Читать книгу Ein Anwalt zum Verlieben / Süße Lügen - Millie Criswell - Страница 14

8 Was kommt raus, wenn man einen Anwalt mit einem Anwalt kreuzt? Gar nichts. Manche Dinge lässt nicht mal die Natur zu.

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»Ich bereue es, dass ich mich von dir dazu habe breitschlagen lassen«, flüsterte Angela Wanda zu, die neben ihr in der Schlange stand. Sie warteten drauf, sich ihre Namensschildchen für das alljährliche Dinner der Anwaltskammer von Maryland aushändigen zu lassen. Angela graute es. »Ich hasse solche Veranstaltungen.« Wegen ihrer Schwangerschaft durfte sie nicht mal Alkohol trinken, um ihre Nervosität zu überspielen.

Allein die Vorstellung, sich all diese gähnend langweiligen Reden stocknüchtern anhören zu müssen, genügte, um einen Anfall von Katatonie auszulösen!

»Die sind nun mal ein notwendiges Übel, wenn man beruflich weiterkommen will«, bemerkte Wanda weise. »Also, lächle und tu so, als amüsierst du dich. Und streck die Brust raus, kann nie schaden. Du siehst übrigens umwerfend aus. Ich bin mir fast sicher, dass du heute Abend die Aufmerksamkeit irgendeines atemberaubend gut aussehenden Anwalts erregen wirst. Ich spür’s in meinen Knochen.«

Die Aufmerksamkeit eines atemberaubend gut aussehenden Anwalts habe ich bereits erregt, dachte Angela zerknirscht. John hatte gestern Abend angerufen, um sie zu diesem Dinner einzuladen, doch sie hatte abgelehnt.

Charles Rothburg, der neu gewählte Vizepräsident der Anwaltskammer, würde heute Abend auch hier sein, und sie wollte ihm keinen Vorwand bieten, sie vor Gericht in Misskredit zu bringen. Ihre Freundschaft mit John gäbe bloß Anlass für Spekulationen, und das wollte sie um jeden Preis vermeiden.

John war von ihrer Absage sehr enttäuscht gewesen, was ihr angeschlagenes Ego aus irgendeinem lächerlichen Grund, den näher zu betrachten sie weder den Mut noch die Lust hatte, beträchtlich aufpolsterte. Sie hatten über eine Stunde lang miteinander telefoniert, über alles und nichts geredet, so wie Freunde das eben tun, und sie hatte gemerkt, dass es ihr Freude machte, mit ihm zu plaudern.

»Ach, geh mir bloß mit deinem Voodoo, Wanda. Ich fühle gar nichts, außer dass ich hundemüde bin. Ich hätte nie so hohe Absätze anziehen sollen; meine Füße bringen mich um. Und mein Kleid ist auch zu kurz, finde ich.« Das schwarze Schlauchkleid stand ihr zwar sehr gut, war aber vermutlich degoutant kurz und wahrscheinlich auch zu eng, obwohl man ihr momentan von dem »glücklichen Ereignis« noch nichts ansah.

Aber bald. Und dann müsste sie sich Umstandskleidung zulegen. Doch sie hatte sich fest vorgenommen, nichts zu kaufen, was plissiert war oder was irgendwelche Schleifchen schmückten. Man musste schließlich nicht wie ein mutiertes Baby aussehen, bloß weil man schwanger war.

Wanda warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Schätzchen, wenn ich solche Beine hätte, würde ich mir um die Rocklänge am allerwenigsten Sorgen machen. Freu dich lieber, dass du Beine zum Herzeigen hast. Ich bin der Meinung, dass eine Frau ihre Vorzüge so vorteilhaft wie nur möglich zur Schau stellen sollte.« Wanda wies auf ihren üppigen Busen. »Na, ist das vielleicht ein Dekolleté? Damit hat mir so schnell keine was voraus. Und deines ist auch nicht übel.«

»Das sagst du doch nur, damit ich nicht sauer auf dich bin, weil du mich hergeschleppt hast. Und wieso sollte mir jemand nur die geringste Aufmerksamkeit schenken, wenn du daneben stehst? Du bist die personifizierte Erotik. Dieser Leopardenanzug steht dir einfach fantastisch.«

Seufzend überlegte Angela, dass sie selbst wohl nie den Mut aufbrächte, sich in Leopardenprint zu stürzen. »Ich bin wohl zu konservativ. Das Einzige, was mir einfällt, ist das klassische kleine Schwarze, und daran wird sich wohl nie was ändern.«

»Das liegt daran, weil du nicht gern im Vordergrund stehst, Schätzchen. Du solltest dich ein bisschen mehr trauen. Könnte deinem Selbstbewusstsein nicht schaden.«

Angela schluckte schwer, als sie das hörte. Und gerade weil es stimmte, war es ihr ziemlich unangenehm. Nein, sie hatte es nie gemocht, im Mittelpunkt zu stehen. Außer vor Gericht, vor einer Jury. Dann wurde sie zu einem weiblichen Matlock und war nicht mehr zu bremsen.

