechen kann. Aber ich erwarte im Gegenzug vollkommene Ehrlichkeit von Mrs. Rothburg. Wenn wir diesen Fall gewinnen wollen, muss ich alles wissen.« Er musterte die Frau aufmerksam.
»Ich muss Einzelheiten über Ihre Ehe wissen, über Ihre Scheidung, wie Ihr Mann mit Ihrem Sohn umging.«
»Dan war ein guter Vater, wenn auch nur selten zu Hause.«
»Deshalb hat man Ihnen das volle Sorgerecht zugesprochen, ist das korrekt?«
Sharon nickte. »Dan dachte, weil er so oft unterwegs ist, wäre es besser für Matthew, wenn er bei mir bleibt. Deshalb hat er auf das Sorgerecht verzichtet.«
»Dann hat er also das Wohl seines Sohnes vor sein eigenes gestellt?«
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Dan ist ein Ausbund an Tugend, und ich bin ein herzloses Luder.«
»Sharon, so darfst du nicht reden. Das hat Mr. Franco bestimmt nicht gemeint.« Rothburg starrte John durchdringend an, doch der Jüngere ignorierte den Wink mit dem Zaunpfahl.
»Es spielt keine Rolle, was ich denke, Mr. Rothburg. Wenn die Leute hören, was passiert ist, werden sie Ihre Frau für herzlos und selbstsüchtig halten, gar nicht zu reden von ihrer Qualifikation als Mutter. Es wird einer ganzen Menge von Erklärungen bedürfen, um das wieder hinzubiegen. Richter Baldridge hat selbst acht Kinder. Muss ich noch mehr sagen?«
»Ich erwarte von Ihnen, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun, um diesen Fall zu gewinnen, Mr. Franco. Egal, wie viel es kostet oder was Sie tun müssen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
John lächelte schmal. »Kristallklar. Aber ich will Ihnen gleich sagen, dass ich nichts Ungesetzliches tun werde.«
Der Ältere tat, als wäre er schockiert. »Darum hat Sie auch keiner gebeten, Mr. Franco. Aber ich möchte, dass Sie sich mit Leib und Seele diesem Fall verschreiben. Ich will, dass Sie zweihundert Prozent geben. Weniger wäre inakzeptabel.«
Sharon legte eine beruhigende Hand auf den Unterarm ihres Gatten und lächelte entschuldigend. »Ich bin sicher, dass Mr. Franco auf unserer Seite steht, Charles. Du musst nicht betonen und ihm vorschreiben, was du von ihm erwartest.«
Sie erhob sich und hielt John ihre Hand hin, der sie pflichtschuldigst drückte. »Ich habe vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, Mr. Franco ... John. Charles und ich stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung, stimmt’s, Liebling?«
John kam fast der Magen hoch, während er dem frisch verheirateten Paar, das jetzt ging, nachstarrte.
»Herrgott, Tony! In was zum Teufel hast du mich da bloß reingeritten?«
In nichts Gutes. So viel war sicher!