»Mein Selbstbewusstsein ist völlig intakt. Wie kommst du bloß auf diese Idee?« Wirkte sie etwa wie ein erbärmliches Häuflein Elend, ein hilfloses, unsicheres Wesen?

»Das war absolut nicht als Kritik gemeint, Angela. Ich will damit bloß sagen, dass, wenn mir mein Verlobter in der Weise abhanden gekommen wäre, mein Selbstbewusstsein leicht beschädigt wäre. Doch dazu hast du keinen Grund. Dieser Riesenidiot hat dir glatt einen Gefallen getan. Du findest noch den Richtigen, und zwar einen Besseren, wirst schon sehen.«

Angela rollte die Augen gen Himmel. »Wanda, du hörst dich ja schon an wie meine Mutter! Und das ist übel, lass dir das gesagt sein. Wieso glaubt nur jeder, dass eine Frau unbedingt einen Mann braucht? Gerade du solltest lieber die Klappe halten. Hast du mir nicht erst neulich gesagt, dass Kyle Stevens eure Beziehung für deinen Geschmack allmählich ein bisschen zu ernst nimmt?«

Bei der Erwähnung von Kyle breitete sich ein Ausdruck tiefster Zufriedenheit auf Wandas Gesicht aus. »Doch. Aber der Typ ist unglaublich gut im Bett. Seine Hände, seine Küsse – die reinste Magie, sage ich dir. Allein schon deshalb sollte ich ihn heiraten.«

»Wieso hat dich dann Kyle nicht begleitet?«

»Kyle kommt später, wenn der langweilige Teil vorbei ist, und bevor sie mit dem Tanzen anfangen. Den Fraß hier und das langweilige Gedöns wollte ich ihm ersparen.«

»Ich frage mich, was sie uns wohl vorsetzen werden.«

»Rinderbraten. Bei solchen Veranstaltungen gibt’s traditionsgemäß Rinderbraten. Rinderbraten oder Hähnchenbrust. Meiner Ansicht nach war jeder Hotelkoch irgendwann mal Schiffskoch bei der Marine, deshalb diese Folter.«

In diesem Moment tauchte ein Mitarbeiter der Anwaltskammer auf und führte sie an ihren Tisch. Er schien Anfang, Mitte zwanzig zu sein; Angela hielt ihn für einen Jurastudenten.

Der runde Tisch war für sechs Personen gedeckt und befand sich ziemlich genau in der Mitte des Ballsaals des Radisson Hotels. Sie waren die Ersten, die dort Platz nahmen. Über ihnen hingen etliche Kristalllüster, die den großen Raum in gedämpftes Licht tauchten. Auf der Bühne stand ein Mann und testete das Mikrofon, das ein durchdringendes Pfeifen von sich gab, als er darauf klopfte. Wanda legte ihre Handtasche auf den Stuhl neben sich, um den Platz für Kyle zu besetzen.

»Ich hoffe, man setzt uns nicht irgendeinen alten Knacker an den Tisch, der uns Vorträge über das Rechtssystem hält und wie es heutzutage vor die Hunde geht«, sagte Angela. »Oder noch schlimmer, irgendeinen Schönling, der sich für Gottes Geschenk an die Frauen hält.«

»Apropos Schönling«, stieß Wanda fast atemlos hervor, »schau mal, wer da auf uns zukommt. Also, das ist ein Mann, der sich zu kleiden versteht. Heiliger Strohsack! Meine Drüsen spielen verrückt.«

Angela, der Übles schwante, schloss unwillkürlich die Augen. Sie wollte gar nicht hinsehen, brauchte es auch nicht; so wie die Luft auf einmal um sie herum knisterte, konnte sie sich denken, was – oder wer! – Wanda die Pfützchen im Mund verursachte. Aber um ganz sicher zu gehen, öffnete sie vorsichtig ein Auge und hielt prompt die Luft an. John. John in einem Smoking. Er strahlte sie auf eine Weise an, dass ihr fast das Herz stehen blieb.

»Du siehst blendend aus, Angela. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass wir zusammensitzen«, sagte er und zog sich ohne weiteres den Stuhl neben ihr heran. Offenbar ging er davon aus, dass sie ohne männlichen Begleiter gekommen war. Was ja auch stimmte. Trotzdem – fragen hätte er schon können, ob der Stuhl nicht besetzt war.

Sicher war er nur aus Mitleid hier, hielt sie für ein erbärmliches Häufchen Elend. Wahrscheinlich hatte er sie deshalb überhaupt erst einladen wollen. Aus Mitleid. Umso besser, dass sie nein gesagt hatte. Jetzt war sie doppelt froh darüber.

Bloß weil sie ledig und schwanger war – na ja, vielleicht war sie wirklich ein erbärmliches Häufchen Elend, aber ...

Angela wollte gerade etwas sagen, als Wanda sich, die makellosen Beißerchen blitzend, an den »Schönling« wandte: »Ich bin Wanda Washington. Angela und ich teilen uns die Büroräume. Nett, Sie kennen zu lernen, John.«

»Angela hat gar nicht erwähnt, dass sie einen Partner hat. Welches Recht praktizieren Sie?«

»Ach, wir sind keine Partner. Wir teilen uns bloß die Kosten für die Räume und helfen uns gelegentlich bei dem einen oder anderen Fall aus. Mein Spezialgebiet ist Diskriminierung am Arbeitsplatz.«

»Interessant«, sagte er.

Zwei Anwälte, die Angela noch nie zuvor gesehen hatte, setzten sich in diesem Moment an ihren Tisch, und so konnte sie John für den Moment ignorieren und sich mit den Neuankömmlingen über so Interessantes wie das Wetter und rechtliche Themen unterhalten. Doch sie konnte nichts gegen die seltsame, fast magnetische Anziehung tun, die sie dazu zwang, ihre Aufmerksamkeit bald wieder dem gut aussehenden Mann an ihrer Seite zuzuwenden.

Er sah echt atemberaubend aus. Diese tiefblauen Augen hätten einen Gletscher zum Schmelzen bringen können.

Zu schade, dass die Dinge lagen, wie sie lagen. Selbst wenn sie nicht schwanger gewesen wäre, stünde der Sorgerechtsfall zwischen ihnen. Manche Dinge sollten halt einfach nicht sein.

John und Wanda unterhielten sich immer noch angeregt, und Angela lehnte sich zurück, um die Resonanz seiner tiefen, klaren Stimme zu genießen. Soeben gab er seiner Meinung zu einer kürzlich gefällten Entscheidung des Obersten Gerichts Ausdruck. Wirklich eine sehr angenehme Stimme, so stark und klar. Sie hatte keinen Zweifel, dass er sie vor Gericht zu seinem Vorteil nutzte. Oder wenn er einer Frau süße Nichtigkeiten ins Ohr flüsterte?

Klappe, DeNero! Klappe!

Wanda griff nach der Weinflasche, die der Kellner soeben auf ihren Tisch gestellt hatte, und begann jedermanns Gläser zu füllen. »Greifen wir ordentlich zu«, sagte sie. »Immerhin zahlen wir ja eine Menge dafür. Ist es zu fassen, dass die Anwaltskammer glatte fünfzig Dollar pro Nase für das hier verlangt? Die müssen doch tatsächlich glauben, dass wir von unserem Beruf leben können.«

Angela deckte ihr Glas mit der Hand zu, als Wanda Anstalten machte, ihr einzuschenken. »Für mich nichts, danke. Ich ... äh ... ich bin auf Diät.« Sie warf John einen flehentlichen Blick zu, der sofort verstand.

»Ja, Wein hat furchtbar viele Kalorien. Das kann dir niemand verübeln, dass du keinen willst.«

»Wie bitte? Aber du liebst doch Zinfandel. Jetzt komm schon, Angela. Bloß ein Glas. So dick macht Wein nun auch wieder nicht, und er hilft dir, dich zu entspannen. Du bist schon den ganzen Abend so nervös.«

»Ich brauche keine Entspannung. Und Wein ebenso wenig.« Warum ließ Wanda sie nicht in Ruhe?

»Also, da bin ich anderer Meinung. Jetzt sei ein braves Mädchen und hör auf Doktor Washington.«

»Lassen Sie es lieber, Wanda. Ich glaube nicht, dass Angela momentan Wein mag«, versuchte John die Situation zu retten.

»Sicher mag sie.«

Angela, die über die Begriffsstutzigkeit ihrer Freundin langsam ärgerlich wurde, holte tief Luft und stieß hervor: »Mir geht’s nicht so gut. Entschuldigt mich bitte.« Damit erhob sie sich.

John erhob sich ebenfalls, einen zutiefst besorgten Ausdruck auf dem Gesicht. »Brauchst du Hilfe?«

»Nein! Nein, danke.« Sie war ihm zwar dankbar für seine Unterstützung, hätte aber gleichzeitig vor Scham im Boden versinken können. Immerhin war dies das zweite Mal, dass ihr in seiner Gegenwart schlecht wurde. »Es geht schon.«

John starrte Angela nach, dann wandte er sich Wanda zu, die die überstürzte Flucht ihrer Freundin mit einem ratlosen Blick verfolgte. »Vielleicht sollten Sie ihr nachgehen, Wanda. Angela könnte eine Grippe haben oder so was.«

»Das hat sie neulich auch schon gesägt.« Ein misstrauischer Ausdruck trat in Wandas Augen. »Ja, vielleicht sollte ich wirklich mal nach dem Rechten sehen. Bestellen Sie ruhig noch eine Flasche Wein, John. Angela und ich sind gleich wieder da.«

Wanda fand Angela im Vorraum der Damentoilette. Sie saß auf einem Hocker vor dem Spiegel, bleich wie der Tod. Wanda stellte sich erschrocken hinter sie. »Schätzchen, du bist ja tatsächlich krank. Ich bringe dich sofort nach Hause.«

Angela schüttelte den Kopf. »Ich hab mich schon mal besser gefühlt, ja, aber als du mit dem Wein kamst, da ...«

Wanda setzte sich neben Angela und ergriff ihre kalte, klamme Hand. »Ich bin leicht verwirrt, Schätzchen, weil ich nicht glauben kann, dass du eine Grippe hast. Und wenn ich mir deinen dürren Hintern so betrachte, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass du auf Diät bist. Also bleiben nur noch zwei Möglichkeiten: Du hast irgendeine unheilbare Krankheit, oder du bist ...«

»Schwanger. Ich wollte es dir sagen, Wanda, aber ich musste erst mal selbst mit dem Gedanken klarkommen.«

Die dunklen Augen ihrer Freundin waren voller Mitgefühl und Verständnis. »Also deshalb wolltest du keinen Wein? Teufel aber auch, Mädel, ich gratuliere dir!« Wanda packte Angela und zog sie an ihren üppigen Busen. »Wie lange schleppst du dieses Geheimnis denn schon mit dir rum?«

»Ach, ein, zwei Wochen. Zuerst war ich mir nicht sicher. Dachte wirklich, ich hätte so was wie Grippe. Aber als es nicht besser wurde, habe ich mir einen von diesen Schwangerschaftstests gekauft, und das Ergebnis hat meine Befürchtungen bestätigt.«

»Warst du schon beim Gynäkologen?«

»Ich hab Montag früh einen Termin.«

»Gut. Du musst viel Vitamine nehmen, jede Menge Milch trinken und besser auf dich achten als bisher. Um wie viel Uhr musst du hin? Ich begleite dich.«

»Das würdest du wirklich tun? Ach, Wanda, ich ...« Angela schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus. Ihr hatte so davor gegraut, allein zum Frauenarzt zu gehen, was vielleicht auch der Grund war, warum sie so lange damit gewartet hatte. »Danke. Du bist eine wahre Freundin, und ich, ich hatte solche Hemmungen, es dir zu sagen. Kannst du mir verzeihen?«

»Da gibt’s nichts zu verzeihen. Willst du nach Hause? Ich kann Kyle anrufen und ihm sagen, dass wir unsere Pläne geändert haben.«

Angela wischte sich mit dem Handrücken die nassen Wangen ab. »Wag das ja nicht! Nachdem ich mit dir geredet habe, geht’s mir schon viel besser. Ich bin nur gestresst, das ist alles. John macht mich irgendwie nervös. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll und ...«

Wanda lächelte. »Na, wenn er eine solche Wirkung auf dich hat, ist zumindest mit deinen Hormonen alles in Ordnung. Du könntest es schlimmer treffen.«

»Das Letzte, was ich im Moment brauche, ist ein Mann, also komm gar nicht erst auf irgendwelche Gedanken, was John angeht. Wir sind nur Freunde. Ich und das Kind«, dabei klopfte sie sich auf den Bauch, »kommen gut allein klar.«

»Bestimmt, aber du solltest das nicht allein durchstehen. Meine Schwester hat drei Kinder. Ich weiß, wie schwer das ist. In deiner Situation brauchst du auf jeden Fall Unterstützung, Angela, Leute, denen du am Herzen liegst. Mir liegst du am Herzen. Und deiner Familie auch.«

»Sie wissen’s nicht.«

Dieses Geständnis schien Wanda zu überraschen. Angela hatte stets mit Hochachtung von ihren Eltern gesprochen. »Tja, wenn du denkst, dass sie sich nicht freuen werden, dann bist du bekloppt. Meine Schwester Charisse hat ihr erstes Kind von einem Typen bekommen, der ihr eigentlich einen Satz Reifen andrehen wollte. Sie hatte anfangs Angst, es meinen Eltern zu sagen, aber als sie dann hörten, dass das erste Enkelkind im Anmarsch ist, waren sie überglücklich. Sie waren zwar nicht gerade erfreut über die Umstände, aber sie haben sie unterstützt. Und das werden deine Eltern auch, wenn du’s ihnen sagst.«

Angela konnte Wandas Optimismus nicht recht teilen. Sam DeNero war nämlich mit äußerster Vorsicht zu genießen. Nicht, dass er sie je geschlagen hätte; das hatte er gar nicht nötig. Ein scharfer Blick genügte, und Angela kam sich vor wie ein Wurm.

»Danke, dass du mir eine so gute Freundin bist.« Sosehr sie ihre männlichen Freunde auch schätzte, es ging nichts über eine Freundin, der man unverblümt sein Herz ausschütten konnte.

»Ach, hör auf! Du bringst mich noch zum Heulen, und dann sehe ich aus wie ein Waschbär, wenn Kyle aufkreuzt. Apropos, wir sollten besser wieder reingehen. Ich hab einen solchen Hunger, dass ich Schuhsohlen fressen könnte.«

»Die man uns wahrscheinlich auch vorsetzen wird«, meinte Angela, schon wieder etwas fröhlicher, und gab Wanda einen Schmatz auf die Wange.

»Du hast ja kaum was angerührt, Angela«, sagte John und kratzte sein Schälchen mit Crème Brûlée aus. Sie hatte jetzt zwar wieder Farbe auf den Wangen, wirkte aber nach wie vor nervös, ja deprimiert, und das machte ihm Sorgen. »Geht’s dir wirklich besser?«

»Mir geht’s gut. Ich habe halt nur keinen Hunger.«

»Möchtest du tanzen? Wanda und Kyle scheint’s Spaß zu machen.« John beobachtete den hoch gewachsenen Schwarzen, der die ebenso farbige Wanda zu den Klängen von »Every breath you take« über die Tanzfläche schwenkte. »Für einen Doktor ist er sehr nett.«

»Du hast’s wohl nicht so mit den Ärzten?«

»Mein älterer Bruder ist Arzt, Kardiologe. Ich muss mir schon so lange ein Loblied auf die Ärzteschaft anhören, dass ich dagegen allergisch bin.«

»Ich verstehe. Die Geschwisterrivalität, von der du mir erzählt hast.«

Er nickte. »Und ich habe zugelassen, dass das mein Verhältnis zu Mike ruiniert, was ihm gegenüber nicht fair ist. Es ist schließlich nicht seine Schuld, dass er der Augapfel meiner Eltern ist. Ich bin derjenige, der lernen muss, damit umzugehen.«

»Eventuell solltest du mal mit ihm reden, ihm erklären, was in dir vorgeht.«

»Vielleicht werde ich das auch. Doch im Moment möchte ich von dir wissen, ob du mit mir tanzt oder nicht. Es ist zwar keine Countrymusik, aber einen Versuch ist es wert.«

Er möchte genau wie sie Countrymusik? Der Mann war einfach zu perfekt. Sie seufzte.

»John, normalerweise liebend gerne. Ich bin begeisterte Tänzerin. Aber ich finde halt, dass wir außerhalb des Gerichtssaals nichts miteinander zu tun haben sollten.«

Er streckte ihr die Hand hin. »Ach, komm schon. Ich verspreche dir, dich nicht auf der Tanzfläche zu verführen. Was geschieht, wenn ich dich für mich allein habe, steht allerdings auf einem anderen Blatt.«

Diese Deutlichkeit irritierte sie kurz, dennoch wurden ihre Wangen rot vor Freude. »Das wird nie geschehen, also gerate erst gar nicht ins Schwitzen.«

»Wieso nicht? Oder bist du mit jemandem zusammen? Nach dem, was du neulich sagtest, hatte ich nicht diesen Eindruck.«

»Das geht dich zwar nichts an, aber die Antwort lautet nein, bin ich nicht.« Und sie hatte auch nicht die Absicht, sich wieder auf eine Beziehung einzulassen, ganz besonders nicht mit ihm.

Was sie für John Franco empfand, war reine Wollust, nichts weiter, eine überwältigende physische Lust. Ihre letzte Beziehung war sie aus völlig falschen Gründen eingegangen; das sah sie jetzt ein. Sie hatte sich in eine Vorstellung von Bill verliebt, nicht in Bill selber. Und diesen Fehler wollte sie kein zweites Mal machen.

»Dann seien Sie sich mal nicht so sicher, dass es nicht passieren wird, Frau Rechtsanwältin. Ich bin ein sehr beharrlicher Mann. Und ich kriege gewöhnlich, was ich will.«

Wider besseres Wissen und auch weil sie sich schon die ganze Zeit gefragt hatte, wie es sich wohl anfühlte, in seinen Armen zu liegen, gab Angela nach. »Also gut, aber nur ein Tanz. Und schieb nicht mir die Schuld zu, wenn Charles Rothburg dich auf der Stelle feuert, weil du mit der Vertreterin der Gegenpartei das Tanzbein schwingst. Wenn’s um Fraternisierung mit dem Feind geht, hat er bestimmt die gleichen Ansichten wie ich.«

»Darüber mache ich mir keine Sorgen. Wenn’s Rothburg nicht gefällt, kann er ruhig zum Teufel gehen.«

»Du liebe Güte, Herr Rechtsanwalt, sind Sie vor Gericht auch so überzeugend und dynamisch?«

Sein freches Grinsen drückte unverhohlene Erotik aus. »Vor Gericht und auch an anderen Orten.« Mit diesen Worten führte John Angela auf die Tanzfläche, schlang den Arm um ihre Taille und zog sie an seine breite Brust.

Angelas Puls beschleunigte sich jäh. Sie konnte sich ziemlich gut vorstellen, was er damit meinte, und in seinen Armen zu liegen war geradezu himmlisch. »Du tanzt sehr gut«, lobte sie.

»Nur mit der richtigen Partnerin.«

»Flirten Sie etwa mit mir, Herr Rechtsanwalt?«

Er gluckste. »Verdammt richtig. Wird auch Zeit, dass du’s merkst.«

Sie zog verwirrt die Brauen zusammen. »Aber wieso?«

»Wieso was?«

»Wieso die Mühe? Du weißt doch, dass dabei nichts rauskommen kann. Ich bin schließlich schwanger, schon vergessen?«

Er zog sie fester an sich. »Du machst dir viel zu viele Gedanken. Hat dir das schon mal jemand gesagt? Genieße einfach den Augenblick und vergiss das Morgen.«

Ihr Lachen klang zynisch. »Ha! Das habe ich einmal versucht, und du siehst ja, was ich davon habe.«

»Du hast es halt nicht mit dem Richtigen versucht.«

Da endete die Musik, und ihr blieb eine Antwort erspart. »Danke für den Tanz. Ich sollte jetzt besser nach Hause fahren.«

John warf einen Blick auf Wanda und Kyle, die offenbar tief in ein Gespräch versunken am Tisch saßen. »Ich glaube, deine Fahrgelegenheit ist beschäftigt. Wieso lässt du dich nicht von mir heimbringen? Ich verspreche auch, dass ich ganz brav bin.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht ...«

»Ich kaufe uns auch noch eine Pizza, und wir können eine kleine Privatorgie feiern.«

Bei der Erwähnung von Essen knurrte Angela prompt der Magen. »Das ist unfair, um nicht zu sagen Bestechung!« Sie zwinkerte ihm zu. »Also gut.«

»Wie traurig, dass ein Mann eine Frau heutzutage mit Pizza bestechen muss, um sie rumzukriegen.«

Er zog dabei ein derart bekümmertes Gesicht, dass sie lachen musste und ihn bei der Hand nahm. »Dann komm, wir verabschieden uns ganz rasch von unserem Liebespärchen, denn ich habe plötzlich einen Mordshunger.«

»Ich kann keine Sekunde länger warten. Los, jetzt hol’s schon raus.«

John lachte und wünschte, Angela würde über Sex reden, nicht über Pizza. Er selbst konnte kaum an etwas anderes denken, als mit ihr zu schlafen, und wusste, dass er damit auf gefährlichem Territorium wandelte. Er hatte ihr seine Freundschaft angeboten, doch allmählich fragte er sich, ob das genügte. Er bezweifelte es stark.

»Mmmm. Das schmeckt einfach himmlisch.« Sie leckte sich Tomatensoße von jedem Finger ihrer rechten Hand, einen nach dem anderen, und ihm hüpfte bei dem Anblick lustvoll der Magen.

»Du bist die einzige Frau, die ich kenne, bei der sogar das Pizzaessen nicht jugendfrei aussieht.«

Sie wurde rot, hörte jedoch nicht auf zu essen. »Du sagst die komischsten Sachen, John.«

»Und alle wahr.« Er rutschte näher, wischte ihr mit der Fingerspitze ein Stückchen Käse von der Unterlippe und steckte es in den Mund. »Schmeckt sogar noch besser, wenn’s von deinen Lippen kommt.«

Angela, die das leidenschaftliche Aufblitzen seiner Augen bemerkte, hielt mitten im Kauen inne. »John, hör auf, mich auf den Arm zu nehmen«, ermahnte sie ihn in dem Versuch, den angespannten Moment zu überspielen. »Du bist der einzige Mann, den ich kenne, der mit einer Schwangeren flirtet.«

»Du siehst aber gar nicht schwanger aus, nur unheimlich sexy« Er nahm ihr das Stück Pizza aus der Hand und legte es auf den Tisch. »Ich werde dich jetzt küssen, also gerate nicht gleich in Panik.«

Sie schüttelte erschrocken den Kopf, doch er zog sie trotzdem an sich und unterband jeden Protest, indem er seinen Mund auf den ihren drückte.

Als hätte man ein Streichholz entzündet, flammte es zwischen ihnen auf. Johns Hände waren auf einmal überall, in Angelas Haaren, auf ihrem Rücken, auf ihren Brüsten, die er sanft knetete.

Angela kam dumpf der Gedanke, dass das, was sie da taten, nicht richtig war. Aber Himmel, es fühlte sich sooo gut an! Ach, und seine wundervollen Hände, seine Lippen. Es war ihr einfach alles egal.

Jedenfalls bis er den Reißverschluss ihres engen Kleides herunterzog. Dieses Geräusch brachte sie jäh wieder zur Vernunft. Mit weit aufgerissenen Augen fuhr sie zurück.

»Hör auf damit, John!«

»Ich will dich, Angela.«

Sie wollte ihn ja auch, aber sie war nicht dumm genug zu glauben, dass es mehr sein würde als ein One-Night-Stand, und darauf hatte sie keine Lust. Wenn – und falls überhaupt – sie sich wieder auf eine Beziehung mit einem Mann einließ, dann nur dauerhaft.

»Ich dachte, du wolltest, dass wir Freunde sind. Eine wenig dezente Art, seine Freundschaft zu zeigen.«

Zerknirscht ließ John sie los und fuhr sich durch die Haare. »Verdammt! Es tut mir Leid, Angela. Das wollte ich nicht. Meine Sicherungen sind schlicht durchgebrannt.«

Sie strich ihm besänftigend über die Wange. »Ich habe mich nie für den Typ einer Femme fatale gehalten, also danke für die Blumen. Aber mehr Komplikationen kann ich im Moment nicht vertragen und du ebenso wenig. Was mir fehlt, ist ein Freund, kein Liebhaber.«

Lügnerin!

Klappe, DeNero!

Er nickte. »Ich verstehe. Es wird nicht wieder vorkommen.«

Sie wurde richtig traurig, als sie das hörte. Aber es war am besten so. Trotzdem, sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie es wohl mit ihm ...

Klappe, DeNero!

»Alles in bester Ordnung, Angela«, sagte die Gynäkologin, Dr. Adams.

Theresa Adams war ihr von ihrer Ärztin in Boston empfohlen worden, und bis jetzt war sie nicht enttäuscht worden. Dr. Adams war jung, attraktiv und sehr kompetent. Auch besaß sie eine Art, die äußerst beruhigend auf ihre Patienten wirkte, was Angela besonders wichtig war.

»Sie dürften ungefähr in der achten Woche sein. Im Moment schwer zu sagen. Wir könnten einen Ultraschall machen, was ich derzeit jedoch für überflüssig halte. Nächsten Monat, wenn Sie wieder kommen, kann ich Ihnen mehr sagen.« Sie zog einen Rezeptblock aus der Tasche ihres weißen Arztkittels und kritzelte etwas darauf.

»Inzwischen sollten Sie diese Pränatalkapseln nehmen. Sie enthalten Follikelsäure, und das ist gut für das Baby. Ich werde Ihnen auch etwas gegen die Übelkeit verschreiben. Wenn irgendetwas Sie beunruhigt, zögern Sie nicht, mich anzurufen.«

Die Ärztin vereinbarte mit ihr den nächsten Termin und verließ dann den Raum. Angela stieß einen Erleichterungsseufzer aus. Erst jetzt merkte sie, wie viel Angst sie davor gehabt hatte zu hören, dass möglicherweise etwas nicht in Ordnung war. Aber es war alles gut, und trotz der Umstände, trotz der Probleme, die auf sie zukamen, beruflich wie privat, freute sie sich jetzt von ganzem Herzen auf dieses Kind.

Mit Freudentränen in den Augen drückte sie die Hand auf ihren flachen Bauch. Dort wuchs ein Baby heran, ein Kind, das groß werden und sie Mama nennen würde, ein Kind, das ganz allein ihr gehörte.

Sie glitt vom Untersuchungstisch und war gerade auf dem Weg zur Umkleidekabine, als ein kurzes Klopfen an der Tür ertönte. Wanda streckte ihren Kopf herein. »Die Ärztin meint, ich darf dir jetzt Gesellschaft leisten.«

»Komm rein. Ich bin gleich fertig.«

»Du klingst aufgeregt. Ist alles gut gelaufen?«

Angela zog den Vorhang beiseite und grinste breit. »Dr. Adams sagt, mit dem Baby ist alles in Ordnung. Wir wissen nur noch nicht genau, wann es kommt, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass es passiert ist, als ich das letzte Mal mit Bill zusammen war.«

»Du kommst mir froher und ruhiger vor.«

»Bin ich auch. Ich musste wohl von autorisierter Seite hören, dass das Ganze real ist, schätze ich. Und nun ist es das.«

»Tja, ich wüsste einen hervorragenden Kinderarzt, wenn es mal so weit ist.«

»Ich habe selbst schon an Kyle gedacht, will aber noch ein bisschen warten, bevor ich ihn frage. Erst mal muss ich’s meinen Eltern beibringen.« Zuerst diese Hürde, dann die Anwaltspraxis in der Beratungsstelle.

Sie war sich nicht sicher, was ihre Klienten, nicht wenige davon Katholiken, von einer ledigen Mutter als Anwältin halten würden. Italienische Katholiken waren nicht gerade liberal, wenn es um solche Dinge ging. Und dass man ihr eine unbefleckte Empfängnis abnehmen würde, bezweifelte sie stark.

»Meine Lippen sind versiegelt. Aber warte nicht zu lange. Du musst es ihnen sagen, denn jetzt wird’s nicht mehr lange dauern, und du kriegst ein Bäuchlein, und dein Körper verändert sich dramatisch. Du wirst dir bald ein paar zeltartige Kleider zulegen müssen und für darunter die klassischen Feinripp-Liebestöter.«

»He, gerade war ich noch so guter Laune. Willst du mich deprimieren?«

Wanda lachte über Angelas konsternierten Gesichtsausdruck. »Komm, wir nehmen uns den Rest des Tages frei und machen einen Einkaufsbummel. Wir können ein paar Umstandskleider für dich besorgen und vielleicht gleich ein paar Sachen für das Kind. Und danach lade ich dich zum Mittagessen ein. Ich werde die Adoptivtante dieses Kindes. Stell dir vor, was die Leute für Augen machen, wenn sie sehen, dass die Tante des Kindes eine Schwarze ist. Ich kann’s kaum erwarten.«

Angela lächelte. »Du bist verrückt, weißt du das?«

»Eine durchgeknallte Irre, Schätzchen, klar.« Wanda hakte sich bei ihr ein. »Komm. Du kannst mir auf dem Weg zum Einkaufszentrum alles über John, ›den Hengst‹, Franco und seine Leistungen auf der Tanzfläche erzählen.«

Angela merkte, wie ihr eine verräterische Röte den Hals hinaufkroch. »Wir hatten doch bloß einen Tanz. Wie soll ich da ein Urteil abgeben?« Was sie natürlich konnte, denn da war schließlich noch diese unglaubliche Knutscherei gewesen, und in dieser Hinsicht hatte »der Hengst« eine wahre Glanzleistung hingelegt.

»Du lügst ja! Dein Kopf ist rot wie eine vollreife Tomate. Ich tippe mal, der schöne Anwalt hat dich ein klein wenig aus der Fassung gebracht.«

Wie demütigend, dass es so offensichtlich war. Sie hätte nie mit John tanzen, geschweige denn, sich von ihm heimbringen lassen dürfen. Der Mann hatte magische Hände. Und Lippen.

Reiß dich zusammen, DeNero!

John Franco ist dein Gegner, stachelte Angela sich auf. Außerdem ist er ein Typ, der jede Frau haben kann und das auch weiß. Und sie ginge jede Wette ein, dass sein Interesse an einer Schwangeren, die schon bald Schwangerschaftsstreifen auf den Hüften und ein greinendes Kind an den Brüsten haben würde, schneller verginge, als sie ciao sagen konnte.

Ein Anwalt zum Verlieben / Süße Lügen

